Der Stein der Weisen
Großes Theater. Titel des Stücks: Der Stein der Weisen oder wie man mediale Scheiße in Gold verwandelt. In den Hauptrollen: Daniele Ganser als Alchemist und das Schweizer Fernsehen als mediale Naturkatastrophe.
Mediale Scheiße in Gold verwandeln? Ja, das geht. Das Schweizer Staatsfernsehen hatte am 24.02.2017 in seine Sendung „Arena“ einen Alchemisten eingeladen, der es kann. Sie dachten, sie wissen, was sie tun. Hätten die propagandistischen Autoren des vorgeführten Theaterstücks allerdings vorher gewusst, dass ihre Strategie nicht aufgeht, die Hirne der Zuschauer mit der Diffamierung des Schweizer Historikers und Friedensforschers Dr. Daniele Ganser zu vergiften, dann hätten sie es bestimmt gelassen. Es hätte ihnen jemand sagen sollen. Sie haben in ihrer elenden Arroganz die Kraft und Kompetenz ihres Landsmannes unterschätzt. Er hat die Wucht des Angriffs souverän abgewehrt und obendrein noch eines seiner Hauptziele erreicht: Die Friedensbewegung im deutschsprachigen Raum weiter zu stärken.
Auch wenn die Ausstrahlung der Sendung einige Zeit zurückliegt, ist der Blick auf sie wichtig, denn es war in mehrfacher Hinsicht eine Sendung, die Grenzen überschritten hat.
Doch der Reihe nach. Was war passiert?
Am 24. Februar 2017 hat das Schweizer Fernsehen (SRF) in der Sendung „Arena“ unter dem Titel „Trumps Krieg“ anhand des Umgangs des amerikanischen Präsidenten mit Medien die Frage grundsätzlich diskutieren wollen, ob man Medien vertrauen kann oder ob diese immer lügen.
Als Gäste, die „die Medien beaufsichtigen“ waren Markus Spillmann, unter anderem Präsident des Stiftungsrat Schweizer Presserat, Chef des Unternehmens „Spillmann Publizistik Strategie Management GmbH“ und ehemaliger Chefredakteur der NZZ sowie Vincent Augustin, Präsident Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) eingeladen. Der SRF-Journalist Roger Schawinski, der dem Sender als „Medienpionier“ gilt und die Chefredakteurin des lokalen Fernsehsenders „Telebasel“ Karin Müller waren als „Medien produzierende“ Gäste eingeladen.
Als „Medien misstrauende“ Gäste war zum einen Claudio Zanetti eingeladen, Nationalrat der Schweizer Volkspartei (SVP), die sich schwerpunkmäßig mit den Themen Asyl-, Ausländer- und Außenpolitik befasst. Zum anderen wurde der Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser als „Publizist“ eingeladen und gleich zu Beginn als „umstrittener Publizist“ anmoderiert. Nur einen Monat zuvor war Ganser in einer vom Sender als „Wissenschaftssendung“ deklarierten Sendung „Einstein“ als „Verschwörungstheoretiker“ angegriffen worden. Das Thema Medienkompetenz und der Dialog sind ihm wichtige Anliegen, also geht Ganser trotz voriger Diffamierung durch den Sender als Gast in die „Arena“.
Dem Zuschauer wurde schnell klar: Neutral und sachlich diskutieren ist nicht das Ziel der Sendung.
Von Anfang an wurde unter Verwendung großer Anteile von Sendezeit versucht, Daniele Ganser nicht nur als „Verschwörungstheoretiker“ darzustellen und ihn als Forscher zu 9/11und WTC7 unseriös aussehen zu lassen, Roger Schawinski ließ sich sogar zu der Behauptung hinreißen 9/11 sei ja geklärt, sondern es wurde diffamierungstechnisch noch eine Schippe draufgelegt.
Diffamierungskernstück der Sendung war etwas, das der Zuschauer auf Anhieb gar nicht hat nachvollziehen können, denn es bezog sich auf die Sendung „Einstein“ vom Vormonat und auf privaten Email-Verkehr von Daniele Ganser mit dem „Einstein“-Redakteur Peter Höllrigl.
Ganser sah sich damit konfrontiert, dass man ihn als Lügner darstellen wollte, in dem man zunächst ein „Tweet“ von ihm an eine elektronische Leinwand geworfen hat, in dem Ganser besagte „Einstein“-Sendung und deren diffamierenden Charakter kritisiert. Gleich danach wurde dann ein Satz aus einer Mail von Ganser an Höllrigl unmittelbar nach der „Einstein“-Sendung auf die Leinwand projiziert, in der sich Ganser für die faire Darstellung zu WTC7 und 9/11 bedankt. Das ist nicht nur wegen der Veröffentlichung privater Mails ein starkes Stück gewesen, sondern weil die relevante zweite Hälfte der Mail, aus der hervorging, dass Ganser die Sendung insgesamt sehr wohl schlecht fand, einfach weggeschnitten wurde. Das SRF führte also live vor, wie das funktioniert, was man als Lückenpresse bezeichnen kann: Relevante Textteile oder Aussagen wurden weggeschnitten, wie auch kritische Telefonate zur Sendung zwischen Höllrigl und Ganser ausgelassen und damit Inhalt und Tatsachen komplett verdreht dargestellt. Ganser kritisiert das auch empört: „Wegen dem verlieren die Leute das Vertrauen in die Medien“. Als Ganser sich wehren will, droht ihm der Moderator Jonas Projer mit dem Abbruch der Sendung und später noch damit, ihm das Mikrophon abzustellen.
Hunderte von Zuschauern haben sich direkt nach der Sendung per E-Mail an Ganser gewandt, um ihre Solidarität mit ihm auszudrücken und ihrer Empörung Luft zu machen. Inzwischen ist bekannt, dass beinahe 500 Beanstandungen bei SRF-Ombudsmann Roger Blum eingegangen sind, nachdem auch auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken die Empörung stieg und stieg. Es wurden inzwischen etliche Videos gedreht und ins Netz gestellt, in denen die Diffamierungsstrategien der Sendung aufgearbeitet und präzise analysiert wurden, um ein Zeichen der Solidarität mit Ganser zu setzen, für ihn „eine Lanze zu brechen“, sowie zum Widerstand aufzurufen: „Das lassen wir uns nicht gefallen“.
In einem Wort: Die Sendung hat unglaubliche Ressourcen freigesetzt!
Die „Veränderungsenergie“, wie der Kieler Psychologe Prof. Rainer Mausfeld sie nennt, wurde genährt anstatt geschwächt. Damit ging die angestrebte Wirkungsweise von Propaganda, das Denken und den Veränderungswillen lahmzulegen nicht auf. Die Medienkompetenz der Zuschauer vor den Bildschirmen und im Netz wurde aktiviert, ebenso der Mut, sich öffentlich gegen Medienmanipulation und Propaganda aufzulehnen und zu widersetzen.
Über sprachliche und politische Grenzen hinaus wurde also spielend leicht Widerstand mobilisiert und deutlich gemacht: Nicht mit uns! Wir sind wach und merken, was hier läuft!
Wir sind präsent, reflektiert und keine Extremisten oder pubertierenden „Fans vom Herrn Ganser“, wie es in der Sendung verächtlich hieß.
In der Reflexion danach stellen sogar Schweizer Mainstream-Medien fest: Ganser ist eher gestärkt aus der Sache herausgegangen und die Debatte zur Medienkompetenz ist neu entfacht. Selbst die Tageszeitung „Blick“ muss zugeben: Das war eher eine PR-Aktion für Ganser.
Das ist eine Sensation und die Frage drängt sich auf: Was ist passiert? Wie geht das? Warum ist durch diese Sendung das Potential freigesetzt worden, das die Friedensbewegung seit Jahren zur Stärkung braucht? Etwas muss ausnehmend gut gelaufen sein. Lässt sich das vielleicht sogar wiederholen? Was ist das Gegenmittel für die „Mentale Vergiftung“ (Rainer Mausfeld)?
Da Daniele Ganser im Fokus der Sendung stand, liegt der Gedanke nahe, dass es vielleicht etwas mit dem Verhalten von Ganser selbst zu tun haben könnte, dass der Angriff nicht nur abgewehrt, sondern in etwas Gutes wie ein offensichtliches Erstarken der Friedensbewegung, gemeinschaftliche Kommunikation, Widerstand und Solidarität umgewandelt werden konnte.
Er hat mehr getan als sich nur „tapfer zu schlagen“. Die Analyse des Heilmittels „Friedenskompetenz“ ergibt, dass Ganser als Alchemist mindestens folgende Zutaten in rechter Weise zusammengemischt hat:
1. Standfestigkeit
Zuerst ist Ganser natürlich fassungslos, als er eine private Mail veröffentlicht und obendrein verfälscht sieht und macht sich Luft. Das ist auch richtig so! Friedliche Kommunikation heißt nicht unbedingt, dass man schweigen muss, wenn man angegriffen wird. Sehr authentisch zeigt er seinen Ärger. Er hätte auch die Möglichkeit gehabt, den Konflikt und auch weitere Attacken zu vermeiden und die Sendung zu verlassen. Das macht er nicht. Er bleibt standhaft und vertritt seine Position. Dadurch verhindert er nicht nur weitere Angriffe, sondern legt auch Diffamierungsabsichten bloß.
2. Kampfauflösung
Ganser geht in die Auseinandersetzung, greift allerdings niemanden an oder hat das Ziel, sein Gegenüber besiegen zu wollen. Er verlässt dadurch die Ebene des Kampfes. Vielmehr benennt er konkret, was ihn aufregt. Er bleibt immer auf der Sachebene. Er wertet niemanden ab, auch dann nicht, wenn er selbst beispielsweise durch Kommentare wie „Leute wie Sie“ oder „Verschwörungstheoretiker“ abgewertet wird. Dadurch steigt er aus der Gewaltspirale aus.
3. Differenzierung
Differenzieren hilft, die Diffamierungsstrategie „Trennen durch „Entweder-oder“-Fragen, wie „Glauben Sie, die Medien lügen, oder sagen die Medien immer die Wahrheit?“ aufzulösen. Durch Differenzieren wird die Perspektive um ein „Sowohl als auch“ erweitert. Ganser antwortet beispielsweise, dass es sowohl gute als auch schlechte Journalisten gibt. Man müsse entsprechend prüfen. Eine trennende Zuschreibung wie zum Beispiel „Sie behaupten ja, die Medien lügen immer“ ist dadurch unmöglich gemacht. Das hat zur Folge, dass auch eine spätere Abwertung „Leute wie Sie“ ins Leere läuft.
4. Sachlichkeit
Ganser liefert konsequent durch seine Forschung fundierte Fakten und Beispiele, sobald er angegriffen oder provoziert wird. Auch Rückfragen an sein Gegenüber beziehen sich auf die Sachebene. Er wird im Gegensatz zu denjenigen, die ihn zu diskreditieren versuchen, zu keinem Zeitpunkt persönlich abwertend.
5. Zuhören
Ganser hört seinem Gesprächspartner meist zu, lässt ihn ausreden. Erst wenn der Angriff zu heftig wird, oder Grenzen durch Diffamierungstechniken überschritten werden, wenn also aus einem Gespräch ein Kampf wird, dann unterbricht er, um wieder auf die Sachebene wechseln zu können.
6. Schweigen und Abwarten
Man muss nicht immer gleich sprechen. Ganser gibt nicht sofort Widerrede, sondern wartet auf den richtigen Zeitpunkt, etwas zu sagen. Das beginnt bereits bei der Anmoderation als „umstrittener Historiker“. Es ist deutlich sichtbar, dass ihm das nicht gefällt, aber erstmal schweigt er dazu und hält es dem Moderator erst an späterer Stelle entgegen: „Wie wäre es, wenn es heißen würde, Sie seien ein umstrittener Moderator? Das ist nicht nett.“
7. Entspannung
Tief einatmen, zwischendurch mal einen Schluck trinken oder andere Wege der Entspannung haben in der Sendung dazu geführt, dass Ganser nicht wie angedroht das Mikrofon abgestellt wurde. „Ist gut, ich entspanne mich wieder.“ Er schüttelt den Kopf, trinkt einen Schluck Wasser und entspannt sich tatsächlich wieder. Dadurch verhindert er, dass man ihn als Querulanten darstellen kann.
Dies sind nur einige ausgewählte Ingredienzien des Gegengiftes. Vielleicht lässt sich ja bei den Angriffen, denen man sich selbst ausgesetzt sieht, auch einmal die Wirkung im Selbsttest erproben?
Fazit: Mediale Showeinlagen und Theaterstücke, in denen es nicht um einen offenen Diskurs von Inhalten, sondern um Propaganda geht wird es wahrscheinlich immer geben. Es ist wichtig, zu analysieren und darüber zu informieren, wie genau Diffamierungsstrategien aussehen.Es ist allerdings ebenso wichtig, Kritik an Medien nicht nur „aufzustapeln“ (Mausfeld). Die Wirkungsabsicht von Propaganda lässt sich dadurch allein kaum durchbrechen.
Medienkompetenz ergibt sich aus zwei Faktoren:
- Analyse von Angriffen und Diffamierungsstrategien in den Medien
- Analyse der Überwindung von Angriffen und Diffamierungsstrategien in den Medien
Die Frage nach dem Überwindungspotential innerhalb eines Angriffes lenkt die Aufmerksamkeit weg vom Angriff hin zu den darin liegenden Ressourcen.
Die Frage „Was lief gut?“ scheint bei Angriffen ungewöhnlich und genau darin liegt das Veränderungspotential. Mausfeld macht in seinen Analysen der psychologischen Effekte von Propaganda beispielsweise klar, dass es zu der Wirkung von „soft-power-Techniken“ von Propaganda gehört, dass wir nicht mehr in der Lage sind, Veränderung überhaupt zu denken zu können.
Wenn wir uns zukünftig nur darauf konzentrieren, Diffamierungsstrategien in Medien zu analysieren, was zweifelsohne notwendig ist, aber eben nicht nur, bleiben wir im Diskurs über Lügen und Lücken in den Medien stecken, ohne eine andere inhaltliche Deutungsebene, einen anderen „frame“, mit einzubeziehen. Der Denk- und Deutungsrahmen „Überwindung medialer Angriffe“ bliebe völlig außen vor.
Daniele Ganser schreibt nach eigenem Bekunden seine Bücher, um die Friedensbewegung zu stärken. Er tourt durch den gesamten deutschen Sprachraum aus dem gleichen Grund. Die Reaktionen auf die „Arena“-Sendung machen deutlich, wie gut ihm das gelingt.
Die Sympathie für Ganser ist daher keine, die allein einem pubertären Wunsch nach einem Idol entspringt, sondern sie ist anhand konkreter Faktoren messbar. Ganser redet nicht nur von Frieden und vom Ausstieg aus der Gewaltspirale. Er selbst ist darin geübt und erfahren, was Rüdiger Lenz die „Nichtkampfkunst“ nennt. Er steigt aus dem Prinzip Kampf aus und gewinnt gerade dadurch Zugang zu seinen eigenen Ressourcen. Dadurch weckt er die Ressourcen von anderen. Seine wissenschaftliche Kompetenz gepaart mit Kompetenz im friedlichen Umgang mit Konflikten lässt ihn also aus gutem Grund an der Spitze der Friedensbewegung im deutschsprachigen Raum stehen. Die Solidarität und Anerkennung, die ihm von vielen Tausend Menschen, die in seine Vorträge kommen sowie den Hunderttausenden von Menschen, die seine YouTube-Videos anklicken, entgegengebracht wird, ist sehr verdient.