Der Mut der Verzweiflung
Um den Angriff auf unsere Freiheit parieren zu können, müssen wir uns radikal von den Abhängigkeiten befreien, die wir für normal hielten.
„Freedom‘s just another word for nothing left to lose“, sang Janis Joplin. So gesehen geht es uns noch zu gut, damit der Impuls zur Selbstbefreiung wachsen kann. Wir hängen noch an zu viel: Bequemlichkeit, Medienkonsum, bescheidener Luxus … Und darum sind wir noch erpressbar: weil wir Angst haben, ein Leben zu verlieren, das Stück um Stück aufhört, ein Leben zu sein. Die meisten glauben geradezu verzweifelt daran, die Politiker würden ihnen nach angemessenem Absinken der Infiziertenzahlen dermaleinst wieder ein normales Leben gewähren. Dann wäre alles wieder gut. Aber wie normal war eigentlich die Normalität vor Corona? Herrschten nicht schon vorher zerstörerischer Wahn, Entfremdung, Unterdrückung? Setzte Corona nicht all dem nur die Krone auf? Viele von uns müssen wohl noch tiefer fallen, um endlich aufzustehen und sich das Leben zu erobern, nach dem sie sich sehnen.
von Darren Allen
Viele würden gerne zu der „normalen“ Welt zurückkehren, die wir im vergangenen Jahr hatten; die „normale“ Welt, in der die wilde Natur überhaupt keine Rolle spielte, in der die totale, unterwürfige Abhängigkeit von Institutionen eine Voraussetzung für jegliche Art von produktiver Tätigkeit war, in der Kinder die ersten fünfzehn Jahre ihres Lebens in einem kleinen, hässlichen Raum eingesperrt waren und Erwachsene dafür bezahlt wurden, sie zu Dingen zu zwingen, die sie nicht tun wollten, in der eine winzige Tech-Blase aus Überfluss über einer globalen Fabrik unsäglichen Elends schwebte, die lebenslange sinnlose Entfremdungsaktivitäten — „Arbeit“ genannt — erforderte, um gerade genug Freiheit zu erlangen, um die hässlichen Artefakte zu konsumieren, die man sein Leben lang hasserfüllt hergestellt hat; die „normale Welt“, in der Liebe überhaupt keine mit Sinn behaftete Rolle spielte, ebenso wenig Wahrheit oder Schönheit.
Diese Welt aus brutaler Hässlichkeit, völlig immun gegen Qualität und Kultur, bestehend aus auffallend armseligen Menschen, die so sehr der Freude beraubt, so sehr von der menschlichen Natur abgeschnitten und so domestiziert sind, dass sie vierzig Jahre damit verbracht haben, entweder den Berg von Exkrementen namens „Karriere“ hinaufzukriechen oder passiv das zentral verabreichte Betäubungsmittel namens „Spaß“ zu konsumieren, um irgendwie einen Sinn im Dasein zu finden. Dies war „normal“.
Ja, die Welt wurde aktuell in einen abgeriegelten Hochsicherheitstrakt verwandelt, in dem wir nur noch über zentral gesteuerte Videobildschirme miteinander interagieren sollen, und das wenige, was uns an Kultur, Freiheit, sinnlichem Miteinander und — was die Armen betrifft — an der Möglichkeit, uns für ein paar weitere unangenehme Momente am Schatten des Lebens festzukrallen, übrig geblieben war, ist vollständig ausgelöscht worden oder steht kurz davor.
Und ja, die weitgehend huxleyanische Dystopie, in der wir bis vor einigen Monaten lebten, lüftet nun ihre Maske, um eine weitgehend orwellsche Dystopie zum Vorschein zu bringen. Und ja, es stimmt gewiss, dass diejenigen, die all dies zugelassen haben und weiterhin zulassen, unterwürfige Feiglinge sind, und es ist stimmt, dass all dies entsetzlich ist. Aber eines stimmt nicht, und zwar, dass das Leben im Jahr 2019 normal war, und es ist stimmt auch nicht, dass wir in diese „normale“ Welt zurückkehren müssen.
Denn es ist nicht normal, in einer Welt aus Betonwürfeln zu leben, allesamt verputzt mit Aufforderungen, Produkte zu erwerben, die einen vergiften. Es ist nicht normal, sich in einer riesigen, unter Drogen stehenden Masse zusammenzudrängen, um passiv ein zentral verwaltetes hyperstimulierendes Spektakel zu konsumieren. Es ist nicht normal, dass man außer ein paar Spaziergängen durch einen Park keinen Bezug mehr zu der wilden Natur hat. Es ist nicht normal, nichts mit seinen Nachbarn zu tun zu haben, weit weg von seiner Familie zu leben, weit weg von all den Dingen, die man braucht, und man erreicht sie nur noch, indem man langsam und mühsam durch vergiftete Gassen kriecht, gefangen in einer kleinen Büchse aus Metall. Und es ist nicht normal, für jedes einzelne Bedürfnis in die totale domestizierte Abhängigkeit von einem immensen technokratischen System gezwungen zu werden: für Nahrung, Gesundheit, Sicherheit, für den Unterhalt der Wohnung und die Stabilität des Geistes.
Diese Dinge sind nicht normal. Sie sind anormal. Sie sind unnatürlich, unwirklich und wahnsinnig, obgleich sie in einer postmodernen Welt existieren, die sich große Mühe gibt, ihre Bürger davon zu überzeugen, dass es so etwas wie Normalität, Natur, Wirklichkeit oder Vernunft gar nicht gibt, dass diese Dinge subjektive Illusionen sind. Sie sind real, und sie sind im „modernen“ menschlichen Leben fast vollständig abwesend, nicht nur seit einem Jahr — Beginn der Lockdowns —, nicht nur seit vierzig Jahren — Beginn des Spätkapitalismus —, nicht nur seit vierhundert Jahren — Beginn des Kapitalismus —, sondern seit zehntausend Jahren; seit Beginn der Zivilisation. Die Wurzeln der Abnormität reichen fast unermesslich tief, und das Herumzwacken an den Zweigen wird überhaupt keinen Unterschied machen.
Der Grund, warum niemandem ein Ausweg aus unserem rasanten Abgleiten in ein Grauen einfällt, das sich nicht einmal unsere größten Schriftsteller vorstellen können, liegt darin, dass sie versuchen, aus einer unbequemen Dystopie in eine bequeme zu entfliehen. Es ist keine Lösung, den Verstand verlierende Kinder, die zu Hause vor elektronischen Geräten hängen, welche dazu bestimmt sind, sie in eine kulturlose Einöde zu verbannen, in eine Einrichtung zurückzuschicken, dazu bestimmt, sie in die Dienste professioneller Mittelsmänner zu schicken, dafür bezahlt, die Beherrschung von subalternen Aufgaben zu erzwingen, die keinen anderen Nutzen haben als das effizientere Funktionieren eines Systems, das Menschen wie Einwegware behandelt.
Die Lösung für das Problem, dass man einen Arzt nur dann sieht, wenn man eine bizarre Lotterie gewinnt, die einem fünf Minuten Bildschirmzeit mit einem gut qualifizierten Funktionär einer sich neu entwickelnden Welt des Biofaschismus ermöglicht, besteht nicht darin, in eine Welt zurückzukehren, in der hochgradig institutionalisierte Drogenspender dafür bezahlt werden, dass sie einem die Fähigkeit nehmen, für sich selbst zu sorgen; stattdessen flicken sie uns nur zusammen und schicken uns zum Weiterproduzieren in ein Arbeitshaus zurück, das uns sofort wieder krank macht.
Die Lösung für die Schrecken eines techno-totalitären Unlebens der ständigen Überwachung und Kontrolle, einer albtraumhaften künstlichen Ordnung herzzerreißender digitaler Einsamkeit, liegt nicht in der Rückkehr in eine sich selbst verwaltende technokratische Welt der ständigen, ziellosen, geistlosen Expansion, des Fortschritts und des Konsums und folglich der ständigen Zerstörung der Natur, des Bewusstseins, der Geselligkeit, der volkstümlichen Sozialität, der Freiheit und des Mitgefühls.
Im Jahr 2019 lebten wir in einer völlig anormalen Welt, einem tausendjährigen Todeskult, der von fast allen Menschen auf dem Planeten Erde Besitz ergriffen hatte. Es gab nirgendwo wirkliche Freude, keine wilde Natur — mit Ausnahme von Urlaub für reiche Leute — und keine wirkliche Kultur — das kollektive Genie hatte seinen letzten Atem vierzig Jahre zuvor ausgehaucht. Deshalb war und ist es so außerordentlich einfach, die Welt davon zu überzeugen, sich in einem weltweiten Online-Gefängnis einzusperren. Alle waren bereits im Gefängnis, sie waren bereits sozial distanziert, und sie waren bereits maskiert. Ein Vorwand, um diese de facto bestehenden Zwänge in die Realität umzusetzen, war kaum notwendig, und es ist auch nicht nötig, dass diejenigen, die am Hebel sitzen und alles verwalten, sich übermäßig über Revolten Sorgen machen, denn die Gefangenen schreien nur nach ein bisschen mehr Ausgang, ein bisschen mehr Kantinenzeit und vielleicht nach irgendeinem Promi, der vorbeikommt und ihnen zeigt, wie man kocht.
Ich behaupte nicht, dass 2019 schlimmer war als 2020, natürlich war es das nicht. Es versteht sich von selbst, dass ich die Welt, die wir vor einem Jahr hatten, der heutigen Welt vorgezogen habe. Auch wenn ich die Kultur schon seit langem als tot betrachtet habe, zog ich eine Welt vor, in der ich frei in ihren Knochen wühlen konnte. Auch wenn ich die Gesichter der Menschen um mich herum immer als grässliche Masken betrachtet habe, zog ich ein Leben ohne Maulkorb vor. Auch wenn ich das Gesetz immer gehasst habe, zog ich es vor, nicht den Ärger zu haben, es ständig und auffallend missachten zu müssen.
Auch wenn mir die beruflichen Klassen eine schwere Gastritis beschert haben, war das Leben besser, wenn der Ungehorsam gegenüber ihren moralisch-hygienischen Forderungen nicht mit Mord gleichgesetzt wurde. Und obwohl es in West Reading, wo ich wohne, düster war, war es mir lieber, wenn die Zombie-Armee aus gespenstischen Gerippen auf dem Weg zum nächsten Selbstmordversuch mit Kneipen, Fußballspielen und Multiplexen beschäftigt war. Ja, ich habe es lieber mit lebendigen Gefängniswärter zu tun als mit KI-Lasern, die Widerstand automatisch auslöschen, und ich lebe lieber in einer Gefängniszelle mit Fenster als in einer ohne Fenster. Aber es ist immer noch ein Gefängnis, und die Menschen, die für eine Reform der Zellen kämpfen, sind Teil des Problems.
Es wird keinen Ausweg aus dem endgültigen Abstieg in die letzten Schrecken der Zivilisation geben, solange der menschliche Geist völlig von den Grenzen der Zivilisation bestimmt bleibt, von den Abhängigkeiten, Ängsten und rechtfertigenden Mythen, die sie hervorbringt. Wir werden nur dann eine sinnvolle Rebellion erleben — eine Rebellion, die tatsächlich funktionieren wird —, wenn das Leben so unerträglich ist, dass nur die totale Revolte Sinn macht, wenn die schwachen Ambitionen, die uns an diese erbärmliche Schattenshow gekettet haben — nette kleine Arbeit, nettes kleines Haus, ein nettes bisschen Ruhm, ein paar Geldkredite — als das Ekelhafte wahrgenommen werden, das sie wirklich sind, wenn die „Bildung“ und der „Spaß“ und die „Gesundheit“ und die „Sicherheit“ der Welt sich als die Mechanismen des Todes offenbaren. Dann werden zwei Dinge geschehen: Die meisten Menschen werden völlig den Verstand verlieren und ihr und unser Leben zerreißen, während einige wenige Menschen eine Eigenschaft in sich entdecken werden, die lange, lange Zeit im menschlichen Bewusstsein nicht vorhanden war — Furchtlosigkeit.
Wir alle sind Feiglinge, die von Geburt an darauf trainiert sind, sich vor Verlust, Tod, Unsicherheit und Veränderung zu fürchten, und deshalb gewinnt das System immer wieder. Einige von uns weigern sich, Masken zu tragen, und weigern sich, sich abzusondern, und das ist alles gut und schön, aber es wird sich nichts ändern, bis wir uns weigern zu arbeiten, uns weigern, für die Gesellschaft und die Solidarität einzustehen, uns weigern, zentral verwalteten Spaß zu haben, uns weigern, eine berufliche Herrschaft über das Alltägliche zu übernehmen, uns weigern, Miete und Steuern zu zahlen, Eigentum zurückweisen — sprich gestohlenes Land und angeeignete Ressourcen, nicht Dinge, die Individuen und Gemeinschaften besitzen —, Grenzen und Ortsschilder ignorieren, Werbung, Manager, Ärzte, Regierungen, Lehrer, Priester, Reformen, Demokratie, Petitionen und Proteste ablehnen. Das gesamte zivilisierte System ablehnen. Wenn wir uns weigern, der Zivilisation zu gehorchen, dann wird sich das Leben ändern.
Und ich kann die Zivilisation nur ablehnen, wenn ich das ablehne, was sie aufgebaut hat und was sie aufrechterhält: das egoistische, selbstinformierte Selbst. Der isolierte geistig-emotionale Automat, der zu Beginn der Geschichte die Kontrolle über das menschliche Leben übernahm und die letzten 300 Generationen damit verbrachte, sein Bild als das vollkommen unwirkliche, vollkommen süchtig machende, vollkommen schreckliche Spektakel aufzubauen, in dem wir alle gefangen sind.
Bis das Selbst und die Welt überwunden sind, wird beides noch schmerzhafter werden, so wie es das Leben immer tut, egal, welche erbärmlichen Kompromisse wir eingehen, egal, wie wir um unsere Ängste und Abhängigkeiten herumschleichen, um gesund und sicher zu bleiben, während das Schiff sinkt, egal, was wir tun, um uns die eine, einzige, schreckliche Wahrheit des Lebens vor Augen zu halten: dass wir alle sterben.
Die Wahrheit ist, dass diese Welt aufgebaut wurde, um den Tod aus unseren Köpfen zu verdrängen. Am Ende der Welt — da, wo wir jetzt existieren — ist der Tod so weit aus der Erfahrung herausgedrängt worden, dass er weniger real als ein Traum erscheint; tatsächlich erscheint er einzig in Träumen und Geschichten. Wir haben ihn aus wichtigen Gesprächen verdrängt, wir haben ihn aus dem täglichen Leben verbannt, wir haben ihn buchstäblich aus unseren Lebensorten entfernt, und wir haben ihn aus unserem Bewusstsein gelöscht, das auf einer Anbetung von Jugend, Licht, Machtgewinn, Ruhm, Geld und Besitz, einer weltlichen Existenz beruht, die einfach immer weitergehen wird, auf unbestimmte Zeit. Obwohl wir zu Beerdigungen gehen, über den Tod sprechen, manchmal darüber scherzen und Filme sehen, in denen Menschen nichts anderes tun als zu sterben, leben wir, als ob wir ewig leben würden. Wenn wir hören, dass jemand gestorben ist, sind wir erstaunt. Tot!? Was?!? Wie ist das möglich!? Ich meine, jedes einzelne Lebewesen auf der Erde stirbt, aber ich hätte nie erwartet, dass es ihm! ihr! passieren würde.
Es ist diese Leugnung des Todes und die damit einhergehende Furcht vor Schmutz, Krankheit, Chaos, Verlust, Unordnung, Scheiße und Blut, die zumindest teilweise die Ursache dafür ist, dass sich die Welt blind der „neuen Normalität“ fügt. Deshalb war es die Mittelschicht, die den Drang, uns alle in antiseptische Frischhaltefolie einzuwickeln, angeführt hat, weil sie weniger mit dem Tod zu tun hat — mit Unsicherheit, mit Verlust, mit Schlamm und Scheiße und Schmerz — als diejenigen, über die sie herrscht; obwohl wir jetzt alle Mittelklasse sind, zumindest im Westen, alle entsetzt angesichts der möglichen Gefahr, sechs Monate weniger zu leben, einen leicht runzligen Apfel zu essen, nach einem Menschen zu riechen oder in einer Welt zu leben, in der die Dinge vor unseren Augen zerfallen. Solange sich das nicht ändert, werden wir an unseren Nasen um das neue virtuelle Gefängnis-Krankenhaus gezogen, bis wir dem Tod ins Auge sehen, den wir nicht erleben werden.
Die Angst vor dem Tod erklärt natürlich nicht alles. Die tiefe Unterwürfigkeit des domestizierten Menschen und seine pathologische Bindung an eingeträufelte Überzeugungen ergänzen das Bild — obwohl auch das mit der Angst vor der Leere zusammenhängt — und erklären wiederum, warum die Mittelschicht sich begeistert vor den heranrauschen Zug geworfen hat. Abgesehen davon, dass die Bürgerlichen in den bequemsten Zellen des neuen globalen Knasts leben, sind sie gefügige Masochisten, wo es darauf ankommt: in der Schule und bei der Arbeit, wodurch sie trotz zur Schau gestellten Ungehorsams aufsteigen und gedeihen. Aus diesem Grund haben die offiziellen Radikalen der Linken, die entweder der Mittelschicht angehören oder bürgerlich gesinnt sind, überhaupt eine Plattform. Obwohl sie sich um Julian Assange und die Palästinenser und die Umwelt sorgen, sind sie im Wesentlichen und fast unwiderruflich fügsam, unterwürfig und nett. Zur Bühne gelangt man nur, wenn man auf den Knien kriecht.
Auf dem Weg zur Normalität
Die gute Nachricht ist nicht nur, dass es möglich ist, dem Tod ins Auge zu sehen und Zwänge abzulehnen, es ist auch möglich, dies heute, jetzt, zu tun. Tatsächlich war es schon immer möglich. Es ist nicht schwieriger, seine Ängste und Bindungen jetzt loszulassen als im Jahr 2019. Es ist heute nicht schwieriger, die Zivilisation abzulehnen, als es 1979 oder 1779 war. Es ist nicht schwieriger, heute so zu leben, wie es war, als wir zum ersten Mal an die Ketten von Ur gefesselt wurden. Wenn überhaupt, dann ist es leichter — genauso wie es leichter ist, eine Beziehung aufzulösen, die auf Missbrauch basiert und in der selbst der Schein der Liebe fort ist.
Es mag eine Weile dauern, bis genügend von uns frei sind und sich vereinen, um einen bedeutsamen materiellen Unterschied in der Un-Welt zu bilden, um einen Pfahl durch deren zerbrochenes Herz zu treiben. Aber die Substanz der Revolution folgt aus ihrem Wesen, und diese Substanz befindet sich nicht am Ende des Regenbogens oder am Boden der Wahlurne, sie liegt, wie uns Franz Kafka, einer der ersten Gefangenen der modernen Welt, lehrte, sich windend zu unseren Füßen.
Ich spreche nicht von einer luftig-leichten Selbstvervollkommnung, „McMindfulness“ oder einem vagen abstrakten „Oh ja, ich werde sterben, das weiß ich“, sondern davon, dass Sie sich tatsächlich Ihrer eigenen Sterblichkeit stellen — immer früher, als Sie denken — und der aller Menschen um Sie herum. Ich meine, dass Sie wirklich durch den Wald aus Verbotsschildern gehen, die um uns herum aus dem Boden sprießen, und sich tatsächlich von Ihren Abhängigkeiten und Illusionen befreien oder zu befreien beginnen.
Und ich spreche auch nicht von Protesten, obwohl, wenn Sie einen Partner finden wollen, der genug Eier hat, um mit einer gewissen Würde zu leben — fein, gut für Sie. Noch spreche ich von Petitionen, die keinerlei Nutzen haben, ebenso wenig rede ich davon, einen netten Manager zu wählen, jemanden, der vielleicht ein paar hilfreiche Knöpfe an dem monolithischen Foltergerät drückt, auf dem wir alle festschnallt sind. Ich spreche von einer totalen Ablehnung.
Ich spreche davon, alles aufzugeben, zumindest so gut es geht. Bildung? Vergessen Sie's. Eine Karriere? Vergessen Sie's. Rente? Vergessen Sie's. Sich für irgendetwas auf die Welt verlassen? Vergessen Sie's! Pornografie, Superheldenfilme, abstrakte Kunst, Smartphones, Videospiele, soziale Medien? Ab in die Tonne damit. Rache-Wichsen, Schuld-Wichsen, Verzweiflungs-Wichsen? Lassen Sie es. Angst vor dem Alleinsein? Angst vor Menschen? Angst vor der Liebe? Angst vor der Natur? Gelangweilt von großer Kunst? Gelangweilt von der Stille? Gelangweilt von der Liebe? Gelangweilt?
Diese weltlichen Ängste und Sehnsüchte müssen überwunden werden, bevor die Welt, die sie nährt, sich verändern kann. Nur wenn wir das Bewusstsein des Einzelnen schärfen, können wir das kollektive Wort verbreiten — in der realen Welt, also nicht über soziale Medien — oder effektiv Heimunterricht erteilen oder lokale Währungen einführen oder lokale Fähigkeiten teilen oder unabhängig arbeiten oder uns einfach nur mit den Nachbarn unterhalten. Nur wenn wir lange vernachlässigte Bereiche der individuellen Psyche besetzen, können wir das fremdbesetzte Land um uns herum zurückerobern. Nur wenn wir den Gehorsam gegenüber dem Manager und dem Politiker und dem Polizisten und dem Grundbesitzer im Inneren aufgeben, können wir darauf verzichten. Gebt das Gefängnis auf, das ihr über eurem Inneren errichtet habt, und es wird sich ein Weg aus dem Gefängnis, zu dem wir die Welt gemacht haben, öffnen. Befreit euren Geist, und euer Arsch, mein Arsch, jedermanns Arsch, wird folgen. Sterbt jetzt und entgeht dem Ansturm.
Das ist normal.
Darren Allen, Jahrgang 1974, ist Autor, Künstler, Aktivist, Philosoph und Medienschaffender aus Südengland. Er ist weit gereist, hat in Japan, Spanien, Russland, dem Nahen Osten und England gelebt und arbeitet als Fachautor, Englischlehrer, Lehrbuchdesigner, Pferdepfleger, illegaler Priester und Verkäufer von Schrumpfköpfen; obwohl er sich lieber auf exquisites Wohlergehen als auf bezahlte Arbeit verlässt. Zudem veröffentlicht er regelmäßig Beiträge auf seiner Website.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratteam lektoriert.