Die AfD rettet Scholz
Das demokratische Deutschland kämpft gegen die AfD. Dabei zeigt sich: Es wird exakt so, wie es sich die AfD in ihren schlimmsten Albträumen vorstellt.
„Die Proteste gegen rechts gehen auch heute weiter“, erklärte am Samstagmittag eine Stimme aus dem Radio. Derselben Formulierung waren wir etwas früher schon begegnet, vermutlich schon vormittags, bei einem anderen Radiosender. Wie aus dem Nichts wurden die Proteste gegen rechts und damit gegen die Alternative für Deutschland (AfD) am letzten Wochenende aus dem Boden gestampft. Dass sie „heute weitergehen“, das erschien Roberto De Lapuente suspekt — hatte aber manipulative Klasse: Denn das klang so, als würde Deutschland seit Monaten demonstrieren, täglich aufs Neue aufstehen, sich empören. Ja, als würde ein ganzes Land mobilisiert. Die Tagesschau meldete einen Erfolg: Es waren 250.000 Demonstranten bundesweit. In der Pandemie hätte man 250.000 demonstrierende Querdenker und Maßnahmenkritiker im ganzen Bundesgebiet als Minderheit eingeordnet. Heute soll das aber wohl eine Mehrheit sein, die endlich etwas tue. Dieser Zahl stehen Prognosen gegenüber, die die Zuwächse der AfD fast wöchentlich höher taxieren. Allein in Sachsen haben im September 2019 etwa 600.000 Menschen die AfD gewählt, im Herbst dieses Jahres werden es noch mehr sein. Dass sich hier also eine Mehrheit zum Protest formiere, lässt sich nun wirklich nicht halten.
Die „Guten“ klingen so, wie sie es der AfD unterstellen
Man könnte es aber leicht annehmen, denn medial wird ein Sperrfeuer eröffnet. Überall formieren sich Prominente gegen rechts, ganz egal, wo man derzeit lauscht und schaut, man entkommt dem großen Bekenntnis der Stunde nicht. Uli Hoeneß nutzte selbst die Trauerfeier für Franz Beckenbauer, um noch mal klarzumachen, dass die AfD keine Alternative für dieses Land sein sollte.
Man verstehe das nicht falsch: Das darf man natürlich so sehen — aber muss es auf einem Festakt sein, der einem gerade verstorbenen Menschen gewidmet ist, und an seinem Grab zu politisieren? Man kann kaum respektloser sein.
Schließlich sollte es in so einem Moment nur einen Gedanken geben: an den Toten, mit dem man im Leben verbunden war.
Der Unternehmerverband distanzierte sich von „rechts“. Udo Lindenberg rief dazu auf, gegen die AfD zu demonstrieren. Die Komikerin Carolin Kebekus mahnt an, endlich zusammenzustehen. Dieses Zusammenstehen ist ohnehin ein ganz wichtiges Schlagwort der Stunde, es wird in Dauerschleife wiederholt. Selbst der Bundeskanzler ruft dazu auf. Neulich landete ich aus Zufall bei der NDR-Talkshow, da saß eine Frau namens Panagiota Petridou; dabei handelt es sich um eine Moderatorin, verrät mir die Suchmaschine. Frau Petridou erklärt, sie sei sehr stolz, dass sich in Deutschland endlich Protest rege. Egal wohin man schaut — überall gibt es nur noch dieses Thema.
Man fabuliert über Parteiverbote und Grundrechtsentzüge für Politiker jener Partei, tut das in einer Art, die darlegt, dass man sich kurzen Prozess zu machen wünscht. Dass ein Verbotsverfahren Jahre benötigt, erscheint manchen nichts als perfide Hinhaltetaktik eines faschistoiden Staates — ihre Staatsauffassung ist radikal, rigide und baut auf geradezu standrechtliche Schnellverfahren.
Nicht wenige unter denen, die jetzt gegen rechts trommeln, klingen genau so, wie sie es den Leuten von der AfD immer wieder vorwerfen. Es sei ja die AfD, die Grundrechte aussetzen würde, wenn sie an die Macht gelänge, mahnen sie — und fordern gleichzeitig, Grundrechte auszusetzen.
Wie aus dem Nichts wurden letztlich Demonstrationen in ganz Deutschland organisiert. Ohne Vorlauf klappte das, in jeder größeren Stadt rief man dazu auf, Gesicht zu zeigen. Erstaunlich viele derer, die „Gesicht zeigten“, liefen mit das halbe Gesicht verdeckender FFP2-Maske und Regenbogenflagge durch die Innenstädte — jedenfalls trifft diese Beobachtung auf Frankfurt zu. Verwunderlich erscheint das nicht. Jene, die bis heute oder wieder mit Wonne Maske tragen, wurden auf Regierungstreue und Staatshörigkeit konditioniert. Sie tragen das Ding heute ja nicht, weil sie an die Wirkung glauben; für sie ist es ein Erkennungszeichen: Wer sie trägt, zeigt an, dass er zu denen gehört, die gut, aufrecht und anständig sind.
Über Scholz & Co. spricht keiner mehr
Eines fällt im Zuge dieser gesellschaftlichen Polarisierung auf: Über die Bundesregierung spricht keiner mehr. An anderer Stelle habe ich mich damit schon befasst. Aber man kann es nicht oft genug wiederholen: Die Ampelkoalition ist an ihr Ende geraten. Die Bürger springen in großer Zahl ab. Egal wo jemand aus der Bundesregierung auftritt, er erntet Pfiffe, Häme und Drohungen. Es ist in breiten Teilen der Gesellschaft angekommen, dass die Ampel das Land in nicht mal drei Jahren ruiniert hat. Auf allen Ebenen fehlt es an Perspektiven, man verwaltet einen Niedergang, den man selbst angeschoben hat. Nebenbei sind die Protagonisten ahnungslos, überheblich und bürgerfern im großen Stil.
Das Finanzierungsloch führt zu Sparmaßnahmen, die diejenigen treffen, die ohnehin in der Bredouille sind und kaum noch nach Luft schnappen können. Die Bauern haben Traktoren, mit denen sie Straßen blockieren können. Ob Rentner mit ihren Rollatoren und Alleinerziehende mit Kinderwagen ähnlich erfolgreich demonstrieren könnten? Gleichzeitig hält das Kabinett Scholz den 100-Milliarden-Kreditrahmen namens „Sondervermögen“ aufrecht. Die Ukrainehilfe geht weiter; mein anatolischer Friseur hat nie eine höhere Schule von innen gesehen, er spricht nicht sehr gut Deutsch, stellt aber die richtigen Fragen: Was ist los mit euch Deutschen? Eure alten Leute suchen Pfandflaschen, aber ihr schickt Geld und Waffen ins Ausland. Ihr spinnt total!
Die Ampelkoalition bröckelt, interne Quellen, die nicht öffentlich genannt werden wollen, teilen leise säuselnd mit: Sie ist in ihrem finalen Zersetzungsprozess. Das ist ja auch greifbar, man spürt, dass da nichts mehr kommt. Die Minister wirken müde, zeigen sich ausgelaugt — mancher besteht nur noch aus fahler Haut und dummen Sprüchen und hofft wohl, dass es dann spätestens 2025 vorüber ist.
Aber zurücktreten? Wir kennen das doch aus jener Zeit, die sie „Pandemie“ nennen: zugeben, dass man falsch liegt, daraus Konsequenzen ziehen? Bloß nicht! Denn das Gesicht zu verlieren ist schlimmer, als ein ganzes Land in den Abgrund zu führen.
Und obgleich es so ist, spricht wie gesagt eigentlich keiner mehr über die Bundesregierung. Alle sprechen über die AfD.
Als sei die für all die Probleme zuständig, die sich im Laufe der letzten 20 Jahre ergeben haben. Bahnfiasko, Lohnstagnationen, sozialer Kahlschlag, Kriegsaußenpolitik: All das hat nicht die AfD verursacht. Vormachen darf man sich nichts, diese Partei würde auch viele dieser Themen nicht positiv voranbringen. Aber dass sie überhaupt entstanden sind, das kann man ihr nicht in die Schuhe schieben. Es waren andere — und das ist auch der Grund, warum die AfD als Protestpartei für viele attraktiv wird.
Davon künden die Proteste der Stunde freilich nicht, sie fordern einfach nur im moralistischen Ton dazu auf, nicht rechts zu wählen. Machen aber nicht schmackhaft, wie ein solches Unterlassen belohnt würde: indem die etablierte Politik endlich wieder den Bürger in den Mittelpunkt stellt zum Beispiel.
Demonstrationen aus staatlichen Fördermitteln
Die Proteste gegen die AfD sind keine Maßnahme gegen einen etwaigen Rechtsruck.
Ohnehin wäre das lächerlich, denn dann müsste man auch gegen die Bundesregierung demonstrieren. Rechter war die deutsche Politik selten als im Moment.
Nichts von dem, was in Berlin fabriziert wird, deutet auf eine linke politische Kultur hin, ganz egal wie oft das Innenministerin Nancy Faeser auch behaupten mag. Wir haben es hier mit einem Rettungsversuch für die Ampel zu tun, einem Ablenkungsmanöver: Hier schindet die Bundesregierung mithilfe williger Demonstranten Zeit heraus.
Die, die auf die Straße gehen, sind behilflich bei einem gigantischen Akt der Verschleierung.
Indem man die fiktive Politik einer AfD an der Macht mit der realen Politik der Bundesregierung vernebelt, unterbindet man die dringend notwendige Debatte einer baldigen Regierungsablösung.
Die Demonstranten unterstützen die eigentlich tödlich verwundete Bundesregierung unter Olaf Scholz dabei, Zeit zu gewinnen. Ob das bis in den Herbst 2025 aufrechtzuerhalten ist, bleibt fraglich. Aber zuzutrauen wäre es der deutschen „Veröffentlichkeit“ — also jener Öffentlichkeit, die noch selektiv-medial abgebildet wird — auf alle Fälle.
In 60 Städten soll protestiert worden sein. Offiziell vollzog sich die schnelle und effektive Organisation dezentral. Bündnisse und Initiativen gegen Rechtsextremismus waren die Veranstalter. Im Regelfall finanzieren die sich durch staatliche Fördermittel. Es gibt also daher eine fiskalische Nähe zwischen diesen Bündnissen und der Bundesregierung. Deklariert wurden die Demonstrationen als „gegen rechts“ gerichtet, obgleich jedem bewusst war, dass sie sich gegen die AfD richteten: Diese Auslegung „gegen rechts“ ist aber wohl nötig, damit sich die regierende Politik nicht des Vorwurfs schuldig macht, mit Steuergeldern gegen einen parteipolitischen Kontrahenten zu Felde zu ziehen. Bei den Bündnissen schwingt freilich auch immer die Angst mit, dass sie bei einer eventuellen Regierungsbeteiligung der AfD nicht mehr öffentlich finanziert würden.
Dieser schlecht kaschierte Coup gegen eine Partei, die vom vorprogrammierten Parteiversagen der anderen profitiert, ist natürlich dem Umstand geschuldet, dass SPD, Grüne und FDP massiv an Stimmen einbüßen.
In Thüringen könnte sich im Herbst die Situation ergeben, dass alle drei Ampelparteien aus dem Landtag fallen — die Prognosen weisen eine solche Entwicklung im Augenblick aus. Dass die Regierung nun die Gesellschaft mobilisiert und so tut, als formiere sich eine Massenbewegung, ist ein letztes Gefecht dieser Gescheiterten. Und man muss es sagen, auch ohne Sympathie für die AfD zu hegen: Das ist ein dreistes Schurkenstück aus Manipulation, Moralismus und parteipolitischer Zweckentfremdung staatlicher Ressourcen.