Der falsche Wohlstand
Das Festhalten an materiellem Besitz verhindert einen tiefgreifenden Wandel.
Der Verfall der deutschen Wirtschaft, der seit den Coronamaßnahmen eingesetzt und sich unter dem Sanktionsregime gegenüber Russland intensiviert hat, erzeugt viele Ängste. Reflexhaft beschwören Kritiker den deutschen Wohlstand, der mit dem Niedergang von Industrie und Wirtschaft ausradiert würde. Das macht jedoch auch jeden positiven Wandel unmöglich, da dieser aus Angst heraus abgelehnt wird. Dabei ist es die Wirtschaft, die Mensch und Natur seit Jahrhunderten zerstört und ein Leben erschafft, das überhaupt nicht mehr lebenswert ist.
Der vor Kurzem abgeschlossene Atomausstieg hat eine Ära der Kernenergie für Deutschland endgültig beendet. Viele Jahrzehnte war gegen die Kernkraft demonstriert worden, nun ist sie schließlich Geschichte. Deutschland produziert, wenn in einigen Jahren auch die letzten Brennstäbe heruntergekühlt sind und abgebaut werden können, keinen Atommüll mehr, für den es niemals eine sinnvolle Endlagerstätte gab. Das ist eine gute Nachricht, könnte man zumindest meinen. Und doch hat der Atomausstieg nicht nur Freunde. Im Gegenteil, viele Menschen stehen ihm ausgesprochen skeptisch gegenüber.
Und das liegt nicht allein daran, dass die in Aussicht gestellten, grünen Alternativen keineswegs ökologisch sind, sondern, im Gegenteil, erhebliche Zerstörung an der Natur anrichten. Der weitaus häufiger angeführte Grund, warum der Atomausstieg eine ganz schlechte Idee gewesen sein soll, ist, dass die Alternativen kaum genug Energie produzieren können, wie ein Industriestaat sie benötigt. Die Kritiker sehen den deutschen Wohlstand gefährdet, der auf dieser Industrie aufbaut. Wenn die Industrie wegfällt, so sagen sie, wird der deutsche Wohlstand abnehmen, das, was dieses Land so auszeichnet. Und da ist sicherlich etwas dran.
Denn Deutschland ist ein materiell wohlhabendes Land. Viele Industriegüter werden hier produziert und in alle Welt exportiert. Deutsche Autos, deutsche Maschinen, deutsche Chemie- und Pharmaindustrie sind in aller Welt bekannt und beschäftigen Tausende von Arbeitnehmern, produzieren einen unglaublichen materiellen Wert. Gleichzeitig bringen sie auch eine extreme Zerstörung an Mensch und Natur mit sich.
Deutsche Panzer und Gewehre töten überall auf der Welt Menschen, deutsche Autos verpesten weltweit die Luft, deutsche Chemie das Grundwasser und die Böden. Deutschland, das Land der Wälder, besteht heutzutage hauptsächlich aus industriell bearbeiteten Äckern, Gewerbegebieten, Straßen, Flughäfen, Fabriken und Städten. Vom deutschen Wald ist kaum noch etwas zu sehen.
Unter der Industrie leidet nicht nur die Natur; auch der Mensch geht an ihr zugrunde. Schlechtes Essen, entfremdete Arbeit, künstliche Bedürfnisse und eine atomisierte Gesellschaft sind das Ergebnis eines auf Profit ausgerichteten Industriekapitalismus, der eine künstliche, von Maschinen und Uhren beherrschte Welt errichtet, an die sich der Mensch anzupassen hat. Anstatt mit seiner natürlichen Umwelt in die Einheit zu gehen, muss er sich dem Takt und der Geschwindigkeit von Maschinen und Computern unterwerfen, sich selbst an diese anpassen und sich so von sich selbst entfremden.
Gleichzeitig muss er, um die Maschinerie der Industrie zu bedienen, Natur im großen Maße abbauen und ins gefräßige Maul des Industriekapitalismus werfen, der unersättlich immer größere Teile der Welt verschlingt. Denn Klimawandel hin oder her, wir sind heutzutage mit einer extremen ökologischen Krise konfrontiert, die so gewaltig ist, dass sie den Menschen vernichten könnte.
Diese Maschinerie ist es, die den Wohlstand produziert, von dem viele Menschen immer wieder sprechen. Dieser zerstörerische Wohlstand sei die Grundlage der deutschen Gesellschaft. Den Menschen gehe es gut aufgrund dieses Wohlstandes, sie seien sicher aufgrund dieses Wohlstandes, müssten sich keine Sorgen um Nahrung machen aufgrund dieses Wohlstandes. Das jedoch ist ein Irrtum.
Der Wohlstand hat es nie vermocht, die gesamte deutsche Gesellschaft zu durchdringen und alle partizipieren zu lassen. Heutzutage ist, wenn von Wohlstand die Rede ist, lediglich das stetig wachsende Vermögen einer kleinen Oberschicht gemeint, während die Mittelschicht erodiert und zum größten Teil in die durch Armut gefährdete und geplagte Unterschicht abgleitet.
Die Konkurrenz um immer weniger Jobs treibt die Menschen in existenzielle Ängste, verschärft den innergesellschaftlichen Kampf um die immer rarer werdenden Futtertröge, und das gesamte System liefert die Menschen immer mehr den Kapitalinteressen aus, wie Corona ganz eindrücklich bewiesen hat.
Die Pharmaindustrie diktiert, was Gesundheit bedeutet. Die Finanzindustrie hat das Rentensystem fast vollkommen übernommen, Großkonzerne bestimmen den Wohnungsmarkt, Finanzkonzerne profitieren von Krieg und Wiederaufbau, und all das wird mithilfe der gekauften, gleichgeschalteten und auf Linie gebrachten Politiker und Medien in reale Politik umgesetzt, die zunehmend auf einen Zwangsapparat setzt, um die Kapitalinteressen mit aller Gewalt durchzusetzen. Der deutsche Wohlstand ist kaum mehr als eine Illusion für die meisten Menschen, die mit Gewalt aufrechterhalten wird.
Dieses System ist ein System struktureller Gewalt. Schon die Kinder werden mit Zuckerbrot und Peitsche auf Gehorsam und Unterwerfung getrimmt, der Mensch sein ganzes Leben in die eng begrenzte Fahrrinne von Ausbildung, Job und Karriere gesetzt und mit der beständigen Angst angetrieben, vor dem existenziellen Nichts zu stehen.
Anschauliche Beispiele des Versagens finden sich mittlerweile in zunehmender Zahl auf den Straßen und unter den Brücken. Sie sitzen aber auch in den Kreisjobcentern und in deprimierenden Sozialwohnungen, wo viele ein elendes Dasein zwischen Depression, Trash-TV und ökonomischer Gewalt mittels Sanktionen und Maßnahmen fristen.
Während dem Einzelnen jede Initiative durch immer neue Regulierungen und Gesetze beinahe unmöglich gemacht wird, Schließungen von Geschäften und Betrieben nicht nur aufgrund irgendeiner zur allgemeinen Gefahr erklärten Krankheit, sondern zunehmend auch aufgrund der Klimawandel-Agenda drohen, können Großkonzerne immer größere Teile der Daseinsvorsorge und Bedürfnisbefriedigung an sich reißen und den Markt zunehmend monopolisieren. Deren Profite landen dann auf Konten im Ausland und werden an anonyme Investoren verteilt, die sich davon ein luxuriöses Leben machen können.
Gleichzeitig presst der Staat in einer Umverteilungsorgie Steuergelder aus dem Einzelnen und wirft sie mittels Pandemiepolitik, „Sondervermögen“ und anderen Programmen in den Rachen der Industrie und des Finanzwesens. So werden weitere Gelder der Menschen privatisiert, und das Vermögen der breiten Masse nimmt rapide ab, während einige wenige reiche Menschen profitieren.
Der Sog des Wohlstands
Trotzdem klammern sich viele Menschen an die Illusion eines Wohlstandes, den es so überhaupt nicht gibt. Sie verweisen auf die Industrie als Motor dieses Wohlstandes und wollen diese um jeden Preis im Lande halten. Sie weisen auf die Arbeitsplätze hin, ohne in Rechnung zu stellen, dass ohnehin schon fieberhaft an einer vollständigen Automatisierung mittels KI und Digitalisierung gearbeitet wird, die mittelfristig einen Großteil der menschlichen Arbeitskraft überflüssig machen wird.
Der Wohlstand, er ist kaum mehr als ein hohles Versprechen, das mit dem Vorrücken in Richtung Zukunft mit jedem Tag uneinlösbarer wird.
Doch dieses Versprechen scheint für viele Menschen noch immer eine große Sogwirkung zu entfalten. Es ist das Versprechen, eines Tages vielleicht wirklich glücklich zu sein und das Leben voll verwirklichen und genießen zu können. Dies scheint in der Vorstellung dieser Menschen nur über den technischen, den industriellen Weg möglich zu sein. Dabei wird die Zerstörung in den Menschen und in der Natur vollkommen ausgeblendet, ja sogar negiert.
Der traumatisierte, entfremdete Arbeiter nimmt sein Schicksal kaum noch wahr. Gleichzeitig lastet innerhalb dieses Systems ein enormer Druck auf jedem Einzelnen. Es ist der Druck, sich ständig unterwerfen, sich immer gegen alle anderen durchsetzen zu müssen. Die Menschen leben getrieben von Angst vor der existenziellen Not, vor dem individuellen Untergang in einem menschenfeindlichen System, an das sie sich dennoch hoffnungsvoll klammern.
Kein Zurück
Diese Angst ist es, die viele der Menschen, die sich gegen die Coronamaßnahmen ausgesprochen haben und die auch nun gegen die zerstörerischen Sanktionen und die Kriegstreiberei in der Ukraine demonstrieren, zu diesem Protest getrieben hat. Dabei lässt sich feststellen, dass sie oftmals lediglich ein Zurück fordern.
Sie wollen zurück zu einer Welt, die sie bis zum Jahr 2020 gekannt haben. Und das, obwohl sie schon damals beständig ihre Kräfte in einem immerwährenden Rennen im Hamsterrad vollkommen aufgezehrt haben, obwohl persönliche Beziehungen und individuelle Entfaltung unter dem Druck und den Zwängen des Systems ständig zu kurz kamen und Erfüllung nur unter der Prämisse der ökonomischen Verwertbarkeit möglich war. Lebensfreude und Glück sind und waren diesem System fremd.
Ein Dasein mit Sinn ist für diejenigen Menschen, die voll und ganz in diesem System stehen, überhaupt nicht möglich. Dafür werden dann Nischen im Privaten kreiert, die als Hobby ein Schattendasein fristen, oder als unbezahlte Arbeit zusätzlich an den Kräften zehren, und daher früher oder später wieder aufgegeben werden müssen.
Doch das Klammern an diese Form des Wohlstandes, die gegen jede Entwicklung ins Feld geführt wird, verhindert tatsächlichen Wandel. Denn dieser erzeugt automatische Abwehrreflexe, wenn ersichtlich wird, dass er den Industriekapitalismus und all seine Erzeugnisse überflüssig machen wird.
So sehnen sich viele Menschen insgeheim zwar nach diesem Wandel, aber nur unter der Bedingung, dass er das eigene Leben nicht allzu sehr berührt, was selbstverständlich unmöglich ist.
Die Angst vor dem Verlust des Materiellen macht jede Arbeit an einem tatsächlichen Wandel unmöglich und erstickt auch jeden Widerstandsgeist der deutschen Bevölkerung. Man hat das in Zeiten von Corona sehr gut beobachten können. Wie viele Menschen haben sich nicht getraut, offen das Wort zu ergreifen und sich gegen das Unrechtsregime auszusprechen, weil sie um ihre Arbeit fürchteten, um ihr Ansehen, um ihr Einkommen? Wie viele Menschen haben sich aus diesen Gründen nicht auf die Straße getraut?
Revolution, Rebellion und Veränderung ist hingegen gerade in den Ländern viel einfacher, die nicht in einer Illusion von Wohlstand leben: Seien es neue Techniken und Digitalisierung, welche die Menschen ärmerer Länder viel schneller in ihr tägliches und berufliches Leben integrieren, wie zum Beispiel die digitalen Zahlungsdienstleister, auch wenn dieses Beispiel nicht unbedingt als positive Entwicklung bezeichnet werden kann, seien es echte Proteste, Aufstände und Revolten, in denen sich die unterdrückten Menschen gegen die Obrigkeit erheben.
Jede echte Umwälzung der Herrschaftsverhältnisse ging in der Geschichte stets von den Armen und Entrechteten aus, da diese einen Druck verspürten, sich aufzulehnen. Die Verhältnisse waren für sie schlicht nicht mehr tragbar. Jene, die in einer Illusion von Wohlstand leben, wie es noch immer ein großer Teil der Deutschen tut, klammern sich hingegen an diese Illusion und reden sich ihre Unterdrückung und Entrechtung schön. Sie versuchen, sich ein Leben in einem goldenen Käfig einzurichten, der sich zunehmend als golden angemaltes Gefängnis entpuppt, von dem das Gold längst schon abblättert.
Aber selbst wenn Wohlstand keine Illusion wäre, so ist doch in der Regel nur ein materieller gemeint, der sich durch das Anhäufen von Besitz definiert: Autos, Häuser, Schmuck, Technik. Wirklich glücklich und zufrieden macht dieser Materialismus nicht. Er entkoppelt die Menschen von ihren Wurzeln in der Natur und der Gemeinschaft und schafft eine Ersatzbefriedigung für nicht gelebte innere Anteile, die dem materialistischen Zweckdenken und den gesellschaftlichen Zwängen geopfert werden.
Der Materialismus ist ein Versuch, die innere Leere und Unverbundenheit zu übertünchen; ein Versuch, der notwendigerweise scheitern muss und zu immer neuem Konsum anstiftet. Dieser wiederum wird auch kaum dazu beitragen, ein bedeutungsvolles, verbundenes Leben zu finden.
Auf diese Weise geraten die Menschen in eine Abwärtsspirale aus Angst, Depression und verdrängten Gefühlen, die auch die Produktions- und Konsumspirale am Laufen halten, und damit die Profite der wenigen Reichen am Sprudeln. Diese sind jedoch von derselben Leere, derselben Verzweiflung und Unverbundenheit getrieben und von einer Sucht nach dem „immer mehr“ befallen. In einem Kampf gegen diese Reichen oder die Erscheinungen des Systems lösen daher nur die immer gleichen Muster und Traumata einander ab, sodass echte Veränderung überhaupt nicht stattfinden kann.
Anstatt die eigene Energie also in endlosen Kämpfen zu verausgaben, die lediglich darauf ausgerichtet sind, ein längst vergangenes Gestern wieder aufleben zu lassen, wäre es sinnvoller, ein neues, besseres Morgen zu kreieren.
Dazu müssten wir uns auf unsere Wurzeln in der Natur und in der Gemeinschaft besinnen. Erfahrungen in der Natur und Erfahrungen von Gemeinschaft sind viel erfüllender als jeder materielle Konsum.
Nur in echter Gemeinschaft ist es möglich, eine andere Form des Zusammenlebens auch im Einklang mit der Natur zu erschaffen. Es könnte ein Leben sein, das entschleunigt ist und die echten Bedürfnisse der Menschen wieder zum Vorschein bringt.
Eine Gemeinschaft kann zudem die individuelle Entfaltung ermöglichen, indem sie den einzelnen Menschen mit den grundlegenden Dingen versorgt und so den Raum schafft, dass dieser sich nicht dauernd in Existenzangst verausgaben muss, sondern sein Leben nach der eigenen Vorstellung von Erfüllung erschaffen kann. Der Konsumwahn fällt dabei weg, und so wird auch die Natur nicht länger ausgebeutet. Denn mit dem Produktionswahn stoppt auch die Ressourcenverschwendung, welche die Natur ausbeutet und zerstört. Zudem ermöglicht ein entschleunigtes Leben ohne Existenzängste einen achtsamen Umgang mit der Natur, von welcher der Mensch ein Teil ist. So kann die Welt geheilt und auch von Krieg befreit werden.
Ermöglichen könnte dies ein Netzwerk von Gemeinschaften, die sich überall auf der Welt gründen und miteinander im Austausch stehen. Hier können sich Menschen zusammenfinden, die schon jetzt aktiv ein anderes Leben manifestieren wollen. Voraussetzung dafür ist jedoch die Bereitschaft zu einer konsequenten Auseinandersetzung mit sich selbst, seinen Traumata und blinden Flecken, und der Auseinandersetzung mit den Mitmenschen, ein Interesse an Gemeinschaft und am wertschätzenden Streit.
Auch feste, spirituelle und ethische Überzeugungen bilden eine gute Basis für Gemeinschaften, solange sie nicht in Ideologien und Dogmen abdriften und ein gewisses Maß an Offenheit mit sich bringen. Dafür ist die innere Arbeit wiederum von Relevanz.
Wir müssen uns also nicht an den Wohlstand klammern, zumindest dann nicht, wenn er rein materiell verstanden wird. Denn der Materialismus hat uns nichts gebracht als Ersatzbefriedigung für Bedürfnisse, die seit Jahrhunderten immer weniger erfüllt werden.
Der Wohlstand an sich macht niemanden glücklich, sondern erzeugt oft zusätzliche Angst, über welche die Menschen sehr gut steuer- und regierbar sind.
Er hält sie davon ab, in ihre eigene Kraft zu kommen und sich selbstbestimmt zu ihren Bedürfnissen, Überzeugungen und Vorstellungen zu bekennen.
Statt sich also an ein Gestern zu klammern, das ohnehin für immer verloren ist, schaffen wir lieber ein Morgen, in dem zu leben ein verheißungsvolles Versprechen ist, anstatt nur das kleinere Übel.