Der Schein trügt
Die Mechanismen der Massenpsychologie, Propaganda und Fassadendemokratie sind zeitlos und wirken auch heute noch. Teil 1/2.
Wir haben in den vergangenen dreieinhalb Jahren Unfassbares durchlebt. Im Sinne einer konstruktiven Verarbeitung der Geschehnisse sowie der geistigen Selbstverteidigung gegen künftige Propaganda und Manipulationsversuche bietet Angela Mahr hier einen kurzen Rückblick in Schlaglichtern auf die Literatur der Pioniere und Experten, die die psychologischen Mechanismen dahinter entdeckt und erklärt haben, sowie auf die neuere Debatte über Medien, Public Relations und Demokratiekritik seit den 2000er-Jahren.
Was wir in den vergangenen dreieinhalb erlebt haben, war zuvor unvorstellbar gewesen. Auch für mich. Unvorstellbar für mich war die unmittelbare Auswirkung der Coronamaßnahmen auf den Großteil der Bevölkerung — die Schockstarre, die Anpassung, die Unterwerfung auch dann noch, als das Ganze offensichtlich der Menschlichkeit und den Prinzipien der Demokratie widersprach, und dies bis hinein in unsere Schulen und Altenheime.
Man muss eingestehen, dass es Vorzeichen gab. Unser alltägliches Leben ist schon sehr lange von Skurrilitäten durchzogen, von denen leider viele bestens geeignet dafür sind, Überwachung und Kontrolle im Land auszubauen. Startschuss für die meisten davon waren die bis heute nicht aufgeklärten Terroranschläge vom 11. September 2001. Vor einem Flug müssen flüssige Kosmetika in begrenzter Anzahl in 100-ml-Fläschchen abgefüllt werden, sofern sie im Handgepäck transportiert werden.
Massenüberwachung, Vorratsdatenspeicherung und Staatstrojaner für Kontaktpersonen von „Verdächtigen“ sind weitere Schlagwörter. Wer mit einer Prepaid-Karte telefonieren will, muss sich per Postident-Verfahren oder online mit seinem Ausweis identifizieren, damit jede Regung vor dem kleinen Bildschirm künftig auch mit Gewissheit zugeordnet werden kann.
Warum funktioniert das alles? Warum haben wir nicht, als die FFP2-Maske zum neuen Dresscode im öffentlichen Raum erhoben wurde, kollektiv mal tief durchgeatmet, die bisherigen arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften dafür durchgelesen, samt Wirkungsweise und Gefahren, und dann erst mal alle zusammen gesagt: Nee jetzt, oder?!
Gibt es vorsätzlich inszenierte Wirklichkeit?
Eine Inszenierung von Wirklichkeit beginnt aus meiner Sicht dann, wenn alle kritischen Gegenstimmen diffamiert und zensiert werden und schließlich das Narrativ auch im Alltag, außerhalb unserer konzernabhängigen Medien zu wirken beginnt, also deutlich zu sehen und zu spüren ist und sich dadurch selbst nährt, erhält und fortsetzt.
Inszenierung bedeutet, dass etwas uns ergreift. Eine Inszenierung interagiert mit den bestehenden Werten eines Publikums oder einer Gesellschaft. Eine Inszenierung zum Machterhalt bedient sich dementsprechend der blinden Flecken einer Gesellschaft. Das wichtigste Merkmal von inszenierter Wirklichkeit zum Ausbau von Macht ist eine planmäßige Angsterzeugung. Wir finden sie beispielhaft im Strategiepapier des Bundesinnenministeriums „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen“.
Bekannte Kriegslügen wurden in der Vergangenheit von PR-Agenturen lanciert. Die Brutkastenlüge wurde zum Irakkrieg 1990 von Hills and Knowlton inszeniert. Für die Erzeugung eines Feindbildes im Jugoslawienkrieg war die PR-Agentur Ruder Finn ab 1991 entscheidend mitverantwortlich.
Über die Psychologie der Massen: Gustave Le Bon
Der französische Mediziner und Anthropologe Gustave Le Bon gilt als einer der Begründer der Massenpsychologie. 1895 veröffentlichte er das Buch „Psychologie der Massen“, sein bekanntestes Werk. Es hatte große Auswirkungen auf die Nachwelt, etwa auf die wissenschaftliche Arbeit von Sigmund Freud und Max Weber. Davon abgesehen liegt es nahe, dass der Einfluss von Le Bons Arbeit politisch insbesondere auf den Nationalsozialismus und seine Protagonisten groß war.
Gustave Le Bon vertritt in „Psychologie der Massen“ die Ansicht, dass in vergangenen Zeiten, also lange vor Erscheinen des Buches, die Herrschenden Macht und Einfluss hatten, zur Entstehungszeit des Buches jedoch bereits alles wirklich Wichtige von den Massen bestimmt werde:
„Während alle unsere alten Anschauungen schwanken und verschwinden und die alten Gesellschaftsstützen eine nach der anderen einstürzen, ist die Macht der Massen die einzige Kraft, die durch nichts bedroht wird und deren Ansehen nur wächst. Das Zeitalter, in das wir eintreten, wird in Wahrheit die Ära der Massen sein“ (1).
Eigenschaften der Massen
Dabei beschreibt Le Bon die Massen keineswegs als vertrauenswürdig. Sie seien verführbar, logisch schwer oder nicht erreichbar und gegebenenfalls auch zerstörerisch: „Wie wir sehen werden, gibt es unter den Sondereigenschaften der Massen solche wie Impulsivität, Reizbarkeit, Unfähigkeit zum logischen Denken, Mangel an Urteil und kritischem Geist, Überschwang der Gefühle und andere (...) (2)“. Die Massen seien ihrem Wesen nach nicht revolutionär, sondern ordneten sich bedauerlicherweise unter. Man würde die Psychologie der Massen sehr missverstehen, wolle man an die „Vorherrschaft ihrer revolutionären Triebe glauben“. Die Massen seien zu sehr vom Unbewussten geleitet und demnach „dem Einfluss uralter Vererbung zu sehr ausgesetzt, als dass sie nicht äußerst konservativ sein müßten. Sich selbst überlassen, werden sie ihrer Zügellosigkeit bald müde und steuern instinktiv der Knechtschaft zu“ (3).
Le Bon zufolge läuft die Masse Gefahr, eingebildete und unlogische Geschichten als wahr zu empfinden; dies bezeichnet er als „Suggestion“. Dabei sei es egal, wie gebildet Einzelne innerhalb der Masse sind. Der Autor belegt dies mit Beispielen unter anderem aus der Kriminologie (4). Die in einer Masse auftauchenden Vorstellungen, welche nicht der Realität entsprechen, bezeichnet Le Bon als Entstellungen. Die rasante Übertragung dieser Vorstellung von einem zum anderen innerhalb der Massen bezeichnet er als Ansteckung:
„Die Entstellungen, welche eine Masse einem Ereignisse, dessen Zeuge sie ist, zuteil werden lässt, sollten wohl unzähliger und verschiedener Art sein, da die Individuen, welche die Massen zusammensetzen, von sehr verschiedenem Naturell sind. So ist es aber nicht. Infolge der Ansteckung sind die Entstellungen bei allen Individuen von gleicher Art und Richtung. Die erste Entstellung, die ein Glied der Gesamtheit erfasst hat, ist der Kern der ansteckenden Suggestion“ (5).
Nach seiner Auffassung verschlimmert eine große Anzahl von Zeugen diesen Effekt:
„Die zweifelhaftesten Ereignisse sind sicherlich diejenigen, welche von der größten Anzahl von Personen beobachtet wurden. Erklären, ein Gegenstand sei von Tausenden von Zeugen zugleich konstatiert worden, heißt zumeist erklären, dass das wirkliche Ereignis von dem empfangenen Berichte erheblich abweicht“ (6).
Beweisführung sei extrem schwierig, erklärt Le Bon. Die Ideen der Massen wirkten durch eine gefühlsmäßige Verankerung. Man dürfe in der Tat nicht glauben, eine Idee könne bloß durch den Beweis ihrer Richtigkeit selbst auch nur bei den Gebildeten ihre Wirkungen erzielen.
„Wir überzeugen uns davon, sobald wir sehen, wie wenig Einfluss eine noch so klare Beweisführung auf die Mehrzahl der Menschen hat. Ein unterrichteter Zuhörer wird die Evidenz des Beweises, wenn sie am Tage liegt, anerkennen, aber das Unbewusste in ihm wird ihn bald zu seinen ursprünglichen Anschauungen zurückbringen. Nach Verlauf einiger Tage wird er uns seine alten Argumente mit genau denselben Worten vorbringen. Er befindet sich tatsächlich unter dem Einfluss älterer Ideen, die gefühlsmäßig geworden sind (…)“ (7).
Mit Logik käme man bei den Massen nicht durch, das Gefühl sei stärker. Man bedenke hierzu, wie hartnäckig viele Jahrhunderte hindurch sich die der einfachsten Logik widersprechenden religiösen Vorurteile gehalten haben. „Es gab im Mittelalter und in der Renaissancezeit genug aufgeklärte Köpfe, aber keinen, dem die Logik die kindischen Seiten seines Aberglaubens zeigte und in dem sie auch nur einen leisen Zweifel an den Streichen des Teufels oder an der Notwendigkeit der Hexenverbrennung erregte“ (8).
Die Wirkung von Reden auf die Massen
Le Bon widmet sich in „Psychologie der Massen“ auch der Frage, wie es möglich ist, dass inhaltlich außerordentlich schwache Reden bei den Massen dennoch große Wirkung erzielen. Wir erinnern uns beispielhaft: „Jedes Land, in jedem Teil der Erde, muss sich nun entscheiden: Entweder ihr seid für uns, oder ihr seid für die Terroristen,“ verkündete Präsident George Bush am 20. September 2001, um Staatschefs und Militärs zu jahrzehntelangen Kriege aufzuhetzen.
Warum hat diese grauenhafte Rede von Bush funktioniert? Warum reagierten die Massen darauf wie betäubt? Und schließlich, weiter gefasst und aktueller: Wie gelang es den Regierungen während der Corona-„Pandemie“, den Menschen sowohl den Verlust ihrer Grundrechte zu verkaufen, als auch eine durch nichts begründbare Panik vor Ungeimpften zu erzeugen?
„In ihrem Fühlen überschwenglich, wird die Masse nur durch übermäßige Empfindungen erregt. Der Redner, der sie hinreißen will, darf mit starken Ausdrücken Missbrauch treiben. Übertreiben, bekräftigen, wiederholen und niemals einen logischen Beweis versuchen sind die den Rednern in Volksversammlungen wohlbekannten Argumentationsweisen“ (9), erklärt Le Bon bereits 1895 und weiter:
„Oft staunen wir bei der Lektüre über die Schwäche gewisser Reden, die gleichwohl auf die Massen, vor denen sie gehalten wurden, einen ungeheuren Eindruck gemacht haben. Aber man vergisst, dass sie dazu bestimmt waren, Mengen hinzureißen, nicht aber von Philosophen gelesen zu werden. Der Redner, der mit der Masse in innigem Kontakte steht, weiß die Bilder hervorzurufen, durch die sie verführt wird. Gelingt ihm dies, so ist sein Ziel erreicht, und zwanzig Bände Reden wiegen die wenigen Phrasen nicht auf, die in das zu besiegende Gehirn eindrangen“ (10).
Die Macht der Worte knüpfe sich an die durch sie hervorgerufenen Bilder und sei völlig unabhängig von ihrer wahren Bedeutung. Oft seien jene Worte, „deren Sinn ganz unbestimmt“ ist, die wirkungsvollsten:
„So zum Beispiel die Ausdrücke Demokratie, Sozialismus, Gleichheit, Freiheit und andere, deren Sinn so vag ist, dass dicke Bände nicht ausreichen, ihn zu bestimmen. Und doch ist es sicher, dass sich eine wahrhaft magische Macht an ihre kurzen Silben heftet, wie wenn sie die Lösung aller Probleme enthielten“ (11).
Eine der wichtigsten Funktionen der Staatsmänner bestehe demnach in der „Umtaufung der Dinge, welche die Massen mit ihren alten Ausdrücken nicht ertragen können, mit populären oder wenigstens neutralen Namen. So groß ist die Macht der Worte, dass man die verhasstesten Dinge nur mit gut gewählten Namen zu versehen braucht, um sie den Massen annehmbar zu machen“ (12).
Unsere Zeit betreffend möchte ich hier die Begriffe Solidarität, humanitärer Krieg, Verteidigungsbündnis, Operation, Engagement, Präventivschlag, robustes Mandat, Rebellen und Freiheitskämpfer nennen, und es gibt viele weitere.
Die Macht der Ereignisse
Von der Macht der Worte abgesehen beschreibt Le Bon auch die Macht der Ereignisse an sich. Wir erinnern uns an das Strategiepapier der Denkfabrik Project for the New American Century (PNAC) vom September 2000, Rebuilding America‘s Defenses, zu Deutsch „Wiederaufbau der amerikanischen Verteidigungssysteme“. „Dieser Prozess der Transformation wird aber vermutlich lange dauern, wenn nicht ein katastrophales und beschleunigendes Ereignis eintritt, wie etwa ein neues Pearl Harbor“, heißt es darin. Man war hier der Ansicht, dass nur ein solches Ereignis den Ausbau der imperialen Macht der USA ermöglichen könnte, sodass diese „mehrere große Kriege gleichzeitig“ führen und „entscheidend gewinnen“ können.
Alles, was die Fantasie der Massen erregt, stelle sich „in der Form eines packenden und klaren Bildes dar, das allen Nebensinnes bar“ sei oder nur einige „wunderbare oder geheimnisvolle Tatsachen im Gefolge“ habe, so beschreibt Le Bon ein massenwirksames Ereignis, „einen großen Sieg, ein großes Wunder, ein großes Verbrechen, eine große Hoffnung. Hundert kleine Verbrechen oder hundert kleine Unfälle werden auf die Massenfantasie nicht die geringste Wirkung ausüben“, wohl aber würde ein einziges großes Verbrechen, ein einziger großer Unfall diese tief erschüttern, auch wenn er viel weniger mörderisch als die hundert kleinen Unfälle zusammengenommen sei:
„Ein Unfall, der statt fünftausend nur fünfhundert Menschenleben verursacht hätte, aber dies an einem einzigen Tage, auf einem öffentlichen Platze, in recht sichtbarer Weise, zum Beispiel der Zusammenbruch des Eiffelturmes, würde im Gegenteil einen ungeheuren Eindruck auf die Einbildungskraft ausgeübt haben.“
Nicht die Tatsachen als solche seien also das, was die Volksfantasie errege, sondern die Art und Weise, wie sie sich verteilten und darstellten.
„Sie müssen sozusagen durch ihre Verdichtung ein packendes Bild, welches die Seele erfüllt und ergreift, bewirken. Wer die Kunst, die Einbildungskraft der Massen zu erregen, kennt, der kennt auch die Kunst, sie zu regieren“ (13).
Wer am 11. September 2001 durch die Terroranschläge die „Einbildungskraft der Massen erregen“ wollte, ist bis heute nicht geklärt. Fest steht, dass wir belogen wurden, da Gebäude 7 nicht durch Feuer einstürzte, sondern durch kontrollierte Sprengung. Wir können uns an diese Frage nur annähern, indem wir untersuchen, wessen Interessen die furchterregende „Verdichtung“ von Terror an jenem Tag letztlich gedient hat.
Gustave Le Bon beschreibt in „Psychologie der Massen“ auch Verbrechen, welche durch Massen begangen wurden. Hierbei unterscheidet er „gesetzliche“ und „psychologische“ Verbrechen. Massenverbrechen hätten in der Regel eine „mächtige Suggestion zum Beweggrund, und die schuldigen Individuen sind in der Folge davon durchdrungen, sie hätten eine Pflicht erfüllt — ein Umstand, der bei dem gewöhnlichen Verbrecher fehlt“ (14).
Die Begründung der Public Relations — Edward Bernays
Edward Louis Bernays wurde 1891 in Wien geboren. Seine in Wien ansässigen Eltern wanderten kurz nach der Geburt Edwards in die USA aus. Bernays' bekanntestes Buch, „Propaganda“, erschien 1928. Er gilt als Mitbegründer der von ihm später in Public Relations umbenannten modernen Theorie der Propaganda. Bernays nutzte Forschungsergebnisse der noch jungen Psychologie und Sozialwissenschaften in der angewandten Öffentlichkeitsarbeit.
Edward Bernays beriet mehrere US-Präsidenten, bewarb Produkte wie Lucky Strike und provozierte im Kalten Krieg sogar einen Militärputsch. Der PR-Begründer unterstützte mehrere Wahlkämpfe. 1954 war er mitverantwortlich für die psychologische Kriegsführung gegen Präsident Jacobo Árbenz in Guatemala. Im Ersten Weltkrieg unterstützte er die amerikanische Regierung unter Präsident Wilson, um die Zustimmung der Öffentlichkeit für einen Kriegseintritt der USA zu erzielen. Die Amerikaner zweifelten am Sinn einer Einmischung in einen europäischen Krieg, doch das Committee on Public Information (deutsch: Komitee für Öffentlichkeitsinformation, eine 1917 eingerichtete Behörde der US-Regierung unter Wilson) sollte ihre Meinung dazu ändern. Bernays' Slogan lautete: „Make the world safe for democracy.“
Bernays' Definition von Public Relations: „Öffentlichkeitsarbeit ist der Versuch, durch Information, Überzeugung und Anpassung die öffentliche Unterstützung für eine Aktivität, Sache, Bewegung oder Institution zu gewinnen“ (15, 16).
Verdeckte Machtstrukturen
Bernays' bekanntestes Buch „Propaganda“ beginnt mit dem Kapitel „Organising Chaos“ und folgenden Worten:
„Die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften. Organisationen, die im Verborgenen arbeiten, lenken die gesellschaftlichen Abläufe. Sie sind die eigentlichen Regierungen in unserem Land.“
Wir würden von Personen regiert, deren Namen wir noch nie gehört hätten. Sie beeinflussten unsere Meinungen, unseren Geschmack, unsere Gedanken. Das sei nicht überraschend, sondern „eine logische Folge der Struktur unserer Demokratie“: Wenn viele Menschen möglichst reibungslos in einer Gesellschaft zusammenleben sollen, seien „Steuerungsprozesse dieser Art unumgänglich“.
Die unsichtbaren Herrscher kannten sich auch untereinander meist nicht mit Namen.
„Die Mitglieder des Schattenkabinetts regieren uns dank ihrer angeborenen Führungsqualitäten, ihrer Fähigkeit, der Gesellschaft dringend benötigte Impulse zu geben, und aufgrund der Schlüsselpositionen, die sie in der Gesellschaft einnehmen. Ob es uns gefällt oder nicht, Tatsache ist, dass wir in fast allen Aspekten des täglichen Lebens, ob in Wirtschaft oder Politik, unserem Sozialverhalten oder unseren ethnischen Einstellungen, von einer angesichts von 120 Millionen US-Bürgern relativ kleinen Gruppe Menschen abhängig sind, die die mentalen Abläufe und gesellschaftlichen Dynamiken von Massen verstehen. Sie steuern die öffentliche Meinung, stärken alte gesellschaftliche Kräfte und bedenken neue Wege, um die Welt zusammenzuhalten und zu führen.“
In dieser Offenheit liest sich das Weltbild jener selten, welche gerne die Geschicke der Demokratien zu lenken versuchen. Der „militärisch-industrielle Komplex“, vor dem bereits Präsident Dwight D. Eisenhower 1961 in seiner Abschiedsrede warnte, und auch der „digital-finanzielle Komplex“, wie Ernst Wolff die jüngst entstandenen Machtstrukturen begrifflich zusammenfasst, beziehen aus meiner Sicht ihre Macht jeweils aus uns allen, die wir gemeinsam unsere Energie, unser Geld und unsere Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Manche superreiche Profiteure, welche in Thinktanks und Foren die Geschicke der Welt nach ihrem Sinne zu gestalten versuchen, sogenannte Philanthropen, mögen die hier beschriebene Einstellung einer notwendigen „Führungsqualität“ für eine Gesellschaft teilen. Ich teile dieses Weltbild nicht, und eine demokratische Gesinnung ist es mit Sicherheit nicht.
Andere Strategen wiederum handeln ganz bewusst aus bloßem Kalkül, wie etwa das folgende Zitat von Zbigniew Brzeziński zeigt: „Was soll ich bereuen? Die geheime Operation war eine ausgezeichnete Idee. Sie hatte den Effekt, die Russen in die afghanische Falle zu locken“, erklärte der Geostratege zum Afghanistankrieg 1979.
„Was ist wichtiger für die Geschichte der Welt? Die Taliban oder der Zusammensturz des sowjetischen Imperiums? Einige aufgescheuchte Muslime oder die Befreiung von Zentraleuropa und das Ende des Kalten Krieges?“ (17)
Bernays verstarb 1995 im Alter von 103 Jahren. Die Entwicklung der Branche, für die er pionierhaft steht, sah er selbst in seinen letzten Lebensjahren zunehmend kritisch.
In einem Interview kommentierte Bernays dementsprechend: „Es ist schrecklich. Heutzutage nennt sich jeder Schwachkopf und jeder Idiot PR-Berater. Manchmal kommt es mir vor, wie wenn man ein Medikament entdeckt hat, um eine Krankheit zu heilen, und dann bemerkt, dass zu viel davon krank macht.“
Quellen und Anmerkungen:
(1) Gustav Le Bon: Psychologie der Massen, Alfred Kröner Verlag in Leipzig, 1919, Seite 2
(2) Ebenda, Seite 18
(3) Ebenda, Seite 34
(4) Ebenda, Seite 24
(5) Ebenda, Seite 23
(6) Ebenda, Seite 28
(7) Ebenda, Seite 41
(8) Ebenda, Seite 80
(9) Ebenda, Seite 31
(10) Ebenda, Seite 43
(11) Ebenda, Seite 71
(12) Ebenda, Seite 74
(13) Ebenda, Seite 46
(14) Ebenda, Seite 116
(15) Bernays, Edward: The Engineering of Consent, University of Oklahoma Press: Norman 1956 Seite 3 folgende
(16) Im Original: „Public relations is the attempt, by information, persuasion, and adjustment, to engineer public support for an activity, cause, movement, or institution.“
(17) Ganser, Daniele: Illegale Kriege, Orell Füssli Verlag 2018, Seite 189