Der Super-Faschismus

Lisa Marie Binder hat in ihrem jüngsten Buch eine Beschreibung der neuen Normalität vorgelegt.

Seit 2020 spüren viele Menschen, dass sich die Welt um sie herum verändert hat. Die „neue Normalität“ unterscheidet sich fundamental von dem, was wir bis 2019 kannten. Viele haben diese neue Normalität schon diffus als „Faschismus“ betitelt, andere genau die totalitären Tendenzen analysiert und aufgezeigt, dass diese neue Normalität den historischen totalitären Vorbildern unter anderen Vorzeichen entspricht. In ihrem neuen Buch konzentriert Lisa Marie Binder sich auf den Faschismus als Begriff, um diese Gesellschaftsordnung seit 2020 zu beschreiben.

„Der Geist des Faschismus hat sich unserer bemächtigt — schon wieder! Mit lautem Gepolter trat er im zunächst anmutig daherkommenden März 2020 in unsere Lebenswirklichkeit. Und siehe da — weder sprach er italienisch, noch trug er einen Schnauzbart.“

So beginnt Lisa Marie Binder das Vorwort ihres neuen Buches „Der Super-Faschismus“, das im Massel Verlag erschienen ist. Damit ist die Diagnose der neuen Normalität seit 2020 bereits erstellt. Was viele Menschen diffus geahnt und immer wieder artikuliert haben, bestätigt sich durch die genaue Analyse dessen, was sich in mittlerweile beinahe fünf Jahren verwirklicht hat.

Auf der Grundlage der bei genauerer Betrachtung haltlosen Behauptung einer weltweiten Bedrohung durch ein Virus ist ein Gesellschaftsmodell entstanden, das zuvor nur aus Geschichtsbüchern bekannt und vermeintlich sorgsam aufgearbeitet war. Wie konnte so schnell der Mantel der Zivilisation zerschnitten, der Verschlag der Demokratie eingerissen und das dahinterliegende Grauen entfesselt werden? Warum marschierten Staat und Bürger so bereitwillig in dieselbe Richtung des Zivilisationsbruchs, trotz der Schutzmechanismen, welche diese Gesellschaft angeblich entwickelt hatte?

Lisa Marie Binder analysiert zu diesem Zweck die deutsche Demokratie und stellt ihr ein verheerendes Zeugnis aus:

Die Trennung von Legislative, Exekutive und Judikative, was die Grundlage von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie darstellt, besteht nicht mehr, falls sie überhaupt je bestanden hat.

Seit 2020 wurde die ordentliche Gesetzgebung durch exekutive Verordnungen und Kanzlerinnenrunden ersetzt, die an Parlamenten vorbei die jeweils geltenden Regeln festlegten — und das im vollkommen rechtsfreien Raum. Kanzlerinnenrunden, in denen sich die Ministerpräsidenten der Länder — also die Entscheider der Exekutive — mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im informellen Rahmen trafen, um die Maßnahmen und Verordnungen gegen eine vermeintliche Pandemie festzulegen, hebelten die Legislative aus und stellten das Parlament auf das Abstellgleis.

Die Exekutive wurde ihrer Grundrechtsbindung enthoben und regierte über Jahre tief in die Grundrechte der Einzelnen hinein, sodass diese in ihrem Wesensgehalt angetastet und mithin wirkungslos wurden. Lisa Marie Binder macht dies an einer Reihe ausgewählter Grundrechte fest, deren widerrechtliche Verletzung sie genau ausführt. Beinahe das gesamte Grundgesetz wurde seit März 2020 suspendiert. Formell bestand es weiterhin, spielte jedoch in den staatlichen und behördlichen Erwägungen keine Rolle mehr. Damit tut sich eine wichtige Parallele zu den historischen Beispielen des Faschismus auf.

Auch die Judikative war nicht willens oder in der Lage, die rechtlose Entgleisung einzuhegen. Im Gegenteil, sie hat diese unterstützt und gegen die Opposition abgesichert. Denn wo die Verkündungen des Robert Koch-Instituts — und damit einer dem Bundesgesundheitsministeriums weisungsgebundenen Behörde — als oberstes Gebot, als letzte Wahrheit gelten, da ist regierungskritische Auseinandersetzung mit den Tatsachen nicht zu erwarten. Und so wurde die Justiz 2020 in eine Waffe gegen Kritik und Opposition umgewandelt — eine weitere Parallele zu den historischen Vorbildern. Kritische Richter, die sich wirklich gründlich mit den Maßnahmen befassten und diese daraufhin aussetzten, wurden gar selber Opfer von Verfolgung, womit es der Justiz unmöglich war, staatlich angeordnete Maßnahmen überhaupt infrage zu stellen.

Totalitäre Tendenzen

Bevor Lisa Marie Binder die Frage des Faschismus erörtert, bescheinigt sie dem System totalitäre Tendenzen. Der deutsche Staat hatte sich binnen Tagen in eine Diktatur verwandelt und regierte mit allen Mitteln der Gewalt bis in das privateste Leben der Menschen hinein. Opposition und Kritik wurden gewaltsam ausgeschaltet und damit gesellschaftliche Kräfte insgesamt ausgehebelt. Die neue Normalität brachte eine unumschränkte, maßlose Herrschaft hervor — es gab nur noch die Möglichkeit, mit dem Strom zu schwimmen oder unterzugehen.

Auch spricht die Autorin von einer Verpolizeilichung des Rechts. Menschen werden — und das schon länger — einzig aufgrund der Möglichkeit der Gefährdung oder der Verwirklichung einer erlaubten Gefahr zu Schuldigen erklärt und damit zur Haftung gezwungen.

Insofern war die Ausweitung der Haftung in Form der „Gefährdungshaftung“ zu vermeintlichen Terrorismusbekämpfung in den 1970er-Jahren bereits ein Vorläufer des Infektionsschutzgesetzes, das ab 2020, an das preußische Seuchengesetz anknüpfend, massiv ausgeweitet wurde. Hatte sich das vormalige Seuchenschutzgesetz noch auf Maßnahmen beschränkt, die einzig und allein gegenüber Kranken verhängt werden konnten, wurde dieses Instrumentarium auf Gesunde ausgeweitet. Auch das Bundesseuchengesetz von 1961 hatte sich noch auf begrenzte und lokale Maßnahmen beschränkt. Ab 2020 war das ganze Land, war die gesamte Bevölkerung in die Pflicht genommen worden — und damit einer Haftung bei Nichtbeachtung ausgesetzt.

Weil es an einer einheitlichen Führungsfigur fehlte, diagnostiziert die Autorin lediglich totalitäre Tendenzen und keinen umfassenden Totalitarismus. Hier kann man durchaus auch anders argumentieren — etwa durch die Aufteilung der Führerrolle auf mehrere sogenannte Experten, die das Hohelied des Totalitarismus predigten — und könnte diese Differenzierung in einer Verfeinerung von Machttechniken und der Spezialisierung der Professionen begründet betrachten. Aber die Tendenz ist nichtsdestotrotz eindeutig und das Fazit verheerend. Wenngleich der Totalitarismus bei Lisa Marie Binder sehr kurz behandelt wird und sie ihren Fokus auf den Faschismus legt — eine Schwerpunktsetzung, die man auch umgekehrt vornehmen könnte —, kann man im Ergebnis der Autorin nur zustimmen.

Faschismus

Die Autorin stellt fest, dass „das Böse“ in jedem Menschen angelegt ist, ebenso wie „das Gute“. Es ist eine Frage der Umstände und Verhältnisse und auch der eigenen Persönlichkeit, ob man dem Ruf des Bösen folgt oder sich ihm standhaft widersetzt. Der Coronafaschismus hat bei den meisten Menschen das Böse hervorgelockt und sie zu Mitläufern in einem menschenfeindlichen System gemacht. Man konnte nicht nur „ein bisschen“ mitmachen, denn wenn man nur ein bisschen testete, ein bisschen impfte, dann war man bereits Teil des zerstörerischen Systems.

Sodann unterzieht Binder die Ereignisse seit 2020 einer Prüfung hinsichtlich der vom Duden vorgegebenen Definition des Faschismus. Hier nimmt sie die Auffassung zur Grundlage, nach welcher der Faschismus eine nach dem Führerprinzip organisierte, nationalistische, antidemokratische, rechtsradikale Bewegung oder Ideologie darstellt. Obwohl sie der 2020 ins Werk gesetzten „Bewegung der Befürworter von Coronamaßnahmen“, also ein Zusammenschluss von Menschen, die von einer gleichen Weltanschauung und ähnlichen Interessen bestimmt sind, antidemokratische Bestrebungen attestiert, scheitert ihre Prüfung letztlich an dem Fehlen eines Führerprinzips und des Nationalismus.

Sie hält fest, dass diese Bewegung bei näherer Betrachtung die Definition des Rechtsextremismus erfüllt, da sie demokratische Prinzipien ablehnte, starke gesellschaftliche Hierarchien befürwortete und Menschen in unterschiedliche Kategorien unterteilte; schließlich war sie auch noch gegen Freiheit und Gleichberechtigung gerichtet. Das ist insofern interessant, da viele die Corona-Fanatiker als linksextrem einstufen. Lisa Marie Binder hält fest, dass ein solches Verhalten, wie oben angeführt, eher unter die Definition des Rechtsextremismus fällt.

(Allerdings schreibt Binder auch:

„Dennoch erschien es in einer Gesamtschau abwegig, die Bewegung und Ideologie als eine „Ideologie der äußersten Rechten“ zu bewerten und damit unter den Begriff des Rechtsextremismus zu subsumieren.“ (S. 118)

Ausschlaggebend für diese Entscheidung sei unter anderem gewesen, dass die Kriterien der Definition von Wikipedia, die sie hierfür in Anspruch genommen habe, wegen ihrer Untauglichkeit den Prüfungsanforderungen nicht entsprochen haben. (S. 120 f.) )

Unter Berücksichtigung des historischen italienischen Faschismus kommt sie dann zu dem Schluss, dass der Faschismus ebenfalls ein totalitäres System ist, jedoch über den reinen Totalitarismus hinausgeht.

Der Faschismus ist gekennzeichnet von einem ideologischen, ins Religiöse gehenden Wahn, der keine Alternative, keine außerhalb der Ideologie stehende Idee von der Welt mehr kennt.

Dieser Wahn ist es auch, der die Menschen dazu verleitet, ganz im Sinne des faschistischen Systems zu handeln, und zwar auch dann, wenn niemand sie kontrolliert oder überwacht. Den Mitläufern wird es zu einem inneren Anliegen, im Einklang mit dem System zu agieren. Das System infrage zu stellen oder sich ihm zu widersetzen, ist auf diese Weise vollkommen ausgeschlossen.

Diese Aspekte kennzeichnen auch die neue Normalität. Diese war getrieben von einem Wahn, der keine Andersdenkenden dulden konnte und die Menschen dazu gebracht hat, selbst dann die Maske zu tragen, sich testen und impfen zu lassen, wenn niemand das überprüfte oder direkt von ihnen forderte. Die Menschen waren von diesem Wahn so dermaßen vereinnahmt, dass sie gar nicht anders handeln konnten. Das System suggerierte den Menschen, sie selbst seien mit all den ergriffenen Maßnahmen einverstanden. Dazu knüpfte das System an die grundlegende Angst des Menschen an, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Diese Angst, die mit der Todesangst verbunden ist, trieb die Menschen dazu, sich dem gesellschaftlichen Wahn zu unterwerfen und selbst Träger dieses Systems zu werden.

Lisa Marie Binder stellt dann eine neue, aktualisierte Definition des Faschismus auf, die das Phänomen aus seinem bisher rein historischen Kontext hebt und auf diese Weise verallgemeinert. Denn der Faschismus kann nicht lediglich als historische Bewegung verstanden werden, da er verallgemeinerbare Charakteristika aufweist, die auf Phänomene kollektiven Wahns, gepaart mit Fanatismus und Aggression sowie einem umfassenden Machtprinzip, anwendbar sind. Daher entfernt Binder aus der Definition auch den bisher notwendigen Nationalismus sowie die Einordnung als „extreme Rechte“. Auf diese Weise arbeitet sie die generellen Merkmale von gesellschaftlichen Bewegungen heraus, die sich ansonsten der Beschreibung vollkommen entziehen.

Damit wirft sie den Faschismus wieder auf seine Essenz, auf sein eigentliches Wesen zurück. Denn diejenigen, die das Wesen des Faschismus nicht erkennen, können den eigentlichen Auftrag, dem sich die Bundesrepublik aber verpflichtet hat, nämlich eine Wiederholung der Verbrechen der Vergangenheit zu verhindern, nicht erfüllen. Und genau das beweisen die Ereignisse seit 2020. Wer das Wesen des Faschismus verkennt, erhöht sogar die Gefahr einer Wiederholung. Daher ist eine Neudefinition notwendig, die es ermöglicht, das Wesen des Faschismus zu erkennen.

Dabei geht die neue Normalität Binder zufolge sogar über historische Faschismusformen hinaus — nicht in dem, wie sie sich manifestiert, sondern in ihrer Ideologie. Denn die neue Normalität zielte wesentlich auf die Zerstörung der menschlichen Bindungen ab und somit auf den Kern des Menschen an sich. Das Verdienst von Binder ist es, die neue Normalität damit in ihrer Essenz beschrieben und in eine Reihe mit anderen historischen Erscheinungen von Massenhysterie, Wahn und Fanatismus gestellt zu haben.

Hoffnungsvolle Worte stellte Binder dem Buch bereits voran. Denn, so hält sie fest, wo der Druck des Systems unermesslich wird, da entwickelt sich die menschliche Kreativität. Seit 2020 haben sich Menschen zusammengeschlossen, die Ausweichmöglichkeiten und Alternativen zum herrschenden Totalitarismus gesucht und etabliert haben. Dadurch entstanden menschliche Begegnungen, während das System die Menschen in die Vereinzelung zu treiben versuchte, und die Grundlage für Frieden.

Da es Menschen sind, die jeden Staat, jedes gesellschaftliche System gründen, kann der Wandel auch nur von den Menschen selbst ausgehen.

Und der Totalitarismus des Coronaregimes hat die Notwendigkeit eines solchen Wandels auf drastische Art und Weise aufgezeigt und die Menschen ins Handeln gezwungen.


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