Die Geimpften-Erlöser
Ein ehemaliger Gemeindepädagoge fordert Christen auf, zur Spaltung der Gesellschaft nicht länger zu schweigen.
Im Himmel gilt „2G“. Jedenfalls könnte man diesen Eindruck gewinnen, wenn man sich das Verhalten vieler Christen in Corona-Zeiten anschaut. Da werden Menschen vom Gottesdienst ausgeschlossen, weil sie nicht über den erwünschten Impfstatus verfügen. Da werden Ungeimpfte von Weihnachtsfesten in der Familie ausgeladen. Und der Versöhnungsauftrag, den die Kirchen immer gegenüber den Gläubigen wahrgenommen haben, ist offenbar einem Spaltungsauftrag gewichen. Jesus heilte einen Aussätzigen, verbrüderte sich mit den Außenseitern der Gesellschaft; bei seinen „Nachfolgern“ ist teilweise nicht eine Spur von Mitgefühl, geschweige denn Solidarität mit den Opfern dieser modernen Hexenjagd zu erkennen. Mit dieser Politik riskiert die Kirche mehr, als nur ein paar ihrer Mitglieder zu verprellen — sie verrät den Kern ihrer Botschaft. Ein ehemaliger Gemeindepädagoge und Jugendmitarbeiter in Brandenburg will mit diesem Brief ein Zeichen zur Umkehr setzen.
von Markus Melke
Seit nun fast zwei Jahren schaue ich mir unsere gesellschaftliche Lage an. Ich lebe mittlerweile seit mehr als drei Monaten im Norden Europas und bekomme einen ganz anderen Einblick in die Corona-Situation, und wie dort die Menschen mit der Angst um die eigene Sterblichkeit umzugehen versuchen. Als Religionspädagoge liegt meine Kompetenz nicht im medizinischen Bereich, sondern der Fokus liegt auf dem Zwischenmenschlichen, und es geht um die großen Lebensfragen sowie unsere Bedeutung darin. Ich möchte nicht mehr schweigen, wenn ich Unrecht sehe, ich möchte nicht mehr schweigen, wenn Menschen diffamiert und für die „Hexenjagd“ freigegeben werden.
Von meiner Kindheit an bis zu meiner Jugendzeit in der Jungen Gemeinde wurde mir vermittelt, dass ich von Geburt an, von Gott gewollt, perfekt bin, genau so wie ich bin, körperlich wie geistig.
Ich bin seit mehr als einem Jahr Vater. Wenn man dieses Glück hat, den Beginn eines Menschenlebens mitzuerleben, dann wird einem schnell klar, welch ein Wunder dieses Leben ist.
Es geht hier aber um das perfekte Ineinandergreifen von allem, was uns ausmacht und uns umgibt. Die Behauptung, dass ich oder mein Kind nun im Jahre 2021 nicht mehr von Natur aus, beziehungsweise von Gott aus, perfekt geschaffen seien, kritisiere ich. Heute wird das Bild erzeugt, mein Kind und ich seien von Natur aus gefährlich, ja, wir seien sogar „Gefährder“.
Wir tragen etwas in uns, und nur die „heilige Medizin“ könne uns davon befreien. In meinem Studium der Kirchengeschichte kam so etwas Ähnliches vor, nur war die Rollenverteilung von Kirche und Medizin vertauscht.
In den Vorwendejahren war die Kirche in Ostdeutschland ein wichtiger Diskussionsort. Sie war der Austauschort für Menschen, hier konnten sie wertfrei und vorurteilsfrei sprechen. Wie steht es damit heute? Darf die Kirche mit regierungskritischen Menschen zu tun haben? Darf die Kirche Andersdenkenden, also denjenigen, die Kritik üben am öffentlichen Narrativ oder die zu anderen Entschlüssen kommen, überhaupt Platz geben? Ich frage mich: Welche Bedeutung haben die Kirche und die „Demokratie“ heutzutage?
Wo ist die christliche Stimme, wenn ganze Bevölkerungsgruppen, quer durch alle Gesellschaftsschichten, Bildungsstände, sozialen Schichten et cetera vom öffentlichen Diskurs einfach ausgeschlossen und mit negativen Attributen regelrecht überschüttet werden, ohne Anwalt, ohne Stellungnahme, ohne Mitgefühl!
Und nun ist die deutsche Gesellschaft schon so weit, dass ein „Buhmann“, ein Schuldiger und Prügelknabe ausfindig gemacht wurde: Menschen ohne Coronaimpfung. Es wird eine öffentliche Treibjagd veranstaltet, jegliche Vernunft oder auch nur der Ansatz von Würde ist hier verlorengegangen.
Wenn Menschengruppen pausenlos entwürdigt und entmenschlicht werden, führt das zu Gewalt. Die Geschichte lehrt uns das, aus vielen Kriegen und Folterkellern. Wer sich als Arzt oder öffentliche Person gegen den Regierungskurs stellt, läuft Gefahr, dass sein Haus durchsucht wird — als handele es sich um Terroristen — oder sogar die Stilllegung oder Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu erhalten. Eine mediale Diffamierungskampagne wird gestartet, die die Entwürdigung und Ausgrenzung von Menschen zur Folge hat.
Mit der 2G-Regel sind wir nun auch bei der Spaltung der Gesellschaft angekommen. Einige fordern sogar Hausarrest für Ungeimpfte. Nun soll zudem die von Politikern immer abgestrittene Impfpflicht kommen. Plötzlich wird uns das Recht genommen, über unseren eigenen Körper zu bestimmen. Was passiert hier??!!! Wo bleiben die Mahnungen der Kirchenvertreter? Wo sind die runden Tische? Wo ist der christliche Auftrag zur Versöhnung? Wurde sie durch die Verfluchung ersetzt? Stehen wir wieder vor Ausgrenzungen, vor Verfolgungen der „Unmenschen“, der „Schädlinge“ ja sogar der „Volksgesundheits- Schädlinge“? Wenn man manchen „Hardlinern“ folgt, und ich schreibe es nicht gern, muss man dann befürchten, ein mögliches Szenario könnte ein deutsches „Gulag“ sein? Wenn das Grundgesetz einfach ausgehebelt wird, das Parlament sich selbst entmächtigt und die Opposition zum Gleichschritt angesetzt hat — wo soll dies noch hinführen?
Steht die Welt Kopf? Ja, hat sie sogar den Verstand verloren wegen der „Angst vor dem Tod“?
Werden bald die Bilder gedruckt, wo Jesus mit einer Spritze „bewaffnet“ von Haus zu Haus geht und mit seinen Jüngern „Unwillige“ aus ihren Zimmern zerrt? Wann kommt die Meldung: „Je mehr Gewinne Biontech & Co einfahren, desto mehr zeigt sich, wie solidarisch diese Unternehmen sind!“?
Wir sehen in den letzten Jahren, wie das Menschenbild immer weiter mechanisiert wird. Die Vereinfachung und Beraubung der Seele und des Geistes des Menschen schreiten voran. Der Mensch verliert jegliche tiefere Dimension — die wir bis jetzt und vielleicht auch nie voll erfassen oder begreifen können. Die Schulmedizin sieht uns in ihrem verengten Blick schon lange nur noch als Maschine. Gerade das Narrativ der „Regierungs-Virologie“, und dass „der einzige Weg aus der Pandemie die mRNA-Impfung“ sei, zeigt, wie verkürzt und seelenlos diese Gedanken sind.
Sinnbildlich kann man sagen: „Man muss nur hier etwas dazugeben, da eine Schraube drehen, und — schwupps — läuft alles wieder rund.“ Der Mensch verfügt, wie auch jegliches andere Leben auf dieser Welt, über ganz andere Dimensionen des Daseins, und diese sind miteinander verwoben. Mein Körper interagiert mit meinem Geist und meiner Seele, wie auch umgekehrt. Erkrankt mein Geist an Angst, hat das Auswirkungen auf meinen Körper. Ist mein Körper tage- oder wochenlang in einer dunklen Zelle eingesperrt, hat das auch Folgen für meinen Geist, meine Seele und meinen Körper.
Ich bitte, den christlichen Auftrag von Versöhnung endlich ernst zu nehmen. Dieser medialen wie politischen Hetzkampagne muss endlich Einhalt geboten werden. Christen dürfen nicht schweigen, wenn Menschen separiert und entwürdigt werden. Alle Menschen sind vor Gott gleich, alle Menschen haben ein Recht auf Selbstbestimmung, ich fordere dies ein.
Freundliche Grüße
Markus Melke
ehemaliger Gemeindepädagoge und Jugendmitarbeiter in Südbrandenburg