Der Ursprung der Krisen
Ein falsches Bewusstsein produziert destruktive Systeme — ein richtiges könnte die Erde und alles Leben retten. Eine Replik zum Video „Die Entscheidung, Teil 6“.
Kritische Medien haben die Fehler der aktuellen Politik oft und auf brillante Weise kritisiert — damit ist aber noch nichts Konstruktives geschehen. Aus ebendiesem Grund bringt Manova Mut machende Artikel und auch Videos, in denen die Pioniere des Neuen ihre Vorschläge unterbreiten. Elisa Gratias, Felix Feistel und Martin Winiecki diskutierten in einem Video über die Frage „Totalitärer Albtraum oder globale Revolution?“. Ein Ergebnis der Debatte war, dass ein neuer Weg nicht auf der Basis des alten, falschen Bewusstseins gegangen werden kann. Ökologische Fragen etwa können nicht gelöst werden, solange sich der Mensch als ein von „den anderen“ getrenntes Wesen begreift. Wichtig ist es zu verstehen: „Die sogenannte Umwelt — das bin ja ich.“ Aggression gegen ein Mitgeschöpf kommt deshalb immer einer Selbstverletzung gleich. Der Autor fühlte sich durch das genannte Video aufgerufen, darauf zu reagieren und die Gedanken der Diskutanten weiterzuspinnen.
In tiefer Anerkennung und Hochachtung möchte ich den Beitrag und die Bemühungen von Elisa Gratias, Felix Feistel und Martin Winiecki hervorheben und würdigen. Sie haben sich dem Streben nach alternativen Lebensmodellen verschrieben, eine Aufgabe, die ich als unabdingbar erachte, um den bestehenden Paradigmen entgegenzutreten und einen neuen Weg für die jüngeren Generationen zu ebnen — die Verwalter der Zukunft, die wir ihnen hinterlassen werden.
Die in ihrem Video dargelegten Ansätze mit dem Ziel, die Lebensbedingungen zu verändern, verlaufen weitgehend parallel zu meinen eigenen Vorstellungen. Aber es ist nicht weniger wichtig darauf hinzuweisen, dass eine solche Veränderung nur dann Früchte tragen wird, wenn wir mutig genug sind, in die finsteren Tiefen unseres kollektiven Wahnsinns vorzudringen und seine Wurzeln bloßzulegen und zu beseitigen. In diesem Text werde ich erörtern, warum das der Fall ist und welche Alternative wir stattdessen verfolgen sollten.
Die Ausführungen von Elisa, Felix und Martin leuchten den Weg hin zu einem wichtigen Verständnis: dass sowohl das individuelle als auch das kollektive Bewusstsein die architektonischen Bausteine unserer Gesellschaft bilden. Wobei sie meiner Meinung nach nur an der Oberfläche dieses gewaltigen Ozeans kratzen. Sie untersuchen nicht ausreichend den kausalen Unterbau, die ursprüngliche Quelle unserer wiederholten Misserfolge und Fehler.
Es wird zu Recht betont, dass die Errungenschaften jeder Revolution oft schnell verloren gehen, aber es wird nicht gründlich analysiert, warum dies der Fall ist. Ja, wir haben in der Geschichte einige Fortschritte gemacht — Gleichberechtigung, verbesserte Arbeitsbedingungen, technologische Durchbrüche — doch trotz dieser Fortschritte befindet sich die Erde, als lebender Organismus, keineswegs in einer besseren Verfassung.
Ein Wechsel der Systeme wird immer nur ein Wechsel des Systems sein. Ein grundlegender Wandel hingegen verlangt, dass wir uns auf die Quelle konzentrieren, die jedem System Energie gibt: das menschliche Bewusstsein.
Wenn dieses Bewusstsein nicht im Einklang mit dem universellen Gewebe des Lebens steht, spielt es letztlich keine Rolle, welchen Weg wir wählen. Das Ergebnis wird immer Leid und Zerstörung sein. Die Geschichte bietet uns dahingehend keinen Raum für Zweifel. Es ist nicht das System, das verändert werden muss, sondern das Bewusstsein, das dieses System antreibt und formt, dies wiederum verändert das System dauerhaft.
Tatsächlich hat sich im Kern der menschlichen Erfahrung wenig verändert. Abgesehen von einer kleinen Minderheit, sind die meisten von uns immer noch in den Fesseln der Angst, der Hoffnung und des Glaubens gefangen, dass unser Untergang unmittelbar bevorsteht. Jede Generation hat den Beweis gesehen, dass, wenn wir nicht rasch handeln, die Zukunft düster sein wird.
Wir neigen immer noch dazu, die Gegenwart als einen unvollkommenen, unzulänglichen Zustand zu betrachten, der dringend geändert werden muss. Unser existenzieller Ansatz reduziert das Leben in seiner gesamten Vielfalt und Komplexität auf eine Wunschliste des individuellen Ichs. Und diese egozentrische Tendenz scheint zuzunehmen, da die Identifikation mit dem Ich stärker denn je ist.
Ich möchte hervorheben, dass ich mir sehr wohl der zahlreichen Probleme bewusst bin, denen wir gegenüberstehen: die fortgesetzte Vergewaltigung der Natur, das unermessliche Leiden, das wir uns selbst und anderen Lebewesen zufügen, und die absolute Notwendigkeit, nach Lösungen zu suchen. Allerdings handelt es sich dabei um Symptome, nicht um die Ursachen unseres kollektiven Wahnsinns. Es ist von entscheidender Bedeutung, diese Symptome zu behandeln, aber wir dürfen nicht vergessen, dass eine Heilung nie erreicht werden kann, wenn wir uns nur auf der Oberfläche bewegen und nicht den Mut aufbringen, tiefer zu graben.
Nur wenn wir uns dem wahren Ursprung unserer Probleme stellen, haben wir die Chance, eine nachhaltige Lösung zu finden. Aber wir müssen uns klar sein: Dies erfordert eine Transformation auf einer tieferen, fundamentaleren Ebene als die bloße Behandlung der Symptome. Es erfordert eine radikale Veränderung unserer Identifikation, die Integration des menschlichen Bewusstsein in das kosmische Gewahrsein.
In der Tat, das ist das entscheidende Dilemma, das wir erkennen müssen.
Wir versuchen, mit den nobelsten Absichten, den Wahnsinn zu beenden, der die Erde plagt, aber wir tun es mit demselben Bewusstsein, der diesen Wahnsinn hervorgerufen hat.
Diese Art von Ansatz ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Ein kurzer Blick auf die Geschichte genügt, um zu sehen, wie gut gemeinte Absichten sich ins Gegenteil verkehren. Die besten Ansätze, die höchsten Ideale, enden letztlich immer in Unterdrückung und Zerstörung. Die Unterdrückten werden zu Unterdrückern, die Sklaven zu Herren, die Ausgebeuteten zu Ausbeutern. Zu glauben, dass sich dies jetzt ändern wird, ist nichts als Wunschdenken, egal wie aufrichtig unsere Überzeugung sein mag, dass man nicht die gleichen Fehler machen wird wie unsere Vorgänger.
Es mag für diejenigen, die für Veränderung kämpfen, schwer zu akzeptieren sein, aber es reicht nicht aus, nur die Eliten zu stürzen, um sie dann durch neuen Eliten zu ersetzen. Es reicht nicht aus, neue Formen des Zusammenlebens zu entwickeln, die dann am Felsen unseres individuellen Bewusstseins zerschellen. Was wir brauchen, ist eine radikale Veränderung unseres Bewusstseins, eine Verschiebung, die den Menschen aus dem Zentrum des Universums entfernt.
Der Ursprung unseres kollektiven Wahnsinns liegt in unserer selbstzentrierten Weltsicht. Wir haben uns selbst in das Zentrum des Lebens gestellt, nicht nur in der konzeptuellen Interpretation des Lebens, sondern auch in der Art und Weise, wie wir das Leben erfahren. Dieser anthropozentrische Standpunkt ist die Wurzel vieler, wenn nicht aller unserer Probleme. Wir erleben uns als getrennt von der Natur und anderen Lebewesen, und diese Sichtweise führt zu Egoismus, Ausbeutung und Zerstörung.
Die radikale Bewusstseinsveränderung, die wir brauchen, erfordert von uns, diesen anthropozentrischen Standpunkt aufzugeben und stattdessen eine kosmische Perspektive anzunehmen. Wir müssen uns selbst als Teil des größeren Ganzen sehen, nicht als sein Zentrum.
Dies ist eine fundamentale Veränderung in der Art und Weise, wie wir das Universum und unseren Platz darin verstehen und erleben. Es ist eine Transformation, die uns von einer egozentrischen zu einer kosmischen Identität führt, von einer Identifikation mit dem begrenzten, isolierten Selbst zu einer Identifikation mit dem unendlichen, kosmischen Bewusstsein.
Wie erfahren wir das Leben? Wie nehmen wir die Welt wahr? Wie nehmen wir uns selbst wahr?
Die gängige Vorstellung in unserer Kultur ist, dass wir „ein Leben haben“, dass wir unabhängige Individuen sind, die im Laufe der Zeit Erfahrungen sammeln. Aber diese Vorstellung führt zu einer Trennung zwischen uns und dem Leben selbst — sie schafft eine Kluft, die letztendlich eine Quelle der Entfremdung, des Leidens und der Zerstörung ist.
Im Gegensatz dazu steht, dass wir „Leben sind“. Anstatt uns als getrennte Wesen zu sehen, die das Leben erleben, erkennen wir uns als unmittelbaren und integrierten Ausdruck des Lebens selbst. Wir sind nicht getrennt von der Welt und den Erfahrungen, die sie bietet — wir sind ein Teil des fließenden, sich ständig verändernden Prozesses des Lebens. Wir sind das Leben in Form eines Menschen und nicht ein Mensch, der ein Leben hat oder führt.
Dieses grundlegende Verständnis ist der Schlüssel zu einer radikalen Transformation unserer Beziehung zum Leben und zur Welt. Anstatt das Leben als etwas zu sehen, das verbessert, kontrolliert oder manipuliert werden muss, erkennen wir das Leben als eine Gabe von unermesslicher Schönheit und Wert. Wir können das Leben in seiner Fülle und Komplexität ehren und wertschätzen, und wir können die Herausforderungen und Möglichkeiten, die es uns bietet, aus einer Haltung der Demut und Dankbarkeit annehmen.
Diese Transformation des Bewusstseins ist nicht nur für unser persönliches Wohlbefinden, sondern auch für das Überleben und Gedeihen der Erde von entscheidender Bedeutung. Indem wir uns von der Vorstellung einer getrennten Identität lösen und unsere tiefe Verbundenheit mit dem Leben erkennen, können wir auf eine Weise handeln, die im Einklang mit der natürlichen Ordnung und Harmonie des Lebens ist.
Anstatt das Leben nach unseren Vorstellungen und Wünschen zu formen, können wir lernen, uns dem Fluss des Lebens hinzugeben und uns von ihm leiten und formen zu lassen.
Ja, das ist eine revolutionäre Vorstellung, die einen radikalen Paradigmenwechsel in unserem Verständnis und unserer Erfahrung des Lebens erfordert. Es bedeutet, dass wir über die Begrenzungen unseres individuellen Bewusstseins hinausgehen und uns in ein größeres, kosmisches Bewusstsein einbetten. Dies ist kein leichter Schritt und für viele mag dieser unvorstellbar oder unzugänglich erscheinen. Doch es ist ein Pfad, der offen steht für diejenigen, die den Mut haben, über ihre persönliche Identität hinauszuschauen und sich auf das Mysterium und die Magie des Lebens selbst einzulassen.
Diejenigen, die diesen Schritt wagen, können eine tiefgreifende Freiheit und ein erweitertes Bewusstsein erleben. Sie sind nicht mehr von Angst und Unsicherheit geprägt, da sie erkennen, dass sie Teil eines größeren Ganzen sind, das jenseits ihrer individuellen Ängste und Sorgen liegt. Sie benötigen keine Hoffnung als Puffer gegen die Unwägbarkeiten des Lebens, denn sie erkennen, dass das Leben selbst eine unermessliche und unerschöpfliche Quelle von Schönheit, Kreativität und Potenzial ist. Sie erkennen, dass sie nicht die Regisseure des Lebens sind, sondern Mitspieler in einem viel größeren und tieferen Zusammenhang, der sich ständig entfaltet und entwickelt.
Diese tiefgreifende Bewusstseinsveränderung kann eine Quelle von Kraft und Inspiration sein und kann uns befähigen, mit den Herausforderungen und Krisen unserer Zeit auf eine Weise umzugehen, die von Weisheit, Mitgefühl und Mut geprägt ist. Es ist ein Pfad, der offen steht für alle, die bereit sind, ihn zu beschreiten, und es ist ein Pfad, der uns zu einer tieferen und reicheren Erfahrung des Lebens führen kann.
Eine Anmerkung an die politischen Aktivisten und die spirituellen Sucher: Es besteht kein Widerspruch zwischen dem menschlichen und dem kosmischen Bewusstsein, genauso wie es keinen Widerspruch gibt zwischen den verschiedenen Phasen unserer persönlichen Entwicklung. Jedes Bewusstsein ist ein Teil unseres Wachstums und unserer Reifung, und jedes bietet uns wichtige Erkenntnisse und Erfahrungen.
Das menschliche Bewusstsein erlaubt uns, uns mit den spezifischen Herausforderungen und Möglichkeiten unseres Lebens in dieser Welt auseinanderzusetzen. Es befähigt uns, praktische Lösungen für die Probleme zu finden, denen wir als Individuen und als Gesellschaften gegenüberstehen. Gleichzeitig öffnet uns das kosmische Bewusstsein für ein tieferes Verständnis unserer Existenz und ermöglicht es uns, uns als Teil eines größeren Ganzen zu sehen.
Leider neigen wir dazu, uns in gegenseitigen Schuldzuweisungen, Rechtfertigungen und Machtkämpfen zu verlieren, anstatt die Vielfalt und Tiefe unserer Erfahrung zu erkennen und zu ehren. Diese Dynamik dient nur dazu, uns weiter zu trennen und zu entfremden, und sie nutzt denjenigen, die von unserer Spaltung und unserem Konflikt profitieren.
Was wir stattdessen brauchen, ist eine kollaborative und integrative Herangehensweise, die alle Aspekte unserer Erfahrung anerkennt und respektiert. Statt uns in Recht-Haben zu verlieren, können wir lernen, unsere Unterschiede als Quellen der Inspiration und des Wachstums zu sehen. Anstatt uns gegenseitig die Schuld für unsere Probleme zu geben, können wir zusammenarbeiten, um Lösungen zu finden und eine bessere Gesellschaft zu schaffen. Und anstatt uns in Machtkämpfen zu verlieren, können wir uns bemühen, die Gleichheit und Würde aller Wesen zu fördern und zu schützen.
Dies ist der Weg zur kosmischen Menschlichkeit, einem Zustand, in dem wir sowohl unsere individuellen Fähigkeiten und Verantwortlichkeiten als auch unsere tiefgreifende Verbundenheit mit dem gesamten Leben erkennen und ehren. Es ist ein Weg, der uns ermöglicht, als kreative und liebevolle Teilnehmer im großen Schauspiel des Lebens zu handeln, und es ist ein Weg, der uns zu einer tieferen und erfüllteren Erfahrung unserer Existenz führen kann.
In dieser kosmischen Menschlichkeit liegen unser größtes Potenzial und die Gewissheit, das Leben weiß, was es tut. Sie ist der Schlüssel, um die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen und eine gerechtere, nachhaltigere und liebevollere Welt zu schaffen.
Sie ist die Quelle unserer Stärke, unserer Kreativität und unserer Weisheit. Und sie ist das Herzstück unserer gemeinsamen Reise in die Zukunft. Mögen wir alle den Mut und die Weisheit finden, diesen Weg zu beschreiten und das wahre Potenzial unserer kosmischen Menschlichkeit zu entfalten.
Elisa Gratias im Gespräch mit Felix Feistel und Martin Winiecki