Der Krieg gegen die Realität

Die fortschreitende Spaltung der Menschen geht mit der Schaffung sich widersprechender Wirklichkeiten einher, in denen Fakten keine Rolle mehr spielen.

Menschen haben verschiedene Meinungen. Das ist normal. Wenn sie jedoch beginnen, in völlig unterschiedlichen Realitäten zu leben und diese gegen Bewohner alternativer Wirklichkeiten mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, wird es brenzlig. Überall auf der Welt ist diese Spaltung derzeit zu beobachten. Corona markiert die Eskalationsstufe dieser Entwicklung — angedeutet hat sie sich jedoch schon lange vorher, etwa mit der emotional geführten Populismusdebatte. Gefährlich wird es, wenn nicht mehr nur eine richtige durch eine falsche Realität ersetzt werden soll — dies wäre in der Geschichte keine Seltenheit; der jetzige Meinungskrieg stellt das Konzept einer objektiven Realität als solches in Frage und entzieht damit jeder künftigen Debatte den Boden.

Der Krieg gegen die Realität läuft also hervorragend. Überall auf der Welt wurden Gesellschaften in gegensätzliche und unversöhnliche Realitäten gespalten. Nachbarn, Freunde und sogar Familienmitglieder sind verbittert in zwei feindliche Lager gespalten, die sich gegenseitig als paranoide Psychotiker, wahnhafte Fanatiker, gefährliche Idioten und in jedem Fall als Todfeinde betrachten.

In Großbritannien, Deutschland und vielen anderen Ländern sowie in zahlreichen Bundesstaaten der USA gilt weiterhin der „Notstand“. Ein apokalyptischer Virus treibt sein Unwesen. Mutierte Varianten breiten sich wie ein Lauffeuer aus. Der größte Teil der Gesellschaft ist immer noch lahmgelegt oder unterliegt gesundheitlichen Notstandsbeschränkungen. Die Menschen laufen weiterhin mit Plastikgesichtsschutz und medizinisch aussehenden Masken in der Öffentlichkeit herum.

Die Polizei taucht bei Menschen zu Hause auf, um sie wegen „illegaler Versammlungen im Freien“ zu verhaften. Jede Abweichung von der offiziellen Realität wird von den Internetkonzernen zensiert. Die Grundrechte sind nach wie vor außer Kraft gesetzt. Ganze Bevölkerungen werden gezwungen, sich experimentelle „Impfstoffe“ injizieren zu lassen. Pseudomedizinische Segregationssysteme werden eingeführt. Und so weiter ... Sie kennen ja die Einzelheiten.

Währenddessen gibt es in Schweden und einigen anderen Ländern sowie in verschiedenen US-Bundesstaaten keine apokalyptische Pandemie. Die Menschen gehen einfach ganz normal ihrem Leben nach. Okay, sicher, es geht ein fieser Virus um, also treffen die Menschen vernünftige Vorsichtsmaßnahmen, wie sie es normalerweise bei jedem fiesen Virus tun. Aber es gibt keinen „Notstand" und keinen Grund, die Gesellschaft radikal in eine paranoide, pathologisierte, totalitäre Dystopie zu verwandeln.

Dieser Zustand, in dem zwei widersprüchliche, sich gegenseitig ausschließende Realitäten existieren, ist ... nun, er ist unhaltbar, und so kann es nicht weitergehen. Entweder gibt es eine verheerende globale Pandemie, die einen globalen „Ausnahmezustand“, die Aussetzung der Grundrechte und die anderen totalitären „Notfallmaßnahmen“ rechtfertigt, denen wir seit März 2020 unterworfen sind, oder es gibt sie nicht. Das ist eigentlich ganz einfach.

Nur, dass es eben doch nicht so einfach ist. Angesichts der zurückliegenden 16 Monate vergisst man leicht, dass die Menschen seit fünf Jahren bitter gespalten sind, in sich gegenseitig ausschließenden Realitäten leben und Menschen, die nicht ihren Realitäten angepasst sind, als Feinde betrachten. Ich spreche nicht von politischen Meinungsverschiedenheiten oder gar soziokulturellen Unterschieden. Ich spreche von widersprüchlichen Realitäten. Dinge, die tatsächlich passiert sind, oder nicht passiert sind. Dinge, die existieren oder nicht existieren.

Ich werde den ganzen Krieg gegen den Populismus nicht noch einmal aufwärmen ― ich habe damals ausführlich darüber berichtet ―, aber damals begann offiziell der aktuelle global-kapitalistische Krieg gegen die Realität. Es waren nicht nur die üblichen Lügen und Propaganda. Das war ein umfassender ideologischer Angriff.

Am Ende glaubten die Menschen tatsächlich, dass a) Donald Trump ein russischer Agent sei, b) dass er quasi Hitler sei und deshalb eine Art „Putsch“ inszenieren, sich selbst zum amerikanischen Führer erklären und das „Trumpsche-weiß-supremistische Vierte Reich“ ins Leben rufen würde, und c) dass er dies tatsächlich versucht habe, indem er ein paar Hundert unbewaffnete Demonstranten ― gewalttätige extremistische Großmütter, Vater-und-Sohn-Killerkommandos und Spinner mit Büffelmützen ― schickte, um „das Kapitol zu stürmen“ und die Regierung während des sogenannten „Aufstands vom 6. Januar“ zu stürzen.

Mit dem Einführen der „Neue Normale“-Realität hat der GloboCap also nicht gerade bei null angefangen. Millionen von Menschen ― nicht nur Amerikaner, denn der Krieg gegen den Populismus war eine globale Kampagne ― lebten bereits in einer neuen Realität, in der Fakten keine Rolle mehr spielten, in der offiziell Dinge passierten, die nie passiert waren , und andere Dinge, die offensichtlich passiert waren, nie passiert sind, nicht offiziell, oder dann eben „rechtsextreme Verschwörungstheorien“, „Fake News“ oder „Desinformation“ oder was auch immer waren, trotz der Tatsache, dass die Menschen wussten, dass dies nicht so war.

Aber das Ziel von GloboCaps Krieg gegen die Realität ist nicht nur, die Massen zu täuschen und sie in gegnerische Lager zu spalten. Seit Anbeginn der menschlichen Zivilisation haben die Herrscher die Massen getäuscht und in gegnerische Lager gespalten. Diesmal ist es ein bisschen komplizierter als das.

Okay, haben Sie Geduld mit mir, denn das wird jetzt etwas heftig.

Der Krieg gegen die Realität ist kein Versuch, die Realität durch eine Scheinrealität zu ersetzen. Beziehungsweise ist er das schon, aber das ist nur ein Teil dessen. Sein eigentliches Ziel ist es, die Realität willkürlich zu machen, sie ihrer erkenntnistheoretischen Autorität zu berauben, sie in einen „schwebenden Bedeutungsträger“ zu verwandeln, in ein Wort, das keinen objektiven Bezugswert hat, was sie natürlich gesehen eigentlich schon ist. Man kann sich kein Bild von der Realität machen. Sie ist ein Konzept. Sie ist kein physisches Objekt, das irgendwo in Zeit und Raum existiert.

Doch lassen wir diesen letzten Punkt für eine spätere Betrachtung. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um sich in Semiotik zu verlieren. Für die meisten Menschen, für die meisten praktischen Zwecke ist die Realität ... nun ja, Realität. Sie ist objektiv. Materiell. Sie existiert tatsächlich. Sie existiert unabhängig von unseren Überzeugungen. Sie ist nicht nur ein willkürlicher, leerer Bedeutungsträger, der sich eigentlich auf nichts bezieht, den wir aber strategisch einsetzen, um Autorität zu erlangen oder um der Gesellschaft eine Ideologie aufzuzwingen. Wäre das der Fall, gäbe es keine Realität. Nichts wäre wahr, alles wäre erlaubt ... was ein Haufen postmodern-marxistischer Blödsinn ist.

Aber stellen Sie sich nur einen Moment lang vor, wenn das der Fall wäre ... wenn das, was die Realität bestimmt, tatsächlich nur eine Frage der Macht und nicht der Fakten wäre. Stellen Sie sich vor, die Realität wäre nur ein Konzept, das wir benutzen, um die aktuellen Grenzen unseres Wissens und unserer ideologischen Überzeugungen zu markieren.

Unsere Ärzte ― Onkologen und Virologen zum Beispiel, aber es könnten beliebige Ärzte oder Wissenschaftler sein ― würden sich gar nicht so sehr von mittelalterlichen Alchemisten unterscheiden, die damals ebenso wie die Patienten, die sie behandelten, fest an ihre Realität glaubten, von der wir aber heute wissen, dass sie gar nicht die Realität ist, denn unsere Realität ist die wahre Realität. Ich meine, es ist ja nicht so, dass die Menschen in 500 Jahren auf unsere medizinischen Praktiken und wissenschaftlichen Erkenntnisse zurückblicken und darüber lachen werden, so wie wir über die mittelalterlichen Alchemisten, nicht wahr?

Verzeihen Sie, ich bin ein wenig vom Thema abgekommen. Ich habe versucht, den ultimativen Zweck dieses global-kapitalistischen Krieges gegen die Realität zu erklären, und bin dabei in einen ontologischen Sumpf geraten, der uns nicht weiterbringt. Kommen wir also zurück zur Vorstellung der Realität, nicht als das, was wir alle wissen, was sie ist ― das heißt, ein tatsächliches, materielles Ding, das existiert ―, sondern als ein Konstrukt, das die Menschen benutzen, um bestimmte offiziell genehmigte Überzeugungen und Wahrnehmungen zu bestätigen und andere Überzeugungen und Wahrnehmungen für ungültig zu erklären, mehr oder weniger wie ein System der Moral, außer dass es die Dinge nicht in „gut“ und „böse“ einteilt, sondern in „echt“ und „unecht“.

Stellen Sie sich nun vor, Sie wären ein immens mächtiges, global hegemoniales ideologisches Regime, und Sie wollten Ihre Ideologie so weit wie möglich in der ganzen Welt durchsetzen, aber Sie hätten keine Ideologie per se oder überhaupt irgendwelche tatsächlichen Werte, denn der Tauschwert wäre Ihr einziger wirklicher Wert, und so lautete Ihre Mission, alle Ideologien und Werte und Wahrheiten und Glaubenssysteme und so weiter auszulöschen und alles und jeden auf der Welt de facto in Waren zu verwandeln, die Sie nach Belieben manipulieren könnten, weil sie keinen inhärenten Wert hätten, weil ihr einziger wirklicher Wert vom Markt zugewiesen wurde.

Wie würden Sie dabei vorgehen, um alle bestehenden Werte ― religiöse, kulturelle und soziale Werte auszulöschen ― und alles zu einer wertlosen Ware zu machen?

Nun, Sie würden die Realität nicht komplett zerstören wollen, denn das würden die meisten nicht hinnehmen. Sie würden sofort in Panik ausbrechen. Es würde brenzlig werden. Stattdessen könnte man also einen anderen Weg gehen und eine Menge widersprüchlicher Realitäten erzeugen, nicht nur widersprüchliche Ideologien, sondern tatsächliche, sich gegenseitig ausschließende Realitäten, die unmöglich gleichzeitig existieren können ... was die Menschen immer noch ziemlich in Panik versetzen würde.

Natürlich würde es eine offizielle Realität geben, an die sich jeder zu jedem Zeitpunkt strikt halten müsste, aber Sie würden die offizielle Realität häufig ändern und jeden zwingen, sich der neuen anzupassen ― und so zu tun, als hätten sie sich nie der alten angepasst ―, und dann, sobald sie sich in diese eingelebt hätten, würden Sie die offizielle Realität wieder ändern, bis die Gehirne der Menschen einfach komplett abschalten und sie aufgeben zu versuchen, einen Sinn in irgendetwas zu erkennen, und nur noch versuchen herauszufinden, was sie an einem bestimmten Tag glauben sollten.

Wird dieser Prozess lange genug wiederholt, dann würde schließlich nichts mehr etwas bedeuten, weil alles potenziell alles bedeuten könnte ... an diesem Punkt könnte man den Menschen im Grunde alles erzählen, was man wollte, und sie würden mitmachen, denn was zum Teufel würde es für einen Unterschied machen? Ein narzisstische Arschclown von Milliardär könnte ein russischer Agent und quasi Hitler sein. Ein halbherziger Krawall könnte ein „Aufstand“ sein. Kinder könnten „systemisch rassistisch“ geboren werden. Männer könnten menstruieren.

Aber warten Sie ... es wird noch besser.

Man könnte eine apokalyptische globale Pandemie inszenieren, die nur in bestimmten Ländern oder in bestimmten Teilen bestimmter Länder auftritt, und die mehr oder weniger die natürliche Sterblichkeit widerspiegelt, und die die historische Sterblichkeitsrate nicht drastisch erhöht, aber trotzdem total apokalyptisch ist.

Völlig gesunde Menschen könnten zu „Krankheitsfällen“ werden. Sie konnten jeden, der an irgendetwas stirbt, als an Ihrem apokalyptischen Virus gestorben zählen. Sie könnten den Menschen unmissverständlich sagen, dass medizinisch aussehende Masken sie nicht vor Viren schützen und ihnen kurz darauf sagen, dass sie es doch tun, und dann später öffentlich zugeben, dass Sie gelogen haben, um sie zu manipulieren, und dann leugnen, dass Sie das jemals gesagt haben, und ihnen sagen, dass sie Masken tragen sollen.

Sie könnten Millionen von Menschen experimentell „impfen“, wenn deren Risiko, ernsthaft krank zu werden oder an Ihrem apokalyptischen Virus zu sterben, verschwindend gering oder gar nicht vorhanden wäre, und dabei Zehn- oder Hunderttausende töten, und die Menschen, deren Hirne Sie methodisch kaputtgemacht haben, würden Ihnen dafür danken, dass Sie ihre Freunde und Nachbarn ermordet haben, und dann zu ihrem örtlichen Drogeriemarkt eilen, um ihre eigenen Kinder experimentell „zu impfen“ und Bilder davon ins Internet zu stellen.

An diesem Punkt müssten Sie sich keine Sorgen mehr über „Volksaufstände“ oder „Terrorismus“ oder irgendeine andere Art von aufrührerischer Aktivität machen, weil die große Mehrheit der Weltbevölkerung kopfgesteuerte Automaten wären, die völlig unfähig sind, eigenständig zu denken, und die keine Ahnung hätten, was real ist und was nicht, und deshalb einfach jedes neue Skript wiederholen, mit dem Sie sie füttern, wie Kundendienstmitarbeiter unter Haldol.

Viel besser kann es für global hegemoniale ideologische Systeme nicht laufen!

Okay, Entschuldigung, ich glaube, ich habe den Faden wieder verloren. Ich bin mir nicht sicher, was ich eigentlich sagen wollte. Ich bin in letzter Zeit etwas benebelt. Ich schlafe nicht so gut. Das liegt wahrscheinlich an Long Covid. Oder vielleicht ist es einfach die Jahreszeit. Was auch immer, es ist sowieso nicht so wichtig. Trotzdem denke ich, dass ich runter zu meiner ehemaligen örtlichen Buchhandlung gehen werde und mich testen lasse.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag in ... Sie wissen schon ... der Realität!


Redaktionelle Anmerkung: Diese Kolumne erschien zuerst am 29. Juni 2021 unter dem Titel „The War on Reality“ bei Consent Factory. Sie wurde von Sabine Amann vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzerteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratteam lektoriert.