Die Banalität des Guten
Mit schwammigen Begriffen versucht das Wagenknecht-Bündnis den Eindruck zu erwecken, es genüge, das Richtige zu wählen, um die Lage im Land zu bessern.
Mit dem Satz „Wir brauchen eine Rückkehr der Vernunft in die Politik!“ leitet Sahra Wagenknecht ihre Video-Botschaft zur Gründung der Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“ ein. Und schon diese Forderung wirft die Frage auf, in welchem Land Frau Wagenknecht in den letzten Jahren gelebt hat und wo und wann sie jene „Vernunft“ in welcher „Politik“ gesehen hat, zu der sie zurückkehren will. Angesichts der Scholzens und Baerbocks ist Frau Wagenknecht fraglos eine Lichtgestalt. Aber, mit Verlaub, das ist keine große Kunst.
Gründungsmanifest des neuen Wahlvereins
Wie immer, wenn etwas scheinbar Neues in der politischen Landschaft auftaucht, möchte man gern wissen, was denn nun das Neue ist. Deshalb macht es Sinn, das „Gründungsmanifest“ des neuen Wahlvereins zu untersuchen. In der Sprache des Manifests ist seine Banalität am einfachsten zu erkennen.
Sätze wie „Die deutsche Industrie ist das Rückgrat unseres Wohlstands“ oder „Wir wollen den Zerfall des gesellschaftlichen Zusammenhalts stoppen“ sind klassische Beispiele der Wagenknecht-Phraseologie. Was mag „Die deutsche Industrie“ sein? Die Eigentümer derselben? Deren Manager? Oder doch irgendwie die Arbeiter und Angestellten? Oder nur die Anhäufung der Maschinen und Werkshallen? Und haben die bisher immer brav gesellschaftlich zusammengehalten und wenn ja, warum?
Tabu-Wörter: NATO und Corona
Das „Manifest“ wird von einer Marketing-Sprache geprägt, die wahrscheinlich in derselben Werbeagentur entstanden ist, die 2018 die Sammlungsbewegung „Aufstehen“ betreut hatte — eine Bewegung, die nahtlos vom Aufbruch im Abbruch landete. Was nicht aus einer politischen Bewegung entsteht, sondern im Sprachlabor, das kennt natürlich Tabu-Wörter.
So findet man weder das Wort NATO noch das Wort CORONA im vorliegenden Text. Nicht mal das Wort „Manipulation“ hat Platz in der Wagenknechtschen Text-Sammlung. Statt dessen beglückt das Manifest seine Leser mit der edlen Wendung einer „Verengung des Meinungsspektrums“. Dass zur Zeit des Coronaregimes in den Medien die ohnehin begrenzte Meinungsfreiheit gegen Null tendierte, muss man nicht erwähnen, wenn diese Jahre im Text ohnehin komplett ausgeblendet werden.
Macht erschleichen
In Häusern zählt der Schwamm zu den größten Schäden; in Texten ist es die Schwammigkeit, wie sie in diesem Satz unschwer zu erkennen ist, wenn im Wagenknecht-Manifest „sozialer Ausgleich und eine gerechte Verteilung des Wohlstands“ gefordert wird.
Ab welchen Steuersätzen mag „gerecht“ und „sozial“ beginnen? Und was bitte mag denn eigentlich „gerecht“ sein? Wer politisch liest und auf das Wort „Militärallianz“ stößt, kann sich zwar denken, dass die NATO gemeint ist, aber warum darf das Wort NATO nicht auftauchen? Weil Wageknecht & Co. denken, man könne sich die parlamentarische Macht erschleichen. Aber wer glaubwürdig sein will, der muss mit der Bevölkerung Klartext reden.
Außerparlamentarische Opposition ignoriert
Dass in der Zeit des Coronaregimes eine starke außerparlamentarische Opposition entstanden ist, ignoriert das „Manifest“ völlig. Diese Kraft aus dem Nichts muss man ansprechen, dann kann man sie mobilisieren. Aber dazu muss man das Wort „Corona“ schon in den Mund nehmen und die Wahrheit nicht verschlüsseln, wenn von einer Gesellschaft geschrieben wird, „deren mächtigste Akteure nur noch von der Motivation getrieben sind, aus Geld mehr Geld zu machen“.
Die Pharma-Industrie hat eine Virus-Panik inszeniert, um ihre Spritzstoffe zu verkaufen, und die Rüstungsindustrie inszeniert den galoppierenden Russenhass, um ihre Waffen zu verkaufen. Nur wer den Feind mit Namen nennt, kann ihn bekämpfen.
Lauf ins Leere
Der erneute Anlauf von Sahra Wagenknecht ist sicherlich gut gemeint, ist aber — mangels politischer Analyse und offener Worte — gescheitert, bevor er richtig gestartet ist.
Bei diesem Fehlstart werden Menschen in die Irre des Parlamentarismus geführt, der den Glauben verbreitet, dass man nur das Richtige wählen müsse, dann könnte sich die schlechte Lage der Vielen verbessern. Mit Wagenknecht wird die vorhandene Energie der Unzufriedenen kanalisiert und für einen Lauf ins Leere mobilisiert. So wird das Gute banalisiert, statt die Guten zu mobilisieren.
Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Wagenknecht-Partei — Die Banalität des Guten“ bei rationalgallerie.de.