Deutschland, stillgestanden!

Die Corona-Krisenbewältigung liegt inzwischen großenteils in den Händen des Militärs.

Ist das eigentlich noch eine Zivilgesellschaft oder schon längst ein Kasernenhof? Viele Corona-Krisenstäbe in der Europäischen Union (EU) werden inzwischen von Generälen geleitet. Behauptet wird, dies läge an der Kompetenz der eingesetzten Personen oder daran, dass der Zivilschutz in den Aufgabenbereich der NATO fällt. Wir können jedoch getrost andere Motive unterstellen. Es herrscht Krieg, und der „Feind“ verbirgt sich im Inneren. Wir selbst sind es, die der Freiheit verpflichteten Kritiker und Demonstranten. Die Schlachtfelder des 21. Jahrhunderts sind die Köpfe der Menschen. Und auf die rollt eine propagandistische Angriffswelle beispiellosen Ausmaßes zu.

Was hat die NATO mit Zivilschutz zu tun, also mit der Sicherung der medizinischen Versorgung, der Kommunikations- und Verkehrsnetze und der Energie-, Wasser- und Nahrungsmittelversorgung, kurz: der kritischen Infrastruktur? „Eine ganze Menge“, heißt es auf der Webseite des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) (1).

Der Einsatz der Streitkräfte, insbesondere in Kriegs- und Krisenzeiten, ist von der Unterstützung der Zivilgesellschaft abhängig. Die NATO erstellt deshalb Notfallplanungen, um die zivilen Infrastrukturen resilient, also widerstandsfähig zu halten. Innerhalb der NATO ist dafür das Civil Emergency Planning Committee (CEPC) verantwortlich, das wiederum eng mit Experten aus den Mitgliedsstaaten zusammenarbeitet. Grundlage der Zusammenarbeit ist Artikel 3 des NATO-Vertrags. Auch auf EU-Ebene gibt es verschiedene Zivilschutzstrukturen, die ebenfalls mit der NATO kooperieren (2).

Da der Schutz der kritischen Infrastruktur expliziter Auftrag des CEPC ist (3), hat die Warnung des deutschen Corona-Krisenstabs vor Engpässen in der kritischen Infrastruktur (4) besondere Brisanz: Reicht eine solche Warnung schon aus, um Notfallpläne der NATO zu aktivieren? Oder bedarf es dazu zusätzlich der Ausrufung des Katastrophenfalls, wie in Bayern bereits im November 2021 geschehen (5)?

Vor diesem Hintergrund verdient die Tatsache, dass immer mehr Corona-Krisenstäbe in Europa von Generälen geleitet werden, besondere Aufmerksamkeit: In Portugal leitet Admiral Henrique Gouveia e Melo, in Italien General Francesco Figliuolo (6) und in Österreich Generalmajor Rudolf Striedinger die COVID-Krisenkoordination (7).

In Deutschland ist Carsten Breuer, Generalmajor des Heeres der Bundeswehr, seit dem 30. November 2021 Chef des Bund-Länder-Corona-Krisenstabs. Auf der Webseite der Bundeswehr wird die Personalie „Breuer“ ausführlich besprochen und werden auch noch mal die hohen Hürden für einen Einsatz der Bundeswehr im Landesinneren thematisiert (8). Breuer ist also nicht von der Bundeswehr ausgeliehen und als Zivilist im Krisenstab tätig, sondern im Rahmen einer Amtshilfe der Bundeswehr.

Breuer absolvierte sowohl die deutsche als auch die amerikanische Generalstabsausbildung, arbeitete zwei Jahre im NATO-Hauptquartier in Brüssel, war an mehreren Auslandseinsätzen beteiligt und war Projektbeauftragter für das Weißbuch der Bundeswehr von 2016 (9). Er ist also eng in NATO-Strukturen und die strategische Neuausrichtung der Bundeswehr eingebunden.

Ein weiterer General der Bundeswehr leitet bereits seit dem 1. März 2020 die neu geschaffene Abteilung 6 des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) (10), ist dort zuständig für Gesundheitssicherheit, Gesundheitsschutz und Nachhaltigkeit und führt unter anderem auch das Robert Koch-Institut (RKI) (11). Generalarzt Dr. Hans-Ulrich Holtherm war bereits 2009 im Rahmen der Schweinegrippe an das BMG abgeordnet und 2014 Teil des Ebola-Krisenstabs (12). Auch er war in zahlreichen Auslandseinsätzen und hat eine enge Anbindung an die NATO. Von 2010 bis 2012 war er Branch Chief des NATO Deployment Health Surveillance Capability Branch (DHSC) im NATO Center of Excellence for Military Medicine (MilMedCOE) in München (13).

Das Center beschäftigt sich im weitesten Sinne mit dem Gesundheitsschutz für die NATO-Truppen. Dazu gehört auch das Management von Epidemien auf multinationaler Ebene. Genau zu dem Thema führt das Center vom 16. bis 22. Mai 2022 eine Schulung in Marseille durch (14). Ein weiteres zentrales Gremium der NATO, das Committee of the Chiefs of Military Medical Services (COMEDS), hat den Kampf gegen die COVID-19-Pandemie zur Priorität erklärt (15).

Die NATO arbeitet in Gesundheitsfragen auch mit der Johns Hopkins University (JHU) zusammen, die seit 2019 NATO-Partner ist (16). Das Center for Health Security der JHU beschäftigt sich zum Beispiel mit der Resilienz der NATO gegenüber biologischen Angriffen und führt gemeinsame Planspiele zum Management von Krankheitsausbrüchen durch (17).

Bei einem anderen strategischen Thema arbeitet die NATO ebenfalls mit der JHU zusammen: kognitive Kriegsführung (cognitive warfare) (18). Neben den bisherigen fünf Bereichen Land, Luft, See, Weltall und Cyber diskutiert die NATO aktuell einen weiteren Bereich: den Menschen selbst (19).

Ziel ist es, das „Individuum zu hacken“, den „Kampf um die Köpfe“ zu gewinnen und „Neurowissenschaften als Waffe“ nutzbar zu machen. Die kognititve Domäne und der menschliche Geist sind demnach das Schlachtfeld des 21. Jahrhunderts (20).

Ziel eines kognitiven Angriffs auf die Bevölkerung — mithilfe von Fake News und Propaganda in sozialen Medien — könnte es zum Beispiel sein, das Vertrauen in demokratische Wahlen, in demokratische Institutionen, Politiker und so weiter zu untergraben und den Staat als solchen infrage zu stellen, zu delegitimieren und zu destabilisieren. Die Angreifer zielen auf das Individuum ab und beeinflussen, was der Einzelne denkt und auch die Art, wie er denkt. Das Individuum wird dabei in eine Waffe im kognitiven Krieg umfunktioniert (21).

Von einem Szenario, in dem der Einzelne nicht mehr Bürger sondern nur noch Gefährder, nur noch Staatsfeind ist, der außerhalb jedes Grundrechtsschutzes steht, geht auch das etwas angestaubte Konzept des Feindstrafrechts aus, das seit einigen Jahrzehnten in der Schublade schlummert (22).

Wie bewusst und sorgfältig hat Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesverfassungsschutzes, in diesem Zusammenhang seine Worte gewählt, wenn er die Demonstranten gegen die Coronamaßnahmen als eine „neue Szene von Staatsfeinden“ beschreibt, weder links noch rechts, „ohne ideologische Klammer“, die lediglich die „Verachtung des demokratischen Rechtsstaates und seiner Repräsentanten“ eint (23)?

Und so überrascht es nicht, dass Kritiker der Maßnahmen oft und je nach ihrem Einfluss auf den gesellschaftlichen Diskurs tatsächlich wie Staatsfeinde behandelt werden.

Sie werden konzertiert und multidimensional attackiert: durch mediale Diffamierung, über Druck auf den Arbeitgeber, durch Durchsuchungen von Praxis-, Geschäfts- und Privaträumen, Zensur ihrer Publikationen oder auch die Kündigung der Bankverbindung (24). Auch Hausdurchsuchungen bei Richtern sind kein Tabu (25). Auffällig ist die Wucht der Angriffe, die oft die vollständige Vernichtung der Glaubwürdigkeit und der Existenz der Person zum Ziel zu haben scheinen. Die Kontrolle des Narrativs auf allen Ebenen und mit allen Mitteln, ganz im Sinne einer „Full-spectrum dominance“ (26). Ein hybrider Krieg gegen Gegner aus den eigenen Reihen.

Fassen wir zusammen

Der Zivilschutz ist eine Aufgabe der NATO. Für Krisenfälle liegen Notfallpläne vor. Diese greifen spätestens bei einem (Teil-)Zusammenbruch der kritischen Infrastruktur, vor der der Corona-Krisenstab aktuell schon warnt. Aber bereits jetzt leiten Generäle das Corona-Krisenmanagement und greifen dabei auf militärische Konzepte, Planungen und Strategien zurück.

Der Chef des Inlandsgeheimdiensts nennt die Demonstranten gegen die Coronamaßnahmen „Staatsfeinde“. Im Konzept des „Feindstrafrechts“ stehen Staatsfeinde außerhalb des Grundrechtsschutzes. In der Lesart der NATO-Planspiele zum kognitiven Krieg sind diese Demonstranten vom Feind „gehackt“ und zu Waffen umfunktioniert.

Vielleicht müssen wir Macron wörtlich nehmen, aber sein Wort als Frage paraphrasieren: „Mit wem sind wir eigentlich im Krieg?“


Quellen und Anmerkungen:

(1) Vergleiche https://www.bmi.bund.de/DE/themen/bevoelkerungsschutz/katastrophenschutz-international/nato/nato-node.html;jsessionid=E761116A0AE2B19ABD624DCF6AB62D23.1_cid295
(2) Vergleiche https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2020/652031/EPRS_BRI(2020)652031_EN.pdf
(3) Vergleiche https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_50093.htm
(4) Vergleiche https://www.stern.de/politik/deutschland/coronavirus-und-omikron--wie-versorger-den-kollaps-verhindern-wollen-31446162.html
(5) Vergleiche https://www.stmi.bayern.de/med/aktuell/archiv/2021/211110-feststellung-des-katastrophenfalls/
(6) Vergleiche https://web.de/magazine/news/coronavirus/ampel-corona-general-portugal-italien-kopieren-36408020
(7) Vergleiche https://www.oe24.at/oesterreich/chronik/wien/general-aerztin-neue-corona-manager/503731311
(8) Vergleiche https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/meldungen/corona-bundeswehr-general-breuer-krisenstab-bundeskanzleramt-5295862
(9) Vergleiche https://www.bundeswehr.de/resource/blob/5296534/3806e0c40d580647874e04e8509488e9/curriculum-vitae-gm-breuer-data.pdf
(10) Vergleiche https://www.aerzteblatt.de/archiv/213019/Hans-Ulrich-Holtherm-Neu-im-Bundesgesundheitsministerium
(11) Vergleiche https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/meldungen/corona-bundeswehr-general-breuer-krisenstab-bundeskanzleramt-5295862
(12) Vergleiche https://www.aerzteblatt.de/archiv/213019/Hans-Ulrich-Holtherm-Neu-im-Bundesgesundheitsministerium
(13) Vergleiche https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/CV%20Holtherm.pdf
(14) Vergleiche https://www.coemed.org/news-and-events/fhp-course-med-ms-31669
(15) Vergleiche https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_175736.htm
(16) Vergleiche https://hub.jhu.edu/2019/11/15/nato-partnership-for-health-innovation/
(17) Vergleiche https://www.centerforhealthsecurity.org/our-work/Center-projects/boosting-NATO-resilience.html.
(18) Vergleiche https://hub.jhu.edu/2021/10/06/cognitive-warfare-attacks/
(19) Vergleiche https://thegrayzone.com/2021/10/08/nato-cognitive-warfare-brain/
(20) Vergleiche https://www.innovationhub-act.org/sites/default/files/2021-01/20210122_CW%20Final.pdf
(21) Vergleiche https://www.innovationhub-act.org/sites/default/files/2021-01/20210122_CW%20Final.pdf, S. 8.
(22) Vergleiche https://de.wikipedia.org/wiki/Feindstrafrecht
(23) Vergleiche https://www.wz.de/nrw/haldenwang-neue-szene-von-staatsfeinden-bei-corona-protesten_aid-65343493
(24) Vergleiche https://www.aerztefueraufklaerung.de/thema/servustv2/index.php
(25) Vergleiche https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/durchsuchung-familienrichter-amtsgericht-weimar-corona-rechtsbeugung-sachverstaendige/
(26) Vergleiche https://de.wikipedia.org/wiki/Full-spectrum_dominance