Die bröckelnde „vierte Säule“
Die Öffentlich-Rechtlichen sind längst keine Stützen der Demokratie mehr — anstatt ihre Abschaffung zu fordern, sollten wir darauf bestehen, dass sie ihren Job machen. Teil 2/2.
Nachdem wir die Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu einer öffentlich-rechtlichen Medienplattform in dem Artikel „GEZ, ARD, ZDF abschaffen? Nein, neu erfinden!“ (1) vorgeschlagen haben, sprachen sich viele in den Kommentaren für die Abschaffung der „Zwangsgebühren“ oder die Zerschlagung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus. Nur selten wurden Vorschläge gemacht, wie der gemeinwohlorientierte öffentlich-rechtliche Rundfunk in einer besseren Zukunft funktionieren könnte. Im Folgenden fragen wir anhand einer Reihe von Beispielen, ob die bisher diskutierten Reformbemühungen ausreichen werden, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wieder zu der starken vierten Säule der Demokratie zu machen, die er sein sollte. Das Modell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist ein tragfähiges Konzept für die Zukunft, wenn es seinem Sinn entsprechend ausgestaltet wird.
Leider haben sich die öffentlich-rechtlichen Medien über die vergangenen Jahrzehnte von ihrem Auftrag unglaublich weit entfernt und führen uns nun einer staatsmedialen Kernschmelze entgegen. Waren sie früher noch ein Korrektiv, das bei Verfehlungen von Politikern wie Plagiats-Affären — zum Beispiel Karl-Theodor zu Guttenberg oder Annette Schavan — bei der Aufdeckung vorangingen — was schließlich zu Rücktritten von der Lüge überführten Politikern führte — scheinen sie heute beispielsweise im Falle von Franziska Giffey oder Karl Lauterbach wie gelähmt.
Journalisten der öffentlich-rechtlichen Medien setzen sich sogar über Wahlergebnisse hinweg. So betrachtete der Journalist Oliver Brendel vom Kanal „Der Medienfuzzi“ die Auswahl der Gäste der wichtigsten ARD- und ZDF-Polittalkshows in einer Studie (17).
Um die im Medienstaatsvertrag geforderte Ausgewogenheit darzustellen, hätten die Gäste als Vertreter der Parteien zumindest annähernd das Wahlergebnis widerspiegeln müssen. Das Ergebnis seiner Untersuchung zeigte Grüne, SPD, FDP und CDU in den Talkshows mehrerer Sender deutlich überrepräsentiert im Vergleich zu ihrem Wähleranteil.
Die Grünen erhielten zuletzt 15 Prozent der Stimmen, besetzten aber bei „Maybrit Illner“ im ZDF rund 25 Prozent der Plätze. Bei „Hart aber fair“ wurde die CDU bevorzugt: Bei einem Wähleranteil von 24 Prozent kam sie in der ARD-Talkshow auf 32 Prozent der Plätze. Ganz anders die AfD. Trotz eines Stimmenanteils von zehn Prozent war sie nur in unter einem Prozent der Fälle vertreten. In 289 Sendungen waren AfD-Politiker nur dreimal zu Gast. Auf diese Weise werden die politischen Kräfteverhältnisse nicht ausgewogen widergespiegelt.
Noch einen Schritt weiter geht der „gewisse missionarische Eifer“, von dem Kai Gniffke aus seiner Zeit bei der Tagesschau berichtet. Absichtsvoll hätte man unter anderem daran gearbeitet, die Partei AfD als „rechtspopulistisch“ darzustellen, als sie immer größer wurde. Ziel war, „den Leuten“ die neue Partei so zu präsentieren, dass sie sie „erstmal einordnen“ können: „Ihr sollt die bitte doof finden.“
Als er dies auf einer Podiumsdiskussion der re:publica 2018 zugab, rang er gleichzeitig mit sich selbst, dass er das eigentlich nicht richtig fand (18). Aber tat er das nur für das kritische Publikum der Veranstaltung, oder ist es seine Erkenntnis, hinter der er wirklich steht?
Wenn die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Vorabend wichtiger Bund-Länder-Treffen zur Corona-Lage ausgewählte Journalisten zusammengerufen hat, um diese auf die harte Lockdown-Schiene der Regierung einzuschwören, waren mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Journalisten von ARD und ZDF dabei.
Tagesspiegel Redakteur Georg Ismar berichtete, dass bei diesen Zusammenkünften die Pandemiesituation stets so eindringlich dargestellt worden war, dass es zum Gipfeltag in den Medien stand und somit Druck auf die Ministerpräsidenten aufgebaut wurde. Als diese von den geheimen Runden Kenntnis bekamen, speisten sie ihre Sicht der Dinge ebenfalls über direkte Kontakte zu Journalisten in den öffentlichen Diskurs der Medien ein (19).
Dieses Vorgehen widerspricht der Rolle der Medien als vierte Gewalt. Im Gegenteil: Sie wurden für die Durchsetzung politischer Interessen missbraucht, sie waren der Spielball der Bundes- und Länderpolitik, anstatt die Politik zu kontrollieren — was ihre ureigenste Aufgabe ist.
Während früher die Politik Impulse aus der Wirtschaft bekam und von ihr angetrieben wurde, sind es heute die Medien, die die Politik vor sich hertreiben, und das sogar zum Schaden der Wirtschaft. Denn mit dem weit verbreiteten „Haltungsjournalismus“ soll nicht nur die Bevölkerung „erzogen“ werden, damit wird auch aktiv die Politik beeinflusst und angetrieben.
So war deutlich zu beobachten, wie der Druck auf Kanzler Olaf Scholz erhöht wurde, um endlich der Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine zuzustimmen. In diesem Zusammenhang gab der erfahrene Ex-General Harald Kujat zu bedenken, dass den Journalisten jegliche sicherheitspolitischen und strategischen Kenntnisse und Erfahrungen fehlen (20). Wenn sie trotzdem ihr berufliches Neutralitätsgebot aufgeben und sogar selbst politisch tätig werden, kann das aufgrund ihrer Unkenntnis regelrecht gefährlich werden.
Dass es im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Corona-Maßnahmen geplante Staatspropaganda gab, kann aus den oben beschriebenen „Vorabend-Treffen“ von Kanzlerin Merkel mit ausgewählten Journalisten geschlussfolgert werden. Nachgewiesen ist staatspropagandistisches Vorgehen für die Darstellung des Ukraine-Krieges in den Medien. Darüber wurde ein Dokument der Bundesregierung mit dem Titel „Laufende Aktivitäten der Ressorts und Behörden gegen Desinformation im Zusammenhang mit RUS Krieg gegen UKR“ geleakt und den Nachdenkseiten von einem Whistleblower zugespielt (21, 22).
In dem Dokument sind zum Stand 27. Juni 2022 die Aktivitäten der Bundesministerien und untergeordneten Behörden aufgelistet. Es wird eine Strategie präsentiert, die die Medien, die westlichen Social-Media-Konzerne, die sogenannten „Faktenchecker“ — unter anderem ARD-Faktenfinder — und die Bildungseinrichtungen bis zu den Grundschulen einbindet und den konzertierten Ansatz einer Informations-Gleichschaltung offenbart (21). Die Echtheit des Dokumentes wurde durch die Bundesregierung bestätigt (23).
Die öffentlich-rechtlichen Medien sind in die unglaublich umfangreichen Maßnahmen nicht nur eingebunden, sie hinterfragen diese nicht und beteiligen sich auch nicht an der Offenlegung und Aufklärung. Dies wäre allerdings ihre Aufgabe, und jeder einzelne Journalist ist dafür verantwortlich, dass nach dem Leak das Thema in den öffentlich-rechtlichen Medien nicht aufgegriffen wurde. Nach Aussage des Whistleblowers stellt das Leak jedoch nur die Spitze des Eisbergs dar.
Oppositionelle Medien springen in die Bresche
An diesem Beispiel der Aufdeckung politischer Missstände zeigt sich sehr deutlich die Rolle der oppositionellen Medien, zu denen die Nachdenkseiten gehören.
Die oppositionellen Medien entwickeln sich, weil die öffentlich-rechtlichen Medien ihrem Auftrag, vollumfänglich zu informieren, in wachsendem Maße nicht nachkommen.
Journalismus soll die Wirklichkeit abbilden. Sowohl redliche Journalisten als auch die Rezipienten nehmen wahr, dass von den öffentlich-rechtlichen Medien die Wirklichkeit nur noch bruchstückhaft und sogar verfälscht dargestellt wird. Am deutlichsten wird das bei den lokalen Sendern, wo die Diskrepanz zwischen dem Berichteten und dem selbst Erlebten von den Menschen direkt gesehen und gespürt wird.
Sehr deutlich zeigten das die Berichte über die Corona-Maßnahmen-Proteste, die entweder verschwiegen oder mit aus der Luft gegriffenen Teilnehmerzahlen marginalisiert wurden. Oppositionelle neue Medien schließen die Lücke und werden daher von Menschen dankbar angenommen, die das Versagen der öffentlich-rechtlichen Medien erleben.
Ein für alle Bürger in Zukunft schmerzhaftes Thema ist die Wahlrechtsreform, die am 17. März 2023 vom Bundestag beschlossen wurde. Nach einem 15 Jahre währenden Streit zwischen den Parteien wurde am Ende innerhalb kürzester Zeit im Bundestag das neue Wahlrecht beschlossen. Zur nächsten Bundestagswahl in zweieinhalb Jahren wird der Gewinn eines Direktmandates nicht mehr automatisch zum Einzug in den Bundestag führen (24).
Direktmandate holen Kandidaten direkt von ihren Wählern. Umso unverständlicher ist es, dass es keine große gesellschaftliche Debatte zu dieser grundsätzlichen Veränderung gegeben hat, die jeden Wähler betrifft. Es wäre die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewesen, diese Debatte anzustoßen und in breitem Rahmen innerhalb verschiedener Sendeformate zu führen. Da stellt sich schon die Frage, warum dies nicht geschah und in wessen Interesse dieses Thema fast gänzlich weggelassen wurde.
Ebenso wird derzeit überhaupt nicht thematisiert, dass seitens der Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) versucht wird, umfassende Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IHR) durchzusetzen. Diese würden der WHO noch nie dagewesene Macht verleihen, „potenzielle“ Gesundheitsnotfälle auszurufen und die Kontrolle über die uns zur Verfügung gestellten Informationen zu übernehmen.
Zusätzlich soll ein globaler Pandemievertrag geschaffen werden, der die Souveränität der einzelnen Nationalstaaten aufheben kann und der WHO noch mehr Befugnisse zur Überwachung und Kontrolle der öffentlichen Gesundheitsbehörden übertragen würde. Gibt es darüber eine breite gesellschaftliche Debatte? Wird das Thema in den öffentlich-rechtlichen Medien aufgegriffen und von verschiedenen Seiten beleuchtet? Es herrscht dröhnendes Schweigen.
Noch wird der gesellschaftliche Diskurs von den Erzählungen der öffentlich-rechtlichen Medien bestimmt, die deshalb auch „Leit“-Medien genannt werden. In den oppositionellen Medien existieren die „Leit“-Medien quasi negativ gespiegelt (25) — was auf der einen Seite fehlt, wird von der anderen Seite betrachtet.
Wenn sich der Prozess fortsetzt, dass bestimmte Themen, Meinungen, Lebenswirklichkeiten in den öffentlich-rechtlichen Medien weggelassen werden, die verbleibende Berichterstattung zum Teil einseitig und manipulativ ist, werden die Menschen immer weniger bereit sein, die „Leit“-Medien zu nutzen. Sie sehen dann auch immer weniger ein, den Rundfunkbeitrag zu bezahlen. Demgegenüber leben die oppositionellen Medien von freiwilligen Abonnenten und Spenden. Wenn der Inhalt des jeweiligen Mediums überzeugt, werden sich dafür auch Käufer finden. Das zeigen solche Portale wie Nachdenkseiten, apolut, Manova, Kontrafunk und andere, die teilweise inzwischen schon über mehrere Jahre existieren.
Rundfunkgebühren aus Phantasie-Bedarf ohne ordentliche Buchführung
Die Missstände, Verfehlungen und mehr als halbherzigen „Reformbemühungen“ haben die Hoffnung, dass ARD und ZDF willens oder in der Lage sein könnten, sich im Sinne ihrer Aufgabe selbst zu reformieren, zu einer realitätsfernen Illusion gemacht. Sie sind noch nicht einmal in der Lage, eine ordentliche Buchführung durchzuführen, wie sie gesetzlich vorgeschrieben ist. Die im System angelegte fehlende Kontrolle macht das Streben nach der Reform von ARD und ZDF unrealistisch.
Das Beispiel der Kostenerfassung für die Onlineangebote zeigt die betriebswirtschaftliche Dysfunktionalität beim ZDF und in ARD-Sendeanstalten. So hatte der Landesrechnungshof (LRH) Rheinland-Pfalz die Prüfung der Online-Aktivitäten des ZDF für die Jahre 2017 bis 2020 ergebnislos abgebrochen, weil das ZDF keine Buchführung vorlegen konnte. Das hatte aber keine Konsequenzen, außer der Bitte des LRH an das ZDF, in Zukunft doch bitte Zahlen zu erfassen. Zitat aus dem Bericht:
„Das ZDF kann nicht genau angeben, wieviel Kosten dem ZDF für die Onlineaktivitäten insgesamt entstehen. (...) Der Rechnungshof hat angeregt, die Kostenstellenrechnung so weit zu ergänzen, dass (...) die Kosten (...) für die Onlineauftritte ersichtlich sind. Nur so kann die Kostenstellenrechnung auch einer ihrer grundsätzlichen Aufgaben gerecht werden, dass Kosten auf die Kostenträger — hier speziell auf die Online-Kostenträger — zugeordnet werden können.
Ziel sollte sein, die Produktionskosten der Onlineangebote möglichst genau zu berechnen. Die Aufteilung der Kosten zwischen linearen und non-linearen Programmen hält er aus Transparenzgründen für geboten, zumal das ZDF in den Telemedienkonzepten und im Drei-Stufen-Test die Kosten der Onlineaktivitäten anzugeben hat. Der möglichst genaue Ausweis der ZDF-Onlineaktivitäten ist zudem notwendig, um der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten den exakten Finanzbedarf für den Onlinebereich melden zu können“ (26).
Telemedienkonzepte und Drei-Stufen-Plan gehören zum Genehmigungsverfahren für öffentlich-rechtliche Telemedienangebote. Das Verfahren ist in Paragraph 32 des Medienstaatsvertrags geregelt. Laut Absatz (2) in dem Paragraphen muss „die Beschreibung aller Telemedienangebote (...) eine Nachprüfung des Finanzbedarfs durch die Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) ermöglichen“ (27). Wenn die Kosten gar nicht erfasst werden, kann der Finanzbedarf nicht ermittelt werden und die KEF kann den Bedarf nicht prüfen. Das ZDF bricht hier den Medienstaatsvertrag in eklatanter Weise.
Dass die ARD-Spitze sich mit der KEF informell abspricht, wird bei Business Insider mit Bezug auf „Geheime ARD-Akten“ berichtet (28). Demnach gab es am 13. Juni 2022 ein Treffen der ARD-Kontaktgruppe, bestehend aus der damaligen Intendantin des RBB, Patricia Schlesinger, und den Intendanten von WDR und SWR, Tom Buhrow und Kai Gniffke, mit drei KEF-Vertretern in Frankfurt/Main. Dabei sollen laut Vermerk in den Akten „Spielräume für die Verwendung von ‚Mehrerträgen‘ und die digitale Transformation ausgewertet worden sein“.
Des Weiteren gehe aus internen Strategiepapieren hervor, dass die Intendanten im Juni 2022 mit einer Anhebung des Rundfunkbeitrags auf bis zu 25,19 Euro pro Monat kalkuliert hätten. Eine ARD-Sprecherin sagte dazu laut Augsburger Allgemeine:
„Die Rundfunkanstalten meldeten keine konkreten Beiträge an“ (29).
Der Artikel verweist dabei ausgerechnet auf die Intendantin des Bayerischen Rundfunks, Katja Wildermuth. Demnach sagte sie Anfang Februar über die Bedarfsanmeldung ihres Senders:
„Wir werden sehr maßvoll und bedarfsgerecht anmelden.“
Wie der Bayerische Rundfunk dies tun will, bleibt schleierhaft. Denn laut Bericht des Obersten Bayerischen Rechnungshofes (ORH) über die finanzielle Situation des BR in 2022 war die für die Hälfte der Gemeinkosten nicht dokumentiert, wofür sie verwendet worden waren (30). Wie soll aus einem unwirksamen Controlling eine bedarfsgerechte Anmeldung bei der KEF entstehen? Im Bericht des ORH steht:
„Im Betrachtungszeitraum führte diese Teilkostenrechnung dazu, dass der Anteil der nicht einem Produkt zugeordneten Gemeinkosten an den Gesamtkosten auf 56,3 Prozent (2020) wuchs. Damit war 2020 in der Kostenrechnung bei mehr als jedem zweiten Euro nicht nachvollziehbar, wofür er verausgabt wurde. Online-Kosten wies der BR nicht gesondert aus. Sie waren in den Gemeinkosten enthalten. Den vorgelegten Online-Kosten (vgl. TNr. 8.2) lagen angabegemäß Schätzungen zugrunde. Die aus dem Online-Angebot erzielten Erlöse konnte er nicht separat darstellen.“
Konsequenzen hat das für den BR nicht. Im Bericht wird dazu lediglich angemerkt:
„Nach Ansicht des ORH schränkt die fehlende Verteilung von mehr als 50 Prozent der Kosten (Gemeinkosten) die Aussagekraft der Kostenrechnung des BR erheblich ein. Ein wirksames Controlling setzt die sachgerechte Verteilung eines Großteils der anfallenden Kosten (auch der Gemeinkosten) auf die Produkte voraus. Insbesondere das Fehlen konkreter Kosten und Erträge beim Online-Angebot erschwert es dem BR, fundierte Aussagen zu treffen“ (30).
Fundierte Aussagen zu einer maßvollen und bedarfsgerechten Anmeldung der Kosten des BR bei der KEF sind also gar nicht möglich.
Was würde den Verantwortlichen in der Wirtschaft passieren, die so mit den Finanzmitteln ihrer Firmen verfahren, wie hier für ZDF und BR gezeigt? Wofür saß ein Michael Ballweg — man mag von ihm denken, was man will — neun Monate in Untersuchungshaft?
Diese Vorgänge, die hier aus öffentlich zugänglichen Berichten von Landesrechnungshöfen zitiert werden, sind klare Verstöße gegen den Medienstaatsvertrag. Sie werden der Öffentlichkeit aber so gut wie gar nicht bekannt gemacht. Bei den Schilderungen der „Reformbemühungen“ von Herrn Gniffke und Herrn Buhrow waren bisher keine Ansätze zur Abänderung dieses kriminellen Umgangs mit den Rundfunkgebühren zu vernehmen.
Modell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhalten
Daher wird es über kurz oder lang unerlässlich sein, die Sendeanstalten von ARD und ZDF vollständig abzuwickeln, zu enteignen und alle Mitarbeiter zu entlassen. Mit den Vermögenswerten und reformwilligen Teilen der ehemaligen Belegschaft sollte dann ein demokratischer gemeinwohlorientierter Rundfunk von Grund auf völlig neu aufgebaut werden.
Wenn Deutschland ein demokratischer Staat sein will, bleibt kein anderer Weg zur Rettung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkmodells. Denn die Abwicklung der Sendeanstalten bedeutet keineswegs das Ende des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern ist ganz im Gegenteil der einzig erfolgversprechende Weg zu seiner demokratischen Transformation.
Dieser Weg ist schmerzhaft, aber nicht neu. Er wurde vielfach gegangen, um Betriebe, Forschungsinstitute und auch die Rundfunk- und Fernsehanstalten der DDR in die Systeme der BRD einzugliedern. Fast alle Firmen, Behörden und die Sendeanstalten wurden entweder komplett umstrukturiert oder geschlossen, die Mitarbeiter entlassen. Sie konnten sich entweder in neu gegründeten oder bei bestehenden westdeutschen Einrichtungen bewerben. Bei fachlicher Eignung und bei zum Auftrag passendem Profil wurden sie wieder eingestellt.
Beispielhaft sollen hier die Institute der Akademie der Wissenschaften der DDR genannt werden, die trotz der im Jahr 1990 eingesetzten inneren Reformprozesse alle geschlossen wurden. Die Akademie-Institute in Leipzig wurden zum 31. Dezember 1991 geschlossen, und sämtliche 1.800 Mitarbeiter wurden entlassen. In die — damals maroden — Immobilien zog das am 2. Januar 1992 gegründete Umweltforschungszentrum ein. Hier waren 300 Stellen vorgesehen, auf die sich 6.000 Menschen bewarben — je 3.000 Bewerber aus Ost- und Westdeutschland (31).
So schmerzhaft dieser Prozess für die Beteiligten auch war, so hatte er doch auch Vorteile. Denn mit dem neuen Institut konnten neue Dimensionen der interdisziplinären Forschung in Angriff genommen werden. Neue Inhalte und neue Ziele führten auch zu einer inspirierenden Aufbruchstimmung unter den Mitarbeitern. Ähnlich vorstellbar ist das für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Neu gegründete Sendeanstalten können auch in neuen Dimensionen arbeiten. Auf diesem Weg kann die öffentlich-rechtliche Medienplattform entstehen, wie wir sie bereits vorgeschlagen haben (1).
Diese öffentlich-rechtliche Medienplattform besteht aus verschiedenen Modulen, die sowohl die Sendeanstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als auch der privaten Medien und Zeitungen sowie Beiträge von Bürgern umfassen.
Zusätzlich soll die Kommunikation mittels sicherer Post, E-Mail und Messenger-Diensten möglich sein. Die Plattform soll allen Bürgern die Möglichkeiten bieten, nach eigenen Interessen auszuwählen, was sie sehen, hören oder lesen möchten, selbst zu veröffentlichen und in der Medienlandschaft aktiv zu werden, sicher zu kommunizieren, auch mit Behörden und Organisationen oder Vereinen. Die gesetzliche Basis von Grundgesetz, Medienstaatsvertrag und Pressekodex sowie die heutigen technischen Möglichkeiten sind die Grundlage dafür.
Damit würde ein starkes Werkzeug für eine funktionierende Demokratie geschaffen werden. Die Bürger könnten die so oft angemahnte Medienbildung in ihrem Alltag bei der Nutzung der Plattform erleben. Eine Beschreibung der öffentlich-rechtlichen Medienplattform, wie wir sie uns vorstellen, ist in unserem vorherigen Artikel zu finden (1).
In der Praxis entwickeln und erproben wir den gemeinwohlorientierten Rundfunk der Zukunft mit dem Portal buergerfunk.news (32). Dieses Projekt steckt noch in den Kinderschuhen. Ziel ist es, auf der Plattform Bürgerjournalismus mit Berufsjournalismus zu vereinen und zunächst vorwiegend im Bereich des Lokaljournalismus aufzuzeigen, wie wir uns die wahrhaftige Berichterstattung und Arbeitsweise des gemeinwohlorientierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks für die Zukunft vorstellen.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Free 21, Beate Strehlitz, Volkmar Kreiß und Dieter Korbely „GEZ, ARD, ZDF abschaffen? Nein, neu erfinden!“, am 01.11.2022, https://free21.org/gez-ard-zdf-abschaffen-nein-neu-erfinden/ | Rubikon, Dieter Korbely, Volkmar Kreiß und Beate Strehlitz „Die Neuerfindung der Öffentlich-Rechtlichen“, am 16.11.2022, https://www.rubikon.news/artikel/die-neuerfindung-der-offentlich-rechtlichen | Apolut, Dieter Korbely, Volkmar Kreiß und Beate Strehlitz „Die Neuerfindung der Öffentlich-Rechtlichen“, am 19.11.2022, https://apolut.net/die-neuerfindung-der-oeffentlich-rechtlichen-von-dieter-korbely-volkmar-kreiss-beate-strehlitz/
(2) Wikipedia „4. Rundfunk-Urteil, zuletzt bearbeitet am 04.10.2022, https://de.wikipedia.org/wiki/4._Rundfunk-Urteil
(3) Frankfurter Allgemeine, Michael Hanfeld „Tom Buhrow ruft die Revolution aus“, am 02.11.2022, https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/zur-zukunft-von-ard-und-zdf-chef-tom-buhrow-fuer-grosse-reform-18431654.html
(4) Medientage Mitteldeutschland Podcast #114 „Wie sieht die Zukunft der ARD aus, Kai Gniffke?“, am 14.04.2023, https://feeds.podcastproduzenten.de/medientage-mitteldeutschland/114-wie-sieht-die-zukunft-der-ard-aus-kai-gniffke/
(5) Moin.de, Redaktion „NDR: Rund 100 Mitarbeiter verfassen Brief – was drinsteht, ist hochbrisant“, am 24.09.2022, https://www.moin.de/norddeutschland/ndr-kiel-vorwuerfe-hefredakteur-norbert-lorentzen-joachim-knuth-a-id300006418.html
(6) Horizont, HORIZONT Online / dpa „Warum der neue ARD-Chef eine Fusion mit dem ZDF ablehnt“, am 01.01.2023, https://www.horizont.net/medien/nachrichten/kai-gniffke-warum-derneue-ard-chef-eine-fusion-mit-dem-zdf-ablehnt-205115
(7) Ipsos, „Rundfunkreform: Nur Minderheit der Deutschen für eigenständigen Fortbestand von ARD und ZDF“, am 14.11.2022, https://www.ipsos.com/de-de/rundfunkreform-nur-minderheit-der-deutschen-fur-eigenstandigen-fortbestand-von-ard-und-zdf
(8) Herbert von Halem Verlag, Alexis von Mirbach „Medienträume“ 12.01.2023, S. 141, https://www.halem-verlag.de/produkt/medientraeume/
(9) Business Insider, Tobias Fuchs „Größter Betrugsskandal bei ARD und ZDF: Ex-Herstellungsleiter des Kika erzählt, wie er den Sender um Millionen brachte – und alles verzockte“, am 22.04.2023, https://www.businessinsider.de/wirtschaft/kika-marco-kirchhof-uber-den-millionen-betrug-bei-ard-und-zdf/
(10) Thalia, Marco Kirchhof “ Wo ist das Geld nur geblieben?“, 24.04.2023, https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/A1068060829
(11) Versicherungsbote „Rundfunkbeitrag: Welcher Anteil für die Altersvorsorge reserviert ist“, am 07.03.2023, https://www.versicherungsbote.de/id/4909766/Rundfunkbeitrag-Welcher-Anteil-fur-die-Altersvorsorge-reserviert-ist/
(12) Versicherungsbote „Rundfunkbeitrag: Welche Rolle Altersversorgung und Niedrigzins spielen“, am 10.12.2020, https://www.versicherungsbote.de/id/4900219/Rundfunkbeitrag-Welche-Rolle-Altersversorgung-und-Niedrigzins-spielen/#post_chapter_all
(13) Allianz „Rentenniveau einfach erklärt“, https://www.allianz.de/vorsorge/rente/rentenniveau/
(14) Tichys Einblick, Marco Gallina „1,5 Millionen Euro für Journalisten auf der staatlichen Lohnliste“, am 07.03.2023, https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/15-millionen-euro-fuer-journalisten-auf-der-staatlichen-lohnliste/
(15) Tagesspiegel, Jost Müller-Neuhof „Auftrag aus dem Bundespresseamt: ZDF-Mitarbeiter produzierte Merkels Reisefilme“, am 13.03.2023, https://www.tagesspiegel.de/politik/auftrag-aus-dem-bundespresseamt-zdf-mitarbeiter-produzierte-merkels-reisefilme-9479147.html
(16) Deutscher Bundestag, Drucksache 20/5822 „Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martin Erwin Renner, Dr. Marc Jongen, Dr. Götz Frömming, Beatrix von Storch und der Fraktion der AfD – Drucksache 20/5437 – Zahlungen von Bundesministerien an Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und privatrechtlicher Medien“, S. 15, Journalist 102, am 27.02.2023, https://dserver.bundestag.de/btd/20/058/2005822.pdf
(17) Reitschuster.de, Boris Reitschuster „Studie zeigt, wie dreist GEZ-Sender Gesetz brechen“, am 19.01.2023, https://reitschuster.de/post/studie-zeigt-wie-dreist-gez-sender-gesetz-brechen/
(18) Skynetblog.de, Redaktion „[Zitat] Kai Gniffke über das Etikettieren unliebsamer Parteien“, am 10.11.2021, https://skynetblog.de/zitat-kai-gniffke-ueber-das-etikettieren-unliebsamer-parteien/
(19) Cicero, Ralf Hanselle „In weiter Ferne, zu nah?“, am 20.12.2022, https://www.cicero.de/innenpolitik/die-rolle-der-medien-in-der-corona-krise-merkel-kubicki-gutachten
(20) Alexander Wallasch, Alexander Wallasch „Interview mit General a. D. Harald Kujat über den Ukrainekonflikt“, am 24.01.2023, https://www.alexander-wallasch.de/gesellschaft/interview-mit-general-a-d-harald-kujat-ueber-den-ukrainekonflikt
(21) Nachdenkseiten, Florian Warweg „Dokumenten-Leak: Wie die Bundesregierung an einer „Narrativ-Gleichschaltung“ zum Ukraine-Krieg arbeitet – Teil 1“, am 29.09.2022, https://www.nachdenkseiten.de/?p=88618
(22) Nachdenkseiten, Florian Warweg „Dokumenten-Leak: Wie die Bundesregierung an einer „Narrativ-Gleichschaltung“ zum Ukraine-Krieg arbeitet – Teil 2“, am 04.10.2022, https://www.nachdenkseiten.de/?p=88771
(23) Nachdenkseiten, Florian Warweg „Bundesregierung räumt offiziell Authentizität des Dokumenten-Leaks der NachDenkSeiten über „Kampf gegen Desinformation“ ein“, am 14.10.2022, https://www.nachdenkseiten.de/?p=89213
(24) Berliner Zeitung, Moritz Eichhorn „Wahlrechtsreform: Das Volk wird sich über diese Entscheidung noch sehr wundern“, am 17.03.2023, https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/wahlrechtsreform-das-volk-wird-sich-noch-wundern-was-heute-entschieden-wurde-li.328839
(25) Youtube, Jasmin Kosubek „Wie Medien unsere Realität bestimmen | Prof. Dr. Michael Meyen“, am 21.01.2023, https://www.youtube.com/watch?v=3nQORUP29wA
(26) Rechnungshof Rheinland-Pfalz „Abschließender Bericht nach § 37 Medienstaatsvertrag über die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des ZDF für die Geschäftsjahre ab 2017, insbesondere des Auslandskorrespondentennetzes und der Onlineaktivitäten“, S. 23, am 18.01.2023, https://rechnungshof.rlp.de/fileadmin/rechnungshof/Rundfunk-_und_Fraktionspruefungen/ZDF_Abschliessender_Bericht_Januar_2023.pdf
(27) „Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland (Medienstaatsvertrag) vom 14.-28.04.2020, in Kraft getreten am 07.11.2020“, S. 35, https://www.ard.de/die-ard/Medienstaatsvertrag-100.pdf
(28) Business Inseider, Jan C. Wehmeyer „Geheime ARD-Akten zeigen, wie die öffentlich-rechtlichen Sender den Rundfunkbeitrag auf mehr als 20 Euro erhöhen wollen“, am 26.03.2023, https://www.businessinsider.de/wirtschaft/geheime-ard-akten-zeigen-wie-oeffentlich-rechtliche-sender-rundfunkbeitrag-erhoehen-wollen/
(29) Augsburger Allgemeine, Daniel Wirsching „Steigt der Rundfunkbeitrag auf über 20 Euro?“, am 26.03.2023, https://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/oeffentlich-rechtliche-steigt-der-rundfunkbeitrag-auf-ueber-20-euro-id65973361.html
(30) Bayerischer Oberster Rechnungshof „Die finanzielle Situation des Bayerischen Rundfunks 2022“, S. 58, am 12.06.2022, https://www.orh.bayern.de/media/com_form2content/documents/c7/a1015/f43/Sonderbericht%20FinSit%202022.pdf
(31) UFZ - Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung „Die Gründungsgeschichte des UFZ“, https://www.ufz.de/index.php?de=43152
(32) buergerfunk.news, Martin Ruthenberg „Der gemeinnützige Rundfunk von morgen - Diskussionspapier“, am 24.01.2023, https://buergerfunk.news/buergerbeteiligung-gefragt/diskussionspapier/gemeinnuetziger-rundfunk-diskussionspapier