Die endlose Pandemie
Die den Anti-Corona-Maßnahmen zugrundeliegenden Kriterien sind irreführend und manipulativ.
Die Methoden, mit denen das Ausmaß der Covid-19-Pandemie gemessen wird, taugen nicht, um die Lage tatsächlich zu beschreiben. Sie sind fehlerbehaftet und bringen zu oft irreführende Werte hervor. Die Fehler der verwendeten Test-Methoden sorgen dafür, dass Infizierte gemeldet werden, auch wenn es keine mehr gibt. Dennoch sind sie gerade deshalb nützlich: Um die Pandemie und die mit ihr verbundenen Anti-Corona-Maßnahmen gegebenenfalls unendlich zu verlängern. Das Ergebnis: Obwohl die Infektionswelle abebbt, hält die Regierung an ihren Maßnahmen fest. Der Autor zeigt auf, wie das funktioniert.
Derzeit sind der R-Wert und die Anzahl der gemessenen Infizierten pro 100.000 Einwohner wesentliche Kriterien für die Lockerung oder Verschärfung der durch die Länder verordneten Corona-Maßnahmen. Bei Verschwinden der Krankheit konvergiert jedoch der R-Wert grundsätzlich gegen 1, dem derzeit als kritisch betrachteten Grenzwert, und die Anzahl der gemessenen Infizierten hängt nur von der Anzahl der Tests ab.
Vorbemerkung zum Messverfahren
Ein Wahlforscher will das Wählerverhalten bezüglich einer Partei, die allgemein als „demokratiefeindlich“ eingestuft ist, beobachten. Beginnend mit Woche 1 macht er eine Umfrage unter 1.000 Personen und stellt dabei 100 Anhänger dieser Partei fest. In der 2. Woche umfasst die Umfrage 2.000 Personen, die Anzahl der Anhänger der Partei steigt nun auf 200 Personen. In Woche 3 wird die Umfrage bei 4.000 Personen durchgeführt, wobei sich nun 400 Personen für die Partei aussprechen. (Anm. d. Verf.: Der Anteil der Parteianhänger bei den Befragten ist jeweils 10 Prozent.)
Der Wahlforscher alarmiert Medien und Politik, aus bisher nicht bekannten Gründen sei bei der extremistischen Partei eine exponentielle Zunahme der Befürworter festzustellen. Hochrechnungen ergäben, dass innerhalb von nur 17 Wochen, also circa 4 Monaten, die gesamte Wählerschaft diese Partei wählen würde, in 18 Wochen sogar mehr.
Nach den Erfahrungen mit Covid-19 ist nicht auszuschließen, dass große Teile der Presse und der Medien diese Meldung ernsthaft aufgreifen würden, verbunden mit der Forderung, die gefährliche Partei zu verbieten. Wegen der gegebenen Dringlichkeit werden im Eilverfahren Gesetze beschlossen, die ein Parteienverbot in einem Schnellverfahren ermöglichen …
Nach wie vor werden in Deutschland, aber auch weltweit die absoluten Zahlen der gemessenen Infizierten als Maßstab der Bewertung der Ausbreitung der Krankheit herangezogen, eine Relation zur Anzahl der Messungen, also sozusagen zur Anzahl der befragten Personen, wird nicht hergestellt.
Auch die im Folgenden untersuchten Kriterien, die derzeit als Maßstab für Lockerungen und Verschärfungen der von den Landesregierungen verordneten Maßnahmen gelten, werden vom Robert Koch-Institut (RKI) offiziell auf Basis der absoluten Zahlen der gemessenen Infizierten ermittelt und nicht in Bezug zur Anzahl der Messungen gesetzt, die nicht meldepflichtig ist.
Kriterien für die Maßnahmen
Am 6. Mai 2020 einigten sich die Länderchefs mit Merkel auf neue Eckpunkte und Regeln für Lockerungsmaßnahmen.
„Die Länder sollen sicherstellen, dass in Landkreisen oder kreisfreien Städten mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen sofort wieder ein konsequentes Beschränkungskonzept umgesetzt wird.“
Seit 19. Mai sind die Gesundheitsämter in Bayern verpflichtet, das Gesundheitsministerium ab 35 Neuinfizierten „… über lokale Gegenmaßnahmen zu informieren“.
Daneben gilt die Reproduktionszahl („R-Wert“) als wichtiger Indikator für die Entwicklung der Epidemie in Deutschland. Aktuell (Stand 29. Mai 2020) schreibt das RKI dazu:
„Die Reproduktionszahl beschreibt, wie viele Menschen eine infizierte Person im Mittel ansteckt. Sie kann nicht alleine als Maß für Wirksamkeit/Notwendigkeit von Maßnahmen herangezogen werden. Wichtig sind außerdem unter anderem die absolute Zahl der täglichen Neuinfektionen sowie die Schwere der Erkrankungen. Die absolute Zahl der Neuinfektionen muss klein genug sein, um eine effektive Kontaktpersonennachverfolgung zu ermöglichen, und die Kapazitäten von Intensivbetten nicht zu überlasten.“
Auch in den Medien wird über den R-Wert als wichtigem Indikator für die Entwicklung der Pandemie in Deutschland berichtet (1, 2, 3).
Fehlerquote der PCR-Tests
Die Messungen mit dem PCR-Test sind grundsätzlich mit Fehlern behaftet. Die Güte des Tests wird durch zwei Werte spezifiziert:
- Sensitivität: Anteil der infizierten Personen, bei denen der Test positiv ist,
- Spezifität: Anteil der nicht infizierten Personen, bei denen der Test negativ ist.
Neben diesen beiden Gruppen gibt es die, bei denen der Test falsche Ergebnisse liefert:
- Falsch negativ: Anteil der infizierten Personen, bei denen der Test negativ ist,
- Falsch positiv: Anteil der nicht infizierten Personen, bei denen der Test positiv ist.
Es gelten dann folgende Gleichungen:
- Sensitivität + falsch negativ = 100 Prozent
- Spezifität + falsch positiv = 100 Prozent
woraus folgt:
- falsch negativ = 100 Prozent — Sensitivität
- falsch positiv = 100 Prozent — Spezifität
Ein Test ist umso genauer, je näher Sensitivität und Spezifität bei 100 Prozent liegen. Der Anteil der gemessenen Infizierten in Abhängigkeit von den tatsächlich Infizierten ist in folgender Abbildung dargestellt, wobei zum besseren Verständnis ein relativ ungenauer Test angenommen wird mit Sensitivität 90 Prozent und Spezifität 80 Prozent.
Abbildung 1: Anteil der gemessenen in Abhängigkeit von den tatsächlich Infizierten.
Der Test von Christian Drosten wurde in einem INSTAND Ringversuch vom INSTAND e.V. zertifiziert (aktualisierte Version vom 3. Juni 2020). Dabei wurden die Sensitivität für vier und die Spezifität für drei verschiedene Testszenarien festgestellt (Seite 12, Tabelle 3, jeweils Zeile „Gesamt“ in 3. Spalte).
Tabelle 1: Sensitivität des SARS-CoV-2 PCR-Tests
Tabelle 2: Spezifität des SARS-CoV-2 PCR-Tests.
Da sich der Anteil der Infizierten unter den getesteten Personen im einstelligen Prozentbereich bewegt (zuletzt 1,0 Prozent, siehe Tabelle 3), interessiert für diese Untersuchung vor allem die Spezifität des Tests, also die Inhalte von Tabelle 2.
Für die Tests werden sogenannte Lyseprodukte (Zerfallsprodukte) von Zellen verwendet. In Tabelle 2 sind die Proben aus Zellen gewonnen, die nicht mit Viren infiziert waren beziehungsweise mit den (mit SARS-CoV-2 verwandten) Viren HCoV OC43 beziehungsweise HCov 229E infiziert waren. Die Lyseprodukte infizierter Zellen sind durch Lyseprodukte nicht infizierter Zellen im jeweils angegebenen Verhältnis verdünnt.
Im Fall der nicht infizierten Proben werden 1,4 Prozent als infiziert („falsch positiv“) getestet, in den Fällen der mit HCoV OC43 beziehungsweise HCov 229E Proben ist dieser Anteil 2,2 Prozent beziehungsweise 1,9 Prozent.
Die genaue Güte des Tests in der Praxis lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Die aktuellen Werte des RKI zeigen, dass der Anteil der Infizierten inzwischen auf 1 Prozent gesunken ist. Im Folgenden wird daher mit Sensitivität 99,9 Prozent und Spezifität 99,5 Prozent eine — gemessen an den Ergebnissen des INSTAND Ringtests — sehr hohe Güte angenommen. Für den Anteil der gemessenen Infizierten in Abhängigkeit von den tatsächlich Infizierten ergibt sich dann folgende Grafik.
Abbildung 2: SARS-CoV-2: Anteil der gemessenen in Abhängigkeit von den tatsächlich Infizierten.
Das bedeutet, dass, selbst wenn SARS-CoV-2 verschwunden ist, bei 100.000 Tests immer noch circa 500 Infizierte gemessen werden.
Werte des RKI
Die folgende Tabelle ist dem täglichen Lagebericht des RKI vom 3. Juni 2020 entnommen (Tabelle 7, Seite 12).
Tabelle 3: Anzahl der SARS-CoV-2-Testungen in Deutschland (Stand 2. Juni 2020).
Der Anteil der positiv Getesteten liegt bereits im Bereich der zu erwartenden falsch positiv Getesteten.
Kenngrößen zur Bestimmung der Maßnahmen
Die Güte des PCR-Tests zur Bestimmung von SARS-CoV-2 hat Auswirkungen auf die Kenngrößen, die zur Bestimmung der Maßnahmen herangezogen werden. Im Folgenden wird beispielhaft die Entwicklung des R-Werts und der Anzahl der Neu-Infizierten für zwei Szenarien betrachtet. Im ersten wird angenommen, dass es keine Infizierten mehr gibt, im zweiten, dass die Anzahl der Neu-Infizierten exponentiell abnimmt. Das erste Szenario, bei dem es keine tatsächlich Infizierten mehr gibt, ist eventuell schon eingetreten, verlässliche Zahlen zur Güte des PCR-Tests sind vom RKI nicht veröffentlicht..
Wie oben erwähnt, wird mit einer Sensitivität von 99,9 Prozent und einer Spezifität von 99,5 Prozent eine sehr hohe Güte des PCR-Tests angenommen.
Für die beispielhaften Modellrechnungen zum zeitlichen Verlauf des R-Werts wird — ebenfalls beispielhaft — der Zeitraum vom 22. Mai bis 31. Juli 2020 betrachtet. Die zu erwartende Anzahl der positiv Getesteten wird direkt aus der Anzahl der Tests bei konstanter Güte des PCR-Tests berechnet. Eine durch Messfehler oder statistisch bedingte Streuung der Werte ist dabei nicht berücksichtigt.
Der R-Wert gibt an, ob die Anzahl der als infiziert Getesteten
- steigt: R-Wert > 1,
- gleich bleibt: R-Wert = 1,
- fällt: R-Wert < 1.
Bei dem „sensitiveren“ Verfahren des RKI wird die Summe der gemessenen Neu-Infizierten der letzten 4 Tage (0, 1, 2 und 3 Tage zuvor) durch die Summe der Neu-Infizierten 4, 5, 6 und 7 Tage zuvor geteilt. Um beispielsweise den („sensitiveren“) R-Wert für den 8. Juni 2020 zu bestimmen, wird die Anzahl der Neu-Infizierten vom 5. bis 8. Juni durch die Anzahl der Neu-Infizierten vom 1. bis 4. Juni geteilt.
Die verwendete Formel gemäß den Erläuterungen des RKI ist (siehe Seite 3):
SARS-CoV-2 nicht mehr vorhanden
Betrachtet man den Fall, dass es keine Infizierten mehr gibt, dann hängt sowohl die Anzahl der gemessenen Infizierten als auch der R-Wert nur von der Anzahl der Tests ab. Die Anzahl der gemessenen Infizierten beträgt bei der angenommenen Güte des Tests 500 Infizierte pro 100.000 Tests.
Um den Grenzwert von 50 Infizierten pro 100.000 Einwohner zu erreichen, sind über den durchschnittlichen Zeitraum der aktiven Infektion (7 Tage) circa 10.000 Tests pro 100.000 Einwohner erforderlich, für den Grenzwert 35 sind es entsprechend circa 7.000 Tests.
Für den R-Wert werden bezüglich der Anzahl der Tests folgende vier Szenarien betrachtet:
- Anzahl konstant
- Anzahl fallend
- Anzahl steigend
- Anzahl alternierend
Die folgenden Abbildungen zeigen jeweils in der oberen Hälfte den zeitlichen Verlauf der Anzahl der Tests. In der unteren Hälfte sind die Anzahl der positiv Getesteten und der R-Wert zu sehen. Die Anzahl der tatsächlich Infizierten ist immer 0.
Abbildung 3: R-Wert ohne tatsächlich Infizierte bei konstanter Anzahl der Tests.
Abbildung 4: R-Wert ohne tatsächlich Infizierte bei fallender Anzahl der Tests.
Abbildung 5: R-Wert ohne tatsächlich Infizierte bei steigender Anzahl der Tests.
Abbildung 6: R-Wert ohne tatsächlich Infizierte bei alternierender Anzahl der Tests.
In folgender Tabelle 4 ist das Verhalten des R-Werts in Abhängigkeit vom Verlauf der Anzahl der Tests beschrieben.
Tabelle 4: Verhalten des R-Wertes in Abhängigkeit vom zeitlichen Verlauf der Anzahl der Tests.
Anzahl der Infizierten abnehmend gegen 0
Betrachtet man den Fall, dass die Anzahl der Neu-Infizierten abnimmt und schließlich auf 0 zurückgeht, dann hängt sowohl die Anzahl der gemessenen Infizierten als auch der R-Wert zunehmend von der Anzahl der Tests ab. Die Anzahl der gemessenen Infizierten beträgt bei der angenommenen Güte des Tests mindestens 500 Infizierte pro 100.000 Tests.
Der Grenzwert von 50 Infizierten pro 100.000 Einwohner wird mit circa 10.000 Tests pro 100.000 Einwohner über den durchschnittlichen Zeitraum der aktiven Infektion (7 Tage) erreicht, für den Grenzwert 35 sind entsprechend circa 7.000 Tests erforderlich.
Für den R-Wert werden bezüglich der Anzahl der Tests wieder vier Szenarien betrachtet:
- Anzahl konstant
- Anzahl fallend
- Anzahl steigend
- Anzahl alternierend
Die folgenden Abbildungen zeigen jeweils in der oberen Hälfte den zeitlichen Verlauf der Anzahl der Tests. In der unteren Hälfte sind die Anzahl der positiv Getesteten und der R-Wert zu sehen. Die Anzahl der tatsächlich Neu-Infizierten nimmt ab und geht gegen 0.
Abbildung 7: R-Wert mit abnehmender Anzahl der Infizierten und konstanter Anzahl der Tests.
Abbildung 8: R-Wert mit abnehmender Anzahl der Infizierten und fallender Anzahl der Tests.
Abbildung 9: R-Wert mit abnehmender Anzahl der Infizierten und steigender Anzahl der Tests.
Abbildung 10: R-Wert mit abnehmender Anzahl der Infizierten und alternierender Anzahl der Tests.
In folgender Tabelle 5 ist das Verhalten des R-Werts in Abhängigkeit vom Verlauf der Anzahl der Tests beschrieben.
Tabelle 5: Verhalten des R-Wertes in Abhängigkeit vom zeitlichen Verlauf der Anzahl der Tests.
Das in Tabelle 4 und Tabelle 5 beschriebene Verhalten gilt grundsätzlich auch für andere Verläufe der Abnahme der (Neu-)Infektionen und für die anderen, in den Erläuterungen des RKI beschriebenen Verfahren zur Berechnung des R-Wertes.
Fazit
Die derzeit als Kenngrößen für die Verhängung von Maßnahmen verwendeten Werte — die Anzahl der gemessenen akut Infizierten pro 100.000 Einwohner und der R-Wert — haben bei einem geringen Anteil von akut Infizierten an der Gesamtbevölkerung keinen Aussagewert bezüglich der epidemiologischen Entwicklung der Krankheit. Insbesondere wäre zur Beurteilung der Anzahl der Infizierten pro 100.000 Einwohner, die pro Landkreis beziehungsweise kreisfreier Stadt erhoben werden, die Anzahl der dort durchgeführten Tests zwingend erforderlich. Da die Anzahl der Messungen nicht meldepflichtig ist, liegt diese Anzahl systematisch bedingt nicht vor.
Der R-Wert tendiert bei Verschwinden der Krankheit grundsätzlich gegen 1, also gegen den derzeit als kritisch betrachteten Wert.
Grundsätzlich können durch Änderung der Anzahl der Messungen die Kenngrößen so beeinflusst werden, dass eine willkürliche Verhängung von Maßnahmen möglich ist.
Die Aussagen bezüglich des R-Wertes gelten grundsätzlich auch für andere Werte der Spezifität des PCR-Tests. Bei der Bestimmung der Anzahl der Infizierten pro 100.000 Einwohner verändert sich die Anzahl der Messungen, ab der die Grenzwerte — 50 beziehungsweise 35 Infizierte pro 100.000 Einwohner — erreicht werden.
Diese Aussagen würden auch dann gelten, wenn die ganze Bevölkerung zu 100 Prozent wirksam gegen Covid-19 geimpft wäre.
Für eine objektive Beurteilung der epidemiologischen Lage ist es erforderlich, den Messfehler der Tests aus den Ergebnissen herauszurechnen. Dazu sind verlässliche Werte der Spezifität des PCR-Tests erforderlich, die (derzeit) nicht verfügbar sind.
Um die Abhängigkeit von der Anzahl der Tests zu beseitigen, müsste jeweils mit den relativen Werten, also der Anzahl der Infizierten im Verhältnis zur Anzahl der Tests, gerechnet werden.
Auch wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt wären, ist eine Relevanz des R-Werts bei ausklingender Krankheit nicht erkennbar.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.welt.de/vermischtes/article206504969/Corona-aktuell-Reproduktionszahl-in-Deutschland-steigt-am-Montag-auf-1-2.html
(2) https://www.bz-berlin.de/berlin/aktuell-6838-corona-faelle-in-berlin-reproduktionszahl-erneut-hoch
(3) https://www.swr.de/swraktuell/coronavirus-aktuell-zahlen-und-fakten-zur-lage-in-deutschland-100.html