Die falsche Schlussfolgerung

Deutschland hat mit seiner Unterstützung des Massenmords an Palästinensern keineswegs einen Beitrag dazu geleistet, seine Schuld am Holocaust zu tilgen.

Wenn eine Handlungsweise furchtbare Folgen hatte, könnte man denken, dass im gegenteiligen Verhalten der Schlüssel zur Heilung liegt. Was aber wäre das Gegenteil des Holocausts, dieses Akts des Völkermords, der zugleich einen Versuch darstellte, alle Juden auszulöschen? Die Antwort der deutschen Regierung ist noch immer: bedingungslose Solidarität mit Israel. Auf diese Weise verwickelt sich Deutschland in dem Versuch, „diesmal alles richtigzumachen“, jedoch in neue Schuld. Denn Solidarität mit Israel bedeutet derzeit, den Mord an Zehntausenden Palästinensern in Gaza und anderswo zu unterstützen. Das Gegenteil dessen zu tun, was die Nazis getan haben, hätte eher beinhaltet, zu einer durch und durch friedlichen Nation zu werden sowie dem Unrecht und der Grausamkeit entgegenzutreten, wo auch immer und durch wen auch immer sie verübt werden.

Die israelische Zeitung Haaretz hat einen Artikel mit dem Titel „Israeli Defense Officials: Gov’t Pushing Aside Hostage Deal, Eyeing Gaza Annexation“, (Israelische Verteidigungsbeamte: Regierung wischt Geiseldeal beiseite, fasst Gaza-Annexion ins Auge) veröffentlicht, und es ist genau das, wonach es klingt. Anonyme israelische Beamte berichten der Presse, dass die Regierung jeden Gedanken an die Sicherung eines Geiseldeals aufgegeben hat und nun auf „die allmähliche Annexion großer Teile des Gazastreifens hinarbeitet“.

Informanten von Haaretz sagen, die vollständige Belagerung und andere Kriegsverbrechen in Gazas Norden, von denen wir bis heute hören, seien ohne große Planung durchgeführt worden, um die Zivilbevölkerung zur Vermeidung von Hunger und Ausrottung in den Süden zu zwingen, und dass das israelische Militär die Operation fortführt, obwohl ihm bekannt ist, dass dabei in dem Gebiet wahrscheinlich Geiseln getötet werden.

Da haben Sie es also. Nach einem ganzen Jahr beginnen sie zuzugeben, worum es die ganze Zeit ging.

Es ging nie um die Befreiung von Geiseln. Es ging nie darum, die Hamas loszuwerden. Es ging nie um Israels „Recht auf Selbstverteidigung“. Es ging nie um Massenvergewaltigungen, geköpfte Babys oder Babys in Öfen. Es ging immer darum, der einheimischen Bevölkerung Palästinas Land zu stehlen.

Die Menschheit kann so nicht weiterleben.

Wann wird es enden? Wann hören wir mit dem Landraub und den ethnischen Säuberungen indigener Bevölkerungen auf? Wann hören wir damit auf, Menschen für Land und Rohstoffe abzuschlachten? Wann erwachen wir von unserer Mordlust und Gier und werden eine bewusste Spezies?

Gestern sprach ich kurz mit jemandem über Deutschland und dessen Unterstützung der israelischen völkermörderischen Gräueltaten in Gaza. Er sagte, dass die Deutschen aufgrund ihrer starken Schuldgefühle wegen des Versuchs, die Juden auszulöschen, nun alles daran setzten, mit der bedingungslosen Unterstützung für Israels Taten „das genaue Gegenteil“ zu tun.

Ich sagte ihm, das genaue Gegenteil „des Versuchs, die Juden auszurotten“, sei ganz gewiss nicht, „einem jüdischen Ethnostaat zu helfen, eine indigene Bevölkerung auszurotten“. Das genaue Gegenteil eines Versuchs, die Juden auszurotten, wäre gewesen, die deutsche Gesellschaft in eine freundliche, sanfte, friedliche Nation voller freundlicher, sanfter, friedlicher Menschen zu verwandeln, die es nicht ertragen würden, dass etwas passiert, das auch nur im Entferntesten an den Holocaust erinnert.

Nach dem Holocaust wäre dies möglich gewesen — nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen westlichen Welt. Wir hätten zulassen sollen, dass uns dieser politische Moment aufrüttelt und in eine gerechte, mitfühlende, friedliche Zivilisation verwandelt, die so entschieden gegen Rassismus, Ungleichheit und Misshandlungen eingestellt ist, dass die Saat jeglicher zukünftiger Holocausts auf keinen Fall Wurzeln schlagen würde. Stattdessen haben wir beschlossen, einen zionistischen Apartheidsstaat zu errichten und ihn dabei zu unterstützen, wen auch immer er ermorden möchte.

Wir hätten die Kräfte in uns auslöschen können, die den Holocaust hervorgebracht haben — stattdessen haben wir sie umgeleitet und ihnen eine andere Aufgabe zugewiesen. Wir sind die Nazi-Partei losgeworden, haben uns aber nicht des Bodens in uns selbst entledigt, der die Saat des Nationalsozialismus aufgehen ließ.

Wir haben das Dritte Reich aus Deutschland entfernt, aber nicht aus den Deutschen.

Wollen wir auf diesem Planeten überleben, müssen wir lernen, friedlich zu koexistieren. Wettbewerb und Vorherrschaft, diese psychischen Krankheiten, haben uns an den Rand der Vernichtung durch einen Atomkrieg oder eines ökologischen Kollapses gebracht. So können wir nicht weitermachen.

Wenn die Menschheit überleben soll, muss sie sich verwandeln. Es wird nicht damit getan sein, den Völkermord in Gaza zu beenden — wir müssen all das in uns ausmerzen, was einen Völkermord hervorbringt. Wir alle leben auf Land, das anderen Zivilisationen genommen wurde — bei vielen davon, wie bei uns hier in Australien, ist es nicht so lange her wie in anderen Gegenden der Welt. Wir müssen einen Weg finden, solche Impulse aufzugeben und sie für etwas Besseres auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgen, wenn wir weiterhin auf dieser Welt leben wollen.

Wir müssen diesen Völkermord beenden, und wir müssen den Völkermord in uns mit Stumpf und Stiel ausmerzen. Wir müssen all das in unserer Gesellschaft, in unseren Regierungen und in uns selbst loswerden, das jemals wieder völkermörderische Gräueltaten hervorrufen könnte.

Wir müssen ein freundliches und fürsorgliches Volk werden. Wir müssen die Systeme hinter uns lassen, die durch Wettbewerb das menschliche Verhalten bestimmen, und stattdessen auf Systeme setzen, die auf Zusammenarbeit beruhen, bei denen wir miteinander und mit dem Ökosystem arbeiten — zum Wohle aller Wesen. Und wir müssen all jenes in uns loswerden, das dem im Wege steht.