Der Medienrealitätsmacher
Im Bondfilm „Der Morgen stirbt nie“ wird in überspitzter Form veranschaulicht, wie Medien selbst die Ereignisse erzeugen, von denen sie vermeintlich objektiv berichten.
Inszenieren Medien selbst die Ereignisse, über die sie berichten? Zumindest im 18. Bondfilm „Tomorrow never dies“ trachtet ein Medienmogul danach, mit seinem privaten Militär zwei Großmächte gegeneinander aufzuhetzen. Durch inszenierte Selfmade-Nachrichten erweckt er den Eindruck, die eine Großmacht würde die andere bedrohen. Was er sich davon verspricht? Exklusivität, Erstberichterstattung und damit eine globalmediale Monopolstellung. Inwieweit finden wir ein solches Muster, die Methode der medial selbst inszenierten Scheinereignisse in der Realität? Wo handeln Medien entgegen der Jakob-Augstein-Maxime „Schreiben, was ist“, indem sie mutwillig das Ereignis selbst erzeugen, worüber sie dann schreiben? Inwiefern können wir etwas von diesem Bondfilm über Medienmacht lernen, und in welcher Hinsicht führt uns der Streifen in die Irre?
Der glühende Lauf eines feuernden Maschinengewehrs reflektiert sich in einer Szene in der Linse einer Fernsehkamera. Dass im digitalmassenmedialen Zeitalter die Bilder selbst eine Waffe sind, wird in diesen Sequenzen versinnbildlicht. Der Historiker Gerhard Paul erläuterte dies in seinem Aufsatz „Kriegsbilder ― Bilderkriege“:
„Unsere Vorstellungen historischer Ereignisse im Allgemeinen und des Krieges im Besonderen beruhen vor allem auf Bildern: auf Bildern gegenwärtiger wie vergangener Kriege, auf Bildern der Kunst, auf technischen Bildern der Fotografie und des Films, auf elektronischen Bildern des Fernsehens und zunehmend auch denen des Internets. Es sind Bilder, die die Realität des Krieges einfangen sollen, wie Bilder, die inszeniert sind und somit Fiktionen darstellen.
Sie alle haben eines gemeinsam: Es sind mediale Produktionen, die sich zum Teil tief in unser Gedächtnis einbrennen und unsere Einstellungen zum und Verhaltensweisen gegenüber dem Krieg bestimmen. Die große Prägekraft der Bilder des Krieges und das Interesse an diesen hat die Bilder selbst zu Waffen werden lassen. Mit ihnen lassen sich Kriege begründen und Gesellschaften auf Kriege vorbereiten.“
Genau darum geht es Elliot Carver, dem Antagonisten des 18. Bondfilms „Tomorrow never dies“ von 1997; mit Bilder einen Krieg entfachen. Carver ist der Kopf des Medienkonglomerats „Carver Media Group Network“ (CMGN). Sein Aushängeschild ist die Tageszeitung Tomorrow samt ihres deutschen Ablegers „Morgen“.
Die Person Elliot Carver ließe sich als die militante Version von Claas Relotius kategorisieren. Dem Medienzar genügt es nicht, „Storys“ zu erdichten, nein, er inszeniert diese aufwendig und medienwirksam, um dann dank seines „Vorwissens“ als erster darüber zu berichten. Diese Inszenierungen beschränken sich nicht auf den Regenbogen-Klatschpresse-Bereich, sondern reichen bis tief in das geopolitische Feld hinein. Andernfalls wäre dies auch kein Fall für den britischen Geheimagenten mit der Lizenz zum Töten.
Fake News Explained by James Bond Villain Elliot Carver | Tomorrow Never Dies
„Liefer mir die Bilder, ich liefere den Krieg“ (William Randolpf Hearst)
Mithilfe eines GPS-Senders und seiner Satelliten lässt Carver die Navigation des im südchinesischen Meer befindlichen britischen Kriegsschiffs HMS Devonshire stören. Deshalb nimmt die Besatzung fälschlicherweise an, noch in internationalen Gewässern zu sein, während sie sich tatsächlich schon im chinesischen Gewässer befinden. Entsprechend kreisen über der HMS Devonshire zwei chinesische Kampfjets, die das Schiff auffordern, unverzüglich umzukehren. Der Marineoffizier insistiert und gibt den Piloten zu verstehen, dass sie sich in internationalen Gewässern befänden.
Unbemerkt von der Schiffsbesatzung und den beiden chinesischen Kampfjetpiloten pirscht sich ein für das Radar unsichtbare Stealth-Boot von CMGN heran. Zuerst feuert dieses einen mit Sägeblättern bestückten, aber nicht explosiven Torpedo auf die HMS Devonshire und versenkt diese. Anschließend feuert das Stealth-Boot die beiden chinesischen Kampfjets mit per Rakete ab. Die verbliebene Crew des gesunkenen Marineschiffs paddelt mit Schwimmwesten Hilfe suchend zu dem Stealth-Boot. Anstatt Rettung erwartet sie dort Richard Stamper, ein deutscher Handlanger von Elliot Carver ― der ein klein wenig so aussieht wie Claas Relotius nach einer Testosteronkur ―, der die Marinesoldaten mit chinesischer Munition erschießt. Das alles wird auf Kamera für die exklusive Berichterstattung von CMGN festgehalten. Hier blitzt wie Eingangs beschrieben das Gewehrfeuer in der Reflexion der Kameralinse.
Dieser Vorfall löst eine politische Krise in der historisch sowieso schon belasteten Beziehung zwischen Großbritannien und China aus. Ein britisches Kriegsschiff in chinesischen Gewässern ist keine Bagatelle, gerade wenn man sich die beiden Opiumkriege des 19. Jahrhunderts vor Augen führt. Die Welt steht folglich am Rande eines Dritten Weltkrieges. Da sowohl der britischen als auch der chinesischen Regierung der Vorfall spanisch vorkommt, entsenden beide ihre jeweiligen Agenten zur Ermittlung des Vorfalls, erstere den wohlbekannten Agenten 007.
Die Spur führt Bond nach Hamburg zu Elliot Carver, der in der Medienhochburg sein neues Medienzentrum eröffnet und dort die Liveschalte seines Fernsehsenders vor einem großen Publikum zelebrieren möchte. Der britische Secret Service ist zurecht darüber verblüfft, wie das von Carver herausgegebene Blatt Tomorrow als erstes von dem Vorfall berichten konnte, noch ehe Militär und Geheimdienste Informationen sammeln konnten.
Wie Bond im Laufe seiner Ermittlung erfährt, ist es Carvers Ansinnen, Großbritannien und China in einen Krieg zu verwickeln und infolge eines damit einhergehenden Staatsstreichs in China ― mithilfe eines korrupten Generals ― die Sendegenehmigung im Reich der Mitte zu erlangen. Selbsterklärend gelingt es Bond und seiner chinesischen Kollegin, den Plan zu vereiteln und ― mal wieder ― die Welt zu retten. Wir wollen uns im Nachfolgenden auf die Rolle der Medien in diesem Bondfilm fokussieren und einen Abgleich mit der heutigen (Medien-)Realität vornehmen.
In ihrer Dissertation über James Bond und den Zeitgeist ordnet die Soziologin Julia Kulbarsch-Wilke die Filmhandlung in folgenden Kontext ein:
„‚Der Morgen stirbt nie‘ beschäftigt sich mit dem neuen Zeitalter der ‚Dritten Technischen Revolution‘ sowie der damit verbundenen Machtverschiebung im medialen Sektor. Erste Möglichkeiten der Datenverarbeitung legten den Grundstein für die Entwicklung neuer Medien (…), die sich ab Mitte der 1990er rasant weiter entwickelten.
Durch die Verbindung von Kommunikation und Datenverarbeitung entstand ein globales Netzwerk von beinah in Echtzeit miteinander verbundenen Mediendiensten. (…) Bond (gerät) nun in ein Abenteuer, das im Milieu der wachsenden Informationsflut angesiedelt ist. Elliot Carver (…) plant, sein Imperium auf China auszuweiten. (…)
In seinem Charakter lassen sich gleich mehrere Medieneigner wiederfinden. Da wäre zunächst der erste wirkliche Medienmonopolist William Randolph Hearst (1863-1951) zu nennen, dessen an seinen Fotografen ausgebene Maxime Carver im Film als seine Inspiration angibt: ‚You give me the pictures. I‘ll give you the war‘. Auffällige Übereinstimmungen gibt es aber auch zu Rupert Murdoch, der vor allem in Großbritannien (aber auch in den USA) große Teile des Medienmarktes kontrolliert. Eine humoristische Anspielung findet sich sogar auf Bill Gates und die von Microsoft vertriebenen Produkte (häufig für ihre Fehleranfälligkeit kritisiert), als Carver einen seiner Informanten nach der von seinem Konzern entwickelten Software fragt …“ (1).
Gewiss ist der Film nach einem Vierteljahrhundert nicht mehr ganz aktuell in Zeiten von Social Media, Smartphones und Künstlicher Intelligenz (KI). Es ist dennoch erstaunlich, wie viel dieser Bondstreifen bereits damals im Jahr 1997 fast schon hellseherisch antizipiert hat.
Wir wollen nun im Nachfolgenden einen Abgleich vornehmen, inwiefern wir einerseits etwas aus diesem Film über die Medienmacht lernen können und inwieweit uns andererseits der Streifen gleichermaßen in die Irre führt.
Statt „schreiben, was ist“, „inszenieren, was sein soll“
Der Kulturforscher Matthias Thiele unterscheidet bei der Betrachtung des Verhältnisses von Ereignis und Fernsehen zwischen verschiedenen medientheoretischen Modellen. In einem dieser Modelle differenziert er zwischen „genuinen, mediatisierten und inszenierten Ereignissen (…). Die ersten gelten als ganz und gar unabhängig von der Berichterstattung. Den zweiten wird zugesprochen, dass sie auch ohne das Fernsehen stattfänden, dass sie aufgrund der zu erwartenden Berichterstattung aber eine mediengerechte Fasson erhielten. Den dritten schließlich wird attestiert, dass es sie (…) ohne die Medien und die Wirkung der vorangegangenen wie der antizipierten Berichterstattung nicht gäbe. Problematisiert wird demgemäß die Flut von Pseudo-Events beziehungsweise Scheinereignissen, die die realen Geschehnisse zunehmend ersetzten und insofern die Wirklichkeit regelrecht verdrängten“ (2).
In genau das Raster dieses Modells fällt die „Berichterstattung“ des CMGN: die Inszenierung von Scheinereignissen, die die Realität verdrängen. Während ein Claas Relotius es noch dabei bewenden ließ, sich schlicht Interviews und Storys am Schreibtisch auszudenken, sprich, Fantasiegeschichten als Realität zu verkaufen, geht der Medienmogul Elliot Carver hundert Schritte weiter. Er setzt die Ereignisse als Regisseur einer eigens kreierten (Medien-)Realität selbst in Szene und kann selbstredend als Erster darüber berichten sowie damit die Hoheit über die Diskursordnung für sich bestreiten. Den „Primacy-Effekt“ hat das CMGN in der Hand.
„Der Primacy-Effekt besagt, dass Menschen in der Regel das erste Narrativ glauben, das ihnen zu einem bestimmten Thema präsentiert wird. Derjenige, der die Bevölkerung schnell mit seiner Interpretation des Geschehens versorgen kann, hat einen Vorsprung gegenüber langsameren Akteuren, welche zunächst die vorherige Version widerlegen müssen, um ihre Darstellung glaubhaft machen zu können“ (3).
Walter Lippmann, Vordenker in Sachen öffentlicher Meinung und ihrer Manipulation, stellte die Trias zwischen Umwelt, dem Menschen und der dazwischengeschalteten Pseudoumwelt ― der Medien ― auf.
„Wer die öffentliche Meinung analysieren will, muss daher mit der Erkenntnis der Dreiecksbeziehung zwischen dem Schauplatz, dem Bild des Menschen von diesem Schauplatz und der Reaktion des Menschen auf dieses Bild, die sich wiederum selbst auf dem Schauplatz ereignet, beginnen“ (4).
Carver und sein Medienunternehmen lösen diese Trias auf, indem sie die Umwelt und die mediale Pseudoumwelt miteinander verschmelzen lassen. Die Ereignisse am Schauplatz ― Thiele spricht auch von dem „vormedialen Ereignis“ ― ist kein vom Mediensystem getrenntes Vorkommnis mehr, über das nachträglich berichtet wird, sondern ein inszeniertes Vorkommnis, welches just mit dem Deutungsrahmen zusammenfällt. Jakob Augsteins Maxime lautete: „Schreiben, was ist“. Die von Elliot Carver lautet, den Istzustand erst herstellen, um dann darüber zu schreiben.
Ist das nun eine Vorgehensweise der Medienmacht, wie sie nur einem exzentrischen Bondbösewicht in den Sinn kommt, oder finden wir ― zumindest rein methodisch ― vergleichbare Beispiele für inszenierte Medienereignisse? Durchaus! Die nachfolgende Palette an Beispielen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, reicht von vergleichsweise harmlosen Meinungsmanipulationen bis hin zu kriegsbefeuernden Inszenierungen durch die Medienmacher selbst:
ZDF ― Das „Z“ steht für „Zufall“
Dem Zufall möchte das ZDF wohl nichts überlassen. Gerade bei Straßenumfragen. Diese bergen schließlich das Risiko, dass nicht die von den Haltungsjournalisten gewünschte Antwort gegeben wird. Darum arbeitete der zwangsgebührenfinanzierte Sender mit einer gewissen Vorselektion der Befragten oder einfach ausgedrückt: Er ließ Passanten befragen, deren Antwort man bereits kannte. Bei der Frage, wie „die Bürger“ etwa zur autofreien Friedrichstraße in Berlin stehen oder dazu, dass ein Biomarkt „AfD-Hirse“ aus dem Sortiment nimmtt, trifft das ZDF „zufälligerweise“ auf Passanten und Kunden, die sich dann am Ende als Grünen-Politikerinnen mit entsprechend vorhersehbaren Statements entpuppen. Der inszenatorische Charakter dieser Scheinumfrage ist unverkennbar. Das Video-Meme-Kollektiv „horizont“ hat diesen „Zufall“ sehr anschaulich zusammengeschnitten.
Beim ZDF gab es wieder einen „Zufall“
Die Reichsfähnchen im medialen Wind
Es gab Reichsbürger bei den Coronademos. Zumindest Menschen, die sich als solche in Szene setzen. Und das gerade dann, wenn Fernsehkameras in der Nähe waren. Es gibt zahlreiche Berichte ― siehe hier oder hier ― von den großen Coronademos im Sommer und Herbst 2020, die auf die Verquickung von Medien und bestellten Reichsflaggenschwingern hinweisen.
Den semantischen Leichenbegriff „Verschwörungstheorie“ braucht hierbei niemand bemühen. Unternehmen, NGOs und andere gesellschaftsformende Institutionen können sich bei Unternehmen wie Crowds on demand, Rent a crowd oder EasyCrowd gecastete Demoteilnehmer in beliebigen Mengen bestellen. Das ist seit Jahren ein florierendes Geschäft.
Bei den „Demoteilnehmern“ handelt es sich um Schauspieler, die mit dem genau richtigen „Enthusiasmus“ in die Menge gehen, um die erforderliche Stimmung zu erzeugen, ohne aber dabei eingeknastet zu werden.
Im Einzelnen sind derlei Schauspieler auch als „Crisis Actor“ bekannt ― zumindest bei den aufmerksamen Rezipienten, die diese als solche hinter der gespielten Rolle entlarven. Crisis Actors treten meist bei weltbewegenden und medial ausgeschlachteten Ereignissen wie Terroranschlägen oder (Fake-)Pandemien auf. Dabei haben sie die Funktion, ebendiese Ereignisse zu emotionalisieren, indem sie als vermeintlich Betroffene durch ein mitleiderregendes Porträtieren ihres momentanen Schicksals dem abstrakten Ereignis ein Gesicht verleihen, mit dem sich wiederum die geschockten Rezipienten identifizieren sollen.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird es auch in Deutschland ― offen oder weniger offen agierende ― Unternehmen geben, die einen vergleichbaren Service anbieten, der selbstverständlich auch von Medienmachern genutzt werden kann. Dieses Muster wird uns in den nachfolgenden Beispielen noch häufiger begegnen.
Wenn Kabel1 den Reichstag schützt
Regierungsgebäude zu stürmen wurde ab 2020 weltweit zu einem regelrechten „Volkssport“. In Deutschland kennen wir dieses Schmiertheater unter dem Begriff des „Reichtagssturms“, der am 29. August 2020 nur „knapp vereitelt“ werden konnte. So die offizielle Erzählung.
Aya Velázquez verfasst hierzu die „Chronik einer Psy-Op“, in welcher sie auch auf den medial-inszenierten Charakter dieser Aktion eingeht. Über Karsten Bonack, einer der „Heldenpolizisten“ und Reichstagsgebäudeschutzpatronen, die später mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurden, bemerkt Velázquez:
„Sicher nur eine Randnotiz, aber durchaus erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass Herr Bonack neben seiner Haupttätigkeit als Polizeibeamter auch Schauspieler ist. Er trat in der Polizei-Reality-Sendung ‚Achtung Kontrolle!‘ auf. Zu seiner Verteidigung ist zu sagen, dass es sich hierbei lediglich um einen Nebenjob handelt ― hauptberuflich ist Herr Bonack Polizist.“
Wieder ein Scheinereignis, welches einen Teil der Wirklichkeit ― die große Demo am Friedensengel ― verdrängt.
Medial inszenierte Gewalt auf Coronademos
Hier ein persönliches erlebtes Beispiel. Auf der Coronademonstration am 7. November 2020 in Leipzig wurden meine Demobegleiter und ich Zeuge eines Zusammenspiels zwischen Medien, Polizei, Antifa und Reichsflaggenschwingern. An der Peripherie der Großdemo, wo es eigentlich „nichts zu sehen“ gab, wurden zahlreiche Kameras aufgestellt, während Polizei und Antifa damit begannen, das Gebiet einzukesseln. Meiner Begleitung und mir gelang gerade noch rechtzeitig die Flucht aus dem sich bildenden Kessel. Bei dieser kamen uns Gestalten mit Reichsflaggen entgegen.
Es war eine perfekte orchestrierte Medieninszenierung, die darauf abzielte, einen bestimmten Deutungsrahmen der Demo zu liefern, die da lautet: „Auf den Coronademos finden sich haufenweise gewaltbereite Reichsbürger.“ Frei nach dem weiter oben schon zitierten Hearst könnte man sagen: „Liefer mir die Bilder, ich liefere den Frame.“ Den ganzen Bericht finden Sie hier.
Isoliert zusammenstehen ― Trauermarsch in Paris
Kurz nach den Anschlägen auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo wurde der Weltöffentlichkeit das Bild einer zusammenstehenden Front aus den verschiedenen Staats- und Regierungschefs an der Spitze eines Trauerzuges durch Paris präsentiert. Tatsächlich wurde dieses Foto von den Leitmedien in einer abgeriegelten Seitenstraße, getrennt von der Öffentlichkeit, geschossen. Ein medial inszeniertes Scheinereignis erster Güte. Selbstverständlich marschierten die Staatslenker nicht zusammen mit dem gemeinem Wahlvolk auf der Straße.
Maske
„In die Maske“ geht es in aller Regel vor Talkshows. Da werden die Gesichter von Moderatoren und Gäste entsprechend gepudert, sodass sich die Scheinwerferlichter nicht auf der Haut reflektieren. In realen Berichterstattungen gibt es normalerweise keine Maske. Außer natürlich zu Zeiten der Fakepandemie. Dort trugen selbst Politiker eine sprichwörtliche Maske.
Zumindest „on the record“. Nur einmal misslang es dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, das Abschalten der Kameras abzuwarten. Nach dem Abgeben inhaltsleerer Worthülsen bezüglich der Gesundheitslage nahm er die Maske vom Gesicht und fragte die anwesenden Menschen, ob er „das mal eben loswerden“ könne. Die anwesenden Medienvertreter kritisierten ihn nicht für diesen Fauxpas. Wieso auch? Wurde hier doch schließlich alles nach dem Drehplan der Inszenierung abgedreht.
Bundeskanzlerinnen schwitzen nicht!
Bei den Bayreuther Festspielen stellen Inszenierungen wesensmäßig einen integralen Bestandteil dieses Ereignisses dar. Diese sind aber theatralischer Natur. Von einer natürlichen Spontanität sind die Feierlichkeiten auf dem roten Teppich. So auch bei den Festspielen 2005. Zugegen war die frisch inaugurierte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Als diese den Arm zum Gruß erhob, wurde unter ihren Achseln ein Schweißfleck sichtbar.
Die Augstein-Maxime „Schreiben, was ist“, beziehungsweise „Zeigen, was ist“ hätte es geboten, dass (un)kommentiert zu zeigen. Aber beim Bayerischen Rundfunk galt wohl schon damals: #MitHitzeKeineWitze. Der Schweißfleck wurde wegretuschiert. So wie das nordkoreanische Staatsoberhaupt nach dortiger Mediendarstellung keiner Toilettengänge bedarf, so darf wohl auch die von den Leitmedien betüterte Kanzlerin nicht schwitzen. Dieses Beispiel unterscheidet sich von den vorangegangen und nachfolgenden dahingehend, dass die Medien nicht etwas im Vorfeld inszenierten, aber in das Geschehene realitätsverzerrend eingriffen, sodass das Geschehene in’s Bild passt.
Greta Thunbergs „Verhaftung“
Von Crisis Actors haben wir bereits gesprochen. Dass Greta Thunberg gewisserweise auch zu ihnen gehört, wissen wir spätestens seit ihrer „Verhaftung“ in Lüzerath. Im Beisein der Medien als inszenierende Instanz posiert die Klimaaktivistin in aller Seelenruhe mit den sie „verhaftenden“ Polizisten, lächelt in die Kamera, macht witzige Bemerkungen, während ― Fotografen? ― im Hintergrund fragen, wann der Weg frei sei.
Gretas „Verhaftung“
Glaskugeljournalismus
Es gibt zahlreiche Fälle, bei denen die Medien entweder schon vor dem nicht vorhersehbaren Ereignis über selbiges berichteten oder über eine sonderbare Ahnung über das anstehende Geschehnis besaßen. Der bekannteste Fall dürfte wohl der 20 Minuten „zu früh“ erschienene BBC-Beitrag über den Einsturz des World Trade Center 7 (WTC 7) am 11. September sein.
Bei diesem wurde berichtet, das WTC 7 sei eingestürzt ― im Hintergrund indes war das besagte Gebäude allerdings noch zu sehen.
Hierzulande haben wir hierfür auch zahlreiche Beispiele. So wussten etliche Pressevertreter mit Rang und Namen von der groß angelegten Razzia gegen die Reichsbürger-Rentnergruppe, die mit Raviolidosen den deutschen Staat stürzen wollten. Entsprechend fanden sich selbige in großer Anzahl am Ort des Geschehens ein.
Denken wir auch den mit einem guten Timing gesegneten Journalisten Richard Gutjahr. Dieser war 2016 an zwei Amokläufen/Terroranschlägen binnen zweier (!) Wochen „zufällig“ in unmittelbarer Nähe, sodass er exklusiv von vor Ort berichten konnte. Bedenkt man, wie gering die stochastische Wahrscheinlichkeit ist, überhaupt bei einem einzigen Terroranschlag zugegen zu sein, kann dieses raumzeitliche Timing doch sehr stutzig machen. Der Journalist Gerhard Wisnewski ist einer dieser Journalisten, dem das äußerst seltsam vorkam, wie er im unten verlinkten KenFM-Interview ausführte:
KenFM im Gespräch mit: Gerhard Wisnewski(„Verheimlicht, Vertuscht, Vergessen 2019“): Über das Timing des Richard Gutjahr
Fälle von Glaskugeljournalismus sind indikativ für eine mediale Inszenierung und für das weitestgehende oder vollständige Fehlen des unbekannten Vormedialen.
Das offensichtlich vorhandene Vorwissen ermöglicht die Medienrealitätsgestaltung im Sinne des herrschaftlich gewünschten Deutungsrahmens.
Zwischenfazit
Wir sehen, dass solche rein medial inszenierten oder erzeugten Scheinereignisse keinesfalls nur in dem hier betrachteten Bondfilm vorkommen, sondern fester Bestandteil der Medienrealität sind. Ist dieser Bondfilm somit ein Lehrstück, um die „Propaganda-Matrix“ (Michael Meyen) zu durchschauen? Wäre dem so, sähe unsere Medienlandschaft 25 Jahre nach Erscheinen des Streifens vielleicht ein klein wenig anders aus. Der Film ist eben nur bedingt Lehrstück und letztlich selbst Teil der „Propaganda-Matrix“.
Carver und Relotius ― Ausreißer in einem sonst funktionalen Mediensystem?
Ob nun der fiktionale Medienmogul Elliot Carver oder der Spiegel-Märchenerzähler Claas Relotius ― die an diesen Menschen sichtbar werdende „Fake News“-Muster werden in der Filmhandlung einerseits und in unserer Realität andererseits eben nicht generalisiert, sondern isolierend personalisiert.
Es ist ― so das Erklärungsmuster ― nicht das Mediensystem, das fehlerhaft sei, sondern einzelne Individuen innerhalb dieses Systems, welche für selbiges so etwas wie eine Krebszelle darstellen. Ist diese einmal erfolgreich entfernt, wenn Relotius gefeuert und Carver durch 007 getötet wurde, dürfen wir uns wieder der Wonne der Qualitätsmedien hingeben. Claas Relotius ist eben dieser eine Betrüger und Elliot Carver dieser eine größenwahnsinnige Breaking-News-Napoleon. Es sind schlicht Bauernopfer, auf die die systemischen Unzulänglichkeiten des Mediensystems abgeleitet werden können.
Doch beide ― Carver und Relotius ― sind Pars pro Toto für das gesamte Mediensystem. An ihnen wird es lediglich in Gestalt einer einzigen Person sichtbar: Bei Carver etwa, indem diese Figur durch exzentrisch-narzistische Charakterzüge überzeichnet wird, sodass dem Zuschauer die Gestalt des absoluten Bösen dargeboten wird, die die „Banalität des Bösen“ im Mediensystem unsichtbar macht. Dieses Mediensystem aber ist es, das manipuliert, dekontextualisiert,mit Suggestionen arbeitet, Panik erzeugt, Feindbildgenese betreibt und manchmal ... schlichtweg lügt. Es ist dieses Mediensystem, welches Kriege herbeischreibt und das dabei fließende Blut billigend in Kauf nimmt.
Bei der Analyse dieses Bondfilms hinsichtlich der Rolle der Medien ist auffällig, dass das CMGN vollkommen losgelöst von allen anderen Teilsystemen, wie Militär, Geheimdienst, Anzeigenkunden, Industrie, Stiftungen, Ideologien et cetera, agiert.
Von Noam Chomsky stammt das Filtermodell der Massenmedien, bestehend aus fünf Filtern, durch die die Realität „gejagt“ wird, ehe sie unten beim Konsumenten als Medienrealität ankommt: den Besitzer, die Werbung, die Quellen, „Flak“ und die Ideologie (5). Diese fünf Filter scheint es bei der Zeitung Tomorrow einfach nicht zu geben oder aber sie werden im Film nicht explizit gezeigt. Wer ist der Besitzer von Tomorrow beziehungsweise dem CMGN? Offenkundig Elliot Carver. Aber wie konnte dieser ein so großes Medienimperium aufbauen? Wer waren die geldgebenden Werbekunden, die Anzeigen in der Zeitung schalteten? Im Bond-Wiki finden wir über Elliot Carver folgende Informationen:
„Elliot Carver erblickte in Hongkong das Licht der Welt, als außerehelicher Sohn des englischen Zeitungs-Tycoons Lord Roverman und einer deutschen Prostituierten, die bei der Geburt starb. Nachdem der britische Adlige ihn für eine einmalige Zahlung von fünfzig britischen Pfund an eine chinesische Familie abgeschoben hatte, wuchs er zunächst im Glauben, ein Waisenkind zu sein in Hongkong auf. Im Alter von sechzehn Jahren erweckte eine Anstellung in einer kleinen Lokalzeitung, seine Hingabe für den Journalismus.
Durch harte Arbeit konnte er einen Universitätsabschluss in Kommunikationswesen erwerben und (...) legte nach und nach den Grundstein für sein eigenes Medienunternehmen. Durch seine nicht immer legalen Methoden wuchs die Carver Mediengruppe in rasantem Tempo, bis er, dreißig Jahre nachdem sein leiblicher Vater ihn weggegeben hatte, die Zeitung Lord Rovermans aufkaufen konnte.
In der Zwischenzeit hatte er um die Wahrheit seiner Herkunft erfahren und eine umfangreiche Rache vorbereitet. Nachdem er ihn um sein Unternehmen und seinen Reichtum gebracht hatte, nutzte er das Wissen, dass sein Vater eine Vorliebe dafür hatte, sich in einer Schulmädchenuniform von Prostituierten demütigen zu lassen, um diesen in den Selbstmord zu treiben und sich den Rest seines Vermögens als erstgeborener Sohn unter den Nagel zu reißen. Seither wurde das Carver Media Group Network, kurz CMGN, zu einem weltumspannenden Unternehmen (...).“
Hier sehen wir abermals das Problem des Films: Die Funktion des Mediensystems wird personalisiert statt generalisiert. Wir haben es bei Elliot Carver mit einem gekränkten, narzisstischen Kind zu tun, welches seinen (früh)kindlichen Aufmerksamkeits- und Liebesmangel durch mediale Omnipräsenz und Quoten zu kompensieren versucht.
Und die Quellen als dritter Filter? Danach wird in dem Film selbst gar nicht gefragt. Wer ist denn die Quelle, auf die sich Tomorrow in seiner exklusiven Erstberichterstattung beruft? Die Quellen und die Auswahl selbiger als maßgeblicher Faktor der Medienrealitätsgestaltung entfällt hier schlicht.
Jedoch sehen wir bereits in diesem Neunzigerjahre-Film eine Quellenarbeit, wie sie heute fast schon zum traurigen Standard wurde. Es ist eine „Quellenarbeit“, die diese Bezeichnung eigentlich nicht verdient, die da nämlich lautet, dass sich (fast) alle Zeitungen ― die dann zumeist auch noch einem Redaktionsnetzwerk angehören ― aus dem einheitlichen Trog von Agenturmeldungen bedienen. Die Folge: Die Zeitungen unterscheiden sich nur noch hinsichtlich ihres Zeitungskopfes. Einen solchen Einheitsbrei sehen wir in einer ganz kurzen Sequenz am Hamburger Flughafen. Dort liegt an einem Zeitungsstand der Tomorrow neben Der Zeit und dem Hamburger Abendblatt mit je der gleichen Schlagzeile.
Drei Zeitungen, eine Headline. Screenshot aus „007: Der Morgen stirbt nie“, bei 00:26:52. © United Artist Cooperation, 1997.
Und was für eine Ideologie verfolgt Elliot Carver? Ist er das, was wir heute einen „Haltungsjournalisten“ nennen? Ist er konservativ? Liberal? Marktradikal? Sozialist? Wir erfahren es nicht.
Wir sehen, wie ein milliardenschweres Medienunternehmen, welches als Akteur vollkommen unabhängig von Regierungen, Geheimdiensten und anderen Interessensgruppen agiert. Offenkundig ist er weder ein Atlantiker noch ein asiatisches Sprachrohr, sondern ein völlig autonomer Unruhestifter. Hingegen scheinen alle anderen Medien ― und dieses Rollenbild zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Bondfilme ― als neutrale und funktionierende Vierte Gewalt zu fungieren.
Aber was soll man auch anderes erwarten? James Bond ist schließlich das Testimonial und die Filme die mächtigste Ausdrucksform des britischen Kulturimperialismus (6). Subversive Aufklärungsarbeit darf man sich hierbei nicht erhoffen.
Der Morgen stirbt nie?
Eines können wir aus diesem Film trotz aller Irreführungen dennoch mitnehmen. Die Erkenntnis liegt im Titel selbst: „Der Morgen stirbt nie“. Im Wikipedia-Artikel findet sich hierzu folgende Passage:
„Die deutsche Übersetzung des Titels führt leicht zu einem Missverständnis: ‚Tomorrow‘ bedeutet genau genommen ‚Das Morgen‘ (im Sinne von ‚der nächste Tag‘) und nicht ‚Der Morgen‘, was dem englischen ‚morning‘ entspräche. Da mit dem ‚Morgen‘ aber Carvers Zeitung ‚MORGEN‘ gemeint ist, setzte sich der maskuline Artikel durch.“
In Sachen Weltuntergangsprophezeiungen laufen die Panikmacher der Leitmedien jeder apokalyptischen Sekte den Rang ab. Woran hätten wir ― alle ― nicht schon „morgen“ sterben sollen?
An der Eiszeit, durch das Ozonloch, das Waldsterben, durch die (hier beliebigen Tiername einfügen-)Grippe, Terroristen, Donald Trump, Corona, CO2, das Klima, jetzt die „Hitze“ und für den Morgen danach wird es sicherlich ebenfalls wieder einen Grund geben, weswegen die Welt untergehen soll. Doch wenn wir uns die vergangene Chronik der nicht eingetretenen Weltuntergänge ansehen, können wir mit einem Schmunzeln den Fernseher ausschalten, die Zeitungen zuschlagen und die Breaking-News-Meldungen ruhen lassen. Die Realität stellt sich dann doch ganz anders da, als die künstlich erzeugte Medienrealität.
„Ich habe noch nie geglaubt, was in der Presse stand“, erwidert Bond seinem Widersacher. Mit einem Netzspruch unbekannter Herkunft ließe sich ergänzen: „Wer Zeitung liest, weiß nicht, was in der Welt geschieht ― er weiß nur, was in der Zeitung steht.“
Quellen und Anmerkungen:
(1) Siehe Kulbarsch-Wilke, Julia: „James Bond und der Zeitgeist“, Münster, 2016, Waxxmann, Seite 96 und folgende.
(2) Siehe „Ereignis und Normalität ― Zur normalistischen Logik medialer und diskursiver Ereignisproduktion im Fernsehen“. In: Philosophie des Fernsehens. Herausgegeben von Lorenz Engell und Oliver Fahle. München: Fink 2005, Seite 123.
(3) Siehe Menath, Johannes: „Moderne Propaganda: 80 Methoden der Meinungslenkung“, Höhr-Grenzhausen, 2022, Seite 25.
(4) Siehe Lippmann, Walter „Die öffentliche Meinung: Wie sie entsteht und wie sie manipuliert wird“, Frankfurt am Main, 2018, Seite 65.
(5) Vergleiche Meyen, Michael: Die Propaganda-Matrix: Der Kampf für freie Medien entscheidet über unsere Zukunft“, München, 2021, Rubikon, Seite 76 und folgende.
(6) Vergleiche Kulbarsch-Wilke, Julia: „James Bond und der Zeitgeist“, Münster, 2016, Waxxmann, Seite 113 und folgende.