Der Kontrollverlust
Im öffentlich-rechtlichen spanischen Fernsehen gab ein Arzt und Experte nicht die „richtigen“ Antworten zur Coronasituation und brachte damit die Interviewer zum Ausflippen.
Oft ist es in den aktuellen Debatten um den Umgang der Medien mit Corona beklagt worden: es werden immer dieselben Virus-Experten eingeladen und nur solche, die „auf Linie“ sind. Fachleute, die kreativ und eigenständig argumentieren, werden gar nicht erst in die Fernsehstudios eingeladen, bevor sie etwas „Falsches“ sagen. Was passiert aber, wenn man zum Beispiel aus Versehen einen Arzt interviewt, dessen weltanschauliche Korrektheit man vorher nicht sorgfältig überprüft hat? Das passierte Moderatoren des spanischen Senders TVE, als sie den mit Corona-Fällen betrauten Krankenhausarzt Dr. Luis de Benito zum Virus befragten. Der Arzt zeichnete ein für die Fragesteller allzu beruhigendes Bild von der Situation in spanischen Krankenhäusern und bezweifelte sogar den Sinn von Impfungen. Den Fernsehmachern war das zu viel und sie polemisierten auf übelste Art gegen den Mediziner.
Im spanischen Fernsehsender TVE — der „spanischen ARD“ — wurde ein Mediziner des Hospitals El Escorial aus Madrid zur Corona-Situation in Spanien interviewt. Dr. Luis de Benito war bei seiner Arbeit in der Klinik von Anfang an mit der Corona-Thematik an vorderster Front befasst und gab aber der interviewenden Fernsehjournalistin nicht die erwünschten Antworten. Stattdessen blieb er lieber bei der Wahrheit, zerstörte damit das Corona-Narrativ der spanischen Medien durch die Konfrontation mit der Realität.
Das Interview startet zunächst mit den Fragen einer Journalistin und den Antworten de Benitos. Dieses „entgleitet“ nach Ansicht der Redaktion aber offenbar. Später kommt ein Kollege der interviewenden Journalistin zu Hilfe. Das Ganze geschieht eher spontan als eine Art Notfalleinsatz. Es war nicht geplant. Der Fernsehsender gibt sich keine Mühe, das im Interview irgendwie zu vertuschen, wie jeder sehen oder nachlesen kann: Hier war offenbar „Gefahr im Verzug“.
Der „erfahrene Kollege“ flippt aber recht schnell aus und redet sich um Kopf und Kragen. Am Ende verkündet der TV-Mann trotzig, dass er gerne die Totenscheine der Corona-Toten ausgefüllt hätte, aber leider keine Gelegenheit dazu hatte.
Hier das komplette Televisión-Española-1-Interview mit englischen Untertiteln als Video sowie als deutschsprachiges Transkript.
Das deutschsprachige Transkript ist eine Übersetzung der englischen Untertitel beziehungsweise des englischsprachigen Transkripts des Videos.
TV-Frau: Wir haben gerade gehört — Patienten wurden auf die Intensivstation aufgenommen. Wir haben Dr. Luis de Benito eingeladen, hallo!
Doktor, Sie kennen die Situation sehr gut. Sie haben seit Beginn der Pandemie mit Patienten gearbeitet, die vom Coronavirus betroffen waren. Sie sind im Augenblick im Escorial Hospital in Madrid. Erzählen Sie uns, wie ist die Situation genau. Ist es beunruhigend oder nicht? Können sie uns etwas über die Gesamtauslastung erzählen? Gibt es Krankenhäuser, die beginnen, die Anzahl der Betten zu erhöhen? Können Sie dies bestätigen?
Arzt: Ah, nein, das glaube ich nicht. Ich weiß nicht, über welche Krankenhäuser Sie sprechen. Es ist wahr, wir sehen einen Anstieg der Anzahl der Einweisungen. Aber bis letzte Woche gab es keine. Gestern hatten wir drei. Verstehen sie, drei Leute und über einhundert Betten?
Also nein, ich glaube nicht, dass wir nahe an der Auslastung sind. Darüber hinaus ist das Krankenhaus mit den meisten Menschen das „12. Oktober“…
TV-Frau: Das 12. Oktober ist das Krankenhaus, das alle geplanten chirurgischen Eingriffe abgesagt und weniger dringende externe Konsultationen verschoben hat.
Arzt: Okay, ja. Gestern gaben unabhängige Behörden bekannt, dass 75 Patienten aufgenommen wurden — 75 in einem Krankenhaus mit 1.300 Betten.
TV-Frau: Das ist richtig. Und 540 Infizierte!
Arzt: Sind diese krank oder schlicht positive Fälle? Weil die Daten uns täuschen und verwirren können. In den Gesundheitszentren nehmen wir nur PCR-Tests ab, sodass wir viele positive Ergebnisse finden. Außerdem bringen wir jetzt Menschen ins Krankenhaus, die in ihren Fahrzeugen getestet wurden. Wir klassifizieren diese positiven PCR-Tests als Covid-19, obwohl es sich nur um Leute handelt, die in ihren Autos getestet wurden. So erzeugen wir Verwirrung, wenn wir verkünden „Covid-19 Fälle steigen!“, wenn es tatsächlich nicht stimmt. Es gibt eine Zunahme, aber nicht für Patienten, die das Krankheitsbild von Covid-19 haben. Ein Krankheitsbild von Covid-19 ist das, was wir im Frühjahr gesehen haben, als unsere Krankenhäuser tatsächlich überfüllt waren.
Aber zum jetzigen Zeitpunkt sehen wir eine Zunahme von Fällen, die einfach das Ergebnis einer Zunahme von PCR-Tests sind. Und ein positiver PCR-Test bedeutet nicht unbedingt, dass wir krank sind.
TV-Frau: Erzählen Sie uns zum Beispiel von Ihrem Krankenhaus, was tun Sie? Bereiten Sie sich auf September oder Oktober vor? Ist das Gesundheitspersonal zurückgekehrt?
Arzt: Warum sollten sie zurückkehren? Sie sind im Urlaub wie alle unsere gewählten Beamten und Regierungsmitarbeiter. Es gibt keinen Notfall. Wir sind auf dem Laufenden, ja, aber nicht im Notfall.
TV-Frau: Gibt es Ersatz? Ersatzärzte oder Krankenschwestern?
Arzt: Ich habe keine Ahnung, was geplant war. Im Übrigen wirkt sich die Entscheidung, Konsultationen oder Operationen auszusetzen, auf die Versorgung der Blutbanken und des Personals aus. Allerdings haben wir noch nicht die Anzahl der Patienten, die wir im Frühling erhalten haben.
TV-Frau: Okay, ich wiederhole: 540 ansteckende Einweisungen und 70 auf Intensivstation, damit die Zahlen klar sind. Ich glaube, es gibt ein Buch mit dem Titel „Coronavirus: Die Suche nach einem Impfstoff“. Ich nehme an, Sie haben die neuesten Nachrichten über die aus Russland und Deutschland kommenden Impfstoffe verfolgt. Gestern waren alle Augen darauf gerichtet, aber jetzt scheint es, dass der Impfstoff nicht für den Herbst bereit ist und dass der Impfstoff von Pfizer wirksamer zu sein scheint. Was denken Sie?
Arzt: Natürlich ist es immer profitabel, über einen Impfstoff zu sprechen, insbesondere nachdem man die Angst geweckt hat, zu glauben, dass dies notwendig ist. Weil wir ihn verkaufen müssen. Die Frage ist, ob wir den Impfstoff brauchen, ob er sicher und ungefährlich ist und ob er wirksam ist. In erster Linie doch, ist er notwendig oder nicht? Wenn es stimmt, dass die Ansteckung bereits eine große Masse von Menschen betroffen hat, warum ist es dann notwendig, die gesamte Bevölkerung zu impfen? Das erste, was wir tun müssen, ist gegen die Angst zu impfen, die wegen der sozialen Panik entstanden ist, die wir verursacht haben. Wir Ärzte sind darüber irritiert.
TV-Frau: Ihre Worte sind beruhigend, aber ich muss darauf bestehen, dass wir in Spanien durchschnittlich tausend positive Tests pro Tag haben.
Arzt: Schauen Sie sich die Anzahl der Infektionen mit Helicobacter pylori an. Es ist in 50 Prozent der spanischen Bevölkerung vorhanden. Dieses Bakterium ist Krebs erregend vom Typ 1, wie von der Weltgesundheitsorganisation eingestuft. Daher ist die Hälfte der spanischen Bevölkerung von Magenkrebs bedroht. Ist das eine ernste Situation? Ist es ein Notfall? Berichten die Medien darüber in den Nachrichten? Nein, weil es kein Notfall ist.
TV-Frau: Wie wir sagen, erwarten wir im September die Rückkehr einer hohen Zahl von Personal der großen Städte aus dem Urlaub. Was erwarten Sie? Sind Sie noch optimistisch?
Arzt: Für uns Ärzte, oder zumindest diejenigen, mit denen ich Kontakt hatte, etwa 200 bis 300 Ärzte und Krankenschwestern auf dem gesamten spanischen Territorium, wir haben verstanden: Es wurden Maßnahmen ergriffen, um alle im September einzusperren, indem man sie glauben lässt, dass sie sich im Sommer unverantwortlich verhalten haben. Es ist eine interessante Strategie, weil es für manche Menschen rentabler ist, keine Versorgung in Primärbehandlungszentren zu erhalten.
Strategisch funktioniert es, aber wir glauben nicht, dass es aus medizinischer Sicht richtig oder praktisch ist. Natürlich erwarten wir keine weitere Welle. Es wäre im Frühjahr schön gewesen, wenn die Presse von überfüllten Krankenhäusern gesprochen hätte, weil wir wirklich überrannt wurden. Wir mussten Patienten in Hotels unterbringen, weil wir unsere Kapazität überschritten hatten.
Im Frühling mussten wir darüber reden. Bevor es eine Pandemie gab, haben Sie nicht so darüber gesprochen, wie Sie es hätten tun sollen. Jetzt, wo es keine Pandemie gibt, reden Sie die ganze Zeit darüber! Ernsthaft, ich verstehe das nicht. Es scheint, als wären wir vom Thema abgekommen.
(Männlicher Interviewer: Wir haben die Kontrolle verloren, oder?)
TV-Frau: Ihr Protest löst Kontroversen aus… Mein Kollege, Javier Barosso wird an der Diskussion teilnehmen. Er ist ein Journalist bei uns im Studio.
TV-Mann: Doktor, ich weiß nicht, ob ich Sie missverstanden habe oder ob Sie sich nicht klar erklärt haben. Wir geben Ihnen den Vertrauensvorschuss, weil Sie sagten, wir hätten nicht über die Pandemie gesprochen. Seit März, April, Mai, Juni und bis jetzt nennen Sie die gesamte Bevölkerung Idioten? Entschuldigung, ich muss ehrlich sein!
Arzt: Ich nenne niemanden einen Idioten. (wird unterbrochen)
TV-Mann: Entschuldigen Sie? Wir haben nichts anderes getan, als 24 Stunden am Tag in den Medien über die Zahlen zu sprechen!
Arzt: Die Analyse der Daten war nicht korrekt.
TV-Mann: Hier haben alle Medien die Informationen so behandelt, wie sie es für richtig hielten. Aber um zu sagen, dass wir nie über die Pandemie gesprochen haben, in welcher Welt waren Sie?
Arzt: Ich war in den Krankenhäusern, mein Freund. Und Sie? Im Studio?
TV-Mann: Nein, ich war auf den Straßen. Ich sah Tote und kranke Menschen. Und ich sage Ihnen noch einmal, wir haben über die Pandemie gesprochen!
Arzt: Auf den Straßen? Haben Sie Sterbeurkunden unterschrieben?
TV-Mann: Leider hatte ich diese Chance nicht.
TV-Frau: Nun, belassen wir es dabei. Ich denke, jeder hatte die Möglichkeit, seine Meinung zu äußern. Dr. Benito, ich danke Ihnen, dass Sie bei uns gewesen sind.