Der verbogene Rechtsstaat
Im Rubikon-Exklusivgespräch diskutiert Walter van Rossum mit den Anwälten Beate Bahner, Alexander Christ und Carlos Gebauer über den Zustand unseres Rechtsstaates.
„Was der Rechtsstaat einmal war, das spüren wir erst jetzt.“ So leitet Moderator Walter van Rossum seine Gesprächsrunde mit drei kritischen Anwälten ein. „Die Gewaltenteilung ist einem grenzenlosen Vermischen gewichen.“ Alexander Christ, Autor des neu erschienen Buchs „Corona-Staat“, und Beate Bahner, Fachanwältin für Medizinrecht und Autorin von „Corona-Impfung“ — beide erschienen im Rubikon-Verlag —, treffen auf Carlos Gebauer, der mit seiner Veröffentlichung „Grundgesetz 2030“ gar den Entwurf eines verbesserten Grundgesetzes vorgelegt hat. Alle drei haben die deutsche Corona-Justiz in den letzten zwei Jahren erleben und erleiden müssen. Gibt es ihn überhaupt noch, diesen Rechtsstaat? „Das Recht, wie wir es bis jetzt kannten, ist eine Episode der Geschichte“, lautet Alexander Christs vernichtendes Urteil. „Ich fürchte, dass wir dahin auch nicht wieder werden zurückkehren können.“ Dennoch lassen die drei Diskutanten noch einen Hoffnungsschimmer zu. Sie glauben an die Aufgabe ihres Berufsstands, das Recht gegen staatliche Übergriffe zu schützen. Ob das in absehbarer Zeit klappt, ist fraglich, aber wenn viele aufwachen und Mut fassen, so glauben sie, ist das arg angeschlagene Rechtssystem noch sanierbar.
In seinem neuen Buch „Corona-Staat“ hegt der Anwalt Alexander Christ keine Zweifel, dass der Rechtsstaat im Zeichen der Pandemiebekämpfung systematisch zerstört wurde. Legislative, Exekutive und Rechtsprechung haben auf der ganzen Linie versagt, wie er an Dutzenden von Beispielen klar belegt.
Die sogenannte Gewaltenteilung hat ihren Geist aufgegeben. Das Parlament hat seine Rechte als Gesetzgeber abgegeben, die Regierung Notstandsgesetze erlassen, die mit der Verfassung nicht vereinbar sind, und die Gerichte sind weitgehend den politischen Vorgaben gefolgt. Christ zeigt sich erschüttert, „dass es so einfach geworden ist, einzuschränken. Politiker glauben sich unkontrolliert“. Und das ist eine brandgefährliche Situation. Die Frage ist, handelt es sich dabei um einen dramatischen Unfall oder um eine vorsätzliche Zerstörung der Demokratie? Und wie könnte eine Rückkehr zur Rechtstaatlichkeit aussehen?
Beate Bahner hatte als aufrechte Anwältin 2020 selbst schwere staatliche Verfolgung und Ausgrenzung erlebt. Heute betreibt sie eine Anwaltskanzlei, die fast nur noch „Corona-Fälle“ betreut und die wegen der Fülle des täglichen Unrechts, das auf ihrem Schreibtisch landet, hoffnungslos überlastet ist. Beate Bahner vertritt Ärzte derzeit bewusst nur noch in Ausnahmefällen. So enttäuscht ist sie von diesem Berufsstand, der sich — bei nur mäßigen Kenntnissen über die Wirkungen der Genspritze — mit Haut und Haaren dem „Impfen“ verschrieben hat. Sie sagt:
„Ich habe 27 Jahre als Anwältin gearbeitet — 25 davon habe ich an dieses Rechtssystem geglaubt.“
Ergänzt wird das Duo durch Carlos Gebauer — ebenfalls Fachanwalt für Medizinrecht. Er verfasste unlängst das Buch „Grundgesetz 2030: Modernisierungsvorschläge für eine Erhaltungssanierung“. Die Formulierung deutet darauf hin, dass Gebauer das alte Grundgesetz nicht außer Kraft setzen will, es vielmehr durch gezielte Korrekturen schützen will vor denjenigen, die dabei sind, es in seinem freiheitlichen Wesen zu zerstören. Gebauer sieht auch seinen eigenen Berufstand auf der abschüssigen Bahn. Dem Staat bei der Aushöhlung der Grundrechte zu assistieren, anstatt ihn daran zu hindern, hält er für eine Verletzung des anwaltlichen Berufsethos. Aber er will über den Kollegen nicht pauschal den Stab brechen. Vielmehr möchte er — wie er sich zärtlich ausdrückt — „das Rechtssystem wachküssen“. Hoffen wir, dass dieses den Kuss erwidert!
Walter van Rossum im Gespräch mit Beate Bahner, Alexander Christ und Carlos Gebauer
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Zitate aus dem Buch
„Die sogenannte Corona-Krise, in der wir uns nach wie vor befinden und die uns noch sehr, sehr lange begleiten wird, hat glasklar ans Tageslicht gebracht, dass es in einer Bevölkerung wie der deutschen offenbar kein Einvernehmen mehr gibt, was Recht und was Unrecht ist. Das ist eine vollständige Katastrophe.“
„Die Justiz hat sich eine Funktion im Politspiel aufzwingen lassen, und so hat sie selbst dazu beigetragen, dass sich das Recht weiter politisieren ließ, in dem Sinne, dass ein gutes Recht nur sei, welches die Staatsraison stütze. So aber ist die Freiheit nahezu verloren gegangen, und wir Bürger, wir Menschen in diesem Rechtssystem, befinden uns schon fast in einem rechtfertigenden Notstand, wenn wir Ungerechtes nicht länger hinnehmen wollen.“
„Alles klingt für mich zu klein, zu wenig dramatisch, als dass es den aktuellen Zustand unseres Gemeinwesens, unserer Politik, unserer Bevölkerung, unseres Rechtssystems, unseres Bildungssystems, des Bürgersinns und Gerechtigkeitsempfindens auch nur ansatzweise auszudrücken vermag. Um es auf den Punkt zu bringen: Dieses Land, seine Kultur und seine Zivilisation sind wohl auf dem Wege hin zu einer vollständigen Zerstörung.“
„Kein persönliches Augenmaß, kein Gewissen, kein individuelles Rechtsempfinden scheint bei der Mehrheit der Deutschen aktuell vorhanden zu sein, um dagegen aufzubegehren, was eine skrupellose Politikerkaste in putschähnlicher Manier im Namen eines ‚Hygieneregimes‘ seit Anfang 2020 an Menschenrechtsverstößen begangen hat.“
„Grundrechte werden begründungslos auf unbestimmte Zeit suspendiert. Freiheitsrechte werden tagtäglich beschnitten. Menschenrechte werden mit Füßen getreten. In Deutschland. In Europa. Weltweit. Besonders aber hierzulande, in Deutschland. In dem Land, das am ehesten aus der Geschichte hätte gelernt haben müssen.“
„Die Corona-Krise hat uns den Zustand unserer gegenwärtigen Rechtsgemeinschaft in deutlichen Bildern vor Augen geführt. Wir befinden uns als Wertegemeinschaft in Auflösung und als Rechtsgemeinschaft in Agonie, weil die Instanzen und kulturellen Landmarken ihrer Orientierungskraft beraubt oder durch Ideologien korrumpiert wurden. Zivilisatorisch ist der Umgang mit Corona ein Desaster.“
„Mit den Regelungen rund um die epidemische Notlage von nationaler Tragweite hat der Bundestag zusammen mit dem Bundesrat ein umfassendes Notverordnungsrecht geschaffen, das mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Die Verordnungsermächtigung schließt auch schwerwiegende Grundrechtseingriffe nicht aus — im Laufe der Zeit mussten wir feststellen, dass der Gesetzgeber bereit war, sogar noch darüber hinauszugehen.“
„Mit dem völlig verunglückten Start in das erste Pandemie-Jahr schlug der Bundesgesetzgeber eine Richtung ein, die in der Folge von den Landesgesetzgebern und nachgeordneten Behörden übernommen wurde. Auf Ebene der Länder ergingen Regelungen, bei denen fortan nur sehr beiläufig auf die Einhaltung verfassungsrechtlicher Schranken geachtet wurde — einfach deshalb, weil der Bund es vorgemacht hatte. Warum sollte man sich schon akribisch an die Verfassung halten, wenn doch der Bund gezeigt hatte, dass es auch ohne strikte Achtung des Grundgesetzes geht?“
„Ich habe die Befürchtung, das gesetzgeberische Versagen war in Wirklichkeit ein Test, um herauszufinden, wie weit man gehen kann, ohne dass es Konsequenzen hat, und wie weit die breite Masse der Bevölkerung im Namen der Pandemie- und Ansteckungsangst mitzugehen bereit ist. Wie sich zeigte, überraschend weit. Nie hätte ich gedacht, dass sich die Menschen so schnell und in vielen Fällen klaglos einer Unsinnigkeit ergeben würden. Die Angst war offenbar groß, ja übergroß, und versetzte das Volk in eine Massenhysterie, der mit Argumenten, so schien es, nur schwerlich zu begegnen war.“
„Wenn auch die Judikative ihre Rolle als Kontrollorgan zugunsten der Staatsraison aufgegeben hat, bleibt am Ende nichts anderes als ein totalitärer Unrechtsstaat.“
„Wie werden wir das, was den Kindern in den Schulen während dieser Zeit von Lehrern, Schulleitern und auch Eltern angetan wurde, mit etwas zeitlichem Abstand wohl bezeichnen? Werden wir hierfür den Begriff der Qual nutzen oder werden wir es Folter nennen?“