Der übergriffige Staat
Die Regierung degradiert den Bürger zum Objekt politischen Handelns und hat sich vom Menschenwürde-Gebot des Grundgesetzes verabschiedet.
Sie verfügen, dass wir im Sommer eine Stunde früher aufstehen müssen als im Winter. Sie verbieten Glühbirnen alten Typs, befehlen, dass wir in jedem Zimmer einen Rauchmelder installieren und für ein Fernsehprogramm zahlen, das wir nicht nutzen. Sie berauben uns eines Großteils unserer Einkünfte, um es in die Rüstung zu stecken, und bestimmen, mit welcher Geschwindigkeit wir Auto fahren dürfen. Seit 2020 verbieten sie uns, Geschäfte zu betreten, ohne die untere Gesichtshälfte mit einem Stück Stoff zu verdecken, das uns zur Selbstvergiftung zwingt. Sie sind Menschen wie du und ich mit Gliedmaßen wie wir, Schwächen und menschlichen Bedürfnissen wie wir, nicht unbedingt klüger, kompetenter und charakterstärker als wir. Aber sie haben uns eines voraus: Macht. Auch wenn es den Anschein hat, dass sie so gut wie alles mit uns machen können — eine derartige absolute Verfügungsgewalt ist in unserer Rechtsordnung nicht vorgesehen. Der Staat hat den Bürgerinnen und Bürgern zu dienen und ihre Menschenwürde — individuell und aktiv — zu schützen. Verletzt er diese Pflicht, wie es in Coronazeiten geschieht, ist dies Anmaßung. Es ist wichtig, dass wir den zunehmend übergriffig werdenden Staat in seine Schranken verweisen.
Beinahe ein volles Jahr befindet sich die Gesellschaft nun in einem Ausnahmezustand. Als „Schutzmaßnahmen“ deklariert, versetzten die politisch Verantwortlichen mit medialer Unterstützung die Menschen in einen traumatisierenden Dauerpanikmodus. Nicht fahrlässig, sondern — wie sich mittlerweile offenbarte — vorsätzlich. Denn mit Ausrufung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite sollte laut Strategiepapier des Innenministeriums mit dem folgendem Szenario absichtlich eine Schockwirkung in der Bevölkerung erzielt werden:
„ (...) Viele Schwerkranke werden von ihren Angehörigen ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen, und sterben qualvoll um Luft ringend zu Hause. (...) Kinder werden sich leicht anstecken, selbst bei Ausgangsbeschränkungen, zum Beispiel bei den Nachbarskindern. Wenn sie dann ihre Eltern anstecken, und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, schuld daran zu sein, weil sie zum Beispiel vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann.“
Schützenhilfe erhält diese psychische Gewalteinwirkung nunmehr auch vom Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Eine „sehr große Bedrohungslage“ läge seiner Meinung nach weiterhin vor — trotz fundierter und mittlerweile öffentlich zugänglicher Informationen zu anderslautenden Gegenbeweisen. Dem Mäßigkeitsgebot zuwider holt er in der Rheinischen Post weiter aus: Ein kritischer Teil der Bevölkerung verharmlose mit einem Diktaturvergleich die Naziherrschaft, „was absurd und bösartig sei.“
Dieses medienwirksam abgelegte Zeugnis über die fehlende richterliche Unabhängigkeit und bestehende Befangenheit des obersten Gerichts irritiert und stimmt betroffen zugleich, untermauert in der Konsequenz aber die dringende Forderung nach einer gebotenen Reform der Justiz hin zu einer wirklichen Unabhängigkeit und Mitmenschlichkeit. Denn auch in der Richterschaft brachte die Coronakrise eine ungesunde politische Einfärbung hervor.
Eine zukünftige demokratische Besetzung ausschließlich nach der fachlichen und persönlichen Eignung könnte den offenkundig ungesunden — wohl historisch gewachsenen (1) — Machtbestrebungen in der Richterschaft und dem Justizwesen entgegenwirken und in der Folge auch die Glaubwürdigkeit der Judikative und die Integrität des obersten Verfassungsgerichts wieder bestärken und herstellen. Denn keine Machtinteressen, sondern die Grundrechte gelten für Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht (2).
Staatliche Übergriffigkeit und politische Anmaßung
Diese aktuell vorherrschende, die Gewaltenteilung kontaminierende politische Übergriffigkeit und Machtanmaßung liegt jedoch nicht nur im Großen. Sie beginnt bereits im Kleinen. Im Alltäglichen. Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum eine Anschnallpflicht besteht? Warum Sie Steuerbelastungen auferlegt bekommen, obwohl Sie auf den verwendeten Zweck keinen Einfluss und ineffiziente Steuerverschwendungen keine oder nur in seltensten Fällen Konsequenzen für die politisch Verantwortlichen haben? Warum eine allgemeine Schulpflicht festgelegt wurde, obwohl das der Wortlaut des Grundgesetzes gar nicht vorsieht?
Auch hier dienen der behauptete staatliche Schutz und die Fürsorge der Rechtfertigung von Maßnahmen, die es aber in einer freien Gesellschaft nicht geben sollte, da sie tatsächlich übergriffig sind.
Die individuelle Selbstbestimmung ist Ausgangspunkt unseres Grundgesetzes und sollte mithin Grundlage unseres freiheitlichen Zusammenlebens sein. Dreh- und Angelpunkt des verfassungsrechtlichen Menschenbildes ist der in der Menschenwürde angelegte und in den einzelnen Grundrechten bereichsspezifisch ausgeformte Grundsatz individueller Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Wie der Einzelne individuelle Freiheit hierbei nutzen möchte, obliegt ihm selbst, ist also staatlicherseits zweckfrei. Grundrechtliche Freiheit ist rechtlich nicht finalisiert, sie ruht in sich selbst (3).
Grundrechtliche Freiheit bedeutet „Freiheit zur Beliebigkeit“ (4), ist Freiheit zum „Selbstentwurf des Menschen nach seinem Willen“ (5), also erst vom einzelnen Subjekt durch individuelle Sinngebung auszufüllen. Der Einzelne wird nur solchen Schranken unterworfen, die im Interesse des sozialen Zusammenlebens erforderlich sind, wobei immer die Eigenständigkeit der Person erhalten bleibt (6).
Den Staat trifft demnach nicht nur das Verbot, in die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter einzugreifen, sondern er hat darüber hinaus auch die Pflicht, sich aktiv schützend vor diese Rechtsgüter zu stellen.
Beispiele, dass es sich hierbei mittlerweile tatsächlich oftmals nur um Deckmäntel handelt, finden sich jedoch gehäuft. Etwa die ebenfalls sehr kritisch zu bewertende zunehmende Privatisierung von staatlichen Aufgaben — insbesondere in der Daseinsvorsorge.
Die Transformation der staatlichen Fürsorgeverpflichtung in eine privatwirtschaftliche Gewinnerzielungsabsicht kontaminiert das Sozialstaatsprinzip und begründet unmittelbar eine Schwächung und Aushöhlung des Grundrechtsschutzes der Bürger. Denn eine Privatisierung verkürzt nicht selten die Handlungsfreiheit; gegen Private schützen die Grundrechte darüber hinaus grundsätzlich nicht unmittelbar.
Wo die Schutzpflicht des Staates hingegen übergriffig von den politisch Verantwortlichen wahrgenommen wird, gleicht sie — zugespitzt in der Coronakrise — Repressalien und Gewaltakten. Denn im Ergebnis erzeugt sie irreparable menschliche, soziale und wirtschaftliche Schäden, während der angestrebte Zweck — der Schutz von Leib und Leben für eine Vielzahl von Menschen — schon längst gegen die Verfolgung politischer Interessen ausgetauscht wurde. Und nicht nur das: Diese politischen und die dahinterstehenden wirtschaftlichen Interessen richten sich mittlerweile gegen genau das, was sie angeblich zu beschützen versuchen.
Volksgesundheit über Menschenwürde als Mittel zum Zweck
Diese These — die schädigende Umkehr des staatlichen Schutzauftrages — lässt sich an der Maskenpflicht und der Impfagenda klar verdeutlichen. Die allgemeine Maskenpflicht ist nicht, wie auch teilweise gerichtlich festgestellt wird, nur ein geringer Eingriff in die persönliche Freiheit — und eine körperliche Beeinträchtigung des Trägers müsse sogar dargelegt werden (7) —, sondern sie transformiert den Menschen vom Subjekt zum Objekt staatlichen Handelns.
Die Auferlegung einer Maskenpflicht sogar für gesunde Menschen missachtet nicht nur die Beweislastregelungen, sondern führt im Ergebnis dazu, dass ein gesunder Mensch per se wie ein ansteckender Infektionsherd und eine Gefahr für andere behandelt wird. Sie pervertiert die Menschenwürde und die Unschuldsvermutung, denn als Ansteckungsverdächtiger und somit als Adressat von Maßnahmen kam bislang nicht jeder gesunde Mensch in Betracht, sondern nur derjenige, bei dem die Annahme, er habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil (8).
Zudem muss eine Erkrankung vorliegen, die aufgrund ihrer Schwere und der Anzahl der Todesfälle weit über das Maß einer grippalen Viruserkrankung hinausgeht. Der entscheidende Punkt ist aber: Eine Maskenpflicht begründet unstreitig und unmittelbar durch CO2-Rückatmung, Sauerstoffentzug und Keimbelastung eine Gesundheitsgefährdung beim Träger. Insbesondere die staatlich zur Verfügung gestellten FFP2-Masken sind zudem oftmals mit Giftstoffen versehen. Dahinstehen kann hierbei, ob eine Maskenpflicht überhaupt wirksamen Schutz vor Viren bieten kann, denn entscheidend ist, dass keine staatliche Maßnahme in ihrer Folge zu einer genötigten Selbstschädigung führen darf.
Gleiches gilt für die — mittlerweile durch psychische Gewaltanwendung bei Älteren — durchgeführte Impfung. Abgesehen davon, dass die Gabe von in kürzester Zeit hergestelltem, neuartigem Impfstoff in Notzulassung als verantwortungslos zu bewerten ist, birgt eine Impfung stets die Gefahr einer schweren unvorhersehbaren Nebenwirkung.
Da diese nicht ausgeschlossen werden kann, kann es ebenfalls dahinstehen, ob die Gefahr gering oder das zu bekämpfende Virus für eine Vielzahl von Menschen gefährlich ist:
Nicht die Volksgesundheit oder das Volkswohl ist das höchste Gut unseres Grundgesetzes und Grundlage unseres Zusammenlebens, sondern die individuelle Menschenwürde.
Sie verbietet es, dass ein Mensch zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht wird, und ist insbesondere dort verletzt, wo der Kern eines jeden Grundrechts angegriffen wird. Denn jedes Grundrecht hat einen unverletzbaren Kern, in den der Staat nicht eingreifen darf (9). Dieser ist aber insbesondere bei dem Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt, wenn staatliche Maßnahmen dem Betroffenen eine eigene Gesundheitsgefährdung — quasi als Bürgeropfer — abverlangen.
Zeit für (Selbst)verantwortung
Festzuhalten bleibt aber auch, dass eine gesunde Gesellschaft zu Recht Vertrauen in die politischen Verantwortlichen haben darf und sollte. Krisenbedingt in Solidarität zusammenhalten ist essenziell für ein friedliches Zusammenleben. Das Vertrauen muss aber dann entzogen werden, wenn es — wie in der Coronakrise — zu einem Machtmissbrauch kommt, es in der Sache nicht mehr um Fürsorge, Gesundheit und Verantwortung, sondern um Macht und Kontrolle geht: über den Menschen, seine Verantwortung sich selbst und der Gesellschaft gegenüber und letztlich über seinen Tod.
Denn bei der Ansteckungsgefahr mit einem influenzaartigen Virus und einem daraus resultierenden möglichen Todeseintritt handelt es sich um ein allgemeines Lebensrisiko, dessen Eingehung allein dem Einzelnen obliegt. So verlockend das propagandagetriebene Angebot der Verantwortungsabnahme auch scheint, führt es im Ergebnis in die Unfreiheit und in die Selbst- und Fremdschädigung.
So dürfte nur derjenige, dem es gelingt, Selbstverantwortung zu übernehmen, der der Übergriffigkeit Grenzen zu setzen weiß, die Krisensituation unversehrt meistern können.
Oder anders ausgedrückt:
So sehr wir auch versuchen, das Gefühl der anfänglichen Geborgenheit in einem anderen zu finden.
Ihm vertrauen.
Vertrauen versuchen.
Um festzustellen, dass alles nur eine Illusion ist, die — zu schön — zu schnell vorübergeht.
Und wir wieder auf der Suche sind.
Nach dem Gefühl, nicht allein zu sein.
Und wieder vertrauen, um getragen zu werden.
Und irgendwann merken, dass das nicht funktioniert, weil — am Ende gehen wir allein.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Weiterführender Literaturhinweis: Ingo Müller, Furchtbare Juristen — Die unbewältigte Vergangenheit der deutschen Justiz, Edition Tiamat, September 2020, Furchtbare Juristen von Ingo Müller — Buch | Thalia
(2) Art. 1 Abs. 3 des Grundgesetzes
(3) Klein, Der Staat 14 (1975), 153 (157)
(4) BVerfGE 4, 7 (16)
(5) BVerfGE 5, 85 (198)
(6) BVerfGE 4, 7 (16)
(7) Etwa jüngst BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. November 2020 — 2 BvQ 87/20 —, Rn. 1-65
(8) Bundesverwaltungsgericht, Entscheidung vom 22.03.2012, 3 C 16/11
(9) BVerfGE, 3 C 16/11; Artikel 19 Absatz 2 GG