Der Maidan-Fake
Bis heute verbreiten die Medien Halbwahrheiten und Falschmeldungen über die blutigen Geschehnisse während des Maidan. Teil 1/2.
Deutsche Leitmedien werfen alternativen Nachrichtenplattformen immer wieder vor, es mit der Wahrheit nicht sehr genau zu nehmen. Doch eben diese etablierten Medien sorgen selbst regelmäßig für Fehlinformationen und verbreiten simplifizierte Weltbilder. Heute, am fünften Jahrestag der Maidan-Proteste, soll ohne Anspruch auf Vollständigkeit zusammengefasst werden, welche Falschmeldungen und blinde Flecken der Medien-Mainstream allein zu diesem Thema produziert hat.
Teil 1: November 2013 bis Januar 2014
Den Beginn des Ukraine-Konfliktes markiert der „Euromaidan“ ab dem 21. November 2013. In dieser Frühphase dominierte in deutschen Medien vor allem das Unwissen sowohl über das Land als auch über die Ursachen des Konflikts. Themen, die durchaus wichtig für das Verständnis der ukrainischen Vorgänge waren, nahm der Medien-Mainstream in dieser Phase nicht wahr. Es waren sozusagen „No News“. Zwar wurde nicht jeder dieser Aspekte komplett ausgeblendet, aber sie wurden alle, wenn man deren Relevanz bedenkt, deutlich zu wenig thematisiert.
Keine Gründe, keine Hintergründe
Dazu gehörten etwa die teils explosiven Inhalte des geplatzten Assoziierungsabkommens zwischen Ukraine und Europäischer Union (EU), wobei hierfür weder ukrainische Landes- noch Sprachkenntnisse nötig gewesen wären, sondern lediglich ein wenig Leseaufwand und Recherchezeit. Ebenso stellte der Medien-Mainstream die Ablehnungsgründe der ukrainischen Staatsführung nur stark verkürzt, meist aber überhaupt nicht dar.
„No News“ waren für deutsche Medien auch die russischen Beweggründe für die reservierte Haltung zum Abkommen. Immerhin hätte der Vertrag, der die EU und die Ukraine zu einer Freihandelszone verbinden wollte, auch Russland ungefragt und indirekt in diese Freihandelszone eingebunden. Denn das große Nachbarland hatte selbst bereits ein solches Abkommen mit der Ukraine.
Für Interessierte: In Oliver Stones Film „Ukraine on Fire“ erläutern der frühere ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch und der russische Präsident Wladimir Putin ihre Beweggründe in dieser Sache. Der damalige ukrainische Regierungschef Nikolai Asarow erklärte sich in einem Interview bei Telepolis.
Neben den wirtschaftlichen spielten auch die militärischen Befürchtungen Russlands hierzulande medial keine Rolle.
„Bereits im Vorfeld des Ukraine-Konfliktes wurden seitens der Medien massive Fehler gemacht“, schreibt denn auch die Trierer Medienwissenschaftlerin Verena Bläser.
„Zum einen wurde nicht deutlich genug offengelegt, wer welche Interessen hat. Denn offensichtlich hat auch die EU Interesse an der Ukraine als geostrategischem Stützpunkt, durch den Russland sich möglicherweise bedroht und bedrängt fühlt, da die NATO sich stetig weiter Richtung Osten ausgeweitet hat.“
Die Rechten links liegen gelassen
Als der Maidan begonnen hatte, blieb in deutschen Massenmedien vor allem die Rolle nationalistischer Akteure und rechtsradikaler Gewalttäter unbeleuchtet. Unkritisch wurden diese oft pauschal als „Aktivisten“ oder „Demonstranten“ bezeichnet (1), obwohl sie für jeden sichtbar kein Interesse an friedlichen Demonstrationen hatten und sich stattdessen von Beginn an vermummt und teils bewaffnet schwere Straßenschlachten mit der Polizei lieferten.
Die hier verlinkten Aufnahmen zeigen Angriffe gewalttätiger Maidankämpfer und Hooligans unter anderem am 24. November 2013 vor dem Ministerkabinett in der Gruschewski-Straße, am 30. November rund um die Unabhängigkeitssäule auf dem Maidan — vor und während der später skandalisierten Räumung durch die Spezialpolizei Berkut — und am 1. Dezember vor der Präsidialverwaltung in der Bankowa-Straße sowie am Lenin-Denkmal auf dem Boulevard Taras Schewtschenko. Diese Bilder allein aus den ersten zehn Maidantagen führen die Rede vieler Maidanunterstützer von den „lange völlig friedlichen Protesten“ ad absurdum.
Organisiert waren diese Gewalttäter in Hooligangruppen, im paramilitärischen Bündnis „Rechter Sektor“ (2), das sich in den ersten Tagen auf dem Maidan gründete, und in der nationalistischen Oppositionspartei Swoboda mit ihrer Kampfeinheit „C 14“. Die Swoboda war nicht nur eine der drei tragenden politischen Parteien des Maidan, sondern laut einer Studie des Kiewer Zentrums für Gesellschaftsforschung sogar die aktivste aller Organisationen dort.
Uniformierte Paramilitärs der „UNA-UNSO“ (Teil des Rechten Sektors) trugen im Januar 2014 einen toten Kämpfer im Sarg über den Maidan. In Leitmedien wie der Tagesschau oder der Zeit wurden diese rechtsradikalen Gewalttäter unkritisch als „Demonstranten“ bezeichnet. Gemeinfreies Bild.
Swoboda-Anführer Oleh Tjahnybok, der es 2012 mit seiner Rede von der „Moskowiter-Juden-Mafia“ auf Platz 5 einer Liste der schlimmsten antisemitischen Beleidigungen gebracht hatte, tauchte in der deutschen Berichterstattung zum Maidan trotzdem so gut wie nicht auf. Und das, obwohl er bei allen politischen Verhandlungen während des Maidan mit am Tisch saß und von Beginn bis Ende des Aufstandes neben hochrangigen politischen Maidanbesuchern aus dem Westen auf Pressefotos zu sehen war (3).
Trotzdem behauptete etwa der WDR-Journalist und ARD-Moskau-Korrespondent Hermann Krause: Tjahnybok und alle Rechten seien vom Westen isoliert worden. Falsch. Selbst bei der wichtigen Vereinbarung über die Beilegung der Krise in der Ukraine verhandelte Tjahnybok mit und war einer der Unterzeichner neben Frank-Walter Steinmeier.
Oleh Tjahnybok (Zweiter von rechts) mit Frank-Walter Steinmeier am Rande der Verhandlungen zur Beilegung der Krise in der Ukraine. Links Vitali Klitschko, daneben der damalige polnische Außenminister Radoslav Sikorski und ganz rechts Arsenij Jazenjuk. Quelle: Dieter Dehm.
Erst nach Ende des Maidan gab es vereinzelte kritische Berichte über Tjahnybok in deutschen Leitmedien wie hier im ARD-Magazin Panorama. Der verlinkte Beitrag aus dem März 2014 zeigt übrigens auch die skandalös-opportunistische Haltung von deutschen Politikern wie dem CDU-Mann Elmar Brok, der — gezielt darauf angesprochen — die antisemitischen und rassistischen Positionen der Swoboda-Partei als „Sprüche der Vergangenheit“ verharmlost, weil deren Sieg ihm ins außenpolitische Kalkül passt. Immer nach dem Motto: Der Feind Putins ist mein Freund.
Hinter Klitschko verschwanden die anderen Maidanführer
Auch der zweite Anführer im Bunde, Arsenij Jazenjuk, kam in der deutschen Berichterstattung so gut wie nicht vor. Diese konzentrierte sich fast ausschließlich auf Vitali Klitschko. Vielleicht weil Jazenjuk hierzulande so unbekannt war. Vielleicht aber auch, weil er als etabliertes Mitglied der ukrainischen Polit-Elite, als früherer Wirtschaftsminister, Außenminister und Nationalbankpräsident eher wie ein Teil des Problems als wie ein glaubwürdiger Teil der Lösung wirkte. Vielleicht sogar, weil bereits damals schon eine erste oberflächliche Recherche zeigte, dass er über seine Stiftung eng mit NATO (4), westlichen Politstiftungen und Oligarchen verbunden ist.
Apropos Oligarch: Der heutige ukrainische Präsident Petro Poroschenko stand von Beginn an ebenfalls als Anführer mit auf der Maidanbühne. Auch er war als langjähriger Parlamentsabgeordneter und früherer Außen- und Wirtschaftsminister fest etablierter Teil ukrainischer Politik. Bekannt wurde sein Name hierzulande jedoch erst während des folgenden Präsidentschaftswahlkampfes im Frühling. Selbst dort blieb er der harmlose „Schokoladen-Zar“ und eben nur ganz selten der Medienmogul und Rüstungsunternehmer, als der er bis heute Profite einfährt.
Ein krasser Rechtsextremist, ein neoliberaler NATO-Freund und ein milliardenschwerer Businessman — für die deutschen Leitmedien waren die meisten Anführer des Maidan „No News“.
Unheimlicher Naziaufmarsch keine Meldung wert
Komplett ignorierten die Medien auch einen großen Aufmarsch ukrainischer Nationalisten, die den 105. Geburtstag ihres Helden Stepan Bandera feierten. Mehr als 15.000 Menschen zogen dazu am 1. Januar 2014 vom Maidan aus mit Fackeln, Fahnen und nationalistischen Parolen durch die Kiewer Innenstadt (5).
Organisiert hatte den gewaltigen Marsch die rechtsradikale „Swoboda“. Unter anderem riefen die Demonstranten immer wieder „Ukraine über alles“, „Tod den Feinden“, oder „Slava Ukraini, Herojam Slava“ — Ruhm der Ukraine, den Helden Ruhm —, einen faschistischen Gruß aus dem Zweiten Weltkrieg. Laut der US-amerikanischen Nachrichtenagentur AP trugen einige Demonstranten sogar Uniformen der ukrainischen SS-Division „Galizien“.
Mindestens 15.000 Menschen marschierten am 1. Januar 2014 zum 105. Geburtstag des ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera vom Maidan aus mit Fackeln und Nazi-Parolen durch die Kiewer Innenstadt. Organisiert wurde der Marsch von der rechtsradikalen Swoboda. Bild: Screenshot YouTube.
Warum informierten deutsche Medien über diesen Großaufmarsch nicht? Immerhin hatte man doch Kiew wegen des seit Wochen laufenden Maidan genau im Auge. Zudem riefen die nationalistischen Fackelträger dieselben regierungsfeindlichen Parolen wie sonst auf dem Maidan. Tatsächlich hätten solche Meldungen die vorangegangene Berichterstattung von der friedlichen zivilgesellschaftlichen Versammlung ad absurdum geführt. Echte Rechte mit hochaggressiven Parolen und das auch noch in Massen? Das gab es bis dahin doch nur in russischen Staatsmedien.
Zudem hätte der nächtliche Fackelmarsch durch die Hauptstadt gerade bei deutschem Publikum unheimliche Assoziationen zu Fackelzügen der Nazis im Berlin der 1930er Jahren ausgelöst. Für Medien wie USA Today oder für die BBC waren Meldungen zu dem Marsch hingegen kein Tabu (6).
Nazi-Angriffe auf linke Demonstranten passen nicht ins Narrativ
Wie zu sehen, wurden vor allem die nationalistischen bis rechtsradikalen Umtriebe auf dem Maidan von deutschen Leitmedien kaum bis gar nicht thematisiert. Darunter fallen auch die Angriffe auf Gewerkschafter, Feministinnen und linke Studenten bereits in den ersten Tagen des Maidan. Am 27. November beispielsweise wurden Studenten vom Platz gejagt und deren Plakate zerrissen. Statt „Ruhm der Ukraine“ hatten sie „Ruhm der Vernunft“ plakatiert und die sexuelle Toleranz Europas gelobt, die im Gegensatz zur konservativ-klerikalen Haltung der protestierenden Maidanparteien stand.
Am 4. Dezember gab es einen gewalttätigen Angriff auf einen Gewerkschaftsstand. „Gegen 18 Uhr kam vom Maidan eine Gruppe von etwa 100 Personen auf uns zu, von denen 30 maskiert waren und rechtsradikale Abzeichen an der Kleidung trugen“, berichtete der Gewerkschafter Denis Lewin. „15 von ihnen griffen mich und meine Brüder an, wobei sie Tränengas einsetzten und unser Zelt einschließlich der Lautsprecheranlage mit Messern zerstörten.“
Die Nazi-Gruppen waren zwar in der Anfangsphase nur eine Minderheit bei den Protesten — dafür aber eine äußerst auffällige. Tatsächlich wäre dem deutschen Medienpublikum nur schwerlich Sympathie für die extrem rechten Maidankämpfer, ihre politischen Organisatoren und die nationalistischen Einstellungen so mancher Demonstranten zu vermitteln gewesen — eine Sympathie die Journalisten laut Golineh Atai übrigens automatisch mit „Freiheitskämpfern“ wie denen auf dem Maidan empfinden würden.
„Drakonische Gesetze“ – erste große Fake News
Am 16. Januar 2014, die Ereignisse auf dem Maidan hatten sich zeitweilig aus den deutschen Medien verabschiedet, erließ das ukrainische Parlament mehrere Gesetzesänderungen, die in erster Linie das Demonstrationsrecht betrafen. Bedeutsam wurden die Beschlüsse, da Maidankämpfer sie nutzten, um ab diesem 16. Januar einen massiven Straßenkrieg gegen die Polizei in Kiew, mit Todesopfern auf beiden Seiten, zu beginnen und den Konflikt damit wieder kräftig anheizten.
In der deutschen Medienlandschaft wurden die Gesetze wahlweise als „repressiv“ (FAZ, Deutsche Welle), „undemokratisch“ (ntv), „diktatorisch“ (Welt) oder „drakonisch“ (ARD) bezeichnet. Damit übernahmen besagte Medien eins zu eins die Interpretation der Maidan-Aktivisten. Stutzig machte aber schon damals die Tatsache, dass die etablierten Medien diese Gesetze nicht näher darstellten. Mediennutzern fehlte damit die Chance, sich ein eigenes Bild von der angeblichen Repressivität der Beschlüsse zu machen.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung informierte immerhin in drei Sätzen, dass die neuen Gesetze Geldstrafen für Demonstranten vorsehen, die sich vermummen oder Helme tragen. Für den nicht genehmigten Aufbau von Bühnen und Zelten auf öffentlichen Plätzen könnten bis zu 15 Tage Haft verhängt werden, hieß es. Bis zu fünf Jahre Gefängnis drohten für die Besetzung öffentlicher Gebäude. Bezeichnend, dass eine Satire bei Spiegel Online noch den größten Informationsgehalt deutscher Medien zu den neuen Gesetzen bot. Den Witz an der hiesigen Kritik von Medien und Politikern machte die Satire ebenfalls deutlich:
„Wir haben festgestellt, dass Janukowitsch für seine Sicherheitsgesetze entsprechende Regelungen demokratischer Staaten plagiiert hat. Er verletzt damit das Urheber- und Leistungsschutzrecht unserer freiheitlichen Wertegemeinschaft (…) Der Gipfel der Unverfrorenheit sei jedoch, dass Janukowitsch sein unerträgliches Vermummungs-, Helm- und Uniformverbot fast wörtlich aus dem deutschen Versammlungsgesetz abgeschrieben und einzig die Strafandrohung variiert habe: In der Ukraine drohten bei Zuwiderhandlungen zehn Tage Gefängnis, in Deutschland sei es ein Jahr.“
In Deutschland normal, in der Ukraine „diktatorisch“
Tatsächlich sind viele der damaligen ukrainischen Gesetzesänderungen in Deutschland und anderen EU-Staaten Standard. Man schaue sich dazu etwa das deutsche Versammlungsgesetz an, beispielsweise die Paragraphen 15, 17a, 24 oder 27. In zahlreichen westeuropäischen Staaten und in den USA gibt es zudem eine Anti-Terror-Gesetzgebung, die noch weit über das damalige ukrainische Maß hinausgeht.
Wer bei Demonstrationen in Deutschland so erscheinen würde, wie diese Maidankämpfer in Kiew, könnte laut § 27 Versammlungsgesetz mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden. Mildere Gesetze in der Ukraine galten deutschen Medien trotzdem als „drakonisch“. Gemeinfreies Bild.
Laut Janukowitschs Gesetzespaket sollten beispielsweise nun SIM-Karten nur noch gegen Vorlage des Ausweises erworben werden dürfen. Auf die Leugnung der Verbrechen des Nationalsozialismus sollten nun hohe Geldstrafen erhoben werden. Das Sammeln von Informationen über Angehörige des staatlichen Justiz- und Sicherheitsapparats und derer Familien sollte strafbar werden. Zudem wurde üble Nachrede ein Straftatbestand. Die Beschädigung antifaschistischer und sowjetischer Denkmäler sollte mit Gefängnis bestraft werden können.
Repressiv, diktatorisch, drakonisch?
Definitiv waren diese Gesetze gegen den Maidan gerichtet, so wie auch das Verbot von Autokolonnen — gegen den „Automaidan“ —, und sie wurden auch tatsächlich ohne vorherige Debatte vom Parlament verabschiedet. Allerdings hatte die Opposition selbst schon seit Monaten mit Blockaden, Dauerlärm (7) und Schlägereien jegliche sinnvolle Parlamentsarbeit verhindert. Nach der Verabschiedung des Gesetzespakets erklärten Jazenjuk, Klitschko und Co. sogar das gesamte demokratisch legitimierte Parlament mal eben so zur „illegitimen“ Einrichtung.
Unabhängig davon, ob man persönlich die Gesetzesänderungen begrüßt oder ablehnt, eines ist deutlich geworden: Unser Medien-Mainstream hatte sich mit den Gesetzesinhalten nur extrem oberflächlich beschäftigt oder stellte sie wider besseres Wissen als unverhältnismäßig und überhart dar. Repressiv, diktatorisch, drakonisch — diese Beschreibungen durch deutsche Leitmedien waren mehr als nur stark übertrieben. Sie waren einfach falsch. Sie selbst würden wohl von „Fake News“ sprechen.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text ist die überarbeitete Version eines Artikels, den ich vor zwei Jahren während der Crowdfunding-Phase des später gescheiterten Projekts „umatter.news“ geschrieben habe. Diese Website ist inzwischen offline. Der Text ist damit eine Wiederveröffentlichung. Es folgt Teil 2 zu den eskalierenden Ereignissen auf dem Maidan im Januar und Februar 2014.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Eines von vielen Beispielen: Als uniformierte Mitglieder der rechtsradikalen UNA-UNSO ihren getöteten Kämpfer Michael Schisnewski am 26. Januar 2014 im Sarg über den Maidan trugen, zeigten auch deutsche Medien diese Bilder in Live-Tickern oder Online-Artikeln. Die Mitglieder der paramilitärischen Nazi-Gruppierung wurden etwa von Zeit.de oder tagesschau.de (Seite mittlerweile gelöscht) als „Demonstranten“ bezeichnet. In gnadenloser Verdrehung der Tatsachen schrieb die Zeit sogar, dass Schisnewski, der kämpfendes Mitglied dieser gewaltbereiten, kriegserprobten Nazi-Truppe war, „als Ordner half, die Proteste friedlich zu halten“. Es gibt noch viele weitere Beispiele für solche Fehlleistungen, die deutschen Journalisten bei ähnlichen „Demonstrationen“ in Deutschland ganz sicher nicht unterlaufen würden: Schauen Sie sich beispielsweise die Bilder zu diesen Artikeln bei ntv , bei tagesschau.de oder im Focus an, überall heißen die Leute mit den Baseballschlägern, Gewehren oder Molotow-Cocktails einfach nur „Demonstranten“.
(2) Zum Rechten Sektor (Prawyj Sektor) schlossen sich die Neonazigruppierungen Dreizack (Trysub), Weißer Hammer (Bilij Molot), UNA-UNSO und Sozial Nationale Versammlung (SNA) zusammen. Anführer des Bündnisses wurde Dmytro Jarosch.
(3) Dieses Foto zeigt Oleh Tjahnybok (Zweiter von rechts) mit dem damaligen deutschen Außenminister und heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier am Rande der Verhandlungen zur Beilegung der Krise in der Ukraine. Links Vitali Klitschko, daneben der damalige polnische Außenminister Radoslav Sikorski und ganz rechts Arsenij Jazenjuk. Auf weiteren Bildern ist Tjahnybok zu sehen mit US-Außenpolitikerin Victoria Nuland, mit US-Politiker John McCain auf der Maidanbühne, mit Catherine Ashton (Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik), mit dem kanadischen Außenminister John Baird und mit dem damaligen US-Vizepräsident Joe Biden.
(4) Bereits als Parlamentspräsident 2008 forderte er die NATO zu Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine auf. Bis heute sagt er: „Es gibt keine Alternative zur Nato.“
(5) Zwar bezeichneten andere Oppositionsparteien den Fackelmarsch als unabhängig vom Maidan – was formell stimmt, denn er fand auch in den Jahren davor (nämlich seit 2006) und auch danach immer am 1. Januar in Kiew statt – doch hatte der Marsch sonst nur wenige tausend Teilnehmer. So kamen zum 104. Bandera-Geburtstag im Jahr 2013 laut der Agentur RIA Novosti nur rund 3000 Demonstranten, im Jahr 2015, nach verschiedenen Angaben 2000 bis 5000. Es war offensichtlich, dass die rund fünffach höheren Teilnehmerzahlen sich durch die zugereisten Maidandemonstranten aus der Westukraine, wo es solche Märsche etwa in Lwiw ebenfalls gibt, erklären ließen.
(6) Überhaupt zeigte die BBC mit Korrespondent Gabriel Gatehouse mehrmals journalistisch vorbildliche Arbeit und belegte so beispielsweise auch den von deutschen Maidanunterstützern gern geleugneten Antisemitismus dieser rechten Gruppen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass russische und britische Mainstream-Medien ein deutlich empfindlicheres Gespür für die Gefahr durch Neo-Nazi-Bewegungen haben als deutsche Medien. Beim Bandera-Geburtstags-Aufmarsch 2015 titelte der Kölner Stadtanzeiger: „Rechter Fackelzug in Kiew erzürnt Moskau“. Deutsche Mainstreamjournalisten hingegen erzürnt der jährlich widerkehrende Nazimarsch bis heute ganz offensichtlich nicht.
(7) Das im Text verlinkte YouTube-Video zeigt den damaligen Abgeordneten der Partei der Regionen, Oleg Zarjow, der einen Tag vor dem Maidan, nämlich am 20. November 2013, seine Rede auf Russisch hält. Die Abgeordneten der nationalistischen Opposition verlangen lautstark während der gesamten Rede, dass er diese auf Ukrainisch halten solle. Vom angeblich angestrebten Wert der europäischen Toleranz sind diese Abgeordneten unendlich weit entfernt. Interessant ist aber auch der Inhalt von Zarjows Rede, darin beschreibt er, wie Instruktoren aus den USA aktuell in der Ukraine mittels sogenannter „Tech Camps“ Ukrainer im Aufstands-Management schulen, und warnt vor einem westlich forcierten Umsturz und einem Bürgerkrieg im Lande. In den folgenden Monaten wurde genau dies Realität.