Die Coronabrücke
Ein Austausch zwischen zwei Frauen mit konträren Ansichten zur Pandemie zeigt, dass die Spaltung der Gesellschaft überwunden werden kann. Exklusivabdruck aus „Briefwechsel“. Teil 2/2.
Ist Corona so wichtig, dass Kinder später in Geschichtsbüchern darüber lesen werden? Diese Frage stellt ein Zehnjähriger seiner Oma Hannelore, die daraufhin die Idee hat, ihre Familie, Bekannten und Freunde zu bitten aufzuschreiben, wie sie die Coronazeit erleben. Aus diesem Aufruf zur Sammlung von Zeitzeugenberichten entsteht ein Austausch zwischen der 74-jährigen Hannelore und der 47-jährigen Autorin Nora. Obwohl die beiden Frauen sehr unterschiedliche Sichtweisen auf die von der Weltgesundheitsorganisation ausgerufene Pandemie haben, zeigen sie, wie man miteinander ins Gespräch und dabei einander wohlgesonnen bleiben kann. Ganz nebenbei sammeln sie die Meinungen ihrer Bekannten und weben sie ihre Briefe ein. Hier folgt eine der Rückmeldungen auf den von Hannelore verschickten Fragebogen als Auszug aus „Briefwechsel — Stimmungsbild einer viralen Krise“.
Emma, 50 Jahre, Krankenschwester und Schauspielerin, derzeit als Lehrerin tätig.
Liebe Hannelore,
Was hast du gefühlt und was hast du gedacht?
Als es in China losging, war mein erster Gedanke: Wem nützt es?
Nächster Gedanke: Dann wird es wohl still um die Proteste in Hongkong. Schade!
Nächster Gedanke: China, Amerika, Europa — wird hier eine neue Marktordnung von hinten um die Ecke eingeführt?
Gefühlt habe ich erst etwas, als es in Deutschland losging.
Misstrauen. Angst vor etwas Unbekanntem, etwas, das so groß ist, dass ich es nicht verstehe. Angst um meine Gesundheit und die meiner nahen Menschen. Angst vor Fremdbestimmung.
Widerstreitende Gefühle, wie ich sie aus der Zeit kenne, als ich noch ein Kind war — das Gefühl, dass mir die vollständige Wahrheit vorenthalten wird, dass ich es nicht wert bin, die Wahrheit zu erfahren, dass man mir nicht zutraut, selbst Verantwortung zu übernehmen.
Ohnmacht. Wut. Ratlosigkeit. Abschiedsgefühle. Traurigkeit. Heimweh nach der alten Welt. Neugier auf eine neue Zeit.
Endlich ist die Krise da, die ich mir schon sehr lange gewünscht habe. Hoffnung. Resignation. Angst vor Veränderung. Gefühle von tiefer Klarheit. Mut und Mutlosigkeit. Selbstzweifel. Glaubensverlust. Entsicherung.
Durchgehend, beinahe Mantra-artig begleitete mich der Gedanke: Diese Zeit werde ich sinnstiftend für meine seelische Entwicklung nutzen. Ich nehme meine Gefühle ernst, betrachte meine Widerstände sehr genau, betrachte meine inneren Bewertungen, prüfe eingehend, ob es meine sind oder ob sie induziert sind, ich integriere meine körperlichen Symptome und nehme das Wagnis der Veränderung an.
Was habe ich in meinem Umfeld unternommen?
Ich habe meine Schüler über die geniale Arbeitsweise ihres Körpers und ihres Immunsystems aufgeklärt und ihnen etwas über Viren und das Coronavirus im Speziellen erzählt; mein Ziel war es, ihnen ein inneres Bild zu vermitteln, mit dem sie gut sein können.
Ich habe Unmengen an Informationen konsumiert ― sowohl im Mainstream als auch in den alternativen Medien.
Ich sondierte meine Umgebung nach Menschen, mit denen ich frei reden konnte, ohne bewertet zu werden.
Ich ging mit meinen Ängsten und widerstreitenden Gefühlen zu einer Traumatherapeutin.
Ich machte jeden Tag für meine Familie grünen Saft von der Wiese.
Täglich gingen wir zusammen in die Natur.
Um mich zu stärken, joggte ich viel.
Ich arbeitete solidarisch im Dorfkonsum mit.
Ich begann meine Beziehungen zu klären.
Ich hinterfragte meine berufliche Situation.
Ich führte viele Gespräche mit Menschen, um ihre Sicht zu verstehen.
Was musste ich unternehmen?
Ich musste meine Schüler während der Hausbeschulung begleiten.
Ich musste meine Beziehung zu meinen Schülern und meinem Team plötzlich abbrechen.
Ich musste mich meiner eigenen Gehorsamsbiografie stellen.
Ich musste mich mit den täglich neuen Verordnungen in meinem Arbeitsumfeld auseinandersetzen.
Ich musste aufhören zu arbeiten.
Ich musste mit ansehen, wie der von mir gegründete Schulverein plötzlich von Angst- und Gehorsamskräften übernommen wurde. Ich musste schweigen und beobachten.
Ich musste mich mit der Entwicklung unseres Vereins auseinandersetzen. Ich musste meine Funktion als Vorstand niederlegen, weil ich erkannte, dass der Verein nicht mehr meine geistige Heimat ist. Ich musste viel weinen.
Was hat mich am meisten besorgt?
Die Sprachlosigkeit zwischen den Menschen. Meine eigene temporäre Sprachlosigkeit und Lähmung.
Die Konfliktangst. Die Spaltung zwischen den Menschen. Die Sorglosigkeit vieler Menschen beim Entzug der Grundrechte. Denunziantentum, das von der Regierung nahezu eingefordert wurde. Bußgeldkataloge. Einteilung in Verschwörer und Nichtverschwörer. Ausgrenzung, Sabotage, Diffamierung von Andersdenkenden.
Was hat mich am meisten geärgert?
Falsche Bilder in der Presse.
Dass mir meine Mündigkeit als Bürger abgesprochen wurde. Dass ich zum Funktionsbürger degradiert wurde, dessen vorrangige Pflicht das Einhalten von Verordnungen ist. Dass meine Freiwilligkeit mit der Androhung von Bußgeld ad absurdum geführt wurde.
Dass in den offiziellen Medien nicht über die Stärkung des Immunsystems gesprochen wurde, dass Panik geschürt wurde. Dass nichts unternommen wurde, um die Menschen zu stärken.
Was denke ich heute?
Es war gut und anstrengend, dass mir das Leben so brachial den Vorhang weggezogen hat und ich mich meinen Illusionen stellen, sie hinterfragen und anerkennen musste. Ich erkenne an, dass ich die Verantwortung für mein Leben, meine Gefühle und Visionen trage.
Ich bin mir bewusst, dass ich das Risiko für mein Leben selbst trage. Wenn ich anerkenne, dass der Wandel und die Veränderung etwas ist, das mich mit der Natur und allem, was lebt, verbindet, habe ich viel mehr Gestaltungsspielraum, als ich dachte. Wandel bedeutet immer Entsicherung – das macht mir Angst. Dennoch muss ich akzeptieren, dass Sicherung und Entsicherung zum Leben gehören. In dem Moment, in dem ich die Angst vor der Entsicherung nicht anerkenne oder vermeiden will, vermeide ich, wirklich lebendig zu sein. Das ist zwar konfliktarm, in meinen Augen jedoch ein ziemlich hoher Preis.
Womit beschäftigst du dich am meisten?
Mit meinen nahen Beziehungen.
Mit meinen Ängsten.
Mit der Frage: Wie will ich leben?
Mit der Frage: Wie kann ich zu einer menschengerechten Welt in meinem konkreten Umfeld beitragen?
Damit, woher ich ein Attest herbekomme, um keine Maske tragen zu müssen.
Was hat dich am stärksten positiv überrascht?
Dass meine Schüler fast durchweg eine gute Zeit mit ihren Familien hatten und ihnen die Schule nicht fehlte.
Mein eigener Erkenntnisgewinn.
Das freie, eigene Denken von Menschen, die ich vorher nicht im Blickfeld hatte.
Wie gehst du in deiner Familie und in deinem Freundeskreis mit der Situation um?
Viel reden und zuhören. Keine Bewertungen. Abschaffung der Ironie als versteckte Ratlosigkeit. Sprache finden.
Respekt vor meinen Kindern, für die das alles kein Thema ist.
Dennoch nachfragen, wie es ihnen geht und was ihnen Angst macht.
Mit den Kindern im Gespräch sein und gemeinsam schauen — vor allem während der Zeit der starken Kontaktbeschränkungen —, welches Verhalten unnötig andere Menschen provoziert. Ihnen Tipps geben, wie sie zum Beispiel die Kontaktbeschränkungen, unter denen sie und ihr Freundeskreis leiden, umschiffen können; indem ich gute Orte zum Treffen empfehle.
Viele gemeinsame Unternehmungen und Tätigkeiten in Haus und Hof.
Ich überlasse es meinen Eltern und Schwiegereltern, Verantwortung für sich zu übernehmen und nehme ihre Kontaktangebote an.
Freundeskreis:
Er hat sich gewandelt. Andere Menschen geraten in mein Blickfeld. Ich meide moralische Freunde. Wir rücken näher zusammen, tägliche Telefonate, Lagerfeuerabende, Vogelwanderungen. Ich mache mich sichtbarer in meinem Sein, meine Beziehungen werden wirklicher. Ich meide Freunde, die mich belehren wollen und stelle die Beziehung zu ihnen infrage.
Was hast du in dieser Zeit über dich gelernt?
Ich bin nicht mehr bereit, meine Integrität zu verletzen oder verletzen zu lassen.
Ein sicherer Job und Geld allein reichen mir nicht, um mich sicher und geborgen zu fühlen.
Ich bin weniger stabil, als ich in stabilen Zeiten dachte.
Nähe, Berührung, Austausch und Gemeinschaft sind mir wichtig.
Angst macht mich krank und eng. Ich muss für Lebensumstände sorgen, in denen ich mich gesund und in meiner Kraft fühle.
Wie schätzt du den eingeschlagenen Weg zur Bekämpfung der Krise in Deutschland, in Europa, in der Welt ein?
Ich habe keine Hoffnung, dass die Krise als Chance für einen Wandel vom Marktgerechten System zum Menschengerechteren System ergriffen wird.
Ich sehe, dass der Weg in Richtung Gesundheitsdiktatur eingeschlagen wird.
Der Kapitalismus kommt in seine letzte Phase, er zerstört den Menschen als Material durch maximale Ausbeutung zum finanziellen Wohle einzelner.
Die Demokratie ist am Ende, das Sagen hat eine Finanzoligarchie.
Ich sehe keine nennenswerten Initiativen zum Klimaschutz, Artenschutz oder gegen Massentierhaltung. Diese Probleme werden vernebelt durch den Neoliberalismus und dessen irreführende Vokabeln.
Was bewegt dich derzeit am stärksten?
Die Frage: Wie möchte ich leben?
Die Frage: Wie kann ich meine Kinder schützen?
Die Frage: Wird meine Beziehung meine Wandlung überstehen?
Was erwartest du nach der Coronakrise?
Einen Untersuchungsausschuss.
Viele kleine runde Tische in Kommunen und Gemeinden zur Aufarbeitung der Krise und Neufindung von Zukunftsvisionen.
Bürgergeld.
Freiwillige Zwangsimpfung, nach dem Motto: Solltest du das nicht wollen, musst du freiwillig die Beschneidung deiner Grundrechte in Kauf nehmen. Ähnlich wie beim Masernschutzgesetz.
Digitale Patientenakte.
Organspendepflicht.
Erhalt der Maskenpflicht und allgemeine Gewöhnung daran.
Hygienediktatur wider den gesunden Menschenverstand.
Weitere Abkehr von evidenzbasierter Medizin.
Was wünscht du dir am meisten?
In Liebe mit sich aufrichtenden Menschen verbunden sein.
Bürgergeld.
Unabhängige Evaluation der vergangenen Wochen.
Abschaffung der Massentierhaltung.
Entmachtung der Lebensmittellobby und Pharmalobby. Einen runden Tisch mit allen Interessenverbänden.
Neue Verhandlung des Masernschutzgesetzes und auch hierzu einen runden Tisch mit allen Interessenverbänden.
Offenlegung, welche PR-Agenturen die Bundesregierung beraten.
Friedliche Demonstrationen bundesweit.
Keine Koalitionszwänge bei Abstimmungsprozessen.
Offenlegung finanzieller und lobbyistischer Verflechtungen in der Politik und Wirtschaft.
Veränderungen des Wahlsystems.
Schulen schreiben ihre eigene Schulpolitik.
Mehr Eigenbestimmung der Gemeinden und Entlastung von Altschulden.
Welche konkreten Hoffnungen hast du am meisten für dich und deine Familie?
Ich wünsche mir ein Leben ohne Hygienediktatur, digitale Überwachung, Krankheitsangst und Mundschutz. Ein Leben in Selbstvertrauen und Naturverbundenheit.
Ich wünsche mir gute, authentische Beziehungen zu leben.
Ich möchte ein guter Nährboden und Sicherheitsnetz für persönliche Veränderungen sein.
Ich wünsche mir unbedingten Respekt vor der Selbstbestimmung eines jeden einzelnen.
Ich wünsche mir eine gleichwürdige Beziehungs- und Konfliktkultur.
Ich wünsche mir finanzielle Sicherheit.
Ich hoffe, dass meine Kinder in sinnstiftenden, fördernden Beziehungen leben werden.
Ich hoffe, dass ich jung alt werde.