Der Twitter-Chaot

Donald Trumps Forderung, die Golan-Höhen zu israelischem Staatsgebiet zu erklären, ist ein eklatanter Bruch des Völkerrechts.

Nach der eindrücklichen Rede des US-amerikanischen Völkerrechtlers Alfred de Zayas wendet sich nun der syrische UN-Botschafter Dr. Baschar al-Jaafari an den UNO-Sicherheitsrat und fordert die Weltgemeinschaft auf, die tödlichen, den Weltfrieden gefährdenden Kapriolen der USA nicht länger hinzunehmen.

Erklärung seiner Exzellenz Baschar al-Jaafari, Ständiger Vertreter Syriens bei den Vereinten Nationen:

In einer eklatanten Verletzung des Völkerrechts, der UN-Charta sowie der grundlegendsten Werte und des Ethos der internationalen Beziehungen twitterte US-Präsident Donald Trump (…) am 21. März 2019 unter vollständiger Missachtung der internationalen Gemeinschaft, des UN-Sicherheitsrates und der Resolutionen dieses Sicherheitsrates, die jahrzehntelang tragende Säulen internationaler Rechtmäßigkeit waren.

Die Regierung der Syrischen Arabischen Republik verurteilt diese unverantwortliche Aussage zum Rechtsstatus des besetzten syrischen Golan aufs Entschiedenste. Dieser Rechtsstatus wurde durch mehrere entsprechende Resolutionen der Generalversammlung und durch Resolution 497 des Sicherheitsrates von 1981, in der Israel als, ich zitiere, „Besatzungsmacht“ bezeichnet wird, anerkannt. Weiter wird dort erklärt, dass Israels Versuch, die besetzten syrischen Golanhöhen seinen Gesetzen, seiner Rechtsprechung und seiner Verwaltung zu unterstellen, null und nichtig und ohne völkerrechtliche Wirkung ist.

Präsident Trumps Erklärung bestätigt aufs Neue die blinde Parteilichkeit der USA gegenüber der israelischen Besetzung sowie ihre unbegrenzte Unterstützung des aggressiven Verhaltens Israels. Ganz deutlich spiegelt sie die Verachtung der USA für internationale Rechtmäßigkeit wie auch die eklatante Verletzung der UN-Resolutionen wider — hier vor allem die Resolution 497 des Sicherheitsrates von 1981. Sie wurde einstimmig von den Mitgliedern des Sicherheitsrates angenommen, selbst von den Vereinigten Staaten — aber das waren damals andere Vereinigte Staaten.

Wir bekräftigen, dass die US-Administration weder ein Recht noch ein Mandat besitzt, über das Schicksal des besetzten syrischen Golan zu entscheiden und dass jegliche Anerkennung oder Handlung, die die Souveränität der Syrischen Arabischen Republik über ihr besetztes Gebiet verletzt, ein Akt der Aggression, eine Provokation, eine widerrechtliche Handlung ist. Sie stellt ein Versagen von Seiten der USA dar, ihren Verpflichtungen im Sinne der Bestimmungen der Charta und der Prinzipien des Völkerrechtes als permanentes Mitglied des Sicherheitsrates sowie als Gastgeberland der UN nachzukommen.

Deswegen haben die USA das Vertrauen verwirkt, ihrer Verantwortung als permanentes Mitglied des Sicherheitsrates gerecht zu werden. Die Erklärung des US-Präsidenten und seiner Regierungsmitglieder zu den besetzten Golanhöhen sowie Besuche von Individuen, die beanspruchen, das US-amerikanische Volk zu repräsentieren, werden nichts an der Tatsache ändern, dass die syrischen Golanhöhen arabisch-syrisches Territorium sind und auch bleiben werden — und dass das syrische Volk entschlossener denn je ist, mit allen Mitteln diesen kostbaren Teil syrischen Territoriums zu befreien und die Souveränität darüber wieder zu gewinnen.

Diese Methoden und Handlungen der US-Administration sind nichts als ein Rezept für Kriege und Eskalationen — und das zu einer Zeit, in der die Welt sich der Diplomatie bedienen muss, um unser gemeinsames Ziel von Frieden und Sicherheit zu bewahren und zu erreichen, nicht umgekehrt. Die internationale Gemeinschaft ist sich nun dessen bewusst, dass die USA mit ihren rücksichtslosen Methoden der Haupt-Spannungsfaktor in der internationalen Szene geworden sind und eine wesentliche Bedrohung für Frieden und Sicherheit auf der Welt darstellen.

Es ist auch offenkundig, dass die US-Außenpolitik diese Ära der internationalen Beziehungen derzeit dem Extremismus widmet. Die US-Administration hat sich auf einen feindseligen Kurs begeben — gekennzeichnet durch Eskalation gegenüber Mitgliederstaaten dieser Organisation. Diese Einschätzung trifft auf viele Fälle zu, so zum Beispiel auf die US-Außenpolitik gegenüber Syrien, Russland, China, Iran, Venezuela und viele andere Länder — selbst gegen sogenannte Freunde und Verbündete der USA wie Kanada und die EU. Der politische US-Slogan heute lautet „Entweder mit uns oder gar nicht.“

Abschließend fordern wir den UN-Generalsekretär, den UN-Sicherheitsrat und die UN-Generalversammlung auf, Präsident Trumps Erklärung zu verurteilen und alle nötigen Schritte dafür zu unternehmen, um dieser US-amerikanischen Arroganz ein Ende zu setzen und die Implementierung der entsprechenden Resolutionen sicherzustellen, um Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Welt zu gewährleisten.

Dies war die offizielle Stellungnahme der syrischen Regierung bezüglich dieses unverantwortlichen Tweets — so wird das heute genannt, nicht wahr — von Präsident Trump zu den syrischen Golanhöhen.

Fragen der Presse an Dr. Baschar al-Jaafari

Der Pressesprecher des Generalsekretärs ließ gerade verlauten, dass dieser all die existierenden Resolutionen unterstützt, aber nicht dazu bereit ist, den Tweet zu verurteilen. Können Sie uns genau sagen, was Sie hier und jetzt von Generalsekretär und vom Sicherheitsrat hören wollen? (…)

Lassen sie mich, um Ihr Gedächtnis aufzufrischen, vorlesen, was Resolution 242 besagt:

Der Sicherheitsrat, (…) unter Betonung der Unzulässigkeit — Unzulässigkeit! — des Gebietserwerbs durch Krieg und der Notwendigkeit, auf einen gerechten und dauerhaften Frieden hinzuarbeiten.

Dann bekräftigt der Sicherheitsrat den Rückzug der israelischen Streitkräfte aus Gebieten, die im [damals] neuesten Konflikt besetzt wurden. Das war die Resolution 242 vom November 1967. Im Jahr 1981 lautet die Resolution 497 — und der Sicherheitsrat und die USA stimmten dafür:

„Der Sicherheitsrat, erneut erklärend, daß nach der Charta der Vereinten Nationen, den Grundsätzen des Völkerrechts und den einschlägigen Sicherheitsratsresolutionen die gewaltsame Aneignung von Gebieten unzulässig ist, 1. beschließt, daß die Entscheidung Israels, die besetzten syrischen Golanhöhen seinen Gesetzen, seiner Rechtssprechung und seiner Verwaltung zu unterstellen, null und nichtig und ohne völkerrechtliche Wirkung ist“ (Wortlaut aus https://www.un.org/depts/german/sr/sr_81/s-inf-37.pdf).

Das ist also meine Antwort auf Ihre Frage.

In Anbetracht dessen, was Sie gerade gesagt haben — als diese Resolutionen verabschiedet wurden, waren das ja ganz andere Zeiten und das Weiße Haus — wenn man bedenkt, wer nun im Weißen Haus sitzt — wie stellen Sie sich den Sicherheitsrat vor, der ja gemäß der Aussagen des Pressesprechers heute dafür verantwortlich ist, zu beurteilen, ob Israel und die USA gegen diese bestimmten Resolutionen verstoßen. Glauben Sie wirklich, dass der Sicherheitsrat dies in Erwägung ziehen wird?

Was ist die Position des Sicherheitsrates? Er muss diese Frage beantworten. Was mich betrifft, so erwarten wir von jedem Mitglied in dieser Organisation, eine entschlossene Haltung - eine entschlossene Haltung - einzunehmen, und zwar nicht nur zu dem Tweet des Präsidenten — Diplomatie scheint heutzutage offensichtlich per Twitter zu funktionieren … jeder sollte also seine Koffer packen und gehen. Keine Diplomatie mehr in dieser Welt. Es geht nicht nur um eine Verurteilung, es geht darum, die US-Regierungsvertreter daran zu erinnern: Wenn es kein Völkerrecht gibt, steuern wir auf Kriege zu — und wie Sie wissen, wäre dies das Ende der Welt.

Sie können nicht jedem auf dieser Welt den Krieg erklären, weil Sie behaupten, Sie seien der Einzige, der Recht hat. Die US-Administration befindet sich mit jedem, selbst mit ihren besten Verbündeten, im Kriegszustand — das sagte ich schon. Leider liegen in den Augen der US-Administration alle anderen falsch. Lassen Sie mich dies bitte ein wenig weiter ausführen.

Zur Zeit feiern wir das einhundertjährige Jubiläum des Völkerbundes, der 1918 in Versailles gegründet wurde. (…) Einhundert Jahre, in denen wir in der internationalen Gemeinschaft juristische Erfahrungen gesammelt und schließlich die UN, den derzeitigen Sicherheitsrat und den internationalen Multilateralismus aufgebaut haben. Und nun, nach einhundert Jahren, katapultiert der Tweet von Präsident Trump — nach dem Schlag, den er den Palästinensern mit Jerusalem zugefügt hat — das Völkerrecht zurück in die Zeit von vor 1918. Dies bedeutet, dass dieser Tweet einhundert Jahre juristischer Weiterentwicklung und internationaler Erfahrung — oder anders ausgedrückt: internationaler Diplomatie — opfert. Was ist die Alternative zu Diplomatie? Sie kennen die Antwort.

Ihre Regierung erklärte heute morgen, dass es die Golanhöhen zurückholen würde. Wie könnte sie dies tun? Zieht die syrische Regierung auch den Einsatz von Gewalt in Betracht, um den Golan zurückzuholen? Und das Weiße Haus verkündete heute, dass der Islamische Staat nun kein Territorium in Syrien mehr unter seiner Gewalt habe. Könnten Sie dies bitte kommentieren?

Zuallererst geht es hier nicht um „Höhen“. Beim Golan geht es nicht um „Höhen“. Dies ist israelische Terminologie — nach der Besetzung des Golan erfunden, um eine Botschaft, eine falsche Botschaft an die öffentliche Meinung zu versenden, dass „Höhen“ strategische Hügel, strategische Berge bedeuten.

(...) Nun zu Ihrer Frage. Unser Verteidigungsminister sagte vor ein paar Tagen, dass wir das Recht haben, unseren Golan mit allen Mitteln — legalen Mitteln, einschließlich der Gewalt — zurückzuholen. Einschließlich der Gewalt — weil dies unsere Pflicht ist, wenn wir keine andere Wahl haben, um unsere Rechte zurückzugewinnen. Der syrische Golan ist von 1967 bis heute besetzt und wir werden nicht warten, bis Herr Trump und seine Administration es sich anders überlegen. Dies ist unser Land und wir werden es zurückbekommen — früher oder später.

Das Weiße Haus sagte, der Islamische Staat habe nun kein Gebiet in Syrien mehr unter seiner Gewalt.

Das ist ein Bluff. Es ist ein Bluff! Es gibt keinen Islamischen Staat. Lassen Sie uns mit dem Namen selbst beginnen. Es gab noch nie einen Islamischen Staat, er ist weder islamisch, noch ist es ein Staat. Es ist ein Haufen von Terroristen, die man in der ganzen Welt rekrutiert und über unsere Grenzen mit den Nachbarländern, vor allem der Türkei, nach Syrien geschickt hat. Bezahlt werden sie von internationalen Geheimdiensten, einschließlich des CIA, der französischen und britischen Dienste, allen möglichen Hyänen dieser Welt. Die Gelder kamen von den Golfstaaten, hier vor allem von den Saudis und aus Qatar.

Freiwillige aus der ganzen Welt — angefangen von Kanada bis Australien. Libyer, Ägypter, Jordanier, Türken, Saudis, Malaysier, Kanadier, Briten, Belgier, Franzosen, Spanier — wer auch immer. Ich würde Sie gerne auf einen Bericht eines Subkomitees des Sicherheitsrates aufmerksam machen, in dem es um dieses Phänomen ISIS geht. Der Bericht (…) besagt, dass diese Terroristen aus 101 UN-Mitgliedsstaaten kommen. Mehr als 50 Prozent der Mitgliedsstaaten haben also Terrorismus, reinen Terrorismus zu uns exportiert. (…)

Die syrische Armee und unsere Verbündeten, die Russen und Iraner — wir sind diejenigen, die wirklich gegen ISIS kämpfen. Es sind nicht die US-Amerikaner. Es sind nicht deren Verbündete. Diese haben Rekorde im Zerstören syrischer Infrastruktur, im Angriff auf Brücken und im Töten von Zivilisten aufgestellt. Das ist es, was die so genannte internationale Koalition zustande gebracht hat, während sie behauptete, den ISIS zu bekämpfen. (…)

Was passiert mit den israelischen Zivilisten, wenn der Golan zurückgewonnen wird?

Dies sind keine Zivilisten, es sind Siedler. Siedler. Es sind Fremde, die kommen, um das Land anderer zu besetzen. Sie sind keine Zivilisten. Sie sind Siedler. Es besteht ein großer Unterschied zwischen Zivilisten und Siedlern. Sie müssen gehen, definitiv.

Link zur Rede von Alfred de Zayas


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text ist die Transkription dieses Videos. Er wurde von Gabriele Herb aus dem ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam transkribiert und übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.