Der Wasserkrieg

Israel schneidet die Palästinenser in den besetzten Gebieten systematisch von einer Versorgung mit sauberem Trinkwasser ab.

Es gibt keine ethnischen Säuberungen und Israel ist die einzige Demokratie im Mittleren Osten. Mit groben Pinselstrichen zeichnen unsere Medien und etablierten Politiker ein eher idyllisches Bild von Israel. Wie aber soll man es nennen, wenn israelische Zivilbeamte, geschützt von Soldaten, mühsam verlegte Wasserrohre im Westjordanland mutwillig zerstören? Etwa Demokratie? Ganz offensichtlich sollen Palästinenser systematisch aus ihren Dörfern vertrieben werden — ganze Landstriche wären im Ergebnis palästinenserfrei. Interessant ist auch, wer vermutlich die Zeche für diese desaströse und unmenschliche Politik wird zahlen müssen: die EU, die das Überleben der Bewohner aus Steuergeldern sichern muss.

Am 17. Mai 2019 hatten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit großer Mehrheit die einzige internationale Menschenrechtsbewegung, die sich für Menschenrechte in Israel und den von Israel besetzten Gebieten einsetzt, BDS (Boykott, Desinvestition, Sanktionen) als „antisemitisch“ diskriminiert. Dies hatte in der Folge zu noch größeren Problemen geführt, sich in Deutschland für die Recht der Palästinenser und der arabischen Teile der israelischen Bevölkerung einzusetzen.

Die teilweise absurden und die Geschichte verfälschenden Reden und über die weltweite Empörung, insbesondere im liberalen aber auch orthodoxen Teil der jüdischen Gemeinschaft, hatte ich in meinem Buch „Die vergessenen Lehren von Auschwitz“ berichtet. Da aber im Moment Propagandafilme mit der Entscheidung der Abgeordneten verbreitet werden, hier nun ein Bericht, was man unter Rechtsstaat und „Demokratie“ versteht, und wie Deutschland über die EU Steuergelder einsetzt.

Am 22. Februar 2019 fragt die israelische Zeitung Haaretz, warum Israel nicht möchte, dass Palästinenser an die Wasserleitungen angeschlossen werden.

„Sechs Monate lang sahen palästinensische Dorfbewohner, die auf dem Land im Westjordanland leben, das Israel für einen geschlossenen Schießstand hält, ihren Traum vom fließenden Wasser wahr werden. Dann setzte die Zivilverwaltung ihrem Traum ein Ende.

Der Traum, der in Form einer zwei Zoll starken Wasserleitung in fast in Erfüllung ging, war zu gut, um wahr zu sein. Etwa sechs Monate lang genossen 12 palästinensische Dörfer im Westjordanland in den südlichen Hebron-Bergen sauberes fließendes Wasser. Das war bis zum 13. Februar, als Mitarbeiter der israelischen Zivilverwaltung, begleitet von Soldaten und Grenzpolizei sowie ein paar Bulldozern, eintrafen.

Die Truppen gruben die Rohre aus, schnitten und sägen sie auseinander und beobachteten die Wasserstrahlen, die heraussprudelten. Etwa 350 Kubikmeter Wasser wurden verschwendet. Von einem 20 Kilometer langen Netz beschlagnahmte die Zivilverwaltung Überreste und Abschnitte von insgesamt rund 6 Kilometern Rohrleitungen. Sie luden sie auf vier Müllwagen, die mit dem Namen des Tel Aviver Vorortes Ramat Gan geschmückt waren“ (1).

Die Zerstörungsarbeiten dauerten sechs und eine halbe Stunde. Der Bau der Wasserleitung hatte vier Monate gedauert.

Palästinenser, so wurde deutlich, haben unter dem Regime Israels kein Anrecht auf fließendes Trinkwasser (2). Dabei können die Bewohner der Dorfregion von Masafer Yatta auf eine Geschichte verweisen, die lange vor der Gründung des Staates Israels datiert.

Ihre Wasserzisternen und Wasserversorgungssystem waren hunderte von Jahren alt. Aber 1999 wurden die Zisternen von der Armee zerstört und die Bewohner vertrieben. Das Gebiet wurde zu einem Manövergebiet der israelischen Streitkräfte. Dabei hatten die Einheimischen hier gelebt, lange bevor Israel die Westbank erobert hatte.

Das höchste israelische Gericht, so der Artikel, hatte zwar eine teilweise Rückkehr der Bewohner veranlasst, aber gleichzeitig den Ausbau einer Infrastruktur verboten.

„Die Vermittlungsversuche scheiterten, weil der Staat verlangte, dass die Bewohner ihre Dörfer verlassen und in der Stadt Yatta im Westjordanland leben und nur an wenigen Tagen im Jahr kommen dürfen, um ihre Herden zu weiden und ihr Land zu bearbeiten.

Aber die Bewohner lebten weiterhin in ihren Häusern und riskierten militärische Überfälle und Abbruchaktionen — einschließlich des Abrisses öffentlicher Einrichtungen wie Schulen, Arztpraxen und sogar Toiletten. Sie geben viel auf, um ihre Lebensweise als Hirten zu erhalten, konnten aber nicht auf Wasser verzichten.

‚Die Regenzeit ist in den letzten Jahren deutlich kürzer geworden und beträgt nur noch etwa 45 Tage im Jahr', erklärte Nidal Younes, der Vorsitzende des Masafer Yatta Council of villages. 'In der Vergangenheit haben wir die Zisternen nicht sofort mit Regenwasser gefüllt, so dass sie zuerst gewaschen und gereinigt werden konnten. Da die Regenmenge zurückgegangen ist, haben die Menschen sofort Wasser gespeichert. Es stellte sich heraus, dass das schmutzige Wasser den Schafen und den Menschen geschadet hat‘“ (3).

Da die Bewohnerzahl anstieg und der Regen ausblieb, mussten die Bewohner Wasser mit Traktoren heranfahren. Dabei werden 4 Kubikmeter Wasser über sehr schlechte unbefestigte Straßen transportiert. Denn auch den Ausbau der Straßen hat Israel verboten. So wurde das Wasser zum teuersten Gut, das eine Familie hatte. Das führte dazu, dass die Menschen immer größere Risiken eingingen, um das Wasser zu transportieren, was zu Unfällen mit Traktoren führte. Und da das herbeigebrachte Wasser nicht ausreicht, muss zusätzlich Wasser zugekauft werden, was zu einer zunehmenden Verschuldung der Familien führt.

„Im Jahr 2017 schlossen und zerstörten die Zivilverwaltung und die israelische Armee die Straßen zu den Dörfern, die der Rat zuvor erweitert und wieder aufgebaut hatte. Das war getan worden, um insbesondere den Wassertransport zu erleichtern, aber auch generell den Dörfern einen besseren Zugang zu ermöglichen.

Die rechte gemeinnützige Gruppe Regavim ‚entlarvte‘ das große Verbrechen bei der Modernisierung der Straßen und drängte die Zivilverwaltung und die Armee, sie zu zerstören. ‚Das Leiden der Bewohner nahm zu‘, bemerkte Younes. ‚Wir haben uns gefragt, wie wir das Wasserproblem lösen können.‘

Die nicht sehr überraschende Lösung war die Installation von Rohren, die das Wasser aus der Hauptwasserleitung im Dorf Al-Tuwani durch private Grundstücke der anderen Dörfer transportierte. ‚Ich habe es mir angesehen, um zu sehen, ob es ein Verbot gibt, Wasserleitungen auf Privatgrundstücken zu verlegen und konnte keine finden‘, sagte Younes“ (4).

Da es nicht verboten war, arbeiteten also Freiwillige, ohne den Einsatz schwerer Maschinen, meist in der Nacht, an der Verlegung der Rohre. Als das erste Wasser durch die Rohre floss, tanzten die Menschen vor Freude. Der Artikel beschreibt, wie glücklich sie darüber waren, endlich sauberes, klares Wasser, statt braunes Wasser aus der Zisterne zur Verfügung zu haben.

„Die Rohrleitungen und Anschlüsse sowie die Wasserzähler wurden mit einer europäischen Spende von 100.000 Euro (113.000 $) gekauft. Anstatt 40 Schekel ($11) pro Kubikmeter für Wasser, das mit Wassertanks eingebracht wurde, zu bezahlen, bezahlten die Bewohner nur etwa 6 Schekel für die gleiche Menge fließenden Wassers. Plötzlich sparten sie nicht nur Geld, sondern hatten auch mehr wertvolle Zeit.

Die Wasserleitungen hätten auch den europäischen Steuerzahlern Geld sparen können. Seit 2011 läuft ein europäisches Projekt, das den Bewohnern hilft, in ihren Häusern zu bleiben, und mit 120.000 Euro jährlich die Kosten den Kauf und Transport von Trinkwasser während der drei Sommermonate für die Bewohner (aber nicht für ihr Vieh) deckt“ (5).

Die EU spendete also Trinkwasser für 1.500 bis 2.000 Bewohner. Es half der Gemeinschaft zu überleben, aber für die 40.000 Schafe mussten sie weiterhin versuchen, irgendwie Trinkwasser zu beschaffen, weil sonst ihre Lebensgrundlage verloren gegangen wäre, und sie vollkommen auf Almosen angewiesen wären, um zu überleben.

Nachdem die israelische Verwaltung nun die Trinkwasserleitung zerstörte, wird die EU wohl wieder aus Steuergeldern einspringen müssen, damit die Menschen überleben.

Die Verwaltung ihrerseits erklärte, dass das Gebiet eine militärische Verbotszone wäre. Die Wasserleitung wäre ohne Genehmigung gebaut worden, obwohl wie gesagt kein Gesetz existiert, dass man Wasserleitungen, die nur über private Grundstücke führen, nicht bauen darf.

„Ismail Bahis hätte es leid tun sollen, dass die Rohre letztes Jahr verlegt wurden. Er und seine Brüder, Einwohner von Yatta, besitzen Wassertransporter und waren die Hauptwasserversorger der Masafer Yatta Dörfer. Durch ein System von Gutscheinen, die mit der Europäischen Spende gekauft wurden, erhielten sie 800 Schekel für jede Lieferung von 20 Kubikmetern Wasser. Aber Bahis sagte, er wäre froh gewesen, seine Arbeit verloren zu haben.

‚Die Straßen zu den Dörfern von Masafer Yatta sind rau und gefährlich, besonders nachdem die Armee sie geschlossen hat‘, sagte er. ‚Jede Fahrt von ein paar Kilometern dauerte mindestens dreieinhalb Stunden. Einmal kippte ich mit dem Tankwagen um. Ein anderes Mal beschlagnahmte die Armee den Truck meines Bruders und behauptete, es sei eine geschlossene militärische Zone. Sie ließen den Truck drei Wochen später gegen eine Gebühr von 5.000 Schekel frei. Wir hatten immer andere zusätzliche Kosten für den Austausch von Reifen und andere Reparaturen am LKW.‘

Nidal Younes erzählte, dass der Rat einen Vertrag mit einem anderen Wassertransportunternehmen unterzeichnet hat, um die Nachfrage zu decken. Aber dieser Lieferant hat nach drei Wochen aufgehört. Er würde nicht zustimmen, auf den schlechten und gefährlichen Straßen zu fahren“ (6).

Als er und andere bei dem Abriss mit den Arbeitern und Soldaten reden wollten, wurden sie festgenommen. Während zwei Teams die Zerstörung der Leitung vornahmen. Darüber hinaus wurde die Zufahrtsstraße zum Dorf Sha'ab al-Butum zerstört, sodass im Moment unklar war, wie zukünftig das Wasser transportiert werden sollte, wie die Menschen von und zu ihren Häusern kommen sollten.

„Younes war schockiert, als er einen Mann namens Marco im Team sah, der den Abriss durchführte. ‚Ich erinnere mich an ihn aus meiner Kindheit, aus den 80er Jahren, als er Inspektor für die Zivilverwaltung war. 1985 beaufsichtigte er den Abriss von Häusern in unserem Dorf Jinbah — zweimal, während des Ramadans und des Eid al-Fitr (zum Ende des heiligen Monats im Ramadan)‘, sagte er.

‚Sie kannten ihn in allen Dörfern der Gegend sehr gut, weil er an allen Abrissen teilnahm. Der Name Marco war ein Synonym für einen bösen Geist. Unsere Eltern, die gesehen haben, wie er ihre Häuser abgerissen hat, sind gestorben. Er ist verschwunden, und plötzlich ist er wieder aufgetaucht‘, bemerkte Younes.

Marco ist Marco Ben-Shabbat, der die Überwachungseinheit der Zivilverwaltung in den letzten 10 Jahren geleitet hat. Im Gespräch mit einem Reporter der israelischen Hayom-Tageszeitung, der die Streitkräfte bei der Durchführung der Abbrucharbeiten begleitete, sagte Ben-Shabbat: 'Das Projekt [Wasserleitung] wurde nicht von dem einzelnen Dorf durchgeführt. Die Palästinensische Autonomiebehörde hat definitiv einen Projektmanager hierher geschickt und viel Geld investiert“ (7).

Nun, es war nicht wirklich die palästinensische Autonomiebehörde, sondern die EU, erklärt der Artikel. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass illegale jüdische Außenposten von Mitzpeh Yair und Avigayil, die man auf den Hügeln erkennen kann, ohne Probleme an die Wasserversorgung des Landes angeschlossen worden waren. Der letzte Absatz des Artikels lautet:

„‚Ich fragte, warum sie die Wasserleitungen abgerissen haben‘, erinnert sich Nidal Younes. Er sagte, einer der Grenzpolizisten antwortete ihm auf Englisch und sagte ihm, es sei geschehen, 'um Araber durch Juden zu ersetzen‘“ (8).

Einzelfall

Nein, das ist kein Einzelfall. Eine Dokumentation mit über eintausend Seiten wird Anfang nächsten Jahres darlegen, was systematisch während der Besatzung durch die Regierungen Israels alleine im Jahr 2019 unternommen wurde, um einen jüdischen Apartheidstaat zu realisieren, der Palästina annektiert, beherrscht und die arabischstämmige Bevölkerung unterdrückt, diskriminiert, vertreibt, tötet.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-why-doesn-t-israel-want-palestinians-to-have-running-water-1.6959524
(2) https://haaretz.com/middle-east-news/palestinians/.premium-life-in-villages-where-idf-ruined-the-access-roads-1.5729636
(3) https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-why-doesn-t-israel-want-palestinians-to-have-running-water-1.6959524
(4) ebd.
(5) ebd.
(6) ebd.
(7) ebd.
(8) ebd.