Der Wunsch nach Frieden
Ajeet Kaurs Lied „Peace“ singt nicht nur vom Frieden, es vermag Menschen auch in einen friedvollen Zustand zu versetzen.
„Lass Frieden sein!“ Dieser Song, der nur aus wenigen Worten besteht, klingt wie ein Gebet. Die Künstlerin Ajeet Kaur vermag diesen Wunsch mit sanften Klängen in die Herzen ihrer Zuhörer zu verpflanzen. Sie komponiert und dichtet aus einer spirituellen Welthaltung heraus. Gemeint ist zunächst nicht der Verzicht auf Kriegshandlungen, sondern eine stille, friedfertige Grundstimmung in uns selbst. Aber der äußere Friede geht aus dem inneren hervor. Gerade in einer Zeit, in der Politik uns scheinbar mutwillig zu verstören versucht, ist die Harmonie in der Seele ein wichtiges Heilmittel. Die Autorin dieser Liedpräsentation erlebte die besänftigende Wirkung von „Peace“ in einer ganz persönlichen Begegnung. Ein Text zu der Aktion #Friedensnoten.
Meine Wohnung in Köln geht zu einem großen Parkplatz raus. Ein Teil davon ist die Rückseite eines Supermarktes. Dort stehen auch die Mülltonnen, in die verdorbene Lebensmittel und die noch nicht verdorbenen Lebensmittel mit abgelaufenem Verfallsdatum entsorgt werden. Vor zweieinhalb Jahren sah ich morgens regelmäßig Menschen, die in den Mülltonnen wühlten. Meistens zwei. Manchmal drei. Heute, wenn ich früh aufstehe und die Vorhänge in meinem Schlafzimmer zur Seite ziehe, sehe ich am Ende des Platzes sieben oder acht Menschen, die nach Essen suchen.
Einer oder zwei klettern in die Container und reichen Lebensmitttel mit langen Armen an die anderen, die drum herum stehen und warten. Frieden. Ja. Inneren Frieden. In Buthan gibt es das Recht auf Glück, den Index: Bruttonationalglück. 2017 forderte das die Piratenpartei auch für Deutschland. Im Buddhismus heißt es: Anhand der Armen und Obdachlosen erkennt man den Gesundheitszustand einer Gesellschaft.
Wenn ich morgens aus meinem Fenster schaue und auf den Hof blicke, sehe ich, wie krank unsere Gesellschaft ist. Und in den letzten zweieinhalb Jahren von zwei bis drei auf acht Müllsucher gestiegen ist.
Die Zahl der Menschen, die einfach in den Straßen liegen, nicht einmal mehr Obdachlose, die neben einem Schild sitzen und um Geld bitten, nein, die einfach regungslos am helllichten Tag in den Haupteinkaufsstraßen liegen, ist explodiert. Ich habe angefangen, das Phänomen zu fotografieren und einen Beitrag auf meiner Facebook-Seite angepinnt. Das Bild soll sichtbar werden, denke ich. Und doch verschließen viele die Augen. Aber was kann man auch tun?
An einem Nachmittag im Sommer höre ich aggressive Schreie auf dem Parkplatz hinter meinem Haus. Ein Mann, nicht sehr auf sein äußeres Erscheinungsbild bedacht, aber auch nicht auffällig nachlässig, sitzt auf einer Steintreppe vor einem metallenen Rolltor und schreit aggressiv rum — mal für sich, mal gegen vorbeikommende Passanten und Anwohner. Neben ihm steht sein Rucksack, vor ihm eine Flasche Bier. In den Fingern hält er Blättchen und Tabak und dreht sich eine Zigarette. Er ist einer von den vielen, die abseits der Gesellschaft die meiste Zeit auf der Straße verbringen. „Das ist doch eine Scheiße! Hört doch auf! Hör auf damit! Scheiße!“ Es gibt keinen sichtbaren Anlass für seine Aggression, auch nicht seitens der Passanten. Er ist einfach innerlich aufgewühlt.
Ich sitze an meinem Arbeitsplatz vor dem Fenster. Der Laptop ist geöffnet. Ist suche das Lied „Peace“ von Ajeet Kaur. Dann drücke ich auf „Play“ und verbinde den Computer mit der Musikbox, dass es laut abgespielt wird. Ich stehe auf und öffne das Fenster. Der Hof ist hellhörig. Ich weiß, dass die Musik zu ihm rüber schallt. Von meinem Fenster aus beobachte ich, ob es eine Reaktion gibt. Ja, der Mann wird ruhiger. Während das Lied spielt, ist er still und schreit nicht mehr und dreht in Ruhe seine Zigarette. Es kommt sogar ein anderer Mann aus Richtung der Mülltonnen, sie unterhalten sich, ich höre nicht worüber, dann kramt der, der auf der Treppe sitzt, in seinem Rucksack und gibt dem anderen Mann ein Bier.
Ich bin empfindlich geworden in den letzten zwei Jahren gegenüber Hass, Groll und Aggression. Und mein Eindruck ist, die Mehrheit in unserem verängstigten, eingeengten und gespaltenen Land hat den Wunsch nach Verbundenheit und innerem Frieden.
Keine Angst. Keine Panik. Keine Sorgen mehr machen müssen. Sicher gibt es einige, die Aufruhr wollen und die provozieren. Doch unabhängig von der politischen Haltung glaube ich, es bewegt das ganze Land, was in den letzten Jahren in Deutschland passiert ist.
In meinem Theaterstück „Geistige Gefangenschaft” schreibe ich:
„Es ist nicht mehr das Land, das ich kenne. Es ist nicht mehr das Land, in dem ich groß geworden bin. Es ist ein fremdes Land geworden.“
Ja, mit „Peace“ kehrt auch in mir das Gefühl von Frieden und innerer Ruhe ein. Etwas anderes möchte ich nicht mehr haben und nicht mehr erleben. Nicht von den Medien. Nicht von meinen Mitmenschen.
Ich weiß nicht, warum ich dem Mann im Hof das Lied vorspielen wollte. Warum ich dachte, für einen Moment Frieden herstellen und schenken zu können. Vielleicht war es auch nur meine Rührung gegenüber seinen aggressiven Schreien. Vielleicht der Gedanke: „Cool down, my friend. Es ist alles gut.“
Ich werde es nie genau wissen. Und vielleicht war es einfach nur ein Versuch …
Aber das ist doch das Leben. Jeden Tag, versuchen ...
Unsere Gesellschaft jedenfalls ist krank. Geistig, seelisch, moralisch. Wir haben uns verloren, abgespalten, sind wieder Hass und Hetze verfallen. Wir bräuchten alle mal wieder etwas mehr inneren Frieden. Die Bundestagabgeordneten besonders. Und müssten uns alle tief im Inneren mal wieder mehr spüren.
Was wollen wir wirklich?
Ich bin froh, beim in den Spiegel schauen zu erkennen: Hass, Hetze, Mitlaufen und Gehorsam sind mir zum Glück fremd geblieben in den letzten zweieinhalb Jahren. Ich habe nicht mitgemacht.
Und ich finde, wenn wir uns ehrlich die Frage nach dem Gesundheitszustand unserer Gesellschaft stellen, sind diese Worte von Jiddu Krishnamurti die im Augenblick treffendste Beschreibung:
„Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine zutiefst kranke Gesellschaft zu sein.“
Medienpartner
Nacktes Niveau (Paul Brandenburg), Punkt.preradovic, Kaiser TV,
Hinter den Schlagzeilen, Demokratischer Widerstand,
Eugen Zentner (Kulturzentner), rationalgalerie (Uli Gellermann), Protestnoten, Radio München (Eva Schmidt), Basta Berlin, Kontrafunk und Ständige Publikumskonferenz.
Weitere können folgen.
Ablauf
Samstag 9.7.2022 SONG Fortunate Son (Creedence Clearwater Revival)
TEXT Marcus Klöckner, Die Doppelmoral der Kriegsmacher — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 15.7.2022 SONG Redemption Song (Bob Marley)
TEXT Jens Fischer Rodrian, Botschafter für eine gerechte Welt — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 23.7.2022 SONG Friedensbewegung (Kilez More)
TEXT Eugen Zentner, Liebe und Leidenschaft — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 30.7.2022 SONG Es ist an der Zeit (Hannes Wader)
TEXT Roland Rottenfußer, Der wirkliche Feind — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 6.8.2022 SONG War — what is it good for? (Edwin Starr)
TEXT Lüül, Wozu ist Krieg gut? — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 13.8.2022 SONG Another brick in the wall (Pink Floyd)
TEXT Alexa Rodrian, Der Ziegel in der Wand — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 20.8.2022 SONG Anthem (Leonard Cohen)
TEXT Madita Hampe, Durch alles geht ein Riss — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 27.8.2022 SONG Feeding off the love of the land (Stevie Wonder)
TEXT Nina Maleika, Zurück zur Verbundenheit — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 3.9.2022 SONG Drei Kreuze für Deutschland (Prinz Pi)
TEXT Nicolas Riedl, Der Sog des Krieges — zur Aktion Friedensnoten
Samstag 10.09.2022 SONG Masters of war (Bob Dylan)
TEXT Wolfgang Wodarg, Meister der Kriege — Zur Aktion Friedensnoten
Samstag 24.09.2022 SONG Die Welt im Fieber (Karat)
TEXT Maren Müller, Die Welt im Fieber — Zur Aktion Friedensnoten
Samstag 1.10.2022 SONG Wehre have all the flowers gone (Joan Baez)
TEXT Ulrike Guérot, Der Kreislauf des Krieges — Zur Aktion Friedensnoten
Samstag 8.10.2022 SONG Peace (Ajeet Kaur)
TEXT Philine Conrad, Der Wunsch nach Frieden — Zur Aktion Friedensnoten