Der Wolf im Schafspelz
Der Umgang der USA mit Kuba ist scheinheilig.
Geheimgefängnisse, Folter, Verurteilungen ohne Beweise — die Menschenrechtsverletzungen der USA sind vielfältig und zahllos. Und dennoch empören sie sich nun wegen angeblicher „Affronts gegen grundlegende demokratische Freiheiten“ in Kuba. Ist dies nur eine Variante der „Haltet-den-Dieb!“-Strategie oder wird hier an einem neuen alten Feindbild gebastelt?
Die Heuchelei der USA
von Robert Fantina
Über die unverfrorene, himmelschreiende Heuchelei der USA, die sich in vielen Bereichen deutlich äußert, kann man sich nur wundern. Man kann sie auf vielen Gebieten deutlich erkennen: Da spricht man sich für Selbstbestimmung aus, während man gleichzeitig die Unterdrückung der Palästinenser finanziert; man zitiert bei Bedarf das Völkerrecht, verletzt es jedoch gleichzeitig — wie beim Austritt der USA aus dem JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action-Atomabkommen mit dem Iran; Anmerkung der Übersetzerin) — oder man behauptet, dass „alle Menschen gleich geschaffen sind“, während US-Polizeibeamte unbewaffnete Bürger afrikanischer Abstammung niedermähen. Beispiele gibt es im Überfluss.
Die Regierungsvertreter versuchen diese Heuchelei erst gar nicht zu verbergen — sie scheinen sogar nach Gelegenheiten zu suchen, sie zur Schau zu stellen.
Die USA sind empört!
Die neueste Gelegenheit dazu ergab sich, als die USA eine UN-Versammlung einberief, um — wie sie sagten — die politischen Gefangenen Kubas in den Blickpunkt zu stellen. Den USA zufolge hat Kuba 130 politische Gefangene. Dies bezeichnen die USA als „eklatanten Affront“ gegen grundlegende demokratische Freiheiten. Im Laufe einiger Jahre sind 800 der politischen Gefangenen der USA im kubanischen US-Stützpunkt, Guantanamo Bay, eingesperrt worden. Momentan befinden sich dort 55 Häftlinge. Diese Gefangenen werden oft jahrelang inhaftiert — ohne Anklage, ohne Kontakt zur Familie oder Zugang zu einem Rechtsbeistand — und sie werden gefoltert.
Inhaftierung eines Kindes
Einer dieser schockierenden Fälle war die Inhaftierung und Folter des kanadischen Staatsbürgers Omar Khadr, der als Fünfzehnjähriger in Afghanistan festgenommen wurde, nachdem er von US-Soldaten schwer verletzt worden war. Hierbei muss man anmerken, dass Kindersoldaten gemäß dem Völkerrecht nicht verhaftet werden dürfen. Nachdem er in Afghanistan gefoltert worden war, verbrachte er zehn Jahre in der US-Folterkammer auf Kuba — und, ja, Kanada war in diese Verbrechen verwickelt und gewährte Herrn Khadr zehn Millionen US-Dollar Schadensersatz, viel weniger, als er eigentlich hätte bekommen sollen.
Lassen Sie uns ein paar der Äußerungen ansehen, die die USA vor und während der UN-Versammlung zu Kuba gemacht haben. Was während der Versammlung gesagt wurde, ist schwer auszumachen, weil die kubanischen Diplomaten die US-amerikanischen Sprecher durch Zwischenrufe ständig unterbrochen haben.
Menschenrechtsverfechter?
Das erste Zitat zeigt in nur 32 Worten die für die USA so typische Heuchelei.
„Das Kubanische Regime für seine Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen und das Streben der kubanischen Bevölkerung nach einem Leben in Freiheit zu unterstützen, sind Kernpunkte des Memorandums zur Staatssicherheit von Präsident Trump aus dem Jahre 2017.“
Trump und die US-Regierung sind sehr wählerisch dabei, wen sie „für Menschenrechtsverletzungen“ zur Verantwortung ziehen und wessen „Streben nach einem Leben in Freiheit“ sie unterstützen.
Israel und Saudi-Arabien sind zwei der brutalsten Menschenrechtsverletzer auf diesem Planeten, und doch unterstützen die USA diese uneingeschränkt — Israel erhält mehr Entwicklungshilfe von den USA als alle anderen Länder zusammen. Die UN hat mehr kritische Resolutionen gegen Israel wegen dessen Umgang mit den Palästinensern verfasst als gegenüber jedem anderen Land — und es wären noch mehr, legten die USA gegen diese Resolutionen nicht generell ein Veto ein.
Leben in Freiheit — aber nicht für alle
Während ich dies schreibe, werden Palästinenser, die für ihr Recht auf Rückkehr demonstrieren — ein Recht, das vom Völkerrecht garantiert wird —, im Gazastreifen von Israel abgeschlachtet. Immer mehr Palästinenser verlieren ihre Häuser in der Westbank, damit Israel auf palästinensischem Land illegale Siedlungen bauen kann, die nur von Israelis bewohnt werden dürfen. Und dennoch proklamieren die USA, dass sie den Wunsch der Kubaner nach einem „Leben in Freiheit“ unterstützen.
Wir sollten auch darauf hinweisen, dass die Kubaner ihr Land nach Belieben verlassen dürfen. Sie können ohne Einschränkungen durch ihre Regierung Geschäfts-, Ferien-, Bildungs- oder sonstige Reisen machen. Palästinensern der Westbank wird von der israelischen Regierung verboten, den Gazastreifen zu besuchen, ganz zu schweigen davon, das Land zu verlassen, und auch jene in Gaza können die Westbank nicht besuchen. Warum gilt Trumps „Staatssicherheits-Memorandum von 2017“ nicht auch für die Palästinenser?
Politische Gefangene in den USA
In einer Erklärung des Außenministeriums zur UN-Versammlung mit dem Schwerpunkt Kuba heißt es, die 130 politischen Gefangenen, die angeblich in Kuba inhaftiert sind, seien „ein deutliches Zeichen des repressiven Wesens des Regimes und repräsentieren einen eklatanten Angriff auf die Grundrechte, die die USA und viele andere demokratische Regierungen unterstützen.“
In dieser Erklärung ist so Vieles zu finden, das die US-amerikanische Heuchelei verdeutlicht. Wir werden versuchen, sie alle auseinanderzuklamüsern.
Wenn 130 politische Gefangene ein Zeichen von „repressivem Wesen“ sowie ein „eklatanter Angriff auf die Grundrechte sind, die die USA“ fördern, was ist dann die Inhaftierung von 55 politischen Gefangenen in den USA? Sind 55 zu wenig? Ist es erst, wenn es, sagen wir, 130 werden, „ein deutliches Zeichen des repressiven Wesens des Regimes“ und repräsentiert erst dann „einen eklatanten Angriff auf die Grundrechte, die die USA und viele andere demokratische Regierungen fördern“?
Wir müssen uns auch vergegenwärtigen, dass die 55 Häftlinge nur diejenigen in Guantanamo sind. Es gibt zahlreiche andere politische Gefangene in den USA. Chelsea Manning, die von Präsident Barack Obama begnadigt wurde, war inhaftiert worden, weil sie Verbrechen der USA aufgedeckt hatte. Sie wurde zu 35 Jahren Haft verurteilt, von denen sie sieben abgesessen hat, die meisten davon in Einzelhaft. Edward Snowden floh aus den USA, um dem Schicksal eines politischen Gefangenen zu entgehen. Auch sein „Verbrechen“ war es, US-Verbrechen zu enthüllen.
Beweise? Nebensache
Und was ist mit Mumia Abu Jamal? Verurteilt wegen des Mordes an einem Polizeibeamten in Philadelphia im Jahr 1981 — eines Verbrechens, für das die Beweise bestenfalls ungenügend sind — verbrachte er nun fast 36 Jahre im Gefängnis, einen Großteil davon in Einzelhaft.
Und dann ist da noch Leonard Peltier, Aktivist des American Indian Movement. Seit diese Bewegung gegründet wurde, hatten die USA nichts als Verachtung für die „Indianer“ — die indigene Bevölkerung der USA — übrig, und es war ein Leichtes, einen „Störenfried“ wie Peltier, der sich wirklich für die indigene Bevölkerung einsetzte, zum Schweigen zu bringen.
Er wurde für den Mord an zwei FBI-Agenten verurteilt. Im Laufe seines Berufungsverfahrens gestand die Regierung ein, dass sie über keine Beweise verfügte, die ihn mit der Straftat in Verbindung brachten. Das FBI hielt Beweise zurück, die ihn entlastet hätten. Er ist seit fast 40 Jahren in Haft.
Die USA waren noch nie Anhänger von Menschen, die für den sozialen Wandel kämpfen, und sie strecken ihre tödlichen Tentakel in der ganzen Welt aus, um jegliche Volksbewegung am Erfolg zu hindern. Simon Trinidad, auch als Ricardo Palmera bekannt, ist ein solcher Aktivist. Er war Verhandlungsführer für die Kolumbianischen Revolutionären Streitkräfte — Armee des Volkes (FARC-EP). Während einer Verhandlung in Ecuador wurde er verhaftet, in die USA ausgeliefert und wegen Drogenhandels angeklagt. Erst in seinem vierten Prozess — in den ersten drei Gerichtsverhandlungen vermochte die Regierung keine Verurteilung zu erreichen — wurde er schließlich für schuldig befunden.
Mehrere Mitglieder der Black Panther Party, die während der 1960er und 1970er Jahre verhaftet wurden, sitzen noch immer in US-Gefängnissen. Ihr Verbrechen bestand darin, für gleiche Rechte für US-Bürger afrikanischer Abstammung zu kämpfen — eine weitere Minderheit, für die die US-Regierung Verachtung übrig hat.
Diese Liste ist noch lange nicht vollständig — diese Namen sowie die 55 ohne Namen im Folterzentrum Guantanamo Bay sind nur einige wenige. Die USA nutzen auch berüchtigte „Auslieferungsstätten“: Sie entführen politische Gegner und bringen sie weltweit in verschiedene Länder, wo sie dann gefoltert werden.
Schlimmer geht immer
Sicher gibt es Länder mit einer schlechteren Menschenrechtsbilanz als die USA. Es gibt aber sehr viele, deren Menschenrechtslage jener der USA weit überlegen ist.
Es ist der Gipfel der Heuchelei, wenn die USA andere Länder für ihre angeblichen Menschenrechtsverletzungen kritisieren, während sie selbst Israel und Saudi-Arabien unterstützen und unzählige politische Gefangene in eigenen Gefängniszellen festhalten.
Daran wird sich wohl auch in absehbarer Zeit nichts ändern. Durch sein Verhalten und seine Erklärungen hat Trump Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Unterdrückung hoffähig gemacht. Ein Großteil seiner Basis unterstützt diese abstoßenden Einstellungen, und die Republican Party akzeptiert dies nun als neue Normalität. Auf der Seite der Democratic Party sieht es nicht viel besser aus — ist doch die Regierung, die behauptet, eine Demokratie zu sein, in Wirklichkeit eine Oligarchie.
Es ist wichtig, dass Menschen sich weltweit den USA widersetzen und Palästina, Kuba, Iran und andere Länder unterstützen, die von den imperialen USA zu Opfern gemacht werden.
Robert Fantina schreibt unter anderem für CounterPunch sowie den American Herald Tribune und hat verschiedene Bücher veröffentlicht — unter anderem zur US-Außenpolitik und zu Palästina. Er ist unter http://www.robertfantina.com/ zu finden
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „The Hypocrisy of the United States, Cuba Edition". Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.