Die Friedens-Kooperation

Umwelt- und Friedensbewegung müssen gegen die globale Maschinerie des Todes zusammenarbeiten.

Der am 21. September 1981 ausgerufene Weltfriedenstag fällt in die Aktionswoche der Fridays for Future-Bewegung. Die kritischen NuklearwissenschaftlerInnen haben in ihrem Bulletin die Weltuntergangsuhr auf zwei vor zwölf vorgestellt. Ihre Begründung verband die Friedens- und die Ökologiefragen: „Denn die gefährliche Lage durch globale Bedrohungen wie Atomwaffen, Klimawandel und gesellschaftliche Polarisierung droht zum neuen Normalzustand zu werden. ‚Die Welt, die wir bewohnen, ist unsicher und beunruhigend. Wir sind dabei, eine gefährliche Welt zu normalisieren‘, warnen die Forscher“ (1). Die Gründe für das Erfordernis des Zusammenwirkens der Friedens- und der Ökologiebewegung sind allerdings viel unmittelbarer gegeben als die terminlichen Zufälle und die Formulierungen kritischer WissenschaftlerInnen.

Die gemeinsamen Interessen der Ökologie- und der Friedensbewegung ergeben sich zu allererst aus dem Grundanliegen beider Bewegungen, nämlich der Bewahrung des Lebens, die es ohne Frieden und ohne Schutz der Lebensgrundlagen vor ihrer Zerstörung nicht gibt. Beide Bewegungen sind im Engagement für die Zukunft natürliche Bündnispartner.

Sie stehen mit ihrem Interesse an einer lebensfähigen Natur zudem gemeinsam gegen das System auf, das den militärisch-industriellen Komplex hervorgebracht hat. Und sie haben in den Menschen, die als Lebewesen ein objektives Interesse daran haben, in einer fruchtbaren Welt zu leben, eine gemeinsame Mobilisierungsbasis gegen die Ökonomie der Ressourcenverschwendung und gegen die Strategen, die erklären, Krieg durch seine Vorbereitung verhindern zu wollen.

Dies zumal in der Jugend, die das Leben weitgehend noch vor sich hat. Sie will die Zukunft sein in einer Welt, die eine hat. Einen bedeutenden Anteil an der ökologischen Zerstörung der Welt zugunsten kurzfristiger und kurzsichtiger Profitinteressen konkurrierender Weltkonzerne trägt das Militär. Dies geschieht nicht alleine aufgrund der Vergeudung von Ressourcen der Erde und der Vergeudung menschlicher Kreativität für die Ökonomie des Todes.

Die von Militärgerät der Luftwaffe, des Heeres und der Marine verbrannten fossilen Antriebsstoffe sowie die von ihnen ausgelösten Feuer in Manövern und Kriegen sind aus verständlichen Gründen in der Literatur nicht genau quantifiziert.

Es gibt die Angabe, dass alleine die circa 800 US-Militärbasen und -stützpunkte in circa 70 Ländern, ihre vielen offiziell bestätigten Einsätze und verdeckten Operationen, ihre Flottenverbände in Atlantik, Mittelmeer, Pazifik, Persischem Golf, Rotem Meer und Indischem Ozean bedeuten, dass die US-Army die Biosphäre der Erde stärker verschmutzt als 140 Länder zusammen (2).

Hinzu kommen die Wirkungen der Verbrennungsabgase sowie die Zerstörungen und Umweltvergiftungen, die von Kriegen ausgehen. Dies betrifft bisherige Kriege wie auch drohende kommende, von denen auch die Gefahr ausgehen kann, dass sie allein schon aufgrund der atomaren Infrastruktur apokalyptisch zu Ende gehen.

Die Schädigung der Natur, die die Militärs einkalkulieren, wird an der Atomkriegsstrategie besonders deutlich: Die Essener Jahres-Konferenz der Nato mit dem Namen Joint Air Power Competence Center (JAPCC) verlangte 2017 zum Thema „Abschreckung“ von den Atomstaaten „Pläne und Doktrinen“ zum Einsatz ihrer nuklearen Potentiale (3).

Ein Beispiel dafür lieferte schon vor 35 Jahren der britisch-US-amerikanische Militärstratege Colin S. Gray in seinem Text „Victory is possible“ — Sieg ist möglich (4).

Sein Konzept enthielt einen Mix aus

  1. offensiver Zielführung (die Militärs sprechen hier vom Enthauptungsschlag) mit
  2. sogenannter ziviler Verteidigung und
  3. einem Raketenabwehrsystem, um mögliche atomare Gegenschläge des möglichen Gegners — damals die Sowjetunion — abzufangen.

Im Mai 1982 verfasste das Pentagon der USA „eine 125 Seiten starke ‚Verteidigungsleitlinie‘, die ausdrücklich von einem ‚langwierigen‘ (‚protracted‘) Atomkrieg sprach, in dem es gelte, ‚die Oberhand zu behalten‘ (‚to prevail‘)“ (5).

Es ist offensichtlich, dass die Militaristen hier den Untergang der Zivilisation billigend in Kauf nehmen, da niemand bei einem derartig verrückten Vorgehen davon ausgehen kann, dass irgendjemand dieses Inferno sicher überleben wird.

Ab 1983 kursierten Studien, die auf die Gefahr einer Abkühlung der Erdatmosphäre unter den Nullpunkt als Ergebnis der Flugasche infolge von Atomschlägen hinwiesen. Dazu der Spiegel von 13. August 1984:

„Das Fazit, das Nobelpreisträger Herbert A. Simon aus der Wissenschaftler-These zog, schon 100 Megatonnen atomarer ‚Nutzlast‘, ausschließlich über Städten abgeworfen, könnten den nuklearen Winter auslösen (...)“ (6).

Man könnte einwenden, die Strategie von Gray sei veraltet, und seit die Theorie vom nuklearen Winter bekannt sei, hätten die Militärs auch aus eigenem jeweils persönlichem Überlebensinteresse sicher von einem solchen Himmelfahrtskommando Abstand genommen.

Doch dagegen sprechen unter anderem aktuelle Entwicklungen wie die „Konzeption Zivile Verteidigung“ des Bundesinnenministeriums, die von Zivilschutzmaßnahmen auch gegen nukleare Verseuchung im Konfliktfall und von einem dann erfolgenden sogenannten Massenanfall von Verletzten ausgeht (7). Es geht in dieser Konzeption um Reaktionen auf „folgende Bedrohungen:

  • Einsatz konventioneller Waffen,
  • Einsatz chemischer, biologischer, radiologischer und nuklearer Wirkstoffe (CBRN-Gefahren),
  • Einsatz von Massenvernichtungswaffen und ihren Trägersystemen,
  • Cyber-Angriffe,
  • Ausfall oder Störung von Kritischen Infrastrukturen“ (8).

Das Konzept des Bundesinnenministeriums folgt dem Plan des NATO-Rates vom Februar 2016 für die zivile Notfallvorsorge (Guidelines on Civil Preparedness) (9). Es geht hier konkret um Abläufe nach der Zerstörung von Umwelt und Leben.

Doch es kommt noch schlimmer, noch massiver, die radioaktive Verseuchung wird nämlich in der Tat immer wahrscheinlicher, und das mit unverantwortlicher Absicht: Nach dem von der NATO mitgetragenen einseitigen Bruch des Vertrages zum Verbot nuklearer Mittelstreckenraketen, den die USA ohne beweiskräftige Fakten erklärt haben, arbeiten US-Rüstungskonzerne an neuen Nuklearsystemen, die eine größere Einsetzbarkeit aufweisen sollen.

„Das US-Verteidigungsministerium will nach dem Ende des INF-Vertrags zwischen den USA und Russland die Entwicklung eines neuen Raketensystems vorantreiben. Das kündigte Pentagon-Chef Mark Esper an“ (10).

Dies gilt auch für die Nuklearsysteme, die im Zusammenhang mit der sogenannten „Nuklearen Teilhabe“ Deutschlands in Büchel bei Koblenz lagern. Die Systeme sollen nach NATO-Plänen in den nächsten Jahren durch eine neue Angriffstechnik, die mit einem Zielfindungskopf ausgestattet ist und keine Fallbombe mehr ist, ersetzt werden. Die Website der Föderation Amerikanischer Wissenschaftler (FAS) kritisiert: Die „verbesserte Zielfindungstechnik macht das System einsatzfähiger (...)“; der Guardian benutzt dafür die Formulierung „more usable“ — also brauchbarer) (11).

Zu der verbesserten Zielfindung kommt noch eine deutlich präzisere Dosierbarkeit der Wirkung mit dem Ergebnis, dass ein nuklearer Fallout begrenzt werden kann. Bei der als größer bezeichneten Einsatzbereitschaft geht es insgesamt um eine Neuentwicklung des nuklearen Angriffssystems B 61-12 und mitnichten „nur“ um eine „Modernisierung“, als die die USA und die NATO sie der Öffentlichkeit beschwichtigend zu verkaufen versuchen (12).

Dies alles bedeutet: Neben der unverantwortlichen Ressourcenvergeudung und den Eminenten Verbrennungsabgasen, die auf das Konto der Militärs gehen, gibt es weitere existenzielle Gründe dafür, dass die Friedens- und die Umweltbewegung ihre Gemeinsamkeiten in gemeinsamen Aktionen zum Ausdruck bringen. Peace for Future, Nature for Life, Abrüstung, rigoroser und breiter Widerstand gegen die Maschinerie des Todes, das ist das Gebot der Stunde.

Dazu habe ich den Appell zusammen mit Esther Bejarano und Sally Perel „Es geht um alles“ verbreitet (13).


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Quellen und Anmerkungen:

(1) http://weltuntergangsuhr.com/
(2) www.tagesanzeiger.ch, 26.06.2019
(3) JAPCC Read Ahead Conference 2017. https://www.japcc.org/deterrence-in-the-21st-century/%5D Aufgerufen am 08.12.2017
(4) https://robertsmcnamaracom.files.wordpress.com/2017/04/gray-payne-1980-victory-is-possible-c.pdf
(5) USA: Atomkrieg doch führbar?, Der Spiegel, 30.08.1982
(6) https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/13508607
(7) https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/bevoelkerungsschutz/konzeption-zivile-verteidigung.pdf;jsessionid=B035475888A3AC555A8ACF8BE73CDFB1.1_cid287?__blob=publicationFile&v=1 , S. 14
und: European Council Conclusions on Countering Hybrid Threats, Dok.-Nr. 7928/16
(8) Ebenda S. 13
(9) Ebenda S.14
(10) https://www.spiegel.de/politik/ausland/usa-entwickeln-neues-raketensystem-wettruesten-befuerchtet-a-1280306.html
(11) The enhanced targeting capability will become operational, Übersetzung: B.T. Quelle: https://fas.org/blogs/security/2014/01/b61capability/ und:
https://www.theguardian.com/world/julian-borger-global-security-blog/2015/nov/10/americas-new-more-usable-nuclear-bomb-in-europe
(12) Modernisierung ab Februar 2015 USA bringen neue Atomwaffen nach Deutschland Quelle: https://www.focus.de/politik/deutschland/us-verteidigungsministerium-us-regierung-plant-neue-atomwaffen-fuer-deutschland_id_3692797.html
(13) https://www.rubikon.news/artikel/es-geht-um-alles