Der ganz normale Faschist
Der Totalitarismus stützt sich auf die Mehrheit der willigen Mitläufer.
Wie kann es sein, dass totalitäre Regime, wie das derzeitige, von einem großen Teil der Menschen einfach so akzeptiert werden? Warum bleibt der große Aufstand gegen die ganz und gar unmenschlichen Auswüchse eines offenkundig faschistischen Systems aus? Warum verteidigen viele Menschen sogar noch aktiv die unmenschlichen Zustände? Wie seit jeher, stützt sich auch dieser faschistische Totalitarismus auf die große Menge der passiven Mitläufer. Sie sind die ganz normalen Faschisten, die jede Grausamkeit des Systems möglich machen.
Lange kann er unsichtbar bleiben. Er erscheint wie ein normaler Mensch, wie jeder andere um ihn herum, denn letztlich ist er genau das: ganz normal. Er geht einem Beruf nach, hat einen geregelten Tagesablauf, ein Einkommen, vielleicht ein Haus und ein Auto, und ist unauffällig. Doch in Zeiten der Krise, in Zeiten totalitärer Regime, da schlägt seine große Stunde, da tritt er aus dem Schatten des Alltäglichen hervor und offenbart sein wahres Gesicht. Dann erst ist er in seinem Wesen vollständig zu begreifen, der ganz normale Faschist. Denn mit einem Mal wird der brave Mitbürger, der freundliche Nachbar, der nette Kollege, zum glühendsten Anhänger des totalitären Regimes, macht sich selbst zum fleißigsten Vollstrecker jeder noch so absurden Regel, lässt in vorauseilendem Gehorsam größere Strenge walten als das Regime selbst.
Der ganz normale Faschist ist ein kleiner Geist, nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen. Er hat sich sein ganzes Leben in autoritäre Strukturen eingefunden, es sich darin regelrecht gemütlich gemacht.
An Hierarchie und Autorität ist er gewöhnt, das Befolgen von Befehlen ist sein ganzer Lebensinhalt. Das Denken überlässt er lieber anderen, Anordnungen und Befehle zu hinterfragen kommt in seiner Welt nicht vor. Sein Streben ist auf maximalen Gehorsam gerichtet. Er ist erpicht darauf, seinem Herrn und Meister zu beweisen, dass er ein verlässlicher Diener ist. Was in vortotalitären Zeiten noch eine unschuldige, wenn auch etwas bemitleidenswerte „Qualität“ zu sein scheint, wird in totalitären Regimen zu einer Gefahr für alle diejenigen, die sich dem Regime nicht bedingungslos unterwerfen. Denn auf diese Weise wird der ganz normale Faschist zum verlängerten Arm des Regimes, trägt seine Ideologie bis in sein Privatleben hinein, wird zum eifrigen Denunzianten der non-konformen Nachbarn und Bekannten.
Denn der ganz normale Faschist wähnt sich auf der Seite des Guten. Er dient dem Staat, wie er es seit jeher getan hat, und glaubt, dieser Staat sei um das Wohl aller Menschen besorgt. Die totalitären Züge, die sein geliebter Staat annimmt, leugnet er vollständig. Er ist blind gegenüber jeder Form der Diktatur, des Totalitarismus im eigenen Land, wohingegen er ihn im Ausland stets mit sicherem Auge zu erkennen glaubt. Die Freiheit sieht er da in Gefahr, wo er selbst sich nicht aufhält. Denn mit Freiheit an sich kann der ganz normale Faschist eigentlich überhaupt nichts anfangen. Im Gegenteil, sie verunsichert ihn. Er braucht eine ordnende Hand, die seinem Leben Sinn und Richtung gibt. Eben weil er schon in vortotalitären Zeiten ein eifriger Diener des Staates und an Freiheit nicht sonderlich interessiert war, ist er blind für die totalitären Entwicklungen seines geliebten Herrn und den Freiheitsverlust im eigenen Land. Jede Strenge, jede Härte auch gegenüber ihm selbst, rechtfertigt der normale Faschist mit Notwendigkeit. Ein Notstand ist eingetreten, da muss der Staat zum Wohle aller hart durchgreifen.
Intoleranz
Denn pflichtbewusst konsumiert der ganz normale Faschist jeden Tag die von seiner Regierung ausgegebene Propaganda und hält das darin Gesagte für die einzige Wahrheit. Gegenteilige Ansichten, Interpretationen, Bilder und Fakten sind für ihn nichts als Desinformation, falsche Wahrheiten, die von in den Propagandamedien als Feinden Titulierten, gezielt zur Zerstörung der Gesellschaft gestreut werden.
Jede abweichende Meinung, jede andere Sicht auf die Welt ist für den ganz normalen Faschisten unerträglich, vor allem dann, wenn sie zur Folge hat, dass man sich staatlichem Handeln eben nicht unterwirft. Es führt ihm seine eigene Kleingeistigkeit, seine Abhängigkeit von der staatlichen Ideologie vor Augen und eröffnet eine alternative Art zu leben, die er sich selbst jedoch ganz und gar verwehrt.
So ist er von der staatlichen Propaganda voll und ganz abhängig. Sie strukturiert nicht nur seinen Tag, sondern auch sein ganzes Selbstverständnis und dient der Verortung auf der Seite des „Guten“. Das führt dazu, dass der ganz normale Faschist auch durch jede noch so offenkundige Lüge des Regimes und seine Widersprüche nicht von seiner Gefolgschaft abgebracht werden kann. Er findet für jede Absurdität, jede Lüge und jeden Widerspruch eine Rechtfertigung, die das Regime in seinem persönlichen Ansehen als glanzvoll, gut und schön dastehen lässt. Denn das Regime ist zur einzig möglichen Existenzgrundlage, zur einzigen Möglichkeit der Organisation des Lebens geworden.
Alles, was davon abweicht, ist eine Bedrohung für den ganz normalen Faschisten, da es sein begrenztes Weltbild nicht nur übersteigt, sondern auch dessen Existenz als einzig mögliche Alternative in Frage stellt. Alternativen schaffen Unsicherheit der eigenen Verortung in der Gesellschaft, Alternativlosigkeit daher Sicherheit und Beständigkeit. Wer Alternativen nicht kennt, muss sein eigenes Leben nicht infrage stellen. Um seinen eigenen Gehorsam zu rechtfertigen, muss jeder, der anders denkt, spricht und handelt, vom Regime, aber auch vom ganz normalen Faschisten zu einem Feind erklärt werden, und da kommt dem ganz normalen Faschisten die herrschende Propaganda zugute, die genau das tut. So klammert er sich geradezu an diese.
Denn, auch das ist wichtig, der ganz normale Faschist benötigt ein Feindbild, jemanden, der ihm und seinem geliebten Staat das Leben schwer macht. Dieser Feind rechtfertigt jedes harte Vorgehen, jede Verschärfung von Gesetzen, jede Verfolgung. Und der ganz normale Faschist will da natürlich nicht hintanstehen. Er will zeigen, dass er ein brauchbarer Bürger ist, im faschistischen System. So nimmt er die Ideologie des Staates ernster, als selbst die Regierungsvertreter, erfüllt jede noch so sinnlose und absurde Forderung und scheut auch nicht, seine eigenen Gesundheit oder gar sein Leben zu gefährden, um der Obrigkeit zu gefallen.
Keine Überzeugung
Dies tut er aber nicht, weil er aus Überzeugung heraus handelt. Der ganz normale Faschist selbst hat gar keine Überzeugung. Er hat sich noch nie vertieft mit etwas beschäftigt, was außerhalb seines sehr begrenzten Horizonts liegt. Schon gar nicht hat er sich mit Fragen über den Sinn seines Lebens auseinandergesetzt oder ist sich seiner eigenen Wünsche und Vorstellungen bewusst. Er verdrängt und unterdrückt alles, was seine Persönlichkeit ausmacht, und reduziert sich auf das reine Funktionieren im System. Deswegen konnte er nie ein eigenes Weltbild ausprägen, sondern bedient sich der vorgegebenen Denkmuster, Denkschablonen, Begriffe und Ideologien. Das erkennt man auch daran, dass er die von den Propagandamedien in den Ring geworfenen Propaganda- und Diffamierungsbegriffe unreflektiert verwendet, sich der angeordneten Denkschubladen bedient, und sein eigenes Weltbild von diesen bestimmen lässt, ja es geradezu um sie herum und in sie hinein ordnet. Ebenso unreflektiert führt er jede Anordnung der Obrigkeit aus, selbst wenn es keine direkten Befehle sind. Denn er liest dem Regime jeden Wunsch von den Lippen ab und erfüllt ihn bereitwillig.
Zwänge er das nur sich selbst auf, so wäre der ganz normale Faschist zwar eine bemitleidenswerte Figur, aber keine Gefahr für seine Mitmenschen. Zu dieser wird er, indem er dasselbe von seinem Umfeld erwartet. Er wird zum Durchsetzer staatlich auferlegter Pflichten im privaten und im beruflichen Umfeld. Mit glühendem Eifer setzt er die staatliche Ideologie bei jeder sich bietenden Gelegenheit durch. Sei es im Supermarkt, wo er jeden, der es nicht hören will, auf das Tragen der Maske hinweist, sei es zuhause, wo er sich selbst permanent auf ein Virus testet, und von seinen Mitmenschen dasselbe verlangt. Es erfüllt ihn geradezu mit Stolz, zum auserwählten Teil der Bevölkerung zu gehören, sei dieser nun definiert durch „Abstammung“, „Klassenzugehörigkeit“ oder „Impfstatus“.
Er inszeniert die eigene Unterwerfung als stolz zur Schau gestellte Pflichterfüllung. Dabei begibt er sich mit missionarischem Eifer daran, alle und jeden von der Ideologie des Regimes überzeugen zu wollen, sich lautstark gegen jene auszusprechen, die ihr nicht folgen, und sie letztendlich auszugrenzen.
Nichts lässt er unversucht, um von sich behaupten zu können, zu „den Guten“ zu gehören. Stets demonstriert er seinen absoluten Gehorsam, auf Lob von der Obrigkeit gierend. Dieses Lob, sei es nun direkt von einem Vorgesetzten oder durch die Propagandamedien vermittelt, füllt sein leeres Inneres mit einem wohlig warmen Gefühl der Zugehörigkeit.
Der ganz normale Faschist ist auf Sicherheit und Stabilität bedacht. Er hat sich eingefunden in ein Leben, das berechenbar, vorhersehbar und daher durch und durch langweilig ist. Jede Störung in dieser Berechenbarkeit verunsichert ihn zutiefst und erfüllt ihn mit Todesangst. Um diese Angst zu beseitigen, ist er alles zu tun gewillt. So klammert er sich an seinen Herrn, den Staat, der diese Krise zwar selbst heraufbeschworen, ja geradezu herbeiillusioniert hat, und nimmt die billigen und einfachen Auswege aus der Angst, die dieser Herr und Meister bietet, dankbar entgegen. Die geforderte Unterwerfung unter die Doktrin der Regierung ist er ohnehin schon gewohnt, und so ist die Selbstaufgabe, der Gehorsam, die Selbstkasteiung für ihn nur die nächste Stufe in der permanenten Selbstverleugnung.
Er geht in seinem Leben immer den Weg des geringsten Widerstandes und richtet es sich bequem ein. Auf diese Weise entgeht ihm jede Möglichkeit des persönlichen Wachstums, der Selbsterkenntnis und der Individuation. Doch legt er darauf auch keinen Wert, denn er befindet sich in einer ganz und gar kindlichen Geisteshaltung, in welcher der Staat die Eltern ersetzt hat. Erwachsen zu werden ist gar nicht sein Wunsch, denn die Abhängigkeit bietet Sicherheit und Beständigkeit. So wird er zwar älter, doch geht damit kein Prozess des persönlichen Wachstums einher.
Der kleine Diktator
Besonders gefährlich wird der ganz normale Faschist, wenn er in eine höhere Position des totalitären Regimes gelangt. Denn dann setzt er alles daran, die herrschende Ideologie in staatliches Handeln umzusetzen. Wenn ein tatsächlicher oder imaginierter Feind das Regime bedroht, dann setzt er sein ganzes Sein für dessen Bekämpfung ein, auch wenn das bedeutet, ganze Bevölkerungsgruppen zu vernichten. Dabei ist er kein grausamer oder böser Mensch. Er erfüllt nur seine als notwendig erachteten Aufgaben mit einem preußischen Pflichtbewusstsein, das ihm Lob und Anerkennung garantiert. Der ganz normale Faschist ist lediglich von dem Motiv geleitet, seinem Herrn zu gefallen und ihn gegen alle Unbill zu verteidigen. Vielleicht treibt ihn auch der Wunsch an, in der Hierarchie weiter aufzusteigen, Karriere zu machen. Dann macht er sich besonders verdient, indem er in vorauseilendem Gehorsam die vom Regime aufgestellten Regeln in absurder Strenge überdehnt und die nächsten Schritte der totalitären Bewegung bereits vorwegnimmt. Er wird dann in seiner Position zu einem strengeren Despoten als sein eigentlicher Herr.
Der ganz normale Faschist ist durch seine jahrelange Unterwerfung in einem hierarchischen Machtapparat schon vor dem Totalitarismus ein autoritärer Charakter geworden. Macht akzeptiert er als etwas ganz Natürliches und empfängt daher Befehle mit einer Selbstverständlichkeit, die freiere und selbstbestimmtere Geister selten nachvollziehen können. Ebenso selbstverständlich übt er aber auch Macht aus. Denn durch seine ständige Unterdrückung staut sich in ihm ein unbewusster Frust auf, dem die eigene Machtausübung als Ventil dient. Ganz normale Faschisten findet man daher oft im öffentlichen Dienst, als Beamte oder auch als Schaffner im Zug. Jedes kleine bisschen Macht, das ihm gewährt wird, nutzt er zu despotischem Verhalten maximal aus. Gerade in Zeiten des Totalitarismus erweitern sich seine Machtbefugnisse, und er wähnt seine Zeit als autorisierter Berufsdiktator gekommen. Er ist dabei ein unglaublicher Wichtigtuer und Pedant, pocht auf Regeln, die er selten überhaupt wirklich kennt, und überschätzt seine Bedeutung maßlos.
Ebenso schnell, wie er aus dem Schatten hervorgekrochen ist, verschwindet der ganz normale Faschist auch wieder, wenn sich der Wind dreht. Dann wird er vom glühendsten Faschisten zum eifrigsten Demokraten, war „schon immer dagegen“, oder hat „von nichts gewusst“.
Er ist also Opfer des sogenannten Wendehalssyndroms. Trotzdem wird er nie zugeben, dass das, was er im Namen der totalitären Ideologie gedacht, gesagt und getan hat, falsch gewesen wäre. Das liegt daran, dass er sein eigenes Weltbild aus der gerade vorherrschenden Ideologie, Idee oder Gesellschaftsstruktur generiert. Für ihn ist nichts wichtiger, als in das momentan herrschende System hineinzupassen, sich darin einzufügen und dort zu funktionieren. Dabei will er um nichts auf der Welt in irgendeiner Form negativ auffallen. Das macht den ganz normalen Faschisten zu einer ganz und gar passiven Figur. Passiv nicht in dem Sinne, dass er nicht handelt. Natürlich handelt der ganz normale Faschist, unter Umständen können seine Handlungen großes Leid anrichten. Doch er handelt stets nur im Rahmen der ihm zugedachten Funktion, und wird diese nicht transzendieren. Passiv ist er in dem Sinne, dass er sein Weltbild, seine Überzeugungen nicht selber formt, sondern sich formen lässt, Befehle unhinterfragt übernimmt und sie ohne zu zögern ausführt, ohne das begrenzte Denkschema des Regimes zu transzendieren.
Aktive Faschisten
Daneben gibt es auch noch den aktiven Faschisten. Dieser unterscheidet sich von dem ganz normalen Faschisten darin, dass er die Ideologie für sich selbst definiert und diese Definition anderen aufzwingt oder aber über den Rahmen der ihm zugedachten Funktion hinaus handelt und sich bewusst zum Kämpfer für die herrschende Ideologie macht. Während der ganz normale Faschist über seine reine Abneigung gegenüber Nonkonformisten nie hinauskommt, beteiligt sich der aktive Faschist auch an den Kämpfen auf der Straße und in den Medien, um die herrschende Ideologie durchzusetzen. Er bekämpft aktiv Abweichler, unter Umständen auch mit Gewalt, auf jeden Fall aber mit einer eskalierenden Sprache. Die aktiven Faschisten sind für eine, für das System notwendige, Eskalation gegenüber Andersdenkenden unentbehrlich. Sie sind daher gehäuft in den Propagandamedien anzutreffen, wo sie an der verbalen Eskalationsschraube drehen, oder treten als Straßenkämpfer in Form von Sturmtruppen auf. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Straßenkämpfer sich als „rechts“ oder „links“ definieren, sie sind die totalitären Erfüllungsgehilfen faschistischer Regime.
Die ganz normalen Faschisten machen einen großen Teil der Bevölkerung aus. Jeder kennt mehrere ganz normale Faschisten, die stets nur darauf bedacht sind, ihren Lebensstandard zu erhalten, nicht aufzufallen und einfach „das Richtige“ zu tun. Die ganz normalen Faschisten vollziehen jede Wendung mit, sind in ihrer Passivität keine Gegner bei dem Versuch, das Regime zu bekämpfen. Die Gefahr ist die kleinere Gruppe der ganz und gar durchideologisierten aktiven Faschisten. Diese verfolgen stets die Gegner des Regimes mit missionarischem Eifer, werfen sich in jede Schlacht, wie sinnbefreit sie auch sein mag. Dabei unterscheiden sie Freund und Feind nicht anhand konkreter Inhalte, sondern lediglich anhand der Propaganda des Regimes.
So kann es auch heutzutage dazu kommen, dass Menschen für Freiheit und Selbstbestimmung auf die Straße gehen, und die faschistischen Straßenkämpfer unter dem Schlagwort des „Antifaschismus“ dagegen ankämpfen.
Mit den Inhalten derjenigen, die sie bekämpfen, haben diese faschistischen Straßenkämpfer sich nicht befasst. Sie leiten ihre Abneigung lediglich aus der staatlichen Propaganda und aus ihrer eigenen, ideologischen Verwirrung ab. Denn wenn das Regime zum Guten der Menschen handelt, dann muss jeder, der gegen dieses Handeln protestiert, automatisch nur das Böse im Sinn haben. Die ideologisierten Straßenkämpfer sind vollkommen blind für die Zerstörung, die ihre Ideologie anrichtet.
So wichtig die aktiven Faschisten für das System auch sind, um die Ideologie und die Eskalation voranzutreiben und die Andersdenkenden zu bekämpfen, so stützt das totalitäre Regime sich im Wesentlichen doch auf die passiven, die ganz normalen Faschisten, die treu und pflichtbewusst ihre Arbeit im Regime verrichten und im Kleinen eher unauffällig zugunsten der herrschenden Ideologie wirken. Sie formen als Lehrer die ideologisch indoktrinierte, nächste Generation, betätigen sich in der Funktion des Staatsanwaltes oder Richters als Erzieher des Volkes im Sinne des herrschenden Regimes. So verleihen sie dem Regime und seiner Ideologie die Beständigkeit, die es braucht, um zu überdauern. Im Schoß der ganz normalen Faschisten wird die Ideologie normalisiert und dem Nachwuchs vermittelt, Abweichler werden konsequent verfolgt und kriminalisiert, sodass das herrschende System alternativlos erscheint. So verfestigt sich das Regime, und erhält seinen Nachwuchs für die Funktionärsebenen, die es aufrechterhalten und fortsetzen.
Gerade weil der ganz normale Faschist so angepasst ist, fällt er in gewöhnlichen Zeiten nicht auf, bricht aber in Zeiten der Krise aus seiner unsichtbaren Existenz hervor. Denn seine Fähigkeit sich anzupassen ermöglicht ihm, sich jeder neuen Ideologie zu unterwerfen. Es ist die Ideologie und die durch die geforderten Demutsbekundungen, die das Denken und Handeln des ganz normalen Faschisten plötzlich extrem erscheinen lassen. In seiner eigenen Wahrnehmung denkt und handelt er hingegen ganz normal, wie das Regime es von ihm erwartet, dessen Ziel es ist, eben diese Denk- und Handlungsweisen zu einer „neuen Normalität“ zu erheben. Es sind also stets die ganz normalen, die Angepassten, die zu ganz normalen Faschisten werden und das System stützen.
Jeder, der beim Lesen dieser Zeilen einen Anflug von Wut verspürt hat, der mag nun innehalten und sich fragen, wie viel von sich selbst er in der Beschreibung des ganz normalen Faschisten wiedergefunden hat. Dies mag ein Anreiz sein, über die eigene Bedeutung für das Regime nachzudenken und die faschistischen Anteile, die viele Menschen in sich tragen mögen, zu erkunden. Jeder Zorn und Hass, jede Abneigung und Ablehnung gegenüber diesen Zeilen oder dem Autor ist vielleicht viel eher eine Projektion, derer man sich zwecks Verleugnung des eigenen Faschismus bedient.