Der schwedische Weg
Schwedens lockerer Umgang mit dem Coronavirus spricht nicht für eine wehrhafte, intakte Demokratie — ganz im Gegenteil.
In Zeiten der Coronakrise mag so mancher kritische Zeitgenosse, manche kritische Zeitgenossin in Schweden einen Rettungsanker sehen – wegen des vergleichsweise sehr lockeren und demokratischen Umgangs mit Covid-19. Es bestehen in Schweden keine nennenswerten Ausgangsbeschränkungen, die Bildungseinrichtungen, Cafés et cetera haben weiterhin geöffnet und ganz grundsätzlich setzt man hier auf die Freiwilligkeit der BürgerInnen. Doch der Schein trügt. Schweden hat die repressiven Maßnahmen, wie wir sie weltweit erleben, einfach nicht mehr nötig. In dem skandinavischen Land wurden bereits entscheidende Schritte in Richtung eines dystopischen Überwachungsstaates gegangen.
Als Kind der 1990er Jahre verbinde ich Schweden häufig mit den Geschichten von Astrid Lindgren. Sei es der Michel aus Lönneberga, die vor Kraft strotzende Pippi Langstrumpf oder die Kinder von Bullerbü, die in der heilen Welt rund um ihre schönen, dunkelroten Blockhütten eine wohlbehütete Kindheit verleben. Wer als Kind das Glück hatte, statt vor dem Fernseher geparkt zu werden, diese Bücher als Gutenachtgeschichten vorgelesen zu bekommen, mag Schweden mit einer schönen, heilen Welt verbinden.
Doch diese schöne alte Welt Schwedens ist mittlerweile zu einer „schönen“ neuen Welt verkommen. Pippi Langstrumpf wäre unlängst eine Instagram-Fitness-Influencerin, die Kinder von Bullerbü würden inmitten schönster Natur, statt in ihr wahrlich lebendig herumzutoben, nur noch Selfies schießen und der Michel aus Lönneberga würde ausschließlich Prank-Videos auf YouTube hochladen.
Schweden ist mittlerweile – gerade im Schulsystem – komplett durch-digitalisiert und zieht die neidischen Blicke seiner europäischen Nachbarn auf sich. Dieser Digitalisierungswahn – der natürlich System hat – trug gerade im Jahr 2019 immer perversere Blüten. So wurde im letzten Jahr das Bargeld – auf dessen Geldscheinen unter anderem Astrid Lindgren abgedruckt ist - nahezu abgeschafft. Wir erinnern uns der zahlreichen negativen Folgen, die mit einer Bargeldabschaffung verbunden sind.
- Die BürgerInnen sind komplett gläsern! Jeder Kauf von jedweden Gütern und jede Inanspruchnahme jeglicher Dienstleistungen fließen in Big-Data und können entsprechend ausgewertet werden. Ganze Persönlichkeits- und Bewegungsprofile können erstellt werden. Es ist das absolute Ende jeder Privatsphäre.
- BürgerInnen können vom Kauf bestimmter Produkte ausgeschlossen werden.
- BürgerInnen können – etwa weil sie politisch unliebsam sind – vom gänzlichen Zahlungsverkehr ausgeschlossen werden.
- BürgerInnen können sich vor Enteignungen, etwa durch Negativzinsen oder Bail-Ins, das zur Kasse-Bitten von Bankkunden, um die jeweilige Bank mit Anteilen ihrer Vermögenseinlagen zu retten, nicht mehr schützen, da sie das Geld ja nicht mehr von der Bank abheben können.
Aber da scheint den Schweden nicht dystopisch genug. Die Schweden wollen, dass es ihnen unter die Haut geht. Die Mikrochips – die auch für die bargeldlose Bezahlung verwendet werden können – sind jetzt bei unseren nordischen Nachbarn ordentlich auf dem Vormarsch. Ging man 2016 noch sehr zaghaft vor – Claus Kleber „berichtete“ in euphorischer Neutralität – und pflanzte die Mikrochips MitarbeiterInnen in vereinzelten Unternehmen ein, die sich für dieses Versuchsprojekt freiwillig meldeten, hat dieses Freiwilligkeit mittlerweile ein ekstatisches Ausmaß erreicht, dass schwedische Unternehmen mittlerweile Chipping-Partys veranstalten. Dort lassen sich die „PionierInnen“ der Belegschaft unter tosendem Beifall ihrer noch „zögerlichen“ KollegInnen die Chips unter die Haut jagen.
Noch handelt es sich um NFC-Chips, also um „Near-field-communication“-Chips, die nur auf eine Distanz von wenigen Millimetern senden. Doch wenn wir uns diese Salami-Taktik bei der Verbreitung dieser Chips besehen, dann können wir erahnen, dass der nächste Schritt zur Umrüstung auf RFID, Radio-Frequency-Identification, nicht mehr weit entfernt ist und man damit alle BürgerInnen auf Schritt und Tritt verfolgen kann.
Selbstverständlich könnten auf diesen Chips auch Informationen darüber hinterlegt werden, ob der oder die ChipträgerIn an Corona erkrankt ist. Daraus resultierend wäre es für Behörden ein Klacks herauszufinden, ob die Infizierten ihr Quarantäne-Sofa hüten oder ob sie etwa ausgebüchst sind. Ebenso einfach wird es dann sein, sämtliche ChipträgerInnen, die sich kürzlich in der Nähe eines Infizierten befanden, über dies zu informieren und aufzufordern, sich augenblicklich beim Arzt auf Covid-19 untersuchen zu lassen.
Testet man hierzulande und andernorts für eben diese Zwecke noch die Corona-Apps, ist man da in Schweden schon einen ganzen Schritt weiter. Daher erklärt sich auch, warum Schweden im weltweiten Vergleich so locker mit den Beschränkungen umgeht. Die Ziele, die die restlichen Staaten noch erreichen möchten – Bargeldabschaffung, Chippen der Bevölkerung und vieles mehr – hat man in Schweden schon erreicht. Daher kann sich die Regierung hier erst einmal relativ gemütlich zurücklehnen. Einen großen Teil der Hausaufgaben hat sie bereits gemacht.
Einzig das mit dem Zuhause bleiben müssen die schwedischen BürgerInnen noch üben. Aber auch das sollte – wie man etwa in Deutschland sehen kann – kein Problem sein. Es bedarf lediglich einer Überinterpretation der Zahlen. Denn bei der Be- und Auswertung der „Corona-Zahlen“ gilt für die politischen Akteure und Götter in weißen Kitteln der Leitsatz von Pippi Langstrumpf:
„Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt!“