Die Befreiung des Geistes
Materialistisches Denken fördert die Ohnmacht und legt das höchste Gut des Menschen in Ketten: die Macht, kraft unseres Bewusstseins die Welt mitzugestalten.
Das Sein bestimmt das Bewusstsein. So postuliert es der dialektische Materialismus. Doch anstatt uns zu befreien, hat uns diese entwicklungshistorische Erkenntnis in ein Gefängnis gesperrt, aus dem wir uns nur schwer befreien können. Im materialistischen Denken ist der Mensch von den äußeren Lebensumständen abhängig und ihnen mehr oder weniger hilflos ausgeliefert. Während wir in digitale Welten und virtuelle Realitäten ohne Grund und Boden abdriften, halten viele an dem Glauben fest, es gäbe nur, was materiell existiert. Wer in diesem Paradox gefangen ist, nimmt sich die Möglichkeit, über sein Bewusstsein die Welt mitzugestalten, in der er lebt.
Die Verwirrung wächst. Unsicherheit wird verbreitet. Menschen werden gegeneinander aufhetzt. Die Gesellschaft wird gespalten. Die Verwaltung wird immer undurchsichtiger. Die Absurditäten nehmen zu. Die Wirtschaft wird gegen die Wand gefahren. Die Bevölkerung verarmt. Die Innenstädte sterben aus. Die Menschen leben zunehmend isoliert. Das Wetter spielt verrückt. Kontrolle und Zensur nehmen zu. Soldaten werden angeworben. Die Bevölkerung wird auf das Schlimmste eingestimmt.
Die meisten Menschen fügen sich in ein Szenario, das bis vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Abgelenkt durch Sport, Spiel, Hacks und Storys lässt sich ein beachtlicher Teil der Bevölkerung von Mächten lenken, von denen viele immer noch glauben möchten, sie handelten im Sinne des allgemeinen Wohles. Gesundheits- und Energieagenden, LGBTQ, Wokeness und immer neue Feindbilder spalten und betäuben die Geister, während sich die allgemeine Lage immer weiter zuspitzt.
Angesichts von Gefahr haben Tiere drei Möglichkeiten: sich totstellen, fliehen, angreifen. Den Kopf in den Sand stecken und so tun, als sei da nichts, der Rückzug in virtuelle Welten oder das Abreagieren an Feindbildern — so halten es auch die meisten Menschen. Sie wollen nicht sehen, nicht hören, nicht sprechen. Lange genug wurde uns eingeredet, wir seien nichts weiter als weiterentwickelte Affen, dass viele sich auch so verhalten.
Gefangen
Menschen jedoch haben mehr Möglichkeiten. Wir können uns empören, aufbegehren und Aufstände organisieren. Doch auch diese Option bringt keine wirkliche Lösung, da sie die Spaltung immer weiter vorantreibt. Gewalt erzeugt Gewalt erzeugt Gewalt. Nur allzu oft, das zeigt die Geschichte, folgten auf Revolutionen noch schlimmere Zustände. Letztlich profitieren dann die Mächte, denen es gelingt, die Empörung und die Angst der Menschen zu kanalisieren.
Sind wir also dazu verdammt, Übel zu erkennen, ohne sie ändern zu können? Müssen wir uns darauf einstellen, mit dem sinkenden Schiff unterzugehen? Der materialistisch orientierte Mensch kommt hier schnell ans Ende seiner Möglichkeiten.
Er kann Situationen analysieren, Strategien ausarbeiten, Werkzeuge und Waffen erfinden — doch er bleibt in der Reaktion gefangen, die immer wieder dieselben Kräfte nährt. Er kann den Teufelskreis nicht durchdringen, in dem es nur Täter, Opfer und Retter gibt. Denn er hat keinen Zugang zu den Kräften, mit denen er selbst seine Wirklichkeit gestalten kann.
Wer allein an die Existenz des Körperlichen glaubt, bewegt sich auf einer Ebene, auf der er nur reproduzieren und nichts Neues erschaffen kann. Er spielt mit den Bauklötzen, die er zur Verfügung hat. Zwar kann er Dinge auseinandernehmen und neu zusammensetzen, doch zum Erschaffen einer neuen Situation braucht es mehr. Es braucht etwas, was nicht an die materiellen Umstände gebunden ist und unabhängig agieren kann. Es braucht einen freien Geist.
Dieser Geist wurde uns regelrecht ausgetrieben. Sechshundert Jahre Hexenverfolgung haben uns reif für eine Wissenschaft gemacht, in der es nur die Materie gibt. Gott ist tot. Eine Seele existiert nicht. Alles ist Zufall, alles ist sinnlos. Das Universum ist ein schwarzes Loch und das Leben ein Kampf, in dem wir nur zusehen können, uns so gut es geht zu amüsieren und es uns so bequem wie möglich zu machen, bis wir wieder im Nichts verschwinden. Wer so denkt, hängt am Köder. Man muss ihm nur sagen, etwas sei gut für seine Sicherheit, seine Bequemlichkeit, seine Gesundheit und ein längeres Leben — und er ist zu allem bereit.
Ich denke, also bin ich, was ich denke
Für den materialistisch orientierten Menschen bestimmt das Sein das Bewusstsein. Mit aller Hoffnung klammert er sich an technische Fortschrittsversprechen, die sein Leben verbessern sollen. Wie auch immer die Lebensbedingungen geartet sind: Sie sollen dafür verantwortlich sein, wie wir uns verhalten. Pawlowschen Hunden gleich fangen wir an zu speicheln, wenn das Glöckchen ertönt.
So wurde der ideale Untertan erschaffen. Verführt von einer einseitigen Intelligenz folgt er dem Diktat einer Wissenschaft, die er nicht wagt, in Frage zu stellen, und erkauft sich eine Illusion, die ihm Sicherheit durch Kontrolle verspricht.
Wie ein Elefant, der von klein auf mit dem Fuß an einen Pflock gebunden wurde, kommt er als Erwachsener nicht mehr auf die Idee, dass er nur den Fuß heben muss, um die Kette zu durchtrennen.
Wer davon überzeugt ist, nicht die Wahl zu haben, der hat sie auch nicht. Er hat das Wertvollste abgegeben, das ihm geschenkt wurde: den freien Willen. Wer sich der eigenen Ohnmacht verschreibt, kann nicht in seine Macht kommen. Wer glaubt, nichts wert zu sein, der wird auch so behandelt. In unseren Köpfen entscheidet sich, in welcher Weise uns die Ereignisse begegnen. Unsere innere Einstellung ist es, die dafür verantwortlich ist, wie sich die äußeren Umstände entwickeln.
Den Denkkäfig öffnen
Die meisten von uns sind auf das Außen fixiert. Wie der Stier dem roten Tuch folgen sie den medialen Inszenierungen und sind nicht da, wo sie etwas bewirken können: bei sich. Wer ständig aushäusig ist, der riskiert, dass sich Kräfte in ihm breitmachen, die er nicht gerufen und von denen er keine Ahnung hat. Ohne anzuklopfen, machen sie sich in ihm breit und schicken ihn wie eine Billardkugel durch sein eigenes Leben. Wer nicht präsent ist, merkt es nicht. Während er zum Vehikel für Kräfte geworden ist, die es besser wissen als er, bildet er sich ein, selbst am Steuer zu sitzen.
Nur wer darauf achtet, was in ihn hineinkommt, wer mit Sorgfalt auswählt, was seine Augen sehen und seine Ohren hören, ist vor diesen Übergriffen geschützt. Er lässt es nicht zu, dass andere über seine Gedanken herrschen und Informationen in ihn eindringen, die das Niedrigste in ihm nähren. Er wird die Höhle verlassen und der Leinwand den Rücken kehren, auf die der aktuelle Film projiziert wird.
Er weiß, dass er den Film nicht zu Ende sehen muss und geht nach draußen in die Sonne. Niemand kann ihn zwingen, ein Menschen- und Weltbild zu unterhalten, wonach der Mensch abwechselnd Sünder, Bestie, hilfloses Rädchen im Getriebe, überflüssiger Esser oder gefährlicher Ausatmer ist. Wir müssen nicht an einen Fortschritt glauben, der einen Krieg nach dem anderen inszeniert und dabei so tut, als würde er unser Leben sicherer machen. Wir können uns die Frage stellen, ob wir uns im Laufe der Jahrtausende tatsächlich immer mehr aufgerichtet haben oder ob der Fortschritt der Technik nicht den Rückschritt des Menschen bewirkt.
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, braucht es ein Bewusstsein, das sich nicht im Sein einsperren lässt. Wenn wir uns wirklich aus der misslichen Lage befreien wollen, in der wir uns befinden, müssen wir es wagen, uns das Problem in seiner vollen Größe anzusehen.
Nur wer an seine Freiheit glaubt, kann sie auch nutzen.
Nur wer sich nicht wie Melkvieh verhält, wird auch nicht so behandelt und kommt in eine Kraft, die nicht einigen wenigen dient, sondern wirklich dem allgemeinen Wohl.
Ab durch die Mitte
Unsere Geschichte muss nicht fatal enden. Egal wie die Kräfte heißen, die danach streben, ein menschengemachtes Chaos, eine künstliche Apokalypse herbeizuführen, aus deren Asche sich ein Phönix erhebt, der metallisch krächzend den Beginn einer posthumanen Ära verkündet: Sie können überwunden werden. Unser Bewusstsein bestimmt darüber, welche Kräfte wir ins Feld ziehen und welche nicht. Unsere innere Haltung ist es, die darüber entscheidet, wie es mit uns weitergeht.
In einer Prophezeiung der Naturvölker Amerikas heißt es, dass Frieden über die Welt kommt, wenn der Adler des Nordens den Kondor des Südens trifft und beide sich über den aztekischen Vogel Quetzal in der Mitte miteinander vereinen. Ob wir an derartige Prophezeiungen glauben oder nicht: Der Weg führt über die Mitte. Wenn wir uns hier verankern, haben wir den Halt, den wir brauchen, um auch durch stürmische Zeiten zu kommen.
Wir finden keinen Halt, wenn wir zu sehr nach links oder rechts abdriften oder uns entweder nur von unserem Kopf oder nur von unserem Bauch leiten lassen. Halt finden wir dort, wo die Vertikale und die Horizontale zusammentreffen: in unserem Herzen. Wo das Herz ist, da geht es lang. Wer durch dieses Tor geht, handelt so, dass nicht nur einer profitiert, sondern alle etwas davon haben.
Wenn wir diese Kraft in uns aktivieren, kann es gut werden. Ein Geist, der sich der Liebe verschreibt, kann eine Wirklichkeit erschaffen, in der es keine Verwirrung gibt, keine Unsicherheit, kein gegeneinander Aufhetzen, keine immer undurchsichtigere Verwaltung, keine Absurditäten, keine marode Wirtschaft, keine verarmende Bevölkerung, keine zunehmende Isolation, Kontrolle und Zensur, keinen Krieg.
Vielleicht wird es eine Apokalypse geben, ein Chaos, aus dem heraus Neues entsteht.
Leben braucht Bewegung und Gegensätze, die einander befruchten. Auf Ordnung folgt Unordnung, auf Kosmos Chaos, aus dem sich ein neuer Kosmos bildet. Entwicklung braucht Unordnung, braucht Zweifel und Fragen, Unsicherheit und Ungewissheit.
Doch wir können Sorge dafür tragen, dass der Phönix, der sich aus der Asche erhebt, nicht das Niedrigste und Gemeinste von uns in sich trägt, sondern das Höchste und Edelste.