Der Unbequeme
Im Interview mit Wojna, Frontmann von „Die Bandbreite“, zeigt sich, wie schnell jemand ausgegrenzt wird, der nicht die vorherrschende Ideologie bedient.
„Wojna“ ist Russisch für „Krieg“, und Marcel Wojnarowicz befindet sich im Dauerkonflikt: mit den „Antideutschen“ und anderen Correctness-Hütern, denen die Lieder der „Bandbreite“ schon lange ein Dorn im Auge sind. Kündigt die Band einen Auftritt an, werden die Veranstalter mit diffamierenden Briefen und Anrufen traktiert. Die appellieren meist an die Angst des braven Bürgers, durch Berührung mit Wojna könne sich das Stigma des „Verschwörungstheroretikers“ auf sie übertragen wie ein Grippe-Erreger. Dabei sind die Fragen, die der Musiker und Rapper stellt, brisant und berechtigt. Etwa: Hat das US-Establishment den Anschlag vom 11. September „selbst gemacht?“ Was auch immer man von den häufigen Fettnäpfchen-Tritten Wojnas halten mag — Auftrittsverbote und Ausgrenzung sind die schlechteste Anwort darauf. Andrea Drescher traf das Enfant terrible des engagierten Rap. Und sie ersparte ihm auch nicht einige kritische Fragen.
Der Stempel „Kontaktschuld“ wird heute schneller benutzt als noch vor Jahren. Hat A mit B Kontakt und B gehört nicht zu den Guten, ist A auch niemand mehr, mit dem man sich gern in der Öffentlichkeit fotografieren lässt. Auch der Bruder von A gilt schnell als belastet und wird in die gleiche Ecke wie B gestellt. Ob die Vorwürfe nun stimmen oder nicht, die häufige Wiederholung lässt — wenn auch unbewusst — Spuren zurück. Sich davon frei zu machen, ist nicht einfach. Selbst wenn man denkt, man sei nicht davon befallen. Eine Erfahrung, die ich selbst machen musste.
Als ich hörte, dass Marcel Wojnarowicz — besser bekannt als Wojna von der Bandbreite — bei „Kündigt Ramstein Air Base“ auftreten sollte, war ich nicht begeistert. Die Bandbreite — das sind doch die, die schon bei der AfD gespielt haben … muss das sein? Mal abgesehen davon, dass diese Art von Hip-Hop beziehungsweise Rap nun ganz und gar nicht „meine“ Musik ist. Der Gedanke, dass ich Seite an Seite mit jemandem auf die Straße gehen soll, der sich laut Mundpropaganda für die AfD einsetzt, war für mich ziemlich unerträglich. Dann hörte ich von anderen aus der Orga-Gruppe, dass Wojna eben kein Anhänger der AfD sei, dass er sich im Gegenteil dafür einsetzt, die Feindbilder in deren Köpfen abzubauen. Da wurde ich neugierig. Das passte gar nicht zusammen.
Nach einer ersten Recherche wurde deutlich, dass die Geschichte irgendwie doch „etwas“ anders verlaufen war, als es die Gerüchteküche kolportiert hatte. Zutage kamen sehr schnell die „üblichen Verdächtigen“ — die „Freunde“ aus der Anti-Deutschen Ecke, die dafür gesorgt hatten, dass ein linker Hip-Hop-Musiker zur „verschwörungstheoretischen“, „antisemitischen“, „sexistischen“, „antimuslimischen“ und „homophoben“ Persona non grata mutiert war.
Ganz unschuldig war Wojna an dieser Entwicklung aber auch nicht. Da er zu den Menschen gehört, die nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, bevor sie es „´raushauen“ und auch in seinen Texten das eine oder andere Mal eine Wortwahl präsentierte, die zwar in der heutigen Jugend als „normal“ gilt, für Menschen wie mich aber in die Kategorie „ziemlich geschmacklos“ fällt, bot er hinreichend viel Angriffsfläche.
Das Resultat: Heute befindet sich der Musiker in einer beruflichen Neuorientierung, da er von den wenigen Auftritten, bei denen es sich die Veranstalter noch „antun“, mit der Kritik und Drohungen von außen umzugehen, nicht leben oder gar eine Familie mit inzwischen drei Kindern durchbringen kann. Wie es dazu kam, erzählt er im Interview.
Drescher: Ein gemeinsamer Kontakt hat dich als „authentische ehrliche Haut mit dem Hang zum nächsten Fettnäpfchen, jemand, der Dinge `raushaut ohne Rücksicht auf Verluste für sich selbst, aber auch leider völlig unüberlegt, was die Folgen angeht“ beschrieben. Würdest du dem zustimmen?
Wojna: Das bringt es gut auf den Punkt. Mir ist es immer zu blöd, nicht das zu sagen, was ich sagen möchte, was ich denke. Ich rede mit jedem — auch Menschen, deren Positionen ich nicht teile. Ich rede auch heute noch mit allen, selbst mit denen, die dafür gesorgt haben, dass meine musikalische Karriere faktisch beendet ist, würde ich reden. Aber dazu sind die ja leider nicht bereit.
Wenn du von Karriere sprichst — was heißt das?
Die Bandbreite beziehungsweise ihre Vorläufer gibt es bereits seit 2001. Wir waren als Hip-Hop-Musiker in der linken Szene ziemlich gut vernetzt. Ich war Mitglied bei den Falken, der SjD, der Jugendorganisation der SPD, und wir haben unzählige Male Wochenend-Workshops für sie durchgeführt. Ich habe mit Jugendlichen gemeinsam neue Lieder entwickelt, die dann von denen aufgeführt wurden. Wir waren mit der Gewerkschaft in Russland, haben mit einer dortigen Band zusammengespielt und uns für die Freundschaft mit Russland eingesetzt. 2007 haben wir den Kampagnen-Song der IG Metall für die Werbung neuer Mitglieder gemacht. „Wenn du drin bist, bist du besser dran“ lief unter anderem in den Kinos, und wir waren auch regelmäßig bei Veranstaltungen der Gewerkschaften dabei. Wir hatten die Möglichkeit, bei namhaften Bands auf großen Festivals als Vorband aufzutreten. Bis zu „Selbst gemacht“ im Sommer 2007 ging es eigentlich nur bergauf. Und dann kam dramatischer Gegenwind.
Worum geht es bei „Selbst gemacht“?
Das Lied stellt die Frage, ob die USA die Anschläge des 11. September selbst verübt hatten, um so zwei illegitime Kriege zu führen, die ihnen einen großen Ressourcen-Vorteil verschaffen und weitere Rüstungsausgaben vor dem amerikanischen Volk rechtfertigen? Aufgeführt werden in dem Song auch bekannte Kriegslügen der USA wie die Brutkastenlüge — und wir stellen die Fragen, die auch zahlreiche Wissenschaftler, Piloten und — mutige — Journalisten auf der ganzen Welt stellen.
Was passierte dann?
Wir wurden von allen Seiten angeschossen. Und zwar massiv. In den Medien konnte man beispielsweise lesen „Gewerkschafter lassen Verschwörungstheoretiker rappen“ (1). Musik-Veranstalter wurden unter Druck gesetzt und teilweise anonym, manchmal aber auch offiziell aufgefordert, uns nicht auftreten zu lassen (2), die Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft wurde nicht verlängert. Vor Veranstaltungen wurden Flugblätter verteilt, auf denen man massiv Stimmung gegen uns machte. Und das waren keine Einzel-Aktionen, das hatte System.
Inwiefern?
Wenn eine Veranstaltung mit der Bandbreite angekündigt wurde, wurde das volle Programm gefahren. Wir wurden systematisch mit Dreck beschmissen. Es gab Schreiben an die Medien der Region, den Veranstalter, den Bürgermeister, den Stadtrat, das Hotel beziehungsweise den Veranstaltungsort — es wurde massiv Druck gemacht, uns nicht auftreten zu lassen.
Und kam es dann trotzdem zu einem Auftritt, gab es massive Gegendemonstrationen, der Zugang zum Veranstaltungsort wurde blockiert — das ging bis zu gewalttätigen Übergriffen, bei denen Veranstaltungen gestürmt wurden und die Kasse geklaut wurde. Einmal wurden uns die Reifen angestochen — aber so, dass sie eigentlich erst bei der Rückfahrt auf der Autobahn hätten platzen sollen —, mir wurde ohne Ankündigung das Konto bei der Bank gekündigt — die persönlichen Schikanen fanden auf allen Ebenen statt. Von den persönlichen — völlig unberechtigten — Anfeindungen, ein „Riesenarschloch“ zu sein, mal ganz abgesehen.
Ihr wurdet also in Folge immer weniger gebucht?
Ja. Aber das ist ja nur natürlich. Die Kulturschaffenden, Veranstalter oder Betreiber von Event-Locations wollen sich keine Probleme an den Hals hängen, sie haben ja selbst Familien zu ernähren. So bekannt waren wir dann auch nicht, dass man nicht Alternativen gefunden hätte. Bands, die antiimperialistische, sozial- und kapitalismuskritische Songs spielen, gab es auch noch zahlreiche andere. Warum sollten die etwas riskieren?
Es bleibt leider auch immer etwas hängen. Und die Anti-Deutschen sind ja überall, in allen Organisationen vertreten — da kommt die Kritik sozusagen „von allen Seiten“ — auch wenn es letzten Endes immer auf einer Basis beruht. Werden Vorwürfe wieder und wieder wiederholt … muss ja etwas dran sein.
Wer keine Zeit hat beziehungsweise sich keine Zeit nimmt zu recherchieren, geht dann einfach aus Vorsicht — oder Angst — auf Distanz.
Dieses Distanzieren tat vermutlich auch menschlich weh?
Naja, dass die Falken es nicht einmal als nötig erachtet haben, mir ins Auge zu schauen, als sie entschieden hatten, mich aus dem Verband auszuschließen. Das war schon hart. Man hat mich nicht mal richtig angehört, nachdem wir über 10 Jahre intensiv zusammengearbeitet hatten.
Das war alles lange vor der Mahnwachenbewegung, die 2014 durch Lars Mährholz initiiert wurde?
Ja. Es setzte sich 2014 dann aber fort. Wenn man sieht, wie mit der Mahnwachenbewegung umgegangen wurde, wie diese bekämpft und diffamiert wurde — das kannte ich alles schon, das sind bekannte Muster, wenn man mal das Vergnügen mit den Anti-Deutschen hatte.
Jetzt mal zu den Vorwürfen gegen dich — nacheinander. Bist du Antisemit?
Definitiv nicht — ich bin Humanist. In meinem Weltbild kommt so etwas gar nicht vor.
Wie kam es dann zu der Kritik?
Ich vermute, dass meine Kritik gegen die Regierung Israels dazu geführt hat, mich als antisemitisch zu verorten. Aber die hat sich nie gegen Israelis oder gar gegen Juden gerichtet.
Ich kritisiere die faschistoiden Maßnahmen der israelischen Regierung. Man muss ja auch nicht anti-deutsch sein, weil man die Regierung Merkel ablehnt.
Das Perverse: die Opfer des Holocausts werden bei all diesem Bashing immer wieder vergessen. Bereits 2015 konnte man in der Süddeutschen lesen, dass unter Holocaust-Überlebenden in Israel Armut grassiert (3). Das hat sich bis heute nicht geändert.
So was macht mich enorm wütend — denn dass die Opfer der Shoa nichts von unseren Reparationen erhalten, finde ich ganz schlimm. Ich mache mich in meinen Liedern für Entrechtete in allen Ländern stark und protestiere gegen die Systeme, die zu solchen Ungerechtigkeiten führen. Darum kritisiere ich auch das Finanz- und Wirtschaftssystem, was vermutlich auch zu dem Vorwurf beigetragen hat. Ich bin überzeugt, dass es eine Weltverschwörung von Arschlöchern aller Glaubensrichtungen inklusive Atheisten gibt, die ein System geschaffen haben, das immer mehr Armut schafft.
Den Antisemitismus-Vorwurf hast du aber abschmettern können?
Ja. Ich bin gerichtlich gegen die Ruhrbarone und die taz vorgegangen. Das ist vom Tisch (4).
Um bei den rassistischen Vorwürfen zu bleiben, wie schaut es mit dem Vorwurf „Islamophobie“ aus?
Ich bin auf türkischen und kurdischen Veranstaltungen mehrfach mit Muslimen aufgetreten, eine direkte Zusammenarbeit mit einem streng gläubigen Muslim war geplant — es kam aber leider nicht dazu. Ich bin Humanist und spreche mit Menschen aus allen Lagern, solange sie nicht Gewalt unterstützen.
Bist du ein Verschwörungstheoretiker?
Hier möchte ich Dr. Dieter Dehm mal sinngemäß zitieren: Wenn es eine Verschwörung gibt, braucht man auch eine Theorie dazu. Wenn man Glück hat, stimmt die sogar. Das hat er in meiner Gegenwart gesagt und das finde ich sehr treffend (5). Die Menschen, die man heute Verschwörungstheoretiker nennt, wurden früher wohl Journalisten genannt. Früher hat die Presse die Aufklärung von Verschwörungen übernommen, das tun sie heute nur noch im eng begrenzten Umfang.
Bist du Sexist und Frauenfeind?
Frauenfeind bin ich sicher keiner. Zumindest würde mich meine Frau diesen Sommer nach zehn Jahren Zusammenleben und drei Kindern im Alter von 1, 5 und 7 nicht heiraten. Aber heute wird man ja bereits durch die Erwähnung weiblicher Charakteristika zum Sexisten. Wenn ich sage, dass Frauen eher die Fähigkeit haben, sich gütlich zu einigen und einvernehmliche Lösungen zu suchen, schätze ich das und würde mir manchmal mehr davon für mich wünschen. Ich glaube, es gibt Eigenschaften, die man eher Männern zuschreibt und andere, die man eher Frauen zuschreibt. Das heißt aber nicht, dass diese Eigenschaften nicht beim anderen Geschlecht vorkommen oder irgendetwas mit dem Wert des Menschen zu tun hätten.
Wie kam es dann zu dem Vorwurf, der ja auch durch die Medien ging?
Es gibt zwei ältere Lieder von mir, in denen ich das Thema sehr satirisch aufgreife. Sehr böse — das muss ich zugeben. Es war aber eine Persiflage, nicht ernst gemeint. Da kommt es schon auf den Humor an. Auch Freunde von mir fanden sie nicht gut, darum haben wir das auch nicht auf der Bühne gespielt. So was kann man natürlich dann herrlich aus der „Diffamierungstasche“ ziehen und mich zum Sexisten abstempeln. Wenn ich mir Lieder von Cro wie Easy oder den Auftritt von Feine Sahne Fischfilet 2018 (6) anhöre, kann ich die Aufregung bei meinen „alten“ Texten nicht ganz verstehen.
Du meinst, es wird mit zweierlei Maß gemessen?
Ja genau. Wir sind sexistisch — aber als gute „linke“ Band darf man ungestraft „Eva Hermann, die grün und blau [gefickt]“ singen. Zumindest hat das bei FSF nicht zu faktischem Auftrittsverbot geführt.
Wie steht es mit dem Vorwurf der Homophobie?
Der ist völlig an den Haaren herbeigezogen. Nein. Ich habe mit so vielen Schwulen zusammengearbeitet — ich bin mit allen klar gekommen. Ich denke darüber gar nicht nach. Beim Christopher-Street-Day hat man uns ein-, aber dann auch wieder ausgeladen, obwohl den Einladenden klar war, dass da nix dran ist. Aber der Druck war wohl zu groß. Der Vorwurf wurde wohl aus dem Lied „Kein Sex mit Nazis“ abgeleitet. Auch da war ich satirisch unterwegs, es war schwarzer Humor. Vor einer internationalen Jury erzielten wir 2012 bei der „Parade der Kulturen“ in Frankfurt mit eben diesem Song den ersten Platz. Dieses Mega-Event ist eine Art Karneval der Kulturen, bei der hunderte Teilnehmer einen Umzug durch die Frankfurter Innenstadt veranstalten und dabei mehrere Zehntausend Zuschauer anlocken.
Naja — ich muss sagen, für mich ist der Text auch ziemlich unterirdisch — aber Homophobie höre ich da auch nicht. Eher ein Anpissen der Nazis ...
Ja genau … aber daraus hat man mir dann eben den „Homophobie-Strick“ gedreht.
Apropos Nazi — man spricht dir ja auch die Nähe zur Neo-Nazi-Szene zu. Ist da was dran?
Nein. Ich kenne diese Szene überhaupt nicht, ich kenne keinen aus dieser Szene. Neo-Nazis nehmen die Uniformpflicht heute wohl nicht mehr so ernst. Aber selbst wenn ich jemanden als Neo-Nazi erkennen würde, reden würde ich trotzdem mit ihm. Veränderung kann ich doch nur durch ein Gespräch erreichen.
Dass du mit einem Neo-Nazi in Halle bei der Endgame-Veranstaltung zu sehen warst, war also Zufall?
Es war zumindest ein komischer Zufall. Der Typ kam nach dem Song „Kein Sex mit Nazis“ zu mir, hatte eine CD von mir in der Hand und sagte etwas wie „auch wenn wir heute keinen Sex haben werden“. Ich dachte zuerst, der wäre schwul, dass es sich auf den Song bezog, habe ich in dem Moment absolut nicht mitgekriegt. Erst durch das Foto habe ich mich an den Typen überhaupt erinnert. Wir sprachen gefühlt eine Minute miteinander — maximal. Dann gab ich ihm die Hand und habe weitergemacht — ich hatte eine Menge zu tun. Hinterher wurde mir dann mein „vertrautes Zusammensein“ mit einem „bekannten Neo-Nazi“ vorgeworfen. Ja. Es gibt halt immer wieder Zufälle.
Jetzt zu der Frage, die mich persönlich überhaupt erst motiviert hat, mir die Causa Wojna genauer anzuschauen. Wie kam es zu deinem Auftritt bei der AfD? Das war ja nicht das erste Mal, dass du für „Rechte“ gespielt hast — in der Schweiz warst du ja auch bei der Jugendorganisation der SVP aktiv — wieso machst du solche Auftritte?
In der Schweiz hat mir die SVP-Jugend den Auftritt bei der Demonstration gegen das dortige Bilderberger-Treffen in St. Moritz finanziert. Da waren mehrere Organisationen vor Ort und ich konnte meine Songs gegen Kapitalismus, Imperialismus und Menschenfeindlichkeit vor einem breiten Publikum aufführen.
Es ist doch eigentlich schlimm, dass so wenige linke Gruppierungen sich dort engagieren. Wo sind sie, die Linken, wenn die Bilderberger sich ein Stelldichein geben und ohne Protokoll völlig intransparent Absprachen zwischen den Reichen und den Mächtigen diskutiert werden?
Da muss man doch Gesicht zeigen. Ich zumindest. Und wenn mich dann jemand für meine antiimperialistische Arbeit bezahlt, kann ich froh sein.
Und das war bei der AfD auch so?
So ähnlich. Nach einer Friedensdemo wurde ich von jemandem angesprochen, ob ich nicht auf einer Veranstaltung spielen wolle, bei der mehrere Organisationen vertreten sind. Dass ich weder die Positionen von Alexander Gauland noch von der früheren Goldmann Sachs Mitarbeiterin Alice Weidel vertrete, geht aus meinen Texten sehr klar hervor. Dass ich das sogar bei deren Veranstaltungen von mir geben darf, fand ich richtig gut. Schließlich sollten deren Anhänger Bescheid wissen, sollten die wichtigen Kritikpunkte gegen ihre Parteispitze erfahren.
Viele wählen AfD doch nur aus diffusem Protest heraus, sind sich nicht bewusst, dass das eine richtige neoliberale Partei ist, die sicher nicht zugunsten der „kleinen Leute“ oder gar gegen Krieg agiert. Erst vor kurzem haben sie ja wieder gegen den Austritt aus der NATO gestimmt. Die AfD war noch nie in der Verantwortung, hatte noch nie „die Chance“, ihren Wählern zu zeigen, was sie wirklich vorhaben. Wir müssen deren Anhänger informieren, was da auf sie zukommen kann. Und wo kann man das besser tun, als bei einer AfD-Veranstaltung, die aus meiner Sicht enorm spannend war.
Inwiefern?
Im Grund genommen konnte ich bei vielen Themen einen Konsens zwischen den anwesenden AfD-lern, den linken Gegendemonstranten und uns als Bandbreite feststellen. Beim Thema Migration ist zwar ein massiver Unterschied zu erkennen, aber was die Ursachen angeht, gibt es große Schnittmengen. Kriege und wirtschaftliche Ausbeutung von Afrika beispielsweise, die zu den Migrationsbewegungen führt, wird von beiden Seiten bekämpft. Dass die Menschen dann bei uns als Billiglöhner für die Konzerne schuften, wird ebenfalls von beiden Seiten bekämpft. Dass Europäische Subventionen die afrikanische Wirtschaft zerstören und gleichzeitig die daraus resultierende Flüchtlingsbewegung ja auch ein „Brain Drain“ darstellt, wird auch von beiden Seiten als menschenverachtend kritisiert. Der Konsens ist viel größer als man denkt.
AfD-Anhänger wollen keine Migranten. Linke bekämpfen aus humanistischen Gründen die Flucht der Menschen aus ihren Heimatländern. Wir müssen einfach nur genau hinschauen, wer ist Profiteur und wer ist Leidtragender, und könnten gemeinsam gegen die Profiteure auf die Straße gehen.
Aber leider gab es auch im Anschluss an diese Veranstaltung dann noch eine etwas gewalttätige Auseinandersetzung, die erst durch die Polizei, nachdem ich sie gerufen hatte, geschlichtet werden konnte.
Würdest du bei der AfD wieder auftreten?
Gute Frage, das kann ich ehrlich gesagt nicht beantworten. Ich glaube nicht. Ich gehe weiter in jede Diskussion mit jedem AfD-ler rein. Aber ich glaube nicht mehr, dass man die Menschen zusammenbringen kann — Auftreten würde ich wahrscheinlich nicht mehr.
Da ich persönlich der AfD sehr distanziert gegenüberstehe, finde ich das gut. Dann freut es mich jetzt doch besonders, dass du bei „Kündigt Ramstein Air Base“ am 30. Mai in Berlin auf der Bühne stehst!
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.spiegel.de/politik/deutschland/dgb-party-gewerkschafter-lassen-verschwoerungstheoretiker-rappen-a-519729.html
(2) https://www.youtube.com/watch?v=KDt9gEXxWT4
(3) https://www.sueddeutsche.de/politik/studie-armut-grassiert-unter-holocaust-ueberlebenden-in-israel-1.2437113
(4) http://www.diebandbreite.de/wp-content/uploads/2011/12/Anerkenntnisurteil_Ruhrbarone_StefanL.jpg
(5) https://youtu.be/ikf-h6ThyKU?t=315
(6) https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/die-texte-der-linksextremen-bands-von-chemnitz-schockieren-15779272.html