Der Realitätsverlust der Medien

In der westlichen Presse wird noch immer der Eindruck erweckt, die Ukraine könne den Krieg gegen Russland gewinnen — diese Fehleinschätzung kostet weiter Tausende Leben. Exklusivauszug aus „Propaganda-Presse“.

„Der Wunsch ist der Vater des Gedankens“ — diese Redewendung scheint auf die Berichterstattung westlicher Medien zum Russland-Ukraine-Krieg sehr genau zuzutreffen. Seit vielen Monaten werden Bürger in Europa und den USA mit Ankündigungen in Atem gehalten, die Ukraine plane eine Gegenoffensive. Berichte sprechen von Fortschritten und Landgewinnen der von Wolodymyr Selenskyj befehligten Armee. Wenn wir nur noch mehr Waffen in das gequälte Land pumpen würden, wäre der Sieg nahe, heißt es. Mit der Realität haben all diese tendenziösen Berichte jedoch nichts zu tun. Russland scheint nicht zu besiegen, und auch wirtschaftlich entwickelt sich der Riese im Osten weitaus besser als viele der sanktionierenden Länder. Das andauernde wahrheitswidrige Schüren von Hoffnung bedeutet für Tausende Soldaten, die auf aussichtslosem Posten kämpfen, sowie für die Familien der dann Getöteten Verzweiflung. Auch für die westlichen Leitmedien ist diese Form propagandistischer „Berichterstattung“ ein Armutszeugnis.

In den westlichen Vororten von Donezk, Ende September 2022: Wir erreichen den ersten Bunker. Unter einem Tarnnetz steht ein alter 120-mm-Mörser. Ganz in der Nähe pfeifen Granaten vorbei. Zwei Soldaten mit Unterhemd und Stirnband kommen aus einem Unterstand. „Seid ihr wahnsinnig? Da vorne ist die Front. Hier gibt es keine Zivilisten mehr. Seht zu, dass ihr verschwindet, das Feuer hat eben erst aufgehört!“ Wir drehen um Richtung Vorstadt. Hinter uns steigen zwei Soldaten aus einem Lieferwagen, schnappen sich ihre Sturmgewehre und machen sich zu Fuß auf zur Hauptkampflinie. Ein paar hundert Meter weiter wischt eine Frau die Fensterbank.

In der grauen Zone leben die Menschen auf Du und Du mit dem Tod

Die russische Koalition hat — genauso wie die ukrainische Seite an vielen Frontabschnitten — inzwischen die Linien massiv verbunkert und befestigt. Der Krieg ist zu einem Stellungskrieg geworden. Jede Offensive ohne massive Luft- und Artillerieüberlegenheit kostet viel Blut.

Beim Besuch von Annalena Baerbock Anfang September in Kiew sichert der mitreisende Leiter des Sonderstabs Ukraine im Verteidigungsministerium, Brigadegeneral Dr. Christian Freuding, bei einer Diskussion der Moderatorin Anne Applebaum zu: „Wir wollen die territoriale Integrität der Ukraine wiederherstellen.“ — „In den Grenzen des Jahres 1991?“ — „Exakt.“ Dies wird von den Medien ohne Einordnung transportiert. Der Economist behauptet am 16. August 2023, zweieinhalb Monate nach Beginn der ukrainischen Offensive am 4. Juni 2023:

„Die ukrainische Gegenoffensive macht langsam Fortschritte: Nach zehn Wochen findet die Armee heraus, was funktioniert.“

Der Tagesspiegel am 21. September:

„Vorstoß an der Südfront. Ukraine überwindet ‚Surowikin-Linie‘ offenbar erstmals mit schwerem Gerät.“

Das entspricht aber nicht der realen Lage an der Front. Der Wunsch ist Vater des Gedankens.

Nach fast einem halben Jahr der ukrainischen Gegenoffensive sind kaum Gebietsgewinne zu verzeichnen. Auf der Karte lässt sich das gut nachvollziehen. Nirgendwo ist es den ukrainischen Truppen gelungen, den ersten von drei Sperrgürteln zu durchbrechen. Die Verluste auf der ukrainischen Seite sind massiv. Die Gründe: Die russische Allianz praktiziert keine Vorne-Verteidigung.

Sie hat Minenfelder, Panzersperren, Bunker tief gestaffelt. Dazu gibt es mobile Einheiten von Elitesoldaten, die an Brennpunkten verstärken. Ihre Artillerie-Überlegenheit liegt bei 5:1 bis 10:1. Mit Kampfbombern, Hubschraubern und Drohnen haben sie die Lufthoheit. Schon in den ersten Wochen der Offensive haben die Ukrainer 20 Prozent ihrer Waffen, einschließlich deutscher Leopard-Panzer, verloren. Ein ukrainischer Soldat:

„Sie haben schon auf uns gewartet. Überall ausgebaute Stellungen. Es war wie eine Wand aus Stahl. Es war schrecklich.“

Experten sprechen von einem kolossalen Scheitern der Gegenoffensive, enormen ukrainischen Verlusten, dass es nie eine Chance gegeben habe, die russische Armee zu besiegen und die gesteckten Ziele zu erreichen.

Seymour Hersh zitiert einen CIA-Mitarbeiter:

„Der Krieg ist vorbei. Russland hat gewonnen. Es gibt keine ukrainische Offensive mehr, aber das Weiße Haus und die US-amerikanischen Medien müssen die Lüge aufrechterhalten. Die Wahrheit ist, dass die ukrainische Armee meutern würde, wenn man ihr befehlen würde, die Offensive fortzusetzen. Die Soldaten sind nicht mehr bereit zu sterben, aber das passt nicht zu dem Blödsinn, den das Weiße Haus unter Biden verfasst.“

Im Februar 2024 ist Avdiivka gefallen. Der Rückzug der ukrainischen Truppen verlief chaotisch. Die 300 Verwundeten wurden zurückgelassen, die Russen nahmen 850 bis 1.000 Ukrainer gefangen. Die westliche Presse bestätigte damit die zuvor von russischer Seite genannten Zahlen. Der russische Generalstab bezifferte die Zahl der ukrainischen Verluste mit 2.400 allein am 17. und 18. Februar, also an zwei Tagen. US-Militäranalysten gehen von 30.000 bis 60.000 Mann Gesamtverlusten aus und schätzen die russischen Verluste auf 2.000 bis 4.000 Mann.

Auf der ganzen Frontlinie erhöht die russische Armee den Druck. Im Norden massiert sie starke Kräfte. Je länger der Krieg dauert, umso mehr neigt sich das Geschehen zugunsten Russlands.

Die Ukraine hat also keine Chance mehr, den Krieg zu gewinnen. Damit ist es der NATO auch nicht gelungen, Russland entscheidend zu schwächen, im Gegenteil: Wirtschaftlich und militärisch ist Russland stärker als vor Kriegsbeginn.

Der Westen ist mit der Boykottierung der Friedensverhandlungen im März 2022 und der Verlängerung des Krieges in eine selbst gestellte Falle geraten. Kein seriöser militärischer Führer hat die These aufgestellt, dass die Ukraine gegen Russland gewinnen kann, obwohl Kiew und die US-Regierung das ständig beteuert haben. Die Medien thematisieren das nicht. Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, General Harald Kujat:

„Die Ursachen der verzerrten Darstellung der Realität sind die unreflektierte Übernahme von Desinformation, sind vor allem Inkompetenz und ideologische Verblendung. Als ich Anfang November auf die kritische personelle Lage der ukrainischen Streitkräfte hinwies und erklärte, dass das strategische Ziel der Offensive nicht erreicht wurde, hat man dies wegen meiner angeblichen Unkenntnis des Ziels als Fehleinschätzung kritisiert. In Wahrheit war das Ziel, die russischen Streitkräfte von ihrer logistischen Drehscheibe Krim abzuschneiden, seit dem Herbst 2022 bekannt.“

Dass die Offensive gescheitert war, hatte der ukrainische Oberbefehlshaber General Saluschnyi bereits im Herbst in einem Beitrag in The Economist eingestanden — was zu seiner Ablösung führte.

Doch die Presse in Deutschland folgt der NATO-Propaganda. Ohne die sozialen Medien und die Alternativpresse wüssten wir wenig über die tatsächliche Lage. In militärischer Perspektive zeigen die Journalisten einen beeindruckenden Realitätsverlust. Der Presserummel um die sogenannte Gegenoffensive stellt Propaganda über Journalismus.



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