Der Kollateral-Mord

„Collateral Murder“ löste im Jahr 2010 eine Mediensensation aus, führte zur Verhaftung Chelsea Mannings und den Ermittlungen gegen Julian Assange.

Eine der schockierendsten Enthüllungen von WikiLeaks ist das Video „Collateral Murder“, das die willkürliche Ermordung von Zivilisten im Irakkrieg 2007 und die scheinbare Freude der schießenden Hubschrauber-Piloten am Töten dokumentiert. Während die beteiligten Piloten unbehelligt blieben, setzte die Veröffentlichung des Videos im Jahr 2010 die Verfolgung von Julian Assange durch das US-Justizministerium in Gang, die schließlich in seiner Verhaftung im April dieses Jahres gipfelte. Um auf die bedeutende Arbeit von WikiLeaks aufmerksam zu machen, schildert Elizabeth Vos detailliert die Vorgänge in den und um die Videoaufnahmen, und beschreibt das Verhalten der involvierten Personen: Whistleblower, Militärs, Politiker und Medienvertreter.

„Collateral Murder“ löste im Jahr 2010 eine Mediensensation aus, führte zur Verhaftung Chelsea Mannings und zu Ermittlungen des US-Justizministeriums gegen Julian Assange, wie Elizabeth Vos hier berichtet. Doch die Kriegsverbrechen, die das Video aufdeckte, brachten sonst niemanden in Schwierigkeiten.

Consortium News hat am 23. April mit einer Artikelreihe unter dem Titel „Die Enthüllungen von WikiLeaks “ begonnen, die auf die wichtigsten weltverändernden Veröffentlichungen der Plattform seit ihrer Gründung 2006 zurückblickt. Diese Reihe ist ein Versuch, der Mainstream-Berichterstattung etwas entgegenzusetzen, die das Wirken von WikiLeaks ignoriert und stattdessen den Fokus auf die Persönlichkeit Julian Assanges legt. Es sind die WikiLeaks -Enthüllungen von Kriegsverbrechen und Korruption, die die USA dazu brachten, Assange zu verfolgen und die schließlich zu seiner Verhaftung am 11. April geführt haben. Das „Collateral Murder“-Video war nur die erste von vielen großen WikiLeaks-Enthüllungen, die den Journalisten Assange zu einem der meistgesuchten Männer der Welt machten – schlicht dafür, weil er es veröffentlichte.

Das Video, das Julian Assange ins Fadenkreuz der USA brachte

von Elizabeth Vos

WikiLeaks wurde 2006 gegründet, doch es war das am 5. April 2010 veröffentlichte Video „Collateral Murder“, das die Enthüllungsplattform zu einem internationalen Phänomen machte, das Bewunderer wie Feinde anzog.

WikiLeaks schrieb über die Aufnahmen:

„Das Video, aufgenommen durch die Zielvorrichtung eines Apache-Hubschraubers, zeigt deutlich die grundlose Ermordung eines verletzten Reuters-Mitarbeiters und seiner Helfer. Zwei Kinder, die sich an der Rettung beteiligten, wurden ebenfalls schwer verletzt.“

WikiLeaks merkte an, dass Reuters in den Jahren nach dem Angriff erfolglos versucht hatte, durch den Freedom of Information Act (das US-Gesetz über die Offenlegung offizieller Informationen; Anmerkung der Übersetzerin) Zugriff auf das Video zu erlangen.

Am Tag nach der Veröffentlichung des Videomaterials beschrieb die New York Times WikiLeaks als eine einst randständige Webseite, die nun ins Rampenlicht gerückt sei. „Die Webseite ist zu einem Dorn in der Flanke der Behörden in den Vereinigten Staaten und im Ausland geworden“, hieß es. „Mit dem Video des Angriffs im Irak ist das Clearinghouse für sensible Dokumente einen weiteren Schritt in Richtung einer Form von Investigativjournalismus und Anwaltschaft gegangen.“

Vor 2010 erhielt WikiLeaks einige renommierte Journalismus-Preise. Doch in den Jahren seit Veröffentlichung des Videos ist die Plattform mit Auszeichnungen überhäuft worden, darunter der Sam Adams Award für Integrität im Nachrichtendienst.

Am 16. April dieses Jahres verkündete WikiLeaks, dass sein Gründer Julian Assange eine weitere Auszeichnung erhalten habe, selbst während er in Einzelhaft in einem Londoner Gefängnis saß.

Auf Twitter schrieb WikiLeaks:

„Der Sydney Morning Herald berichtet: Julian Assange erhält den EU-Journalismus-Preis, der zu Ehren einer ermordeten Journalistin ins Leben gerufen wurde (GUE/NGL Award for Journalists, Whistleblowers & Defenders of the Right to Information der Vereinigung der linken EU-Parlamentsabgeordneten, zu Ehren der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia; Anmerkung der Übersetzerin).“

Chelsea Manning

„Collateral Murder“ war eine der bedeutendsten Veröffentlichungen, die mit Hilfe der damaligen Mitarbeiterin des Nachrichtendienstes der US-Armee Chelsea Manning getätigt wurden, wofür diese sieben Jahre in einem Militärgefängnis absaß.

Manning, die durch ihre Top-Secret-Sicherheitsermächtigung Zugriff auf das Video hatte, bot dieses zuerst der New York Times und der Washington Post an, die es beide ablehnten. Daraufhin wandte sich Manning an WikiLeaks.

Manning beschrieb die Ereignisse, die zu ihrer Entscheidung führten, das Video an die Presse weiterzugeben, 2013 in ihrer Aussage vor dem Militärgericht, wie aus durchgesickertem Audiomaterial hervorgeht.

Sie sagte, zu ihrer Entscheidung beigetragen habe, dass es Reuters verwehrt gewesen sei, durch den Freedom of Information Act Zugriff auf das Video zu erlangen. Und weiter:

„Der erschreckendste Aspekt des Videos war für mich der Blutrausch, den sie (die Piloten) zu genießen schienen. Sie entmenschlichten die Individuen, mit denen sie dort zu tun hatten, und schienen menschliches Leben nicht zu wertschätzen, da sie ihre Opfer als ‚tote Mistkerle‘ bezeichneten und sich gegenseitig zu ihrer Fähigkeit gratulierten, in großer Zahl töten zu können.“

Die Rechtsexpertin Marjorie Cohn ist eine derjenigen, die den Inhalt des Videos als Beweis für US-Kriegsverbrechen beschrieben haben. Daher, so argumentiert sie, sei Manning gesetzlich verpflichtet gewesen, derartige Informationen zu veröffentlichen. In einer Kolumne für Truthout aus dem Jahr 2013 zitiert sie die Genfer Konvention, das United States Army Field Manual (Armee-Handbuch der US-Armee; Anmerkung der Übersetzerin) und den Uniform Code of Military Justice (US-Gesetzbuch der Militärgerichtsbarkeit; Anmerkung der Übersetzerin) – in allen dreien ist die Pflicht eines Militärangehörigen festgeschrieben, sich rechtswidrigen Befehlen zu widersetzen.

Keiner der Piloten, Militärbeamten oder politischen Entscheidungsträger ist je verurteilt oder auf andere Weise für die in dem Video gezeigten Handlungen zur Rechenschaft gezogen worden.

Der Angriff der US-Armee mit einem Apache-Hubschrauber im Jahr 2007

Das Video „Collateral Murder“ zeigt, wie mit 30-mm-Kanonen bewaffnete Apache-Hubschrauber der US-Armee am 12. Juli 2007 im Stadtteil Al-Amin al-Thaniyah im Bezirk Baghdād al-dschadīda der irakischen Hauptstadt mehr als ein Dutzend Iraker erschießen. Unter den Toten sind der Reuters-Fotograf Namir Noor-Eldeen und sein Assistent Saeed Chmagh. WikiLeaks zufolge wurden bei dem Vorfall bis zu 25 Menschen getötet.

Nach dem ersten Angriff fuhren die Hubschrauber mit ihrem Beschuss fort und töteten Menschen, die anhielten und versuchten, den Verwundeten zu helfen. Berichten zufolge fuhr ein US-Panzer über einen Körper und zerschnitt ihn in zwei Hälften. In einem Interview mit Al Jazeera einige Tage nach der Veröffentlichung von „Collateral Murder“ identifizierte Assange die von dem Panzer überfahrene Person als Namir Noor-Eldeen.

Nachdem sie das verschlüsselte Material erhalten hatten, arbeiteten Assange und seine Mitstreiter eine Woche lang in Reykjavik in Island ununterbrochen daran, die US-Armee-Verschlüsselung des Videos zu knacken.

Kristinn Hrafnsson, der inzwischen als Chefredakteur von WikiLeaks arbeitet, reiste als Investigativjournalist in den Irak, um die Familien der Opfer zu finden und die Details der Ereignisse zu überprüfen, bevor das Video veröffentlicht wurde. Der New Yorker berichtete:

„Er (Hrafnsson) behauptet, er habe den Besitzer des Hauses gefunden, einen alten Mann namens Jabbar Abid Rady, der 1941 geboren wurde und pensionierter Englischlehrer ist. Abid Rady erzählte Hrafnsson, dass seine Frau und seine Tochter bei dem Angriff getötet worden seien. Auch fünf weitere Menschen, die in dem Gebäude gelebt hatten, seien seinen Angaben nach getötet worden. Noch im Bau befindliche Gebäude werden in von Krieg verwüsteten Gebieten oft zum Wohnen genutzt; die Menschen leben in den unteren Stockwerken, die meist zuerst errichtet werden und bewohnbar sind, bevor die Bauarbeiten abgeschlossen sind. Abid Rady erzählte Hrafnsson, dass in dem genannten Haus drei Familien gelebt hätten.“

Assange merkte an, dass die bewegten Bilder wesentlich mehr öffentliche Aufmerksamkeit erregt hätten als jegliches gedrucktes Material. „Es ist für die Menschen sehr einfach zu sehen, was vor sich geht“, wird er in dem im April 2010 ausgestrahlten Interview mit Al Jazeera zitiert. „Es ist nicht zu komplex, und bei visuellem Material gibt es keine Sprachbarrieren. Wir haben die Strategie, die hinter diesem Video steckt, bereits 2007 veröffentlicht, es ist eine Geheimstrategie des US-Militärs.“

An einer Stelle des Videos kann man das amerikanische Personal lachen hören, als sie sagen:

„Der Panzer ist gerade über einen Körper gefahren.“

Assange kommentierte dies, indem er sagte:

„Das war Namirs Körper.“

Die Reaktion des Militärs

Kurz nach den Ermordungen von 2007 – und drei Jahre, bevor das Video veröffentlicht wurde – wurde das US-Militär mit Worten zitiert, in denen es zu geringe Angaben zu der Zahl der Toten und den Umständen des Vorfalls machte.

Assange argumentierte, dass die Berichte des Militärs über ein „Feuergefecht“, das den auf dem Video zu sehenden Ereignissen vorangegangen sein soll, falsch dargestellt worden seien, um die Tötungen zu rechtfertigen.

Nach der Veröffentlichung von „Collateral Murder“ durch WikiLeaks habe das Pentagon die Authentizität des Videos bestätigt. Das Pentagon habe jedoch behauptet, es stünde nicht im Widerspruch dazu, dass die Hubschrauberbesatzung nach den Einsatzvorschriften gehandelt habe, so berichtet der Daily Telegraph.

Das US-Militär lehnte Forderungen nach einer Disziplinierung der Besatzung für den Tod des Reuters-Journalisten ab, da die Männer seinen Angaben nach nicht von den mutmaßlichen Aufständischen hätten unterschieden werden können. „Die Panzerfaust in dem Video ist echt“, zitierte der Telegraph einen Pentagon-Sprecher. „Es befanden sich Aufständische und Reporter in einem Gebiet, in dem ein Hinterhalt auf die US-Streitkräfte wartete. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir nicht erkennen, ob (Reuters-Mitarbeiter) Kameras oder Waffen trugen.“

Im Jahr 2013 sprach der pensionierte Oberstleutnant Chris Walach, Kommandant der Apache-Hubschrauber-Piloten, mit Democracy Now über die Videoaufnahmen. „Im Irak kann man Apache-Hubschrauber-Piloten keine Samthandschuhe überziehen, sie in den ultimativen Kampf schicken und verlangen, dass sie niederknien“, sagte er. „Das sind Angriffs-Piloten mit Handschuhen aus Stahl und sie betreten den Ring, um mächtige Schläge aus explosivem Stahl zu verteilen. Sie sind da, um zu gewinnen, und sie werden gewinnen.“

Kurz nach der Veröffentlichung von „Collateral Murder“ erschien Assange in der US-Satireshow „The Colbert Report“. An einer Stelle scherzte Gastgeber Stephen Colbert, Assange sei „ein toter Mann“. Colbert fragte Assange nach den angeblichen Feuergefechten, die den Ereignissen in dem Video vorangegangen sein sollten. „Das ist eine Lüge“, antwortete Assange (05.20/11:39). Er sagte, 28 Minuten zuvor habe es Berichte über Schüsse mit Kleinfeuerwaffen gegeben, und die über Baghdād al-dschadīda kreisenden Apache-Hubschrauber „hätten diese Menschen entdeckt und getötet“.

Reaktion der Politik

Am 11. April 2019, dem Tag von Assanges Verhaftung, schrieb Reuters-Reporter Alistair Smout rückblickend: „WikiLeaks hat Washington durch die Veröffentlichung hunderttausender geheimer diplomatischer US-Depeschen erzürnt, ebenso wie im Jahr 2010 durch die Veröffentlichung eines geheimen Videos des US-Militärs, in dem ein Hubschrauberangriff zu sehen ist, bei dem 2007 in Bagdad ein Dutzend Menschen getötet wurden, darunter zwei Reuters-Mitarbeiter.“

In den Tagen nach der Veröffentlichung von „Collateral Murder“ stellte sich der Pressesprecher der Obama-Regierung, Robert Gibbs, den Fragen von Reportern zu den Inhalten des Videos. Auf die Frage, ob die Handlungen des US-Personals „angemessen“ gewesen seien, antwortete Gibbs, er sei sich nicht sicher, ob Präsident Barack Obama das Video gesehen habe, und fügte hinzu:

„Viele von Ihnen sind zusammen mit dem Präsidenten gereist – sie sind mit diesem oder vorherigen Präsidenten in Kriegsgebiete gereist. Viele von Ihnen kennen Kollegen, die von überaus gefährlichen Orten auf der Welt berichtet haben. Unser Militär trifft jede nötige Vorkehrung, um die Sicherheit von Zivilisten zu gewährleisten, besonders jener, die im Auftrag von Nachrichtenagenturen aus diesen gefährlichen Gebieten berichten. Ehrlichgesagt weiß ich nicht genug darüber, was zuvor getan wurde, daher verweise ich Sie an das Verteidigungsministerium.“

Der damalige US-Verteidigungsminister Robert Gates warf WikiLeaks vor, das Video ohne Kontext gezeigt zu haben. „Diese Leute können veröffentlichen, was sie wollen, und nie werden sie dafür zur Verantwortung gezogen. Es gibt kein Davor und kein Danach“, meinte Gates, und er verglich das Ansehen des Videos mit der Betrachtung von Kriegsführung „durch einen Strohhalm“.

Er sagte weiter:

„Sie befinden sich in einer Kampfsituation. Das Video zeigt nicht das größere Bild des Beschusses amerikanischer Soldaten, dem sie ausgesetzt waren. Natürlich ist es hart anzusehen. Es ist schmerzhaft anzusehen, besonders, wenn man nachträglich erfährt, was vor sich ging. Doch Sie – Sie haben vom Nebel des Krieges gesprochen. Diese Leute haben in Situationen von Sekundenbruchteilen agiert.“

Die stärkste Reaktion auf das Video erfolgte in Form von Ermittlungen des US-Verteidigungsministeriums gegen Julian Assange, die höchstens sechs Monate nach der Veröffentlichung von „Collateral Murder“ und den folgenden Veröffentlichungen von Kriegsprotokollen der Einsätze in Afghanistan und dem Irak — Thema der nächsten Artikel in unserer WikiLeaks-Reihe — eingeleitet wurden, und die schließlich in seiner Verhaftung am 11. April 2019 gipfelten.

„Im Rahmen der Untersuchung wurde mindestens seit Oktober 2010 stillschweigend Material gesammelt, sechs Monate nach Verhaftung von Bradley Manning, dem Rekruten, dem die Herausgabe des Großteils des Geheimmaterials zur Last gelegt wird“, berichtete die New York Times im Juni 2013.

Laut einer eidesstattlichen Erklärung Assanges im September 2013 hatte das FBI bereits 2009 begonnen, Untersuchungen über ihn und WikiLeaks anzustellen.

Während das Justizministerium unter Obama vor der roten Linie, jenseits derer Journalismus kriminalisiert wird, gerade noch Halt machte, ist das Justizministerium unter Trump über diese Linie hinweggetrampelt und hat dabei dieselben Beweise genutzt, die die vorige Regierung nicht verwendet hatte.

Reaktion der Medien

„Collateral Murder“ wurde erstmals am 5. April 2010 bei einer Pressekonferenz des Journalistenverbands National Press Club in Washington gezeigt. Die New York Times berichtete:

„‚Es steht außer Frage, dass sich die Koalitionstruppen in einer Gefechtssituation mit einer feindlichen Kraft befanden“, sagte damals Oberstleutnant Scott Bleichwehl, ein Sprecher der multinationalen Streitkräfte in Bagdad.

Doch das Video zeigt keine feindlichen Handlungen. Stattdessen beginnt es damit, dass eine Menschengruppe auf einer Straße herumläuft, darunter – WikiLeaks zufolge – Noor-Eldeen und Chmagh. Die Piloten halten diese Menschen für Aufständische und verwechseln Noor-Eldeens Kamera mit einer Waffe. Sie zielen und schießen auf die Gruppe und ergötzen sich dann an ihren tödlichen Treffern.“

Die Reaktionen der Medien auf die Veröffentlichung des Videos fielen gemischt aus. Am Tag nach der Erstaufführung erschien unter dem Titel „Irak-Video verschafft einer Webseite Aufmerksamkeit“ ein Bericht in der Times. Darin wird die Kritik beschrieben, die WikiLeaks nach Veröffentlichung einer bearbeiteten Version des Materials erhalten hatte:

„Kritiker behaupten, das kürzere Video sei irreführend, da es nicht klar mache, dass die Angriffe im Kontext von Zusammenstößen in der Nachbarschaft stattfanden, und dass einer der Männer eine Panzerfaust bei sich trug.“

In den Monaten nach der Veröffentlichung des Videos berichtete die Australian Broadcasting Corporation über die Ansichten des Journalisten David Finkel, der für die Washington Post schreibt:

„(WikiLeaks) hat das Ganze in einen künstlichen, agendagesteuerten Kontext gesetzt. Es war eine Operation im Gange als Reaktion auf einen andauernden Krieg. Es war nicht so, dass Apache-Hubschrauber über der Stadt kreisten, um ein paar Leute zu finden, die sie einfach abschießen und töten konnten.“

Finkel war 2007 im Irak stationiert, als sich der Vorfall ereignete, und das Ereignis findet in seinem Buch The Good Soldiers Erwähnung.

Als Antwort auf derartige Kritik erklärte Assange dem Sender Al Jazeera, dass die Entscheidung für den Videotitel auf dem Moment basiere, in dem die Apache-Hubschrauber-Piloten den Lieferwagen und die Menschen beschossen, die angehalten hatten, um den Verletzten zu helfen. Assange sagte dazu:

„Deshalb haben wir es „Collateral Murder“, Kollateralmord, genannt. Als sie die erste Menschenansammlung unter Beschuss nehmen, sind das vielleicht übertriebene Kollateralschäden oder Inkompetenz, doch da können wir nicht sicher sagen, dass es Mord war. Doch dieser spezielle Vorgang, das ist eindeutig Mord.“

Medienvertreter, die sich inzwischen gegen Assange gewandt haben, sprachen ihm und WikiLeaks damals Lob aus.

Bereits am Tag der Veröffentlichung des Videos erschien im Guardian – der in jüngster Zeit einen Anti-Assange-Kurs fährt – ein Artikel, der die Probleme skizziert, die die Aufnahmen für die Militärbehörden darstellten:

„Darüber hinaus erfolgte die Veröffentlichung des Videos aus Bagdad kurz nachdem das US-Militär zugegeben hatte, dass seine Spezialkräfte versucht hatten, die Ermordung dreier afghanischer Frauen bei einem Angriff im Februar zu vertuschen, indem sie die Kugeln aus ihren Leichen herausholten.“

Zwei Tage nach der Veröffentlichung von „Collateral Murder“ veröffentlichte der Guardian, damals unter Chefredakteur Alan Rusbridger, eine Stellungnahme.

Darin hieß es, die Aufnahmen „werden von manchen als die wichtigste Enthüllung seit Abu Ghraib gepriesen und stellen nicht nur die Effektivität der Einsatzvorschriften des US-Militärs in Frage, sondern auch die Integrität der Berichterstattung durch die Mainstream-Medien über ähnliche Vorfälle.“

Zwölf Stunden nach Erscheinen des Videos bezeichnete James Fallows „Collateral Murder“ im Atlantic als „die schädlichste Dokumentation von Missbrauch seit den Gefängnis-Folterfotos aus Abu Ghraib“.

„Das„Collateral Murder“-Video ist eines der bekanntesten und anerkanntesten Ergebnisse des noch fortdauernden WikiLeaks -Projekts“, schrieb Christian Christensen, Professor für Journalismus an der Universität Stockholm, im Jahr 2014. „Genau diese Bilder waren, auf vielerlei Art, die Kristallisation der Schrecken des Krieges.“

In den Tagen nach der Veröffentlichung des Videos schrieb Haifa Zangana, Autorin und ehemalige Gefangene unter dem Regime von Saddam Hussein, einen Kommentar für den Guardian, in dem sie berichtete, ihre Familie lebe in der Gegend, in der die Angriffe stattgefunden hatten und die zuvor „so sicher war, dass die Kinder draußen spielen konnten“.
Weiter schreibt Zangana:

„Zeugen des Massakers berichteten über die entsetzlichen Details bereits 2007, doch sie mussten darauf warten, dass ein westlicher Whistleblower ein Video weitergab, damit ihnen jemand zuhörte. Als ich das Video sah, war mein erster Eindruck: Ich habe keinen Eindruck. Doch diese völlige Taubheit verwandelt sich langsam in eine inzwischen vertraute Wut. Ich höre die erregten Stimmen, die aus dem Himmel zu vernehmen sind, die die Jagd und das Töten genießen. Ich flüstere: Glauben die etwa, sie sind Gott?“


Elizabeth Vos ist freie Journalistin. Sie schreibt regelmäßig für Consortium News und ist Mitwirkende bei #Unity4J, einer Online-Mahnwache zur Unterstützung von Julian Assange.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „New CN Series: The Revelations of WikiLeaks: No. 1 — The Video that Put Assange in US Crosshairs". Er wurde von Melina Cenicero aus dem ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.