Die Demokratie-Wiederbelebung

Die Bewegung für die Wiederherstellung der Grundrechte wird ein Jahr alt, erreichte aber schon mehr als andere Initiativen in Jahrzehnten.

Die Demokratie-Bewegung, die als Reaktion auf die schwersten Grundrechtseingriffe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus der Taufe gehoben wurde, blickt auf das erste Jahr ihres Bestehens zurück. Am 28. März 2020 startete sie mit einer noch wenig besuchten Demo am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz. Was ganz klein angefangen hat, ist mittlerweile zu einem demokratischen Netzwerk angewachsen, welches sich in zahlreiche Behörden und über viele Länder erstreckt. Die härtesten Angriffe konnten die Bewegung nicht in die Knie zwingen. Dennoch liegt noch ein weiter Weg vor ihr.

„Möchten Sie eine Verfassung?“, wurden Berliner Passanten am 28. März 2020 um den Rosa-Luxemburg-Platz von einem großen, blonden Mann gefragt, der ihnen mit Handschuhen und Tuch vor dem Gesicht ein Exemplar des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) aus einer Kiste anbot. Die essenzielle Bedeutung dessen, was man für selbstverständlich hielt, wird einem erst bewusst, wenn es nicht mehr da ist. Das gilt für die frische Luft, die uns hinter den verordneten Maulkörben verwehrt wird, aber auch für unsere Grundrechte, die mit dem Notstandsregime über Nacht ausgesetzt wurden.

Der Ausnahmezustand, die neue Normalität trat am 23. März in Erscheinung. Es folgten die Werktage der Stille: die Straßen menschenleer, der Himmel strahlend blau und ohne Flugzeuge. Eine ganz und gar eigenartige Atmosphäre hatte sich über das Land gelegt, geprägt von starken Kontrasten. Zum einen das atemberaubend schöne Wetter bei gleichzeitig erlebter Verunsicherung ob des abnormalen, surrealen Szenarios menschenleerer Straßen und ausgestorbener Großstädte.

Da muss doch etwas geschehen! Man kann das noch nicht einfach so hinnehmen. Wo war die Linke? Wo die ganzen Bewegungen, die sich Gerechtigkeit auf die Fahne schreiben? Sie waren im Homeoffice. Alle vermeintlichen Bollwerke des Widerstandes waren im Lockdown. Jemand muss doch etwas machen, dachten sich dieser Tage wohl viele. Doch da gab es eine kleine Avantgarde, die das nicht nur dachte, sondern auch machte!

Nicht ohne uns!

Für eine kleine Gruppe um den Dramaturgen Anselm Lenz aus Berlin war dies scheinbar der richtige Zeitpunkt, auf den sie schon lange gewartet hatte. Zuvor im Spektrum der Alternativmedien wie auch in der Friedensbewegung noch völlig unbekannt, traten Akteure auf den Plan, standen auf, wo andere sich hinlegten. Sie riefen klar und deutlich:

„Nicht ohne uns!“

So meldeten sie einen sogenannten Hygiene-Spaziergang am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz an, bei welchem sie Grundgesetze verteilen wollten. Was sollte schon groß schiefgehen?

An besagtem Ort zu besagter Zeit mussten die wenigen Akteure doch recht schnell feststellen, dass in der neuen Normalität ganz andere Spielregeln galten. Einfach so spazieren gehen und Grundgesetze verteilen — das war nicht mehr drin. Während die Menschen, die sich wenige Kilometer entfernt in Parks sonnten, größtenteils von den Behörden in Ruhe gelassen wurden, ging die Polizei sehr strikt gegen die etwa hundert Passanten am Rosa-Luxemburg-Platz vor, die hier sogar mit Abstand, Handschuhen und teils sogar mit Tüchern vor dem Gesicht — damals gab es noch keine Maulkorb-Pflicht — Grundgesetze verteilen. Der Grund: Das war hochgradig politisch und nicht gewollt. Eine Rede an diesem Platz halten? Unmöglich!

Die ganze Veranstaltung dauerte auch nicht lange. Anselm Lenz gelang es, einige Grundgesetze an den Mann zu bringen. Eine Kiste, die in der Mitte des Rosa-Luxemburg-Platz platziert wurde, war kurzzeitig von der Polizei konfisziert worden. An diesem Tag fand auch die erste Verhaftung statt, von der wir im nachfolgenden Jahr noch zahlreiche weitere, viel brutalere sehen sollten. Damals war noch richtig schockierend mit anzusehen, wie völlig unbescholtene Bürger grundlos verhaftet wurden.

Meine Rubikon-Reportage über diese Veranstaltung wurde anschließend kurzerhand von YouTube gelöscht. Auch das war damals noch vollkommen neuartig.


Re-Upload der Reportage auf BitChute.

Diese kleine Versammlung am Rosa-Luxemburg-Platz war die Keimzelle dessen, was in den nachfolgenden Monaten zur mittlerweile unüberschaubar großen Demokratiebewegung heranreifte.

Eine neue Hoffnung

Allen Versuchen der Zensoren und massenmedialen Miesmachern zum Trotz verbreitete sich die Botschaft in Windeseile, dass eine neue Demokratiebewegung geboren war. Zunächst war der Rosa-Luxemburg-Platz der Hotspot der Demokratiebewegung, von dem uns sowohl schöne als auch scheußliche Bilder erreichten. Aber auch anderorts begannen die Menschen während dieser gespenstischen Stille, wie sie oben beschrieben wurde, in den Fußgängerzonen der deutschen Groß- und Kleinstädte Grundgesetze zu verteilen, ehe sie von der Polizei vertrieben wurden. Doch der Freiheitsdrang war nicht aufzuhalten.

Der erste Dammbruch erfolgte in Baden-Württemberg, als vor dem Verfassungsgericht das Recht auf Demonstrationsfreiheit in Stuttgart erfochten wurde. Da dauerte es auch nicht mehr lange: Querdenken trat auf das Spielfeld und bewies nach Stuttgart 21 erneut, welch widerständlerisches wie aufrührerisches Potenzial in den Schwaben steckt. Der neue Optimismus schwappte von Schwaben aus über das restliche Land, und in allen Städten und Kleinstädten gingen die Menschen auf die Straße, protestierten und meditierten.

Bezeichnend war es, wie dann andere Bewegungen von den Früchten der Protestbewegung kosteten, ohne sich dafür gebührend oder überhaupt zu bedanken. Mitte Mai ging Black Lives Matter (BLM) entgegen aller Hygiene-Auflagen auf die Straße. Eine regelrechte Oper der Doppelmoral folgte in den Medien. Mussten sich die Strömungen der Demokratiebewegung in den vorangegangenen Wochen vehement dafür rechtfertigen, dass sie auf die Straße gingen, um für Grundgesetze und einen offenen Diskurs zu Corona einzustehen, so konnte BLM unbescholten demonstrieren und wurde dafür sogar noch aus den Reihen des Establishments gelobt. Die BLM-Protestler erkannten darin auch überhaupt keinen Widerspruch, wetterten sie kurz zuvor noch gegen jene „Schwurbler“, die für ihre Grundrechte auf die Straßen gegangen waren ― kognitive Dissonanz eben.

Einen Höhepunkt erreichte die Demokratiebewegung, als sie am 1. August mit schätzungsweise einer Million ― beziehungsweise „17.000“ ― Menschen die Straßen Berlins flutete und die neue Normalität zumindest für einen Tag ins Abseits drängte. Auf der Folgedemo am 29. August sprach niemand geringeres als Robert F. Kennedy junior, Neffe von JFK, auf der Bühne: ein Sinnbild dafür, dass die Demokratiebewegung unlängst in vielen Ländern auf unterschiedlichsten Kontinenten Fuß gefasst hatte.

Das Corona-Narrativ indes hatte es nicht leicht, sich virologisch im Sommerloch, während der Hochphase des demokratischen Sommers, zu behaupten. Verzweifelt klammerte es sich an wenige Hotspots. Das änderte sich jedoch im Herbst mit den Tropfen der ersten Schniefnasen.

Das Imperium schlägt zurück

Im Herbst hatte die Demokratiebewegung mit einigen Rückschlägen zu kämpfen. Fallen wurden aufgestellt, eine mediale Kugel nach der anderen auf sie abgefeuert. Lug und Trug beherrschten die Schlagzeilen der Angstpresse, geistige Pogromstimmung nahm in (a)sozialen Medien überhand. Zu allem Überfluss wurde dann auch noch der Verfassungsschutz auf Querdenken angesetzt.

Paradox, nicht wahr? Eine Behörde, die dem Namen nach die Verfassung schützen soll, beobachtet eine Bewegung, die eben diese — zum Teil ausgesetzte — Verfassung in gänzlicher Funktion wiederherstellen möchte, während besagte Behörde selber dieser Verfassung und damit der Demokratie massiven Schaden zufügt. Stichwort NSU-Skandal mit Akten, die für 120 (!) Jahre weggesperrt wurden.

Der Herbst war ein andauerndes Wechselspiel aus Licht und Schatten. Leipzig sendete am 7. November ein Zeichen des Friedens in die Welt, in Form unzähliger Kerzen auf den Straßen, während an den Rändern der Demo Gewaltszenen bewusst provoziert, inszeniert und verzerrt der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Am 18. November, als das dritte, rechtsstaatszersetzende Infektionsschutzgesetz in einer aberwitzigen, jeder demokratischen Gründlichkeit spottenden Geschwindigkeit durch die Instanzen gejagt wurde, ging das Regime bei Temperaturen um den Gefrierpunkt kaltschnäuzig mit Wasserwerfern auf die eigene Bevölkerung los.

Gleichzeitig zog der sogenannte Lockdown light herauf, der — wer hätte ernsthaft etwas anderes vermutet — in einen Lockdown wie dem des Frühjahrs mündete, der dann allerdings mit noch strengeren Regeln aufwartete und damit noch mehr Lockdown-Leid hervorrief. Doch die Demokratiebewegung war nicht kleinzukriegen. Insbesondere in den kleinen Provinzen und Vororten entstanden ganze Netzwerke aus aufrechten Demokraten.

Spätestens mit der ersten Großdemonstration von 2021 am 20. März in Kassel bewies die Demokratiebewegung, dass der „harte, kalte Winter“ ihr nicht den Garaus hatte machen können.

Die Rückkehr der Grundrechte und der Menschenwürde

Das Fundament der Demokratiebewegung sind die Menschen selbst. Teils sind es jene, die bis dato gar nicht politisiert waren, aber in der Stunde der Bewährung den Braten rochen oder aber nun — da ihnen die Existenzgrundlage in den Fingern zerrinnt — Politik aus Notwehr heraus betreiben. Zum anderen sind es die Menschen, die zuvor schon politisiert waren, aber nun neuen Schwung erhielten, nachdem sich Machtmissbrauch und Korruption wieder einmal sehr offenkundig zeigten.

Die Demokratiebewegung wird in den nächsten Monaten in ihrer Standhaftigkeit davon zehren, weil es für die breite Masse der Bevölkerung kein Zurück mehr gibt, keine Komfortzone, in welche man sich zurückziehen kann. Entsprechend wenig zu verlieren haben viele Bürger, denen im letzten Jahr ihre Existenzgrundlage durch unverhältnismäßige Maßnahmen geraubt wurde. Allen, die noch über die notwendige Kraft verfügen, bleibt nur die Flucht nach vorne — das Eintreten für eine neu gelebte, friedliche, freie, demokratische Gesellschaft.

Die Flamme der ersten Kerze auf der Geburtstagstorte der Demokratiebewegung ist jedem aufrichtigen Demokraten und jeder aufrichtigen Demokratin ein wärmendes Feuer, das nicht mehr gelöscht werden kann.