Der mündige Geimpfte

Nur die genaue Aufklärung des Patienten macht eine Impfung rechtssicher. Exklusivabdruck aus „Corona-Impfung: Was Ärzte und Patienten unbedingt wissen sollten“.

Beate Bahner setzte sich im April 2020 als eine der ersten Anwältinnen eindeutig und mit juristischen Argumenten gegen die Corona-Maßnahmen zur Wehr. Die Fachanwältin für Medizinrecht provozierte dadurch durchaus ungnädige Reaktionen der Staatsmacht. Die Popularität, die sie damals gewann, führte dazu, dass sehr viel Corona-Elend auf dem Schreibtisch ihrer Anwaltskanzlei landete. Nachdem man lange nichts mehr von Beate Bahner gehört hatte, feiert sie jetzt mit ihrem neuen Buch ein furioses Comeback. Es erklomm in kurzer Zeit bereits die Spiegel-Bestsellerliste. In diesem ersten Teil einer kleinen Reihe mit Buchauszügen steckt sie den Rahmen für ihre weiteren Ausführungen ab. Grundlage ist das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Dieses legt Eingriffen wie einer Impfung strenge Grenzen auf. Ärzte dürfen hierbei auf keinen Fall leichtfertig vorgehen oder ihre Patienten gar aufgrund des medialen Drucks dazu überreden. Notwendig ist wirkliche Freiwilligkeit auf der Basis umfassender Informationen, die alle möglichen positiven und negativen Folgen einer Impfung berücksichtigen.

Auf dem Impfdashboard des Bundesministeriums für Gesundheit findet sich tagesaktuell der jeweilige Impfstatus in Deutschland. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses für dieses Buch am 27. August 2021 waren 50.002.224 Personen vollständig geimpft, dies sind 60 Prozent der Gesamtbevölkerung. 53.965.720 Menschen haben mindestens eine Impfdosis erhalten, dies sind 64,9 Prozent der Gesamtbevölkerung (1).

Bis zum Ende der Kalenderwoche 33 am 22. August 2021 wurden 113.324.532 Dosen Impfstoff geliefert. Die Lieferungen verteilten sich auf Impfzentren (64.321.412 Dosen), Arztpraxen (43.301.636 Dosen) und Betriebsärzte (4.973.854 Dosen).

35,1 Prozent der Bevölkerung (ein Teil davon freilich Kinder unter 12 Jahren), etwa 29 Millionen Bürger und Bürgerinnen in Deutschland, wurden somit Stand 27. August 2021 noch nicht geimpft, obwohl inzwischen ausreichend Impfstoffe zur Verfügung stehen.

Offensichtlich geht die Impffreudigkeit der Bürger in Deutschland trotz massiver Impfkampagnen und Androhungen von Nachteilen für die nicht Geimpften derzeit deutlich zurück. Dies kann an den niedrigen Inzidenzwerten und den fast völlig verschwundenen Corona-Erkrankungen liegen. Dies kann an den Sommermonaten und den damit verbundenen Ferienreisen der Bürger liegen. Es kann aber auch daran liegen, dass ein Teil der Bevölkerung der Impfung (inzwischen) kritisch gegenübersteht und sich fragt: Impfen ja oder nein? Mit welchem Impfstoff impfen? Bald impfen oder noch etwas abwarten?

Vier Impfstoffe gegen das SARS-CoV-2-Virus wurden bislang in Europa zugelassen, zwei weitere, für die die Zulassung beantragt wurde, werden aktuell geprüft. Das — so stellt das Bundesgesundheitsministerium fest — sei ein großer Erfolg im Kampf gegen das Virus, denn nur durch Impfungen könne die Welt wieder dauerhaft zu einer Form der Normalität zurückkehren (2).

Für die (noch) nicht geimpften Bürgerinnen und Bürger (und auch für die bereits geimpften) in Deutschland können sich rund um die Impfung jedoch viele Fragen stellen. Denn auch die Impfung ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, der — ebenso wie andere medizinische Eingriffe — gut überlegt und durchdacht sein will.

Die Impfung ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit.

Jeder ärztliche Eingriff stellt nach der jahrzehntelangen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zunächst einmal eine „Körperverletzung“ im Sinne des § 223 Strafgesetzbuch dar. Diese Körperverletzung ist nur durch die vorherige ausdrückliche Einwilligung des Patienten in die medizinische Behandlung gerechtfertigt und wird erst dadurch „legal“. Die vorherige Einwilligung in jedweden körperlichen Eingriff ist daher nach deutschem Recht zwingende Voraussetzung dafür, dass sich ein Arzt durch seine Behandlung nicht strafbar macht. Hierüber mag man streiten oder nicht, diese Rechtslage ist fest im deutschen Arzthaftungsrecht und Strafrecht verankert.

Eine schlichte Einwilligung — also ein kurzes „Ja, ich will“ — reicht allerdings bei Weitem nicht aus. Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung in jede Behandlung ist vielmehr eine ordnungsgemäße Aufklärung über den Eingriff. Oftmals ist es gerade die Aufklärung, die für Ärzte aufwendig und mühsam ist, sie ist jedoch zwingender Bestandteil des Behandlungsvertrags und gilt ebenso für Impfungen jedweder Art — und damit auch für die Corona-Impfung.

Die Aufklärung umfasst eine Vielzahl sehr unter -schiedlicher Aspekte, die oftmals unterschätzt werden. Ärzten ist es daher dringend zu empfehlen, die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Aufklärung zu kennen, einzuhalten und zu dokumentieren.

Art und Umfang der Aufklärung über die Corona-Impfung sind nicht zu unterschätzen.

Was ist der Grund für diese hohe Hürde der Aufklärung, die alle Ärztinnen und Ärzte auf sich zu nehmen haben und auf die alle Patienten einen gesetzlich verankerten Rechtsanspruch haben? Der Grund hierfür ist nicht schwer zu verstehen: Jeder medizinische Eingriff kann auch mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden sein — und zwar auch dann, wenn er korrekt, also ohne Fehler („lege artis“) vom Arzt durchgeführt wurde! Denn auch ohne einen sogenannten „Behandlungsfehler“ des Arztes kann es zu Reaktionen oder gar zu Komplikationen durch die medizinische Behandlung kommen.

Nur wenn die jeweilige Person diese Risiken kennt, kann sie selbstbestimmt und eigenverantwortlich entscheiden, welche Risiken sie eingehen will: die Risiken der Durchführung der Behandlung — oder die Risiken des Unterlassens der Behandlung.

Konkret für Corona bedeutet dies: Der Patient muss so aufgeklärt werden, dass er einerseits die Risiken der Corona-Krankheit kennt, mit denen er ohne Impfung konfrontiert sein kann — und dass er andererseits die Risiken einer Impfung gegen die Corona-Krankheit kennt. Erst wenn er für beide Aspekte das Pro und Kontra auf Basis des stets aktuellen medizinischen Standes kennt, kann er aufgeklärt und informiert in die Impfung einwilligen oder diese auch ablehnen.

Ohne eine ordnungsgemäße Aufklärung läuft der Patient Gefahr, Gesundheitsrisiken einzugehen, die er anderenfalls nicht eingegangen wäre — dies gilt freilich sowohl für die Impfung als auch für das Unterlassen der Impfung!

Der Patient muss so sorgfältig aufgeklärt werden, dass er das Für und Wider der Corona-Impfung beurteilen kann.

Ohne eine ordnungsgemäße Aufklärung läuft wiederum der Arzt Gefahr, Schadensersatzansprüchen ausgesetzt zu sein: Dies ist dann der Fall, wenn sich — trotz korrekter Impfung mit sauberem Impfstoff — ein Risiko verwirklicht, über welches der Arzt hätte aufklären müssen, oder wenn der Patient eine schwere Corona-Erkrankung erleidet, die er durch eine Impfung hätte vermeiden können.

Die Entscheidung Pro oder Kontra Impfung ist schwer, denn allein der Patient muss diese Entscheidung treffen, wenn er zuvor umfassend und zutreffend vom Impfarzt aufgeklärt wurde. Der Patient muss damit selbst die Verantwortung für seinen Körper, seine Gesundheit und sein Leben tragen. Diese Verantwortung ist zugleich Ausdruck des verfassungsrechtlich verankerten Selbstbestimmungsrechts, das durch die jahrzehntelange Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes definiert und durch das Patientenrechtegesetz im Jahr 2013 gesetzlich verankert wurde. Noch schwieriger ist diese Entscheidung, wenn sie für Dritte zu treffen ist, etwa für die eigenen Kinder, die alten kranken Eltern und Angehörigen oder behinderte Personen, die keine eigenständige Entscheidung treffen können.

Dieses Buch will in rechtlicher Hinsicht sowohl für die Patienten als auch für die Ärzteschaft Hilfestellung leisten und unter anderem eine juristische Orientierung über Umfang und Art der ärztlichen Aufklärung geben. Möge hierdurch jedem einzelnen Menschen die individuelle Entscheidung zum Thema Corona-Impfung leichter fallen!

Durch die ordnungsgemäße und vollständige Aufklärung überträgt der Arzt die Verantwortung auf den Patienten.

Nicht behandelt werden in diesem Buch die vielfältigen verfassungsrechtlichen Fragen, die sich für die „gesunden Ungeimpften“ stellen, denen mehr und mehr der Zugang zu Institutionen und Einrichtungen unterschiedlichster Art verwehrt und das Alltagsleben erschwert werden soll. Eine solche „Impf-Apartheid“ verstößt eklatant gegen die Grundrechte, gegen die Europäische Charta für Menschenrechte und vor allem gegen das Diskriminierungsverbot, gegen die Menschenwürde und gegen das Recht auf Handlungsfreiheit und körperliche Integrität und ist damit eindeutig und offensichtlich verfassungswidrig. Dies galt jedenfalls nach „altdeutschem“ Verfassungsrecht, das jedoch seit der Feststellung der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ durch den Deutschen Bundestag im März 2020 nahezu vollständig abgeschafft wurde, wenn es um Corona-Maßnahmen jedweder Art geht. Die juristische Auseinandersetzung mit diesen Verfassungsfragen muss an anderer Stelle vertieft werden.



Quellen und Anmerkungen:

(1) https://impfdashboard.de/; Stand 15. August 2021
(2) https://www.bmbf.de/de/das-sollten-sie-ueber-impfstoffe-wissen-12724.html