Der Widerstands-Burnout
Ausschließlich gegen etwas zu agieren, hat die Corona-Opposition in eine Sackgasse geführt — was wir jetzt bräuchten, wäre ein Bewusstseinsshift.
Für viele Menschen waren die vergangenen 14 Monate emotional sehr herausfordernd. Wut, Fassungslosigkeit, Angst, Trauer und Ohnmacht in Anbetracht der Willkür, der Inkompetenz und der Falschbehauptungen von Entscheidungsträgern und Medien riefen bei vielen das Gefühl wach, „etwas dagegen tun zu müssen“. Dabei findet der Aktionismus viele Ausdrucksformen, wie beispielsweise das Teilen rebellischer Social-Media-Posts, das Versenden von Aufklärungsartikeln oder -videos im Freundes- und Familienkreis, der Besuch von Demonstrationen oder die Einleitung rechtlicher Schritte gegen „die Maßnahmen“. Unbestritten haben all diese Dinge einen gewissen Effekt. Aber haben sie wirklich die Kraft, das Blatt zu wenden? Treiben sie die Aktivisten über die Zeit nicht vielmehr in einen Widerstands-Burnout? Gibt es möglicherweise effektivere, ja intelligentere Möglichkeiten?
Widerstand, zumindest im politischen Sinne, hat eine lange Tradition und ist nicht zufällig sogar im Grundgesetz der BRD als fundamentales Recht der Bevölkerung verankert. Das Sichwidersetzen, insbesondere wenn es von vielen Menschen gleichzeitig praktiziert wird, ist eine machtvolle Veto-Möglichkeit, um denen „da oben“ eine klare Grenze zu setzen. Widerstandskämpfer haben wegen der Repressalien und Gefahren, die sie auf sich nehmen, oftmals etwas Heroisches, manchmal gar Märtyrerhaftes an sich.
Tatsächlich ist die Rebellion, das Aufbegehren, eine ganz natürliche Reaktion, die auftritt, wenn uns etwas gegen den Strich geht, wenn uns etwas missfällt. Interessant ist dabei, dass einige Menschen ungute Zustände sehr lange aushalten, bevor sie sich zu widersetzen versuchen, während andere sofort bei den ersten Anzeichen von Bevormundung, Manipulation oder Unterdrückung aufbegehren.
Entwicklungsbiologisch betrachtet, gehört die Rebellion eigentlich ins Teenageralter. Diese Phase markiert die Abnabelung vom Elternhaus und das oftmals fast radikale Freischwimmen von elterlichen Ansichten, Überzeugungen und Gewohnheiten.
An dieser Stelle könnte man schon zum ersten Mal ins Nachdenken geraten. Denn die nicht selten recht unbeholfene und pauschale Ablehnung der elterlichen Autorität ist eben genau das: Die Verhaltensweise eines Heranwachsenden, eines Jugendlichen — nicht der klare, kraftvolle Akt eines reifen, erwachsenen Menschen.
Destruktion statt Kreation
Die eigentliche Krux am sogenannten Widerstand, insbesondere am gesellschaftlich-politischen, wie wir ihn derzeit erleben, liegt jedoch an anderer Stelle. Genauer gesagt, sind es zwei Aspekte, die das Sichwidersetzen — auch in Form von Aufklärungsarbeit — ineffizient und teilweise sogar kontraproduktiv machen:
Da wäre zum einen die spirituelle Binsenweisheit, wonach alles, was man bekämpft, stärker wird.
Das mag für den gewogenen Leser nach abgedroschenen, ollen Kamellen klingen. Tatsache ist jedoch, dass ein Großteil der sogenannten kritischen Menschen aktuell ihre Energie gegen etwas richtet: gegen die Maßnahmen, gegen den PCR-Test, gegen die Testpflicht, gegen die Impfungen oder auch gegen einzelne Personen.
Das ist nur allzu verständlich, schließlich sind es ja eben jene Dinge, die einem sauer aufstoßen und die das gewohnte, schöne, freie Leben empfindlich stören.
Dennoch gerät allzu sehr in Vergessenheit, dass dieses Dagegen zu keiner Lösung führt. Denn solange wir uns gegen etwas richten, hat dieses Etwas nach wie vor Macht über uns. Es bindet unsere Energie.
Frei nach Einstein bewegen wir uns damit auf der gleichen Gedanken- oder Bewusstseinsebene, auf der der Stein des Anstoßes erschaffen wurde.
Tatsächlich erleben wir seit mehr als einem Jahr, dass Fakten und rationale Argumente kaum fruchten. Es scheint fast so, als wollten sowohl Politiker und Medien als auch Otto-Normalbürger gar nicht objektiv informieren beziehungsweise informiert werden.
Wenn die Menschen durch falsche, verzerrte oder erfundene Fakten manipuliert und hinters Licht geführt wurden, werden sie nicht durch „richtige“ Zahlen und Argumente bekehrt werden. Das liegt daran, dass ursächlich nicht die rationalen Daten und Fakten zu einer bestimmten Geisteshaltung geführt haben, sondern die vehement vermittelten Emotionen. Diese Menschen denken und handeln also nicht auf Basis von rationalen Überlegungen, sondern aufgrund von (unbewusster) Angst. Vor allen Dingen dann, wenn diese Angst ihrem emotionalen Grundmuster entspricht — dazu später mehr.
Ansichten und Überzeugungen, die durch eine Verknüpfung von Fakten und Emotionen entstanden sind (beispielsweise Todesraten in Verbindung mit Horrorbildern), können also nicht durch eine Kombination anderer Fakten mit anderen oder ähnlichen Emotionen gelöst werden. Bei genauerer Betrachtung wird nämlich schnell deutlich, dass auch die sogenannten objektiven Zahlen und Daten vom vermeintlich aufgeklärten Teil der Bevölkerung nicht ohne Emotionen transportiert werden. Der Frust, die Verachtung gegenüber den Dummen, die all das glauben, oder die Angst vor Diktatur und Überwachung schwingen eben auch in der Aufklärungsarbeit ständig mit.
Selbst wenn es gelingen sollte, ganz nüchtern und sachlich zu argumentieren, ist es extrem schwierig und zäh, eine vorherrschende Meinung aufgrund von Fakten zu verändern. Einfach deshalb, weil diese bestehenden Ansichten mithilfe starker Emotionen ins Unterbewusstsein „eingebrannt“ wurden und nicht einfach durch Logik aufgelöst werden können.
Der Widerstand gegen Maßnahmen, Manipulationen und Willkür ist vor allem deshalb zum Scheitern verurteilt, weil er sich innerhalb genau des gleichen gedanklichen Spielraums bewegt, welcher den Nährboden für die kritisierten Vorgehensweisen bildet. Meist nutzt er gar noch die gleichen Methoden.
Korruption, Machtmissbrauch und Inkompetenz von Parteien und Politikern zu bekämpfen, indem man neue Parteien gründet und neue Politiker installiert, funktioniert nicht — weil der Fehler im System liegt.
Der durch nicht in den Zusammenhang gesetzten Zahlen und Horrorbildern entstandenen Angst vor Corona mit schockierenden Bildern und absoluten Zahlen von Impfnebenwirkungen zu begegnen, funktioniert nicht, weil es darauf abzielt, eine andere Angst zu implementieren. Angst mit Angst aufzulösen, ist ein jämmerlicher Versuch.
Aus dem gleichen Grund lässt sich die Zustimmung zu den Maßnahmen nicht durch das Pochen auf Angst vor Unfreiheit und Planwirtschaft beheben.
Widerstand speist sich aus Wunden der Vergangenheit
Hinzu kommt, dass viele Menschen, die aktuell Politik und Maßnahmen kritisieren, dies aus einer grundlegenden Emotionalität heraus tun.
Bei manchen scheint es so, als ob nun endlich ein Anlass zur Verfügung stehe, um eine über viele Jahre hinweg aufgestaute Wut und Verbitterung ausleben zu können. Natürlich tut man das unter dem Deckmantel der Wahrheit. Jedoch ändert es nichts daran, dass Politiker und Entscheidungsträger als Zielscheibe und Projektionsfläche genutzt werden — für Emotionen von Unzufriedenheit, Ungerechtigkeit und Ohnmacht, die schon deutlich länger existieren als die jeweilige Person im Amt ist.
Die zugrunde liegende Dynamik ist einfach zu verstehen:
Erfahren wir im Verlauf unseres Lebens Situationen, die uns emotional überfordern, bleibt uns oft nichts anderes übrig, als eben jene Emotionen wegzudrücken und zu verdrängen. Wo beispielsweise Wut und Aggression nicht konstruktiv ausgelebt werden können, müssen sie unterdrückt werden und verursachen ein Gefühl von Ohnmacht. Ähnliches trifft auf starke Trauer oder Angst zu.
Solange diese alten abgespeicherten Emotionen in uns schlummern, suchen wir uns unbewusst immer wieder Anlässe und Gelegenheiten, durch die sie reaktiviert werden. Für manch einen ist die aktuelle Situation mit all dem offensichtlichen Versagen und den vielen Verstrickungen sowie den mutmaßlichen dunklen Plänen im Hintergrund eine sehr willkommene Gelegenheit, alte Verbitterung, Ohnmacht oder Aggression nun „mit gutem Grund“ wieder ausleben zu können.
Objektiv betrachtet, agieren auch viele Maßnahmenkritiker genau wie die Maßnahmenbefürworter aus — meist unbewusster — Angst heraus.
Nur ist es in ihrem Fall nicht die Angst vor einem Virus, sondern die vor Diktatur, Überwachung, Freiheitsberaubung und Ähnlichem. Unterm Strich ist die Reaktion aber ebenso emotional und oftmals überzogen wie die derjenigen, die das offizielle Narrativ verfechten. Auf beiden Seiten führt es dazu, dass Gefahren überschätzt und dramatisiert werden. In beiden Fällen ist es schwierig, ruhig und sachlich unterschiedliche Meinungen auszutauschen.
Auch die Ursache ist in beiden Fällen die gleiche: alte, im Unterbewusstsein abgespeicherte Ängste, die aus der eigenen Biografie resultieren. Im aktuellen Kontext zeigen sich darüber hinaus besonders stark Ängste, die im Familiensystem begründet liegen.
So finden sich bei den sogenannten Zeugen Coronas häufig Erfahrungen von Verlust oder schwerem Leid durch Krankheiten in der Familienhistorie, die nun zu einer Überdramatisierung der Bedrohung durch das Virus führen.
Bei den Kritikern hingegen sind es schmerzhafte Erlebnisse in Form von Unterdrückung, Ungerechtigkeit, Denunziation oder Machtmissbrauch, die in den Zellen abgespeichert sind und derzeit getriggert werden.
Unter diesem Gesichtspunkt tun wir alle gut daran, uns an die eigene Nase zu fassen und ehrlich zu reflektieren, wo wir selbst emotional reagieren. Denn starke Emotionen sind immer ein Hinweis auf offene Wunden, die auf Heilung warten — egal, ob sie dem eigenen Lebensweg entspringen oder der Ahnenreihe.
Lassen wir diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir uns im Widerstand aufreiben. Das ist dann der Klassiker: Wir versuchen, den Spiegel zu polieren, wenn uns nicht gefällt, was wir darin sehen …
Geht‘s auch anders?
Das Klären und Aufräumen der eigenen Emotionen ist auch deshalb so wichtig, weil diese uns oftmals den Zugang zu kreativeren, innovativeren Möglichkeiten versperren. Denn das unreflektierte Ausagieren von Emotionen ist immer ein Automatismus, der einer gewohnten Überlebensstrategie entspringt.
Erst wenn wir nicht mehr durch die äußere Realität getriggert werden, können wir bewusst agieren anstatt reagieren. Erst wenn unsere Energie nicht mehr in der Vergangenheit gebunden ist, können wir kreativ die Zukunft gestalten.
Ich habe kein Patentrezept dafür, wie wir eine bessere Welt gestalten. Das wäre auch die Denkweise des alten Paradigmas: Irgendjemand gibt eine Lösung vor und die Masse folgt.
Was ich jedoch ganz sicher weiß, ist, dass die Zukunft, die wir uns wünschen nicht das Produkt einiger weniger Führungspersönlichkeiten sein wird. Vielmehr ist der Weg dorthin ein organischer Prozess, orchestriert von einer universellen Intelligenz, die weit außerhalb des Kontrollraums unseres menschlichen Verstandes wirkt.
Er entsteht durch jeden Einzelnen von uns und jeder von uns steht in der Verantwortung, seinen ganz persönlichen Beitrag dazu zu leisten. Denn es braucht eine Neugestaltung in ausnahmslos allen Lebensbereichen und diese Veränderung kann nur eine kraftvolle Ursache haben:
einen Bewusstseinsshift bei uns Menschen.
In dem Moment, wo wir unsere Aufmerksamkeit vom Widerstand hin zur Kreation richten, entziehen wir den alten Systemen die Energie und erschaffen bewusst das Neue.
Unsere ureigene Schöpferkraft ist die stärkste Kraft, die wir haben.
Nutzen wir sie bewusst und weise.
„Die ersten Probleme, die man mit dem neuen Paradigma löst, sind meist die, die mit dem alten unlösbar waren.“ — Joel A. Barker (1).
Hier können Sie das Buch bestellen: als Taschenbuch oder E-Book.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Originalzitat: „Usually the first problems you solve with the new paradigm are the ones that were unsolvable with the old paradigm.“ aus Joel Arthur Barker, Future Edge: Discovering the New Paradigms of Success, William Morrow & Company, January 1992.