Die Gehirnwäsche

Die strategische Kommunikation der NATO setzt auf Massenmanipulation.

In einem Informationskrieg vergiftet die Nato die Gehirne der Menschen systematisch mit ihrer Gewaltpropaganda. Sie manipuliert die Öffentlichkeit, indem sie sich nicht nur gegen das aktuell als staatlichen Hauptfeind auserkorene Russland sowie gegen den von ihr selbst in den Golfkriegen genährten Terror in Stellung bringt. Sie legt es auch gezielt darauf an, die Kräfte, die für den Frieden aktiv sind, als „feindliche Kräfte“ auf vielfältige Weise zu schwächen. Sie erkennt damit auch an, wie erfolgreich die Kräfte des Friedens wirken. Dies offenbaren NATO-Dokumente zum Thema „Strategische Kommunikation“.

Die erste große Essener Konferenz von Nato-Führungskräften und weiteren Angehörigen des militärisch-industriellen Komplexes im Herbst 2015 zeigte auf, wie wichtig den Nato-Kräften in Politik, Medien und Militär die gezielte Manipulation der Öffentlichkeit ist. Somit ist die Wahrheit schon lange vor dem Ausbruch eines Krieges das erste Opfer der Militärs.

Die aktuelle Ost-West-Spannung

Auf der Jahreskonferenz des Joint Air Power Competence Centre, JAPCC, 2015 in der Messe Essen hat die Nato das Thema der „Strategischen Kommunikation“ in den Fokus gestellt.

Diese nur durch Initiativen der Friedensbewegung bekannt gewordene Strategieberatung bettete sich in die Gründungsphase des „NATO Strategic Communications Centre of Excellence“, kurz NATO StratCom COE genannt, in Riga ein. Der Vorgang hängt also direkt mit der Nato-Osterweiterung zusammen, die die Eskalation der Spannung auf dem europäischen Kontinent bis heute anfeuert.

Nato-Kreise legitimieren die Osterweiterung damit, dass es demokratisch sei, Staaten den Beitritt zu gestatten, wenn sie dies wollen (1).

Doch das ist schon ein Element der Strategischen Kommunikation. Strategische Kommunikation ge- oder missbraucht Argumente, um bei dem Menschen eine erwünschte Meinung zu erzeugen.

Wir können das auch Manipulation nennen, also laut etymologischem Wörterbuch „gezielte Beeinflussung des Verhaltens anderer“, die laut Duden darauf abzielt, sich einen Vorteil zu verschaffen (2).

Der Wahrheit über die Nato-Osterweiterung kommen wir näher, wenn wir in die Zeit des sogenannten Beitritts der DDR zur BRD über den Vertrag zur „Herstellung der Einheit Deutschlands“ zurückgehen.

Am 31. Januar 1990, also acht Monate vor dem Vollzug der Einheit der beiden deutschen Teilstaaten, erklärte Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher in der Evangelischen Akademie Tutzing:

„Was immer im Warschauer Pakt geschieht, eine Ausdehnung des Nato-Territoriums nach Osten, das heißt, näher an die Grenzen der Sowjetunion heran, wird es nicht geben.“

Dies sei eine Sicherheitsgarantie für die Sowjetunion; der Wandel in Osteuropa und der deutsche Vereinigungsprozess dürften ‚nicht zu einer Beeinträchtigung der sowjetischen Sicherheitsinteressen führen‘ (3).

Nato-Stratcom-Centre of Excellence

Das Rigaer „Nato-Stratcom-Centre of Excellence“ ist damit einerseits Element des Bruchs der Vereinbarungen, die zur Existenz Deutschlands in seinen heutigen Grenzen führte. Zum anderen steht es für die bewusste Intensivierung der Manipulation der Menschen in den Nato-Staaten. Ihnen wird das Verhalten Russlands als expansiv und wortbrüchig dargestellt, obwohl das die Tatsachen auf den Kopf stellt.

Wladimir Putin erklärte in einer Rede anlässlich des „Beitritts der Krim“ – nach dem Referendum auf der Krim über diese Frage und einem Beschluss des Krim-Parlamentes – am 18. März 2014:

„Unsere Kollegen im Westen haben uns wiederholt angelogen, haben Entscheidungen hinter unserem Rücken getroffen, uns vor vollendete Tatsachen gestellt. So war es bei der Ost-Erweiterung der Nato und dem Ausbau militärischer Einrichtungen an unseren Grenzen“ (4).

Nato- und Bundeswehr-Führungskräfte sowie transatlantische Politiker und Lobbyisten wiederholen seitdem in allen Mainstream-Medien des Westens regelmäßig ihr Narrativ, die „veränderte Sicherheitslage infolge der Krim-Annexion“ erfordere die Maßnahmen gegen Russland und ebenso die Aufrüstung Deutschlands bis zur annähernden Verdoppelung der Militärausgaben (5).

Die Kräfte des Friedens als Feind

Dennoch bleibt die Bevölkerung in Deutschland skeptisch.

Allerdings kennt die Nato das Problem der deutlichen Skepsis der Bevölkerung gegenüber ihrer Propaganda und Politik schon eine Weile. Die Friedensbewegung der 1980er-Jahre hat die Strategen auf den Plan gerufen. Der einstige Bundeskanzler Helmut Schmidt beklagte, dass er sein Amt in der Folge seines Eintretens für eine Stationierung von Nato-Atomraketen in Deutschland verloren hätte.

Die Nato hat auf diese Skepsis mit einer stärkeren Strategischen Kommunikation reagiert. Die Teilnehmer der Essener JAPCC-Konferenz von 2015 beklagten, feindliche Einheiten (Entities hostile to Nato) – wohlgemerkt, nicht Staaten, sondern Kräfte –, verstärkten die Tatsache, dass die Bevölkerung der Nato-Staaten dem Militärischen und den Operationen der Militärs mit Skepsis gegenüberstehen (6).

Wohl gemerkt, es geht den Militärs mit der Formulierung „Entities“ , also „Einheiten“, nicht um feindliche Staaten, sondern sie können damit nur Kräfte wie die Friedensbewegung meinen. Gegen deren Einfluss im Sinne einer größeren Friedensverstiegenheit der Menschen setzt die Nato die Strategische Kommunikation ein, die sie jetzt vom Baltikum aus weiter systematisiert.

Das Vorbereitungsmanuskript der Essener Konferenz zur Strategischen Kommunikation beinhaltet Instrumente wie diese:

Einfache Geschichten mit klarem Gut-Böse-Muster, die man in ständig anderer Form verbreitet. Konkret sieht das so aus: Man will sich in der Öffentlichkeit Vorteile verschaffen, unter anderem mit Hilfe von Geschichten, beispielsweise über „gut trainierte junge Menschen, die eine fantastische und noble Arbeit in herausfordernden Umständen erledigen“ (7).

Diese Geschichten sollen eine menschliche Dimension enthalten, auch dadurch, dass „direkt im Herz der Aktionen Beteiligte“ über sie berichten. Am besten eignen sich Berichte von Piloten, die „humanitäre Hilfe zu hungernden Kindern“ brachten, oder Militärs mit großer Präzision böse Kerle beobachteten – sie sind ja die Guten – und dann auf Basis intelligent zusammengestellter Bildmaterialien ihren Schlag ausführten (8).

Ebenfalls eignet sich schwungvoll-harmonische Musik und eine sympathische, entschiedene Frauenstimme, die Verteidigung, Sicherheit und Allianz anpreist, im Angesicht der Aggressivität, die man Terroristen und vor allem Russland zuweist.

Der Völkerrechtsbruch bei der Ausdehnung des Weltsicherheitsratsbeschlusses zum Schutz der Bevölkerung Libyens hin zum Regime-Change wird als verantwortungsvolles Handeln verkauft und die Nato erscheint als Bündnis, das die UNO unterstützt, während Russland destabilisiert. Das Youtube-Video soll alle Vorbehalte beseitigen (9).

Die Nato-Strategische Kommunikation zielt darauf ab, den Völkerrechtsbruch unter anderem bei den Angriffskriegen im Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens und gegen den Irak sowie im Drohnenkrieg in Asien und Afrika vergessen zu machen und stattdessen ein lupenrein demokratisches Gesicht zu präsentieren.

Die Nato präsentiert sich als Allianz, die das internationale Gesetz „absolut respektiert“, rein auf Verteidigung ausgerichtet ist und auf den Prinzipien der Demokratie, des Respekts der Menschenrechte und des Friedens beruht. So könnte man die Botschaft verkaufen, die „Kraft für das Gute“ zu sein this should help sell a message about being a ‘force for good’.

Das würde umso leichter fallen, wenn man auch eingesteht, dass dabei „Fehler“ auftreten. Damit bloß niemand auf die Idee kommen möge, diese Fehler gehörten zum System.
Um der strategischen Kommunikation den maximalen Effekt zu sichern, sei es wichtig, Zeiten des Friedens weise zu nutzen‚ „Use peace-time wisely“, indem man ein Vertrauensverhältnis zu den Medien aufbaut.

Propagandakriegshandwerk

Das geschieht beispielsweise auch durch Angebote zu Simulations-Erlebnissen, etwa an Flugschalthebeln, Panzern oder anderem Übungsgerät, durch Luftshows – auch für Regierungsvertreter – und dadurch, dass junge Militärs dem erlebnishungrigen Publikum die „richtigen“ Botschaften überbringen (11).

Die Militärs haben in ihre Strategische Kommunikation längst auch systematisch das Internet einbezogen, sodass der Nutzer überall mit fake news aus ihren Studios rechnen muss. Sie erwähnen als Medien für ihre Botschaften E-Mails, Website und Chatrooms (12).

Im Dokument “NATO Strategic Communication: More to be Done?”, der „National Defence Academy of Latvia“, heißt es, das Kriegshandwerk ändere sich, es sei heute ein Mix aus konventionellem Krieg, Terror, nuklearer, biologischer und chemischer sowie improvisierter Waffen mit dem Informationskrieg, den Staaten und nicht-staatliche Akteure nutzen (13).

Bezüglich der nicht-staatlichen Akteure rät ein Dokument der US-Armee zur De-Legitimierung derjenigen, die sich gegen die Militärs stellen (14).

Also müssen auch Akteure der Friedensbewegung mit psychologischer Kriegsführung rechnen, die gegen sie selbst gerichtet ist. So gesehen stellt sich die Frage: Welchen Einfluss nimmt die Nato mit ihrer „Strategischen Kommunikation“ auf alternative Spektren?

Wie will sie verhindern, dass die Ablehnung jeglicher Kriege noch einmal so aktiv in die Öffentlichkeit getragen wird wie in den Jahren des Vietnamkrieges um 1968 und während der Hoch-Zeit der Friedensbewegung mit Menschenketten, Blockaden und Massendemonstrationen in den 1980er Jahren?

Die Friedens-, Umwelt-, Menschenrechts-, Gewerkschafts- und Demokratiebewegung sind natürliche Bündnispartner. In ihrem Zusammenwirken kann die Kraft enthalten sein, die verhindert, dass der psychologische Informationskrieg in einem heißen und letztlich sogar zivilisationsgefährdenden Ausbruch von Kampfhandlungen eskaliert.

Dafür ist es existenziell, dass sich diese Bewegungen nicht spalten lassen, sondern die Schnittmenge der gemeinsamen Anliegen und Vorgehensweisen zusammenbringen. Das ist in der heutigen Zeit die einzige Form verantwortungsvoller Politik der Menschen, die für ein anderes Leben stehen, für ein Leben, das darauf ausgerichtet ist, dass das Leben auf diesem Planeten weiter geht.

Dafür brauchen wir eine menschliche Kommunikation anstelle einer strategischen.


Quellen und Anmerkungen:

(1) http://www.spiegel.de/politik/ausland/krim-krise-koalition-streitet-ueber-nato-im-ukraine-konflikt-a-960289.html
(2) https://www.duden.de/rechtschreibung/Manipulation
(3) http://www.faz.net/aktuell/politik/ost-erweiterung-der-nato-was-versprach-genscher-12902411.html
(4) ebenda - Siehe zu dieser Frage auch meinen Rubikon-Text „Der Tag Null...“
(5) http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/nato-reagiert-auf-neue-sicherheitslage-13412292.html
(6) https://www.japcc.org/wp-content/uploads/JAPCC_Conf_Flyer_2015_web.pdf
(7) https://www.japcc.org/wp-content/uploads/Conf_Proceedings_2015_web.pdf S. 12
(8) Ebenda, S. 15
(9) https://www.youtube.com/watch?time_continue=18&v=3vN4r2hg0Os
(10) https://www.japcc.org/wp-content/uploads/Conf_Proceedings_2015_web.pdf S. 19
(11) ebenda, S. 21
(12) http://www.au.af.mil/au/awc/awcgate/psyops/e-psyops.pdf
(13) http://www.naa.mil.lv/~/media/NAA/AZPC/Publikacijas/DSPC%20PP%201%20-%20NATO%20StratCom.ashx
(14) http://www.au.af.mil/info-ops/strategic.htm