Der Krieg in unseren Köpfen
Der Aggression beginnt in uns selbst, noch ehe die erste Kugel fliegt — daher ist es an uns, in unseren Herzen einen Nährboden für Frieden zu schaffen.
Krieg. Plötzlich ist dieses Wort wieder da. Lange Zeit war es verschwunden. Es gab keine Kriege mehr. Es hieß Kampfhandlung, Kampfeinsatz, logistische Unterstützung, humanitäre Unterstützung, Hilfe beim Aufbau von Demokratie ... Aber solche Begriffe können niemanden, der Augen hat zu sehen, darüber hinwegtäuschen, dass auch „Friedensnobelpreisträger“ wie Barack Obama oder die Europäische Union Kriege führen beziehungsweise geführt haben. Sie reden von einem Frieden, den sie mit Waffen stiften wollen. So aber hört das Blutvergießen nicht auf. Gibt es „berechtigte“ und „unberechtigte“ Kriege? Und: Wo liegen die Ursachen?
Kriegstreibende Politiker begründen gern ihr Vorgehen mit der Motivation der Hilfe. Ein Land soll von einem Diktator befreit oder von Terroristen „gesäubert“ werden. Oder einem Land soll das Bewusstsein für Frauenrechte, die Vorzüge der westlichen Demokratie eingeprügelt werden.
Angenommen, es ginge wirklich um Demokratie, und zwar um eine echte, nicht um unsere Scheindemokratie, in der Hochfinanz und Großkonzerne regieren. Wäre das eine Rechtfertigung, Gebäude zu zerstören, Menschen zu töten, ganze Regionen in einen Strudel von Leid zu stürzen?
Viele mögen darauf antworten: Ja, wenn dadurch Menschen von der Herrschaft eines Diktators befreit werden. Die Frage ist doch aber, ob man das Rad der Gewalt nicht damit einfach weiter dreht. Gewalt sät Gewalt, soviel ist sicher, selbst wenn die Gewalt aus den edelsten Motiven heraus geschähe.
„Der Zweck heiligt die Mittel“ ist kein heilsames Motto. Das eine Leid wird nur durch ein anderes Leid ersetzt und die Spirale wird weiter gedreht, Ursache und Wirkung setzen sich endlos fort.
Aber warum verstehen die Politiker das offenbar nicht?
Weil wir alle diesen Zusammenhang immer noch nicht verstanden haben, zumindest die meisten unter uns.
Weil wir alle, solange wir unser Leben nicht grundlegend durchschaut haben, von dem unheilsamen Verlangen getrieben sind, Krieg zu führen. Nicht mit Panzern oder Bomben, aber sehr wohl mit Meinungen, Worten, Gedanken und alltäglichen kleinen Handlungen.
Wir diskutieren, um andere Menschen von der Richtigkeit dieses oder jenes Arguments zu überzeugen, dringen in unseren Gesprächspartner, agitieren und verletzen. Warum? Weil wir glauben, was für uns gilt, gilt auch für ihn oder sie.
Wenn wir verbal angegriffen werden, schießen wir zurück.
Wenn eine Verkäuferin uns unfreundlich bedient, werden wir selbst grantig, weil wir glauben, sie sei ja schließlich unfreundlich .... und sehen nicht, dass gerade sie heute so dringend ein Lächeln, eine Aufmunterung braucht. Letzteres zu tun, funktioniert übrigens immer!
Wir führen Krieg mit uns selbst, indem wir uns zu Dingen zwingen, von denen uns andere Glauben machen, sie seien gut und wichtig.
Zur größten Kriegsindustrie zählt die Werbeindustrie, die permanent und aggressiv die Menschen beschießt mit Tipps, die ihnen angeblich nützen, sie in Wirklichkeit nur verunsichern, verletzen, hetzen und ihrer inneren Ruhe ebenso berauben wie ihres Geldes.
Dabei mag manches Motiv beim Einzelnen ehrlich und edel sein — bei der Werbung sicher weniger. Solange wir es aber als Rechtfertigung benutzen, um jemanden zu manipulieren oder ihm unsere Sichtweise aufdrängen zu wollen, führt es eher zu Verletzungen und Spannungen als zu Frieden.
Solange wir nicht aufhören mit unserem permanenten Krieg im Alltag, in unseren Köpfen, wird dies sich auch im großen Maßstab nicht ändern.
Frieden entsteht nicht durch Waffen. Freundlichkeit nicht, indem man jemanden anherrscht, er sei unfreundlich.
Doch wie können wir das ändern?
Die Psychologie sagt — zum Teil zu Recht —, unterdrückte Aggressionen machen krank. Also doch rauslassen? Nein. Doch unterdrücken? Auch nein. Es gibt auch hier einen „Mittleren Weg“.
Wenn wir glauben, den anderen unbedingt von etwas überzeugen zu müssen, ist es vielleicht das Beste, einfach festzustellen, dass wir dies gerade glauben. Vielleicht sagen wir es ihm auch. Aber wir müssen nicht agitieren.
Wir müssen auch unseren Unmut über den Chef oder die Mitarbeiterin oder den Einkäufer, der uns gerade angerempelt hat, weder unterdrücken noch herauspoltern. Es reicht, es wahrzunehmen, als das, was es ist: Munition für einen potenziellen kleinen Alltagskrieg, etwas, dass, wenn wir ihm nachgeben oder daran festhalten, uns und anderen Menschen weh tun wird.
Wenn wir das schafften, ginge es uns besser. Und dann könnten wir mit Recht schimpfen auf die großen Kriegstreiber. Doch halt: Auch das Schimpfen ist eine Aggression!
Die große Kunst wäre also, einfach im Kleinen nicht zu tun, was wir im Großen verurteilen, ohne deshalb anderen gegenüber Überheblichkeit oder Groll zu entwickeln.
Wie schwer das ist, weiß jeder, der es versucht! Dass wir keine andere Chance haben, wenn wir in Frieden leben möchten, ist nicht zu übersehen.
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