Der naheliegende Nachfolger
Nachdem Zweifel an der Eignung von Olaf Scholz zum Kanzler aufgekommen sind, stellt sich die Frage, wer in der SPD ihn ersetzen könnte — der Autor hat da einen Vorschlag.
„Wirbel um maskenlosen Scholz“. „Der Amnesie-Gipfel des Kanzlers“. Barbusige Frauen stören Scholz-Auftritt. Scholz wird bei Bürgerdialog ausgebuht. „Unfähigkeit und Sprachlosigkeit“ … Kein Zweifel: Es steht nicht gut um die Kanzlerschaft des einstigen Publikumslieblings, der im letzten Jahr selbst politische Superschwergewichte wie Armin Laschet und Annalena Baerbock auf die Plätze verwiesen hatte. Selbst sonst regierungsnahe Blätter fragen bereits bang: „Kann Scholz Kanzler?“ Die Frage ist eigentlich nicht schwer zu beantworten: Nein. Schwieriger die sich daran anknüpfenden weiteren Überlegungen: Wer soll es sonst machen? Dabei ist die Lösung so offensichtlich, dass bisher scheinbar noch niemand darauf gekommen ist: Wer ist denn seit zweieinhalb Jahren das eigentliche Machtzentrum der Republik, verfügt über bezwingendes Charisma und wird von der Presse zum Event hochgeschrieben, selbst wenn er nur noch lallt und oder sich im Halbschlaf befindet?
Olaf Scholz hatte ausgesprochenes Pech. Seine Partei hatte ihn zur Bundestagswahl 2021 nach vorne geschoben, einfach, weil im Kandidatenfeld rings um ihn gähnende Leere herrschte. Er ergriff die Kandidatur und gab eine Zeit lang auf die ihm eigene lethargische Art vor, das Amt unbedingt besetzen zu wollen. Wirklich damit gerechnet, dass sein Wunsch in Erfüllung geht, hatte er aber wohl nicht.
Kein Wunder: Über Jahrzehnte galt die SPD-Kanzlerkandidatur als sichere Garantie dafür, dieses Amt niemals ernstlich ausüben zu müssen. Den Stress eines mit Terminen vollgepackten Arbeitstages und anstrengender Gespräche mit den Potentaten der Weltpolitik musste kein SPD-Kandidat fürchten, nicht Peer Steinbrück und nicht Martin Schulz. Nach der Kandidatur winkte ein infolge hoch bezahlter Vorträge weich gebetteter Ruhestand, drohten allenfalls seltene Talkshow-Auftritte, in denen man aus sicherer Distanz die Kanzlerin kritisieren konnte.
Für Olaf Scholz, so wissen wir jetzt, kam es anders. Er hatte zwar seine eigene Schwäche einkalkuliert, nicht jedoch die seiner Mitkandidierenden Armin Laschet und Annalena Baerbock. Beide ließen sich im Kanzler-Rennen so weit zurückfallen, dass Scholz selbst im gemächlichen Schritttempo als erster durchs Ziel gehen konnte. Jetzt hatte er den Salat und machte sich eher müde und lustlos an die Arbeit.
Ein Ausstiegsszenario für den Kanzler
Dass er „es“ nicht konnte, muss dem Kanzler wider Willen schon sehr früh klar geworden sein. Zumal in einer Zeit multipler Krisen, von denen jede einzelne zu ihrer Bewältigung schon ein wahres Politik-Genie erfordert hätte. Also suchte Scholz nach seiner Wahl gezielt nach einem Weg, wie er aus der Nummer wieder herauskommen konnte. Zunächst tat er alles, um die kritischen, gut informierten und tatsächlich an Demokratie interessierten Bürger vor den Kopf zu stoßen. Statt den Riss kitten zu wollen, der seit Corona durch unser Land geht, verbreiterte er diesen noch und bekannte sich zur allgemeinen Impfpflicht , deren Anhänger zu sein er noch kurze Zeit zuvor entschieden geleugnet hatte.
Scholz trug so dazu bei, eine radikal segregationistische Drei-Viertel-Gesellschaft der Wohlanständigen zu schaffen und behandelte den renitenten Bodensatz als vernachlässigbare Größe. Früh positionierte sich Scholz als Abkanzler. Selbst Menschen, die ihm politisch nahestanden, signalisierte er damit jedoch: Auf mich ist kein Verlass.
Selbstverständlich aber genügte die Ausgrenzung notorischer Impfmuffel und Querulanten nicht, um die Bürde des Amtes loszuwerden. Er musste sich bei der Mehrheitsgesellschaft disqualifizieren. Scholz tat, was in besseren Zeiten politischer Selbstmord gewesen wäre: Er stellte das schlechteste Kabinett der Nachkriegsgeschichte zusammen — einen zusammengewürfelten Haufen, bei dem es für alles Quoten gab, außer für Kompetenz.
Wichtig erschien dabei, nun auch die bellizistisch-obrigkeitsstaatlich denkende Majorität zu provozieren, indem er etwa die militärische Analphabetin Christine Lambrecht zur Verteidigungsministerin erhob. Diese kannte, zur Entrüstung aller wehrhaften Demokraten, nicht einmal die Dienstgrade der Soldaten. Hinzu kam, dass sich Scholz anfangs nicht mit dem gebotenen Eifer dazu herbeiließ, der Ukraine schwere Waffen zu liefern, Deutschland so faktisch zur Kriegspartei zu machen und sehenden Auges eine Gaskrise auszulösen. Geboren war das Image eines zögernden und zaudernden Kanzlers.
Des Kanzlers Mutlosigkeit und der Unmut der Bürger
Da diese Fehlleistungen aber offenbar noch nicht reichten, um der Kanzlerschaft Scholz ein frühes Ende zu bereiten, dachte sich dieser wohl: Jetzt muss ein dicker Skandal her, damit ich es hinter mir habe. Etwas mit Holocaust zum Beispiel. Als Palästinenserpräsident Mahmut Abbas im Kanzleramt von „50 Holocausts“ schwadronierte, sah Scholz seine Chance gekommen. Er reagierte — nicht. Wäre der Kanzler Abbas schnell ins Wort gefallen, um ihn zurechtzuweisen, so hätte dies Mut erfordert. Fast noch mutiger wäre es gewesen, in dieser schwierigen Frage zu differenzieren: „Herr Abbas, die Bezeichnung ‚Holocaust‘ weise ich als übertrieben zurück, aber es war richtig von Ihnen, auf die Massaker Israels an Palästinensern hinzuweisen.“
Scholz wählte den goldenen Mittelweg: zuerst Schweigen, dann nachträgliche, dienstbeflissene Entrüstung. Seither sind Zweifel an der Eignung des Hamburgers für eines der wichtigsten Ämter der westlichen Hemisphäre eher die Regel als die Ausnahme.
In Neuruppin wurde der Kanzler während eines „Bürgerdialogs“ von Anwesenden aus dem Volk „niedergebrüllt“. Ursache war wohl weniger der Abbas-Skandal als die Tatsache, dass es den Bürgern seit Amtsantritt von Scholz finanziell im Durchschnitt drastisch schlechter geht — mit klarer Tendenz nach unten. Millionen Menschen, auch solchen, denen es bisher gut ging, fürchten um ihre Existenz, haben Angst vor kalten Wohnungen, Hunger und dem sozialen Totalabsturz. Diese Bilanz nach einem knappen Jahr Kanzlerschaft ist beispiellos, und dem Hauptverantwortlichen dürfte ein Platz in der Geschichte schon jetzt sicher sein: als Warnung und schlechtes Beispiel.
Probier’s mal mit „Scholzen“!
Ungefähr gleichzeitig holte den Kanzler seine finstere Cum-Ex-Vergangenheit ein. Bei einer erneuten Befragung zu dem Skandal rund um „Rückzahlungen“ eigentlich nicht bezahlter Steuern, einen Betrug also, der das Staatssäckel um schlappe 31 Milliarden Euro erleichtert hatte, machte Olaf Scholz alles andere als eine glaubwürdige Figur. Immer wieder konnte er sich vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss nicht an Vorgänge und Gespräche erinnern, die eigentlich hätten sehr einprägsam sein müssen.
Man könnte nun annehmen, des Kanzlers Amnesie erkläre so manches, was man sonst zu den großen Rätseln der Weltgeschichte gezählt hätte. Scholz hatte im Wahlkampf massiv das Wort „Respekt“ plakatiert. Hatte er das, als er wirklich Kanzler wurde, auch einfach vergessen? Und war ihm zudem sein Versprechen, niemand habe die Absicht, eine allgemeine Impfpflicht einzuführen, entfallen? Und was, wenn er auch diesen unlängst gesagten Satz wieder vergisst: „Niemand in diesem Land hat vor, dass auf Demonstranten geschossen wird.“?
Ungnädig, wie viele Wähler nun mal sind, schien den meisten aber wohl eine andere, viel schlichtere Deutung von Scholz' Verhalten vor dem Untersuchungsausschuss plausibel. Der Kanzler sei in den Steuerbetrugsskandal aus seiner Zeit als Erster Bürgermeister Hamburgs tatsächlich verwickelt und schweige, weil er glaube, sich so aus der Sache herauswinden zu können. In der Folge ist „Scholzen“ nun zu einem geflügelten Wort geworden, das synonym verwendet wird zu „Sich-Ausschweigen, Leugnen, Herumlavieren“.
Olaf Scholz ist nun seinem Traum sehr nahezukommen: dem tief empfundenen Wunsch, das Missverständnis seiner nie gewollten, nie erwarteten Kanzlerschaft schnellstmöglich rückgängig zu machen. Nur noch rund 25 Prozent der Deutschen sind laut einer Umfrage mit der Arbeit des Kanzlers zufrieden. Seine SPD liegt jetzt 10 Prozentpunkte unter der von Friedrich Merz auch nicht gerade glänzend repräsentierten Union. Undankbares Volk aber auch!
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die Ära Scholz neigt sich ihrem Ende zu und wird allenfalls als ein Epöchlein in der Menschheitsgeschichte vermerkt bleiben. Während Queen Elizabeth mit 70 Jahren Amtszeit ihre Vorgängerin Queen Victoria, lediglich 63 Amtsjahre, längst überflügelt hat, macht unser Olaf entschlossen Jagd auf den Negativrekord des am kürzesten amtierenden deutschen Bundeskanzlers: Kurt Georg Kiesinger, dessen Amtszeit 2 Jahre, 10 Monate und 20 Tage dauerte. Die Morgenröte von Olaf Scholz‘ Kanzlerschaft — sie geht unmittelbar in das Abendrot des Untergangs über, ohne den Umweg über den Zenit einer sonnenbeschienenen Blühperiode.
Die Qual der Wahl
Die Frage, die sich nun brennend erhebt, ist diese: Wer soll ihm als Kanzler nachfolgen? Wenn Sie diese Frage zunächst ratlos zurücklässt, grämen Sie sich nicht! Sie stehen damit gewiss nicht allein. Die politische Landschaft in Deutschland gleicht weitgehend einem verdorrten Feld. Und sagen Sie jetzt bitte nicht „Robert Habeck“!
Ohne Zweifel verzehren sich nicht wenige Bürger und vor allem Bürgerinnen nach der Knute des smarten Austeritätspredigers. Das Problem ist nur: Habeck ist nicht Mitglied der SPD, und auch der nächste Kanzler in der laufenden Legislaturperiode müsste ja aus jener Partei kommen, die die stärkste Regierungsfraktion stellt. Zwar würde heute kaum noch jemand die SPD wählen, aber dass sie im September 2021 so eifrig gewählt wurde, verschafft ihr einen „Vertrauensvorschuss“ für vier ganze Jahre — unabhängig davon, ob sie vertrauenswürdig ist.
Wer also wäre Ihr SPD-Herzblatt? Denken Sie kurz nach und treffen Sie eine spontane Entscheidung! Am Ende des Artikels können Sie dann vergleichen, ob wir dieselbe Idee hatten. Nach Informationen der Kreiszeitung schießen schon jetzt wilde Spekulationen ins Kraut. „Bei einem Rücktritt werden schon Namen von Nachfolgern von Scholz gehandelt.“ Die gewagte grammatikalische Passivkonstruktion erspart dem Blatt eine Preisgabe seiner Informanten.
Bringt Hubertus das Heil?
Und wer ist in der engeren Wahl? Zunächst Arbeitsminister Hubertus Heil, der über die längste Regierungserfahrung verfügt und alle politischen Umbrüche der letzten 5 Jahre politisch unversehrt überstanden hat. Sozusagen der Norbert Blüm unserer Epoche, ein solider Arbeiter, heißt es, der für die Menschen im Land durch uneitlen, jedoch zähen Einsatz im Hintergrund eine Menge erreicht habe. Unter anderem die Grundrente. Doch ein Arbeits- und Sozialminister zu sein in einer Zeit, in der Arbeitslosigkeit und Altersarmut auf hohem Niveau sind und die Prekarisierung immer breiterer Bevölkerungsschichten rasant zunimmt — ist das wirklich eine Empfehlung für höchste politische Weihen? Trotzdem:
Wenig Charisma, eine eher gemischte politische Erfolgsbilanz und das Fehlen plausibler Alternativen — dieselbe Mischung hatte bereits Olaf Scholz ins Kanzleramt gehievt.
Weiter argumentiert das Blatt: „Ansonsten wäre der Parteichef ein logischer Nachfolger.“ Wer ist noch mal SPD-Parteichef? Wissen Sie’s? So mancher kommt bei dieser Frage sicher ins Schlingern. Lars Klingbeil — „Ach, so, stimmt!“ — fehle es jedoch an Regierungserfahrung, so die Kreiszeitung. Aus meiner Sicht: keine schlechte Wahl.
Man kann Lars Klingbeil nicht viel Schlechtes nachsagen, weil er überhaupt keine prägnanten Eigenschaften aufweist. Gerade das macht ihn zu einem idealen Hohlraum, der von den wirklich Mächtigen mit ihren Konzepten aufgefüllt werden könnte — und zur idealen Projektionsfläche für die Ohnmächtigen. Auffällig ist an der Formulierung der Zeitung auch, dass sie den Namen Saskia Esken dabei elegant umschifft. Die ist ja auch Parteichefin. Der Journalist hatte wohl Angst, schlafende Hunde zu wecken und die „Covidioten“-Geisterjägerin in Anbetracht der blassen Alternativen ins Amt zu schreiben.
Zwei höchst kompetente Damen zur Wahl
Weitere Vorschläge? Drei fallen der Kreiszeitung noch ein: Rolf Mützenich sowie die SPD-Ministerinnen Christine Lambrecht und Nancy Faeser. Lachen Sie jetzt nicht! Ich würde Faeser klar bevorzugen. Sie verfügt über einen Vornamen, den man auf dem internationalen Parkett gut aussprechen könnte. Und sie zeichnet sich durch eine tiefe Verachtung der Grundrechte der Bürger aus, was für Bundeskanzler eigentlich zur demokratischen Grundausstattung gehört. Ich spreche vor allem vom Demonstrationsrecht. Die Innenministerin hatte im Januar 2022 an die Bürger appelliert , von solchen ganz abzusehen. „Man kann seine Meinung auch kundtun, ohne sich gleichzeitig an vielen Orten zu versammeln.“
Der Welt-Kolumnist Henrik M. Broder kündigte daraufhin an, er werde künftig allein zu Hause auf seinem Sofa demonstrieren — mit verschiedenen mit Parolen beschriebenen Schildern in der Hand. Dies wäre dann — analog zu Homeschooling und Homeworking — ein neuer, zeitgemäßer Trend: Homeprotesting. Das Tragen der Maske wäre in so einem Fall unnötig, der Mindestabstand stets gewahrt, weil ja sonst niemand da ist. Auch wäre gewährleistet, dass der Protest mit Sicherheit von niemandem bemerkt würde, was den Qualitätsjournalisten die Mühe ersparte, die Anzahl der Demonstrierenden klein zu rechnen. Hätte mal ein solcher Sofa-Aktivist seine „Verachtung gegen die Demokratie herausgebrüllt“ (Faeser über Grundrechtsdemonstranten) , so störte er damit allenfalls seine Nachbarn.
Nancy Faeser also würde schon ein paar Eigenschaften für eine Kanzlerschaft mitbringen — „die Ära der Kanzlerschaft Faesers“. Bei Christine Lambrecht immerhin hätte der Wechsel ins Kanzleramt einen gewichtigen Vorteil: Man wäre die Frau als Verteidigungsministerin los, und anders bekommt man das ja offenbar nicht hin. Lambrecht erwies sich in ihrer kurzen Amtszeit als warmherzige Mutter, die für ihren Sohnemann alles tut. Sogar als aufopferungsvoll könnte man sie bezeichnen, denn sie opfert Staatsvermögen für Familienangelegenheiten.
Sonst Vorschläge? Kevin Kühnert vielleicht? Der repräsentiert zweifelsohne die Zukunft der SPD — beziehungsweise das Fehlen einer nennenswerten Zukunftsperspektive.
Das wäre ein Projekt für 2025: eine juvenile Allparteienregierung Kühnert/ Amthor/ Fester. Man darf ja mal träumen.
Aber bevor man Kühnert zum Kanzler macht, vielleicht doch besser Lars Klingbeil. Der verfügt zwar nicht über Regierungs- dafür aber wenigstens minimal über Lebenserfahrung.
Der Elefant im Raum
Ich will aber meine Leserinnen und Leser nicht weiter auf die Folter spannen und meinen Favoriten nennen. Den Elefanten im Raum nämlich scheute merkwürdigerweise bisher jeder zu erwähnen. Warum eigentlich? Es doch wirklich mehr als naheliegend:
Ich fordere hiermit öffentlich: Der nächste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland sollte Karl Lauterbach werden. Warum? Aber ich bitte Sie — muss ich das erst erklären?
Na gut:
Neun gute Gründe dafür, warum Karl Lauterbach der ideale Bundeskanzler wäre
- Karl Lauterbach ist schon lange ohnehin der mächtigste Mann im Staat. Da wäre es ehrlicher, ihm diese Macht gleich auch offiziell zuzubilligen. Von ihm entwickelte Narrative werden von der Exekutive unverzüglich in Gesetze und Verordnungen gegossen, von Polizei und Ordnungsämtern unduldsam exekutiert, von der Mehrheit der anständigen Bürger sogar freudig umgesetzt. In der Talkshow „Viertel nach Acht“ antwortete der SPD-Politiker Johannes Arlt auf die Frage der Moderatorin, warum Deutschland, was strenge Maßnahmen betrifft, noch immer einen Sonderweg beschreite: „Weil unser Gesundheitsminister das für die beste Lösung hält.“ Menschen wie Arlt, die das eigene Denken zugunsten einer bedingungslosen Unterwerfungsbereitschaft willig preisgeben, brauchen wir mehr im Land. Die gesamte Bevölkerung sollte sich überhaupt bis in kleinste Alltagsverrichtungen hinein einzig daran orientieren, was Karl Lauterbach „für die beste Lösung hält“. Darüber hinaus gehende Werte, Ideale und Gesetze sind dem gegenüber entbehrlich.
- Karl Lauterbach besitzt stets den Mut, die Bürger mit unbequemen Wahrheiten zu konfrontieren. Gleichzeitig sorgt er mit seinen Regierungskollegen dafür, dass es so etwas wie bequeme Wahrheiten eigentlich überhaupt nicht mehr gibt. Lauterbach interessiert sich nicht dafür, das Wohl der Deutschen zu mehren, er verkauft ihnen mit schulmeisterlicher Gebärde andauerndes Unwohlsein als Naturgesetz. Berühmt wurde sein Satz „Es ist eben so“, ausgesprochen auf einer Pressekonferenz am 24.08.2022, in der es um das Thema „Maskenlos im Regierungsflieger, Maskenpflicht für den Pöbel“ ging. Der Satz „Es ist eben so“ könnte für die Kanzlerschaft Lauterbachs die gleiche Bedeutung erlangen wie „Wir schaffen das“ für seine Vorvorgängerin. Weiter sagte der jetzige Gesundheitsminister in einem Interview: „Ich werde fürs Nerven bezahlt.“ Eine löbliche Berufseinstellung, die jemanden durchaus kanzlerfähig erscheinen lässt: Ich quäle, also bin ich.
- Karl Lauterbach besitzt keinen unnötigen Respekt vor der Freiheit und den Rechten der Bürger, der ihn daran hindern könnte, zu exekutieren, woran er glaubt. Passt ein Gesetz oder das Grundgesetz nicht zu seinem Vorhaben, wird es passend gemacht. Passen einige Bürger nicht — same procedure. Karl Lauterbach besitzt viel Routine darin, Bürgern seinen Willen aufzuzwingen — oder zu verhindern, dass sie überhaupt erst so etwas wie einen eigenen Willen entwickeln können. Er wäre insofern nicht nur ein würdiger Nachfolger von Olaf Scholz, sondern würde diesen noch toppen. Wie bei Gerhard Schröder und Hartz IV vermag Lauterbach Verschlechterungen der Lebenssituation von Millionen Menschen selbstbewusst durchzusetzen, Narrative zu deren Rechtfertigung zu ersinnen und auch die Medien im Sinne seiner Weltdeutung zu instruieren. Ein starker Kanzler braucht ja nichts dringender als die Fähigkeit, Demokratie am Volkswillen vorbei zu organisieren.
- Karl Lauterbach besitzt komisches Talent und wiegt Bürger so in dem Gefühl, eigentlich harmlos und lustig zu sein, während er faktisch wirklich ernste Eingriffe in ihr Leben vornimmt. Seine Haltung ist: Sollen sie über mich lachen, am Ende lache ich über sie, und sie tun sowieso, was ich von ihnen verlange. Dies beweist eine Souveränität und Unbeirrbarkeit, die ihn für den Kanzlerberuf empfiehlt.
- Olaf Scholz hatte zweifellos eine einschläfernde Redeweise. Nie ging dies aber so weit, dass er es vermochte, sich selbst in den Schlaf zu brabbeln. Anders Karl Lauterbach. Das Verhalten des passionierten Sekundenschläfers macht politisch durchaus Sinn. Eine Bevölkerung, die schläft, bildet sogar die ideale Trägergruppe für ein autoritäres Regime. Mächtige wollen ohnehin nicht, dass wir wach sind — allenfalls woke.
- Karl Lauterbach widerspricht sich ständig selbst und trainiert Bürger so darin, die Suche nach dem Sinn politischen Handelns aufzugeben. Wird mal dies und im nächsten Moment das behauptet, entsteht ein von der Staatsmacht gewünschtes Gefühl ratloser Resignation. Das Ergebnis ist auch ein Training in reflexartigem Gehorsam — wie beim Militär, wo durch wechselnde, völlig unsinnige Befehle („Hinlegen!“ „Aufstehen!“) die Umsetzung des Gesagten an der Verstandeskontrolle des Einzelnen vorbei automatisiert werden soll.
- Karl Lauterbach besitzt exzellente Kontakte zur Wirtschaft und vermag es, die Bürger — also ihre Körper und ihr Geld — seinen Auftraggebern ohne Zögern zur Verwertung auszuliefern.
- Lauterbach verfügt — völlig unabhängig von der Qualität und Glaubwürdigkeit seiner Aussagen — über ein hohes Maß an Medienpräsenz. So schaffte er es, bei Formaten wie „Illner“ und „Lanz“ häufiger zugegen zu sein als die Gastgeber selbst. Er schafft es, gerade das völlige Fehlen jener Eigenschaften, die jemanden sonst zum Publikumsliebling machen — Charme, Freundlichkeit, Kompetenz, Glaubwürdigkeit — so zu kultivieren, dass nicht wenige Menschen von ihm wie besessen scheinen.
- Karl Lauterbach besitzt Steherqualitäten und Rückgrat. In einem Umfeld von Ländern, die ganz überwiegend die Zustände „vor Corona“‘ wiederhergestellt haben, ist Karl Lauterbach gleichsam der Last Man Warning, der letzte glaubenseifrige Zeuge Coronas und der letzte, der auch nach dem Ende des Problems noch an der einmal für richtig erkannten Lösung festhält.
Der Kanzler, den Deutschland verdient
Diese Aufzählung — und die Liste der Tugenden könnte beliebig verlängert werden — macht mehr als deutlich, dass ein weiteres Zögern bei der Frage der Scholz-Nachfolge so unnötig wie demokratiefeindlich wäre. Wer „A“ und „B“ gesagt hat, muss auch „C“ sagen.
Ein Volk, das zugelassen hat, von einem Karl Lauterbach zuerst als Gesundheitsexperte, dann als Gesundheitsminister über Jahre vor sich her getrieben zu werden, sollte auch so konsequent sein, den nächsten Schritt zu tun und ihn zum Bundeskanzler zu machen. Er wäre dann der Kanzler, den die überwältigende Mehrheit der Deutschen verdient hat.
Ein Kanzler sollte den Volkscharakter so getreulich in seiner Person repräsentieren, dass Regierungschef und Regierte wie eine harmonische Einheit wirken. So wie es von der Queen und „ihren“ Briten über Jahrzehnte vorgelebt worden ist. Also: Ängstlichkeit, Vorsicht, Ordnungsliebe, manische Verbohrtheit im Festhalten an einmal für richtig erkannten Ideen. Ein Verständnis vom Staat als väterlicher Instanz, die über seine Kind-Bürger zu deren eigenem Wohl autoritär verfügen kann. Die Neigung, niemals eine Gelegenheit auszulassen, kollektiv Schuld auf sich zu laden und ebenso blind wie selbstgewiss in eine epochale Katastrophe hineinzurennen.
In diesem Sinne ist Karl Lauterbach Deutschland.