Der Gehorsamsvirus
Die Aufarbeitung der Coronakrise muss auch die Frage klären, warum so viele Deutsche den Vorgaben des Staates blind gefolgt sind.
Der Gehorsam, so könnte man denken, hat in Deutschland nach 1945 einen schweren Stand. Warum? Weil es gerade der Gehorsam der ausführenden Organe des Staates, aber auch der breiten Bevölkerung war, der die Menschenrechtskatastrophen des Holocaust und des Zweiten Weltkriegs erst möglich gemacht hat. Im Schulunterricht, in Politikerreden, in unzähligen Büchern und Filmen zum Thema „Drittes Reich“ wurden Widerstandskämpfer und Ungehorsame gefeiert, wurde der Mut zur eigenen Meinung als Tugend gerade den Nachkriegsdeutschen suggeriert, die aus der Geschichte gelernt hatten. Der Gehorsam war obsolet geworden, weil er Menschen auf maschinenhaftes Funktionieren und Reagieren reduzierte. Kein schlimmes Verbrechen wie Völkermord hätte je stattgefunden ohne Gehorsame, die es willig exekutierten. Schaut man sich aber die Medienberichterstattung während der Coronajahre und die Reaktion der meisten Bürger auf die damals gültigen, oft absurden und erniedrigenden Vorschriften an, so scheint es, als ob alle einschlägigen Erfahrungen aus der Geschichte wie ausgelöscht waren. Dieses Phänomen zu erklären, muss ein Schwerpunkt bei der Aufarbeitung der Corona-Verbrechen sein, wollen wir eine Wiederholung dieser auch für die meisten Bürger kläglichen Vorgänge verhindern.
Die allermeisten Coronaschäden sind auf menschliches Versagen zurückzuführen. Und nicht auf das Virus. Wie konnte es sein, dass wir alte Menschen grausam einsam sterben ließen? Wie kann es sein, dass jetzt so viele Menschen, Tausende sind es, durch die Impfung schwerstgeschädigt leben müssen?
Das hat etwas mit Untertanengeist zu tun. Mit Gehorsam. Was geschehen ist und immer noch geschieht, das geschah und geschieht nicht zuletzt deshalb, weil viel zu viele nach wie vor viel zu gehorsam sind. Weil viel zu viele am Gängelband gehen. Mit der Herde.
Darf man treu und brav alles tun, was die Obrigkeit von einem verlangt? Darf man alles, was von oben kommt, unkritisch glauben? Darf man einfach gehorchen, ohne kurz innezuhalten, ohne kurz zu zögern, ohne zu prüfen, warum und welcher Art Gehorsam gefordert wird? Es gibt einen, der ganz klar dazu sagt: „Nein!“ Arno Gruen. 2014, kurz vor seinem Tod, erschien ein kleines, sehr interessantes Bändchen von ihm mit dem Titel: „Wider den Gehorsam“.
In den vergangenen Jahren wurden wir politisch umerzogen. Und alle machten mit. Nun ja. Fast alle. In einem Land, das sich vor Antidiskriminierungsworkshops nicht retten kann, wurde offen zur Diskriminierung aufgerufen.
Selbst Anbieter von Antidiskriminierungsworkshops diskriminierten monatelang beim Zugang zu denselben. Und sahen darin keinerlei Widerspruch. Sahen darin keinerlei Prinzipienbruch. Sie gehorchten. Sie gehorchten angesichts einer — vermeintlich — sehr großen Gefahr. Dass es Stimmen gab, die sagten, so groß sei die Gefahr doch gar nicht, wurde geflissentlich ignoriert. Das hatte man nicht denken dürfen. Und man hatte gehorsam gehorcht.
Der Gehorsame wollte sich nicht erschüttern lassen, darum wurde jedes Denkverbot akzeptiert. Gehorsam und unhinterfragt übernahmen die allermeisten Menschen das von oben verordnete Framing. „Querdenker“ sind demnach per se „rechtsradikal“ und „antisemitisch“. Das wurde nachgeplappert, ohne sich jemals mit jemandem, der als „Querdenker“ gebrandmarkt worden war, beschäftigt zu haben. Sämtliche Anti-Parolen wurden vom Gros der Bevölkerung gehorsam verinnerlicht und weitergetragen. So auch die Nonsens-Parole der „Pandemie der Ungeimpften“. Eine Bereitschaft, selbst zu denken und sich ein eigenes Bild zu machen, war weithin nicht mehr zu erkennen.
Gefahren werden real
Kollektiv bildete man sich Gefahren ein, die so nie existiert hatten. Dieser Gehorsam hatte und er hat einen ungemein hohen Preis. Denn er ließ Gefahren erst entstehen, die nur durch den Gehorsam zur Gefahr wurden und es noch immer sind. Und zwar sind sie von einer Tragweite, die, vergegenwärtigt man sie sich, fassungslos macht. Heute weiß man: Die Impfung ist in inakzeptabel vielen Fällen ungemein gefährlich gewesen. Ich habe inzwischen mit mehreren Impfopfern gesprochen. Mit Menschen, die ihre Gesundheit verloren haben. Ihren Job. Ihren Lebensstandard. Mit Diffamierung müssen sie obendrein bis heute leben. Denn nur Querdenker können Impfopfer sein …
Gehorsam agierten nicht zuletzt Journalisten, die ihren Blick wie auf Geheiß von unguten Verflechtungen, Filz und Korruption abwandten. Die keine Zusammenhänge nachrecherchieren und keine unheilvollen (Geld)Verbindungen aufzeigen wollten. Die sich weigerten, hinter die Kulissen zu schauen. Auf den gigantischen „Corona-Komplex“. Das hätte ja das Narrativ, wie man so schön sagt, noch viel früher zum Einsturz gebracht. „Jeder, der es wagt, von der erlaubten Erzählung abzuweichen, ja jeder, der sich weigert, ihre radikalste Version zu vertreten, gilt als Fanatiker“, beklagte bereits im Dezember 2020 ein Journalist der polnischen Zeitung Rzeczpospolita.
Warum hat sich nicht in unser kollektives Gedächtnis eingraben können, wie unheilvoll bedingungsloser Gehorsam ist? Diese Frage stellte ich mir immer wieder, wenn ich sah, wie willig die meisten Menschen mitmachten.
Wie sie sich standhaft weigerten, zu zweifeln. Friedrich Nietzsche, schreibt Arno Gruen im Prolog seines Essays „Wider den Gehorsam“, hielt die „ideale“ Welt für eine Lüge, „weil sie aus jasagenden, sich selbst verleugnenden Menschen bestand“. Die Angst, so Arno Gruen, ungehorsam zu sein, führt stets dazu, „sich dem Unterdrücker unterzuordnen“. Das Bedürfnis nach Gehorsam ist nach seinen Analysen „ein grundlegender Aspekt unserer Kultur“.
Der ganz große Filz
Nach wie vor berichten Medien über Filzokratie in deutschen Rathäusern. Im November 2022 veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung zum Beispiel einen Bericht über die Frage, wie weit denn der Filz in den Verwaltungen reicht. Anlass war eine Rathaus-Razzia in Bamberg: Gegen Spitzenpersonal, darunter den Bamberger Oberbürgermeister, wurden Strafbefehle wegen Untreue verhängt. Vor dem „Coronafilz“ allerdings schloss man gehorsam die Augen. Darüber sollte nichts an die Öffentlichkeit dringen. Gehorsam sorgten Journalisten genau dafür. Niemand sollte verunsichert werden. So der politische Wille. Willig spielten die Medien mit und hielten die Unsicherheit so gering wie möglich.
Und so kam es, dass wir in den letzten drei Jahren eine globale Katastrophe von nie gekanntem Ausmaß erlebten. Weltweit verloren viele tausend Menschen ihren Job. Und damit ihre Existenzgrundlage. Die wesentlichsten Grundrechte galten nicht mehr. Freiheit wurde zu etwas, das sich lediglich solche Menschen anzumaßen trauten, die gehorsam als „Solidaritätsschweine“ betrachtet wurden. In „Wider den Gehorsam“ schreibt Arno Gruen:
„Wir erkennen unseren Gehorsam (…) überhaupt nicht mehr. Wir leugnen sogar, moderne Sklaven und Knechte des Gehorsams geworden zu sein.“
Der Gehorsame ist bereit, sich um 180 Grad zu drehen. Während der Ungehorsame, einmal zur Erkenntnis gelang, bei seinem Standpunkt bleibt.
Auch wenn dieser Standpunkt der herrschenden Ansicht diametral entgegengesetzt ist. Der Ungehorsame ist nicht imstande, einfach zu einer anderen, ihm fremden Meinung überzuwechseln. Nur, um nicht anzuecken. Um nicht unbequem zu werden. Nur, um sich keine Unbequemlichkeiten einzuhandeln. Der Ungehorsamen sind wenige. Die meisten, so Arno Gruen, spürten die Fesseln schon gar nicht mehr:
„Und deshalb ist der Kampf gegen diese Knechtschaft, der Kampf gegen den Gehorsam so schwierig.“
Wachsweiche Erklärungen
Der Gehorsame nimmt wachsweiche Erklärungen hin. Der Gehorsame applaudierte, als am 26. Dezember 2020 in Schleswig-Holstein die ersten Impfdosen eintrafen. Den Gehorsamen interessierten nicht die massiven Finanzinteressen der von der Gates-Stiftung mitgegründeten Initiative CEPI (Coalition for Epidemic Preparedness Innovations). Der Gehorsame stutzte nicht, als bis dato unscheinbare Start-Ups in sensationell kurzer Zeit sogenannte „Impfstoffe“ mit einer Technologie entwickelten, bei der sie den ursprünglichen Fokus der Krebsbekämpfung flugs auf das SARS-CoV-2 drehten.
Politische Bildung sollte sensibel machen dafür, wenn sich gradweise etwas verändert. Exakt dieses politische Gespür, stellte sich in der Coronakrise heraus, hat hierzulande kaum jemand. Plötzlich erwachten böse Geister, die man in der Vergangenheit verbannt geglaubt hatte: Von Diffamierung bis Denunziation feierte alles abermals fröhliche Urstände. „Fest verankerte Konventionen verführen zu reflexartigem Gehorsam, veranlassen uns, Obrigkeit nicht in Frage zu stellen“, schreibt Arno Gruen. Menschen in unserer Gesellschaft würden zu Gruppendenken verleitet. Und dieses Gruppendenken mache unfähig, selbst zu denken und selbstbestimmt zu handeln.
Während der Coronakrise galt man entweder als Musterknabe oder „Querdenker“. Es gab fast nur noch Schwarz. Oder Weiß. Der Musterknabe musste glauben, dass das Virus einer Zoonose entsprang. Die frühe Ahnung, die sich nun mehr und mehr bewahrheitet, dass es aus einem Labor entwichen war, galt als „böse“. Galt als rechts. Wir sind, konstatiert Arno Gruen, „in der Lage, die Wirklichkeit auszublenden, blind zu werden, um den uns bedrohenden Terror nicht sehen oder überhaupt wahrnehmen zu müssen“. Wohl gemerkt: Das schrieb der Psychoanalytiker lange vor der Coronakrise. Er beschrieb dies als allgemeingültige Einsicht. Die schließlich wahrer denn je geworden ist.
Nicht zuständig
Selbst Menschen, die sich in den guten Zeiten vor der Coronakrise an jeder Ecke für Zivilcourage stark machten, knickten komplett ein. 2021 fragte ich bei Antidiskriminierungsstellen nach, ob sich denn Bürger melden würden, die sich wegen ihres „Impfstatus“ diskriminiert fühlten. Ich wurde darauf verwiesen, dass dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zufolge kein Bürger aus Gründen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Weltanschauung, einer Behinderung oder der sexuellen Identität benachteiligt werden dürften. Von „Impfung“ oder „Impfstatus“ sei im AGG keine Rede. Von daher sei man nicht zuständig.
Ganz arg kritisch zu sein, bedeutete in der Hochphase der Coronakrise, dass man Gefahr lief, sich zum Bettler machen zu lassen. Menschen verloren ihre Posten. Verloren ihren Job. Bekamen Besuch von der Polizei. Die Gehorsamen applaudierten unterdessen den Erfolgsmeldungen der Politik. „Aktuell werden im Wochenschnitt jede Sekunde fast acht Personen geimpft“, jubelte Stephan Stracke Anfang Mai 2021 im Bundestag. Das sei ein „großartiger Erfolg“.
Zeitgleich informierte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), dass Ärzte aufgrund einer Anpassung in § 60 Infektionsschutzgesetz kein Haftungsrisiko für Impfschäden tragen, so sie die „Impfung“ ordnungsgemäß durchführten. Gehorsam wurde leichtgemacht.
Vielleicht liegt in dem, was ein anderer sagt, auch wenn es noch so befremdlich klingt, ein Gran Wahrheit. Mir dies immer vor Augen zu halten, ist für mich nicht nur als Journalistin eine eherne Maxime. Während der Coronakrise — und jetzt wieder beim Ukraine-Krieg — tun die meisten jedoch alles, um sich persönlich nicht von dem verunsichern zu lassen, was sie völlig unreflektiert glauben. Es ist ja alles schon schwierig genug. Es ist alles schlimm genug. Es ist alles derart frustrierend. Arno Gruen konstatiert, treffend für eben jene Situation: Man suche „die Erlösung von den Schmerzen gerade bei jenen, die einem diese Schmerzen zugefügt haben“.
Fast unbemerkt
Und plötzlich hatten bestimmte Dinge sich verselbständigt. Fast unbemerkt sind gewisse Sachen außer Kontrolle geraten. Ein mir gut bekannter Mensch, der sich seit Jahren intensiv für Opfer von Medizinschädigungen einsetzt, antwortete mir auf die Frage, ob ihm inzwischen auch Impfopfer untergekommen seien: „Nein, die gehen zu den Querdenkern.“ Dieser Mann, dem die Abgründe des Medizinsystems aufgrund seines Engagements gut vertraut sind, glaubt unhinterfragt dem herrschenden Narrativ, dass Impfschädigungen etwas „extrem Seltenes“ seien. Und von den Schäden, die inzwischen bekannt sind, seien wahrscheinlich die meisten eingebildet.
Spannend bleibt die Frage, warum die einen, die meisten, jeden Befehl brav und bieder ausführen. Wenn er in einem bestimmten Gewand daherkommt. Und andere die Ausführung bestimmter Befehle ungehorsam ablehnen. Egal, was ihnen droht.
Nachdem ich nun drei Jahre lang darüber nachgedacht habe, stieß ich vor wenigen Wochen auf ein biblisches Bild, das mir sehr erhellend vorkommt: Genauso war es im Paradies gewesen. Adam hielt sich an das Verbot, nicht vom Baum der Erkenntnis zu essen. Eva hielt sich nicht daran. Eva aß. Eva gelangte zur Erkenntnis. Sie gelangte zu einer bitteren Erkenntnis. Die sie aus dem Paradies vertrieb.
Es sind und es waren stets die wenigeren, die sich nicht davon überzeugen ließen, dass sie eine Anweisung befolgen müssen, nur weil sie von oben kommt. Das hatte sich trotz des grandiosen Katzenjammers nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs nicht geändert. Obwohl nach 1945 die Appelle, ungehorsam zu sein, vergleichsweise stark waren.
„Geben Sie Ihre eigene Individualität nicht gänzlich auf in blindem Gehorsam zu einer künstlichen Einheit“, appellierte Major-General Eric Paytherus Nares in der TU Berlin-Charlottenburg am 9. April 1946. Und: „Seien Sie eine Gesellschaft von freien, verantwortlichen Menschen.“
Nach wie vor gibt es viele ungehorsame, mutige, freie Menschen, ich denke etwa an Jacob Appelbaum, ein Netzaktivist aus den USA, der mit aufgedeckt hatte, wie der NSA das Handy von Angela Merkel abhörte. Ich denke an Edward Snowden. Ich denke an Julian Assange. Ich denke an den Arzt Gunther Frank. Ich denke an Paul Schreyer. An Tom Wellbrock. An Ulrike Guérot. Wolfgang Wodarg. Milena Preradovic. Paul Brandenburg. Sahra Wagenknecht. An Michel Ballweg, der vor Kurzem erst aus neunmonatiger Untersuchungshaft entlassen wurde. Und etliche andere mehr.
Die Geschichte lehrt uns, dass wir manchmal die Erlaubnis verweigern müssen. Zwingend. Weil unsere Geschichte uns dies lehrt, findet diese Pflicht ihren Niederschlag im Grundgesetz.
In Artikel 20 Absatz 4 wird es quasi zur Pflicht erklärt, gegen Missstände vorzugehen. Wörtlich heißt es:
„Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“
Gemeint ist die Ordnung der parlamentarischen Demokratie, des sozialen und föderalen Rechtsstaats, die in Artikel 20 Absatz 1 bis 3 genannt werden.
Gehorsam scheint eine typisch deutsche Eigenart zu sein. Schon Heinrich Mann beschrieb die Untugend des Gehorsams in seinem Roman „Der Untertan“. „Jetzt, hundert Jahre nach Erscheinen der Erstausgabe, erweisen sich die gesellschaftlichen Diskurse des Textes als zeitlos“, konstatierten die „Lübecker Museen“, die bis zum 31. März 2023 die Sonderausstellung „Der Untertan. Über Autorität und Gehorsam“ zeigten. Themen wie Macht, Autorität, Gehorsam, Zensur, Ausgrenzung, Teilhabe, Patriarchat und Gewalt stünden wieder im Zentrum von Debatten des gesellschaftlichen Miteinanders.