Die Friedenslüge
Die Europäische Union, Trägerin des Friedensnobelpreises, verkommt zum kriegstreibenden Militärpakt.
Ende Mai finden die Europawahlen statt. Die Mainstream-Medien werden bei dieser Gelegenheit die Öffentlichkeit mit Lobgesängen über die EU und NATO bombardieren, um die Kriegspläne, die hinter europäischen Militärprojekten wie dem PESCO-Militärpakt stecken, zu verschleiern. Die Friedensbewegung sollte traditionellen Ostermärsche nutzen, um derlei Wahnsinn Einhalt zu gebieten.
Vor den EU-Wahlen am 26. Mai 2019 werden so genannte Pro-Europäer Lobeshymnen auf das „Friedensprojekt“ Europäische Union anstimmen. Schon das Wort „Pro-Europäer“ ist ein Propaganda-Instrument, legt es doch nahe, dass Europa ein Gebilde ohne Russland sei. Denn Russland verstehen EU-Militärstrategen im Einklang mit der NATO als ausgemachten Gegner oder gar als Feind. Das 70. NATO-Jubiläum Anfang April wird ebenfalls mit falschen Eindrücken aufwarten, darunter Fake-News über den „Friedens“-Faktor NATO, der dazu beiträgt, die EU zu militarisieren. NATO-Generalsekretär Stoltenberg begrüßte den EU-Militärpakt PESCO unmittelbar nach seiner Gründung (1).
Auf die Öffentlichkeit kommt in jedem Fall Meinungsmache zu NATO und EU zu, die über die Mainstream-Medien wiederholt und gesteigert wird, damit sie möglichst alle BürgerInnen erreicht und im Sinne der westlichen Politik beeinflusst.
Eine Kostprobe und Premiere war die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU im Jahre 2012. Das Nobelkomitee begründete seine Entscheidung mit der Aussage, die EU habe „über sechs Jahrzehnte zur Förderung von Frieden und Versöhnung beigetragen. Seit 1945 ist diese Versöhnung Wirklichkeit geworden.“ Als das Wichtigste sah das Komitee „den erfolgreichen Kampf für Frieden und Versöhnung und für Demokratie und Menschenrechte“ an, sowie „die stabilisierende Rolle der EU bei der Verwandlung Europas von einem Kontinent der Kriege zu einem des Friedens“ (2). Diese Darstellung sprach bereits 2012 den realen Entwicklungen Hohn.
Schon der Vertrag von Maastricht von 1993 schaffte rechtliche Grundlagen für die sogenannte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), die auch die sogenannte Verteidigung umfasste (3). Danach führten die Erfahrungen europäischer Kriegsbeteiligung am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Republiken des ehemaligen Jugoslawiens zu einer konkreteren Regelung der Instrumente der Militärpolitik der EU.
Der EU-Vertrag von 2012 formulierte zur GASP, man beabsichtige, „nach Maßgabe des Artikels 42 auch die schrittweise Festlegung einer ,Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik‘ (GSVP)“:
*Die GSVP „sichert der Union eine auf zivile und militärische Mittel gestützte Operationsfähigkeit. Auf diese kann die Union bei Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zurückgreifen. Sie erfüllt diese Aufgaben mit Hilfe der Fähigkeiten, die von den Mitgliedstaaten bereitgestellt werden“ (4).
Faktisch hat die EU seit 2003 mehr als 30 zivile und militärische GSVP-Missionen in Europa, Asien und Afrika eingeleitet und durchgeführt (5). Ziele dieser „Missionen“ genannten Militäreinsätze waren Somalia, Irak, Ukraine, Libyen, Moldawien, Mali, Niger, Kosovo, Georgien, Zentralafrikanische Republik, Tschad, Süd-Sudan und die Demokratische Republik Kongo (6).
Damit die EU militärisch immer handlungsfähiger wird, formuliert der schon zitierte Artikel 42 des EU-Vertrages:
„Die Mitgliedstaaten, die zusammen multinationale Streitkräfte aufstellen, können diese auch für die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik zur Verfügung stellen. Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Die Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung – im Folgenden ,Europäische Verteidigungsagentur‘ – ermittelt den operativen Bedarf und fördert Maßnahmen zur Bedarfsdeckung, trägt zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors bei und führt diese Maßnahmen gegebenenfalls durch, beteiligt sich an der Festlegung einer europäischen Politik im Bereich der Fähigkeiten und der Rüstung und unterstützt den Rat bei der Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten“ (4).
Dies legt die EU-Staaten auf eine immer weiter ausgebaute militärische Infrastruktur fest.
Im Rahmen der sogenannten Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungs-Politik der EU entstanden verschiedene Militärstrukturen.
PESCO und Militärische Mobilität
Zum einen gibt es seit November 2017 den Militärpakt PESCO. „Eurotopics“, ein Informationsangebot der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), erklärt dazu:
„Die Außen- und Verteidigungsminister von 23 EU-Staaten haben in Brüssel mit einer Erklärung eine europäische Verteidigungsunion auf den Weg gebracht. Angestrebt werden Rüstungsprojekte, der Aufbau multinationaler Einheiten und ein gemeinsames Hauptquartier“ (7).
„PESCO“ ist die Abkürzung für „Ständige Europäische Strukturierte-Kooperation“ – im Deutschen wird statt „Kooperation“ das Wort „Zusammenarbeit“ verwendet, wofür man die Abkürzung SSZ benutzt. „Kooperation“ und „Strukturiertheit“, das hört sich gut an, wie auch der Begriff „Sicherheitspolitik“. Die verbale Beschönigung von Kriegsstrategien ist bekannt, Worte wie „Mission“, „Luftschlag“ oder auch „chirurgischer Schlag“ machen das hinreichend deutlich. Doch dass die EU tatsächlich nicht nur Planungen strukturiert, sondern auch deren militärische Durchführung, zeigt, worum es wirklich geht:
„Der Europäische Rat prüfte sogenannte Fortschritte im März 2017, und er hob den Stellenwert eines militärischen Planungs- und Durchführungsstabs (MPCC) hervor, einer neuen Struktur zur Verbesserung der Fähigkeit der EU, militärische Missionen ohne Exekutivbefugnisse schneller, wirksamer und reibungsloser zu planen und durchzuführen“ (8).
Beim Durchführen geht es mitnichten nur um Einsätze in Afrika und Asien, sondern auch um einen anderen Kontinent:
„Angesichts des angespannten Verhältnisses zu Russland schlägt die EU-Kommission vor, im kommenden Jahrzehnt 6,5 Milliarden Euro in panzertaugliche Verkehrswege zu investieren. Damit sollten von 2021 bis 2027 im Rahmen des nächsten Sieben-Jahres-Haushalts Schienennetze, Straßen und Brücken ausgebaut werden, teilte die Brüsseler Behörde am Mittwoch mit. (...) Die Behörde hatte schon vorgeschlagen, bis 2019 Verkehrswege in Europa auf ihre militärische Tauglichkeit zu überprüfen. (...) Dafür sollten anschließend die 6,5 Milliarden Euro verfügbar sein“ (9).
EU-Offizielle sprechen hier von „Militärischer Mobilität“.
Die MilitaristInnen richten sich in der Tat über EU-Strukturen auf Krieg in Europa ein. Dazu gibt auch die Bundes-„Verteidigungs“-Ministerin Ursula von der Leyen ihren Flankenschutz:
„Wenn man im Spannungs- oder Krisenfall schnell Truppenbewegungen über große Strecken innerhalb Europas unternehmen muss, dann muss das genau geplant sein und mit großer Geschwindigkeit und Effizienz vor sich gehen“ (10).
Sich im dicht besiedelten und hochindustrialisierten Europa auf den Einsatz kämpfender Truppen in einem erneuten Krieg einzustellen, das bedeutet: Die EU folgt der NATO-Politik darin, die Gefährdung der Zivilisation zu riskieren. Einen erneuten großen Krieg – „major war“ – in Europa erklärte die NATO in der Klever Konferenz „Future Vector“ 2014 für wieder möglich oder denkbar (11).
Das bedeutet, man nimmt den Zusammenbruch der Infrastruktur des digital vernetzten Gesundheitssystems, der Ressourcen-Versorgung, des Bankensystems et cetera – und ein nukleares Inferno in Europa – wissentlich in Kauf!
Nur schon ein Blick auf die Ukraine, die bei den Militärs seit Jahren immer wieder ein Bezugspunkt für die Legitimation ihrer Vorgehensweise ist, macht die Gefahr deutlich: Hier stehen vier Atomkraftwerke mit 15 Reaktorblöcken, darunter das leistungsstärkste Atomkraftwerk Europas. Kernkraft stellt 44 Prozent der Stromversorgung der Ukraine zur Verfügung. Die immer noch nicht gesicherte Nuklearruine in Tschernobyl mahnt: Wenn es in Europa zum Krieg kommt, dann endet menschliches Leben millionenfach; selbst das Ende der Zivilisation steht dann als Gefahr im Raum (12).
Für schnellere Truppen- und Materialtransporte auf dem europäischen Kontinent will auch die NATO sorgen und baut hierzu ein neues Unterstützungs- und Nachschubkommando im baden-württembergischen Ulm auf. Insgesamt will die Militärallianz ihre Verteidigungsbereitschaft bis 2020 deutlich erhöhen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zufolge sollen hierzu 90 Verbände von Heer, Luftwaffe und Marine so trainiert und ausgerüstet werden, dass sie im Fall einer Krisensituation innerhalb von „30 Tagen oder weniger“ in den Einsatz geschickt werden können (13).
Die Ostermärsche gewinnen vor diesem Hintergrund eine neue, größere Bedeutung. Sie können etwa einen Monat vor den EU-Parlamentswahlen auf die zunehmenden Gefahren hinweisen und das zwingende Erfordernis einer Friedenspolitik in die Öffentlichkeit tragen. Die Friedensbewegung in Europa hat eine neue Verantwortung; auch eine internationale Vernetzung ist erforderlich!
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_148838.htm
(2) http://www.spiegel.de/politik/ausland/nobelpreis-fuer-eu-erklaerung-des-komitees-im-wortlaut-a-860952.html
(3) https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/europa/aussenpolitik/gasp
(4) https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A12012M%2FTXT
(5) http://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verteidigungspolitik/275518/europaeische-verteidigungspolitik
(6) https://eeas.europa.eu/topics/military-and-civilian-missions-and-operations/430/military-and-civilian-missions-and-operations_en
(7) https://www.eurotopics.net/de/189303/was-hat-europa-von-einer-verteidigungsunion#
(8) http://www.europarl.europa.eu/ftu/pdf/de/FTU_5.1.2.pdf
http://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/159/gemeinsame-sicherheits-und-verteidigungspolitik
(9) Frankfurter Rundschau, 6.6.2018
(10) https://www.epochtimes.de/politik/europa/eu-kommission-fordert-mehr-militaerische-mobilitaet-in-europa-a2387007.html#
(11) In diesem NATO-Dokument findet man die Erklärung, ein dritter großer Krieg in Europa sei möglich: "The two decade long assumption that there will not be a major war in Europe is in some doubt." Quelle: http://www.japcc.org/wp-content/uploads/Future_Vector_II_web.pdf
(12) https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2014-12/atomkraftwerk-akw-ukraine-stoerung
(13) https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-06/aufruestung-eu-kommission-nato-ulm