Der Fassadensozialismus
Soziale Politik kann nur in Frieden und Freiheit gedeihen — die Hoffnung darauf wurde zunichte gemacht.
Es ist gut, dass es ein globales Gegengewicht zur Dominanz der NATO-Staaten gibt. Russland und China vor allem. Wer allerdings darauf baut, in den östlichen Ländern werde „der Sozialismus“ verwirklicht, der hat nicht genau hingeschaut. Gerade Linke wiegen sich gern in der Illusion, da der Westen seine Werte schon lange verraten habe, könne das Heil nur aus dem Osten kommen. Auch außerhalb der „freien Welt“ zeigt sich allerdings ein autoritäres Menschenbild, wie im Kapitalismus werden Menschen funktionalisiert und entmündigt. Fazit: Im Westen beutet der Mensch den Menschen aus, im Osten ist dies umgekehrt. Soll der Sozialismus irgendwo auf der Welt einmal wirklich realisiert werden, braucht es ein Umdenken.
Einführung
In der Zeit der Aufklärung haben die Menschen viele neue Ideen entwickelt. Doch der sozialistische Gedanke, der antimilitaristische Gedanke des Friedens, der Freiheit, der Gleichheit, der Gerechtigkeit und der Solidarität hat Schiffbruch erlitten. Er war die Hoffnung der Proletarier der ganzen Welt. Wir alle haben diese schönen Gedanken vernachlässigt und sie dadurch zunichte gemacht. Es gibt eben keine Politik, keine Erklärung der menschlichen Belange ohne Kenntnisse der Psychologie.
Der rumänische Schriftsteller Panait Istrati war nach dem Ersten Weltkrieg in der Sowjetunion und hat seine Beobachtungen in drei Bänden niedergeschrieben. Über die Volksrepublik China schrieb vor Kurzem Ökonomieprofessor Michel Chossudovsky: „Es ist kein Sozialismus.“ Gut zu wissen in heutiger Zeit. Bleibt die Frage: Wird der sozialistische Gedanke des Friedens und der Freiheit eines Tages nochmals Triumphe feiern?
Sowjetisches Experiment misslungen
In der ehemaligen Sowjetunion ist das Experiment völlig misslungen. Sie haben die Menschen nicht richtig eingeschätzt, sich nicht mit ihnen assoziiert. Die Kommissare stellten sich über die Arbeiter. Überall fehlte die Psychologie.
Die Menschen wären zu haben gewesen, sie verhalten sich solidarisch. Der russische Bauer hat im sogenannten Mir gelebt, einer russischen Dorfgemeinschaft. Ihr gehörten alle Bauern eines Dorfes an. Der von ihnen genutzte Grund und Boden wurde periodisch unter ihnen umverteilt. Jeder Bauer bekam soviel Land zur Nutzung, dass er sich selbst erhalten und seinen Verpflichtungen gegenüber Staat und Grundeigentümer nachkommen konnte. Jeder Haushalt konnte entsprechend der Anzahl seiner erwachsenen Mitglieder einen oder mehrere Landstreifen beanspruchen (1).
Wo hat die bäuerliche russische Bevölkerung jemals Richter oder Spitzel gesehen? Es gab keine. An den Türen haben sie keine Schlösser gehabt, weil sie sie nicht zugesperrt hatten. Bis zur Revolution bearbeiteten sie ihre Felder gemeinsam. Das bisschen Leben, das sie gehabt haben, verbrachten sie in Ruhe und Frieden und ohne Krieg.
Auf einmal sind die dummen „Roten“ gekommen und haben noch schlechter gewirtschaftet als der Zarismus. Kommissare, die nichts verstanden, sind auf das Land geschickt worden und haben den Bauern gesagt, was sie anbauen sollen. Sie haben den Staat aufrechterhalten und schließlich die Bauern und Arbeiter auf das „Feld der Ehre“ gejagt.
Im sehr armen Jugoslawien galt ein menschlicheres Prinzip als in Russland. Wer als Mensch Arbeit hatte, konnte nicht gekündigt werden. Dort ist das Prinzip der Selbstverwaltung, der Arbeiterräte verwirklicht worden. Russland ist diesen Weg nicht gegangen und war deshalb gegen Jugoslawien.
Panait Istrati: „Vers l'autre flamme“ („Auf falscher Bahn“)
Panait Istrati (1884 bis 1935) war ein französisch- und rumänischsprachiger Schriftsteller rumänischer Herkunft. Nach dem Ersten Weltkrieg ist er nach Russland gereist und hat nach seiner Rückkehr nach Frankreich seine Beobachtungen in drei Büchern niedergeschrieben. Dieser politische Reisebericht „Vers l‘autre flamme“ ist 1929 in französischer Sprache erschienen und lautet in deutscher Übersetzung „Auf falscher Bahn. 16 Monate in der Sowjetunion. Bekenntnisse eines Besiegten“ (2).
Sein Bericht ist ein leidenschaftlicher politischer Appell an seine Genossen, deren autoritäre stalinistische Organisationsformen, Linientreue und Obrigkeitsgläubigkeit er scharf anprangerte. Bis dahin waren im Westen ausschließlich Berichte über die Sowjetunion erschienen, die voll des Lobes waren. Doch aufgrund seiner Auzeichnungen wurde Istrati sehr verleumdet:
„Istratis Buch bricht mit einem Tabu und wagt öffentliche Kritik an ihr. Schlagartig distanzierten sich alle seine bisherigen Freunde von ihm, allen voran sein bisheriger Mentor Romain Rolland. Er wird verleumdet und eine Hetzkampagne gegen ihn setzt ein. Von den Trotzkisten, denen er ansonsten fernstand, wurde Istrati hingegen vereinnahmt. (…) ,Auf falscher Bahn‘ beeindruckt durch die Leidenschaftlichkeit und Wahrheitsliebe Istratis, letztlich aber auch durch seine Schonungslosigkeit sich selbst gegenüber. Am Ende bleibt ein ‚Besiegter‘ zurück, wie er es selbst ausgedrückt hat, ein einsamer Kämpfer jenseits der Ideologien, ein kranker und gebrochener Mensch“ (3).
Michel Chossudovsky: „Die VR China ist kein sozialistisches Land.“
Zur gegenwärtigen Situation der Volksrepublik China schrieb der langjährige Forscher an der Universität Hongkong, Ökonomie-Professor Michel Chossudovsky, den aufklärenden und viel beachteten Artikel: „Es ist kein Sozialismus: China ist eine kapitalistische Billiglohnwirtschaft, basierend auf extrem niedrigen Löhnen. Menschen auf der Linken behaupten, die VR China sei ein sozialistisches Land“ (4).
In der Einleitung heißt es:
„Den meisten Analysten und Historikern ist nicht klar, dass sich China nach den frühen 1980er Jahren zu einem vollwertigen kapitalistischen Land entwickelt hat. Es gibt mächtige US-Geschäftsinteressen, darunter Big Pharma, große Hi-Tech-Unternehmen und Bankinstitute, die in China fest verwurzelt sind.
Die Vereinigten Staaten haben treue Verbündete in Chinas Geschäftswelt sowie unter Akademikern, Wissenschaftlern und Ärzten, die tendenziell ‚pro-amerikanisch‘ sind“ (5).
Der Artikel schließt mit einer persönlichen Anmerkung: Professor Chossudovsky konnte das Manuskript seines 1984 verfassten Buches mit dem Titel „Towards Capitalist Restoration? Chinese Socialism after Mao“ erst zwei Jahre später veröffentlichen, weil es von den Linken „salopp abgelehnt“ worden war. Man kann es von seiner Homepage als PDF kostenlos herunterladen (6).
Wird Sozialismus nochmals Triumphe feiern?
Bei aller Genugtuung darüber, dass sich die Welt politisch ganz langsam Richtung Osten bewegt, ist es wichtig, Chossudovskys aufklärenden Beitrag zur Kenntnis zu nehmen, um sich keinerlei Illusionen hinzugeben. Ob die Idee des Sozialismus im kommunistischen System Russlands eine Chance hat, bleibt damit noch unbeantwortet.
Sollten die Menschen der Welt irgendwann zur Vernunft kommen und sich selbst erkennen, wird der sozialistische Gedanke, der Gedanke des Friedens und der Freiheit vielleicht seine Triumphe feiern.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Mir_(Dorfgemeinschaft)
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Vers_l’autre_flamme/
(3) Am angegebenen Ort.
(4) https://www.globalresearch.ca/its-not-socialism-china-is-a-capitalist-cheep-labour-economy-based-on-exceedingly-low-wages/5804938/
(5) Am angegebenen Ort.
(6) Am angegebenen Ort.