Der Todesstoß
Neuere Forschungen beweisen: Die Nazis zündeten den Reichstag an, um die Demokratie zu zerstören.
Im Februar 1933 brannte der Reichstag. Die heutige Geschichtsschreibung sieht darin einen Zufall, den die Nazis zur Machtergreifung nutzten. Die Nachforschungen des Historikers Alexander Bahar machen aber deutlich, dass es ein geplanter Staatsstreich war, um die Demokratie zu Fall zu bringen.
In der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 brannte der Reichstag in Berlin. Am Tatort wurde der 75 Prozent erblindete Niederländer und Kommunist Marinus van der Lubbe gefunden und verhaftet. Van der Lubbe wurde angeklagt und am 23. Dezember 1933 sprach das Reichsgericht sein Urteil im sogenannten Reichstagsbrandprozess. Das Ergebnis war, dass Marinus van der Lubbe für den Brand verurteilt und hingerichtet wurde.
Für die Nationalsozialisten geriet der antikommunistische Schauprozess jedoch zum Fiasko, da van der Lubbe zwar verurteilt, die mitangeklagten Kommunisten aber „mangels Beweisen“ freigesprochen wurden — das Gericht hat in seinem Urteil dennoch die KPD beziehungsweise unbekannt gebliebene Mitglieder der Kommunistischen Partei als Mittäter und Urheber der Brandstiftung bezeichnet.
Dennoch führte der Reichstagsbrand im Folgenden auch zum Untergang von Demokratie und Rechtsstaat in Deutschland und zur Errichtung der totalen NS-Diktatur. Auf den Reichstagsbrand folgte die Notverordnung „zum Schutz von Volk und Staat“, die sogenannte Reichstagsbrandverordnung, mit der die wesentlichen bürgerlichen Grundrechte suspendiert wurden, sowie die Massenverhaftung von kommunistischen und linkssozialistischen Gegnern der Hitler-Regierung, die in improvisierten Konzentrationslagern interniert wurden.
Bei den vorgezogenen Reichstagswahlen am 5. März 1933 errang die NSDAP zusammen mit ihren deutschnationalen Verbündeten einen knappen Sieg, der nur vor dem Hintergrund des Reichstagsbrandes und der in dessen Folge entfesselten Propaganda gegen die „kommunistischen Brandstifter“ sowie des ungezügelten Terrors der SA gegen die politische Linke zu begreifen ist.
Die Öffentlichkeit und selbst das Reichsgericht waren sich damals einig, dass van der Lubbe den Reichstag aber niemals hätte alleine anzünden können. Erst nach dem Krieg wurde „durch das unsägliche Wirken einer mafiösen Seilschaft von Meinungsführern in Medien, staatsnaher Geschichtswissenschaft, Verfassungsschutz und Politik“ die Geschichte umgeschrieben — und Marinus van der Lubbe zum Alleintäter gemacht.
Alexander Bahar, Historiker und Politikwissenschaftler, setzt sich schon seit vielen Jahren mit dem Reichstagsbrand auseinander. Anhand der historischen Dokumente hat er den Reichstagsbrand rekonstruiert und festgestellt, eine Alleintäterschaft van der Lubbes ist unmöglich.
Literaturempfehlung: Alexander Bahar/Wilfried Kugel: Der Reichstagsbrand. Geschichte einer Provokation. Papyrossa Verlag, Köln 2013.