Der falsche Steuermann
Der Verstand hat in unserem Lebensboot das Ruder übernommen, und so gleiten wir immer weiter weg von unserer wahren Natur.
Die westliche Kultur hat ein Problem: Sie lässt sich vom Verstand dominieren — und das hat ernsthafte Folgen. Der Verstand mit seinem logischen Denken ist ein nützliches Werkzeug, das eigentlich nur dazu gedacht war, uns bei der Bewältigung des Lebens zu helfen. Mehr nicht. Auf irgendeine Weise hat er es aber geschafft, sich zum „Regenten“ aufzuschwingen. Der Verstand mit seinem Denken beherrscht inzwischen unser Leben, was eine Reduktion der sehr komplexen Wirklichkeit auf logische Zusammenhänge bedeutet. Welch armselige Vereinfachung, welch ein Rückschritt, der von unserem Verstand aber laut als „Fortschritt“ gefeiert wird.
Da wir auf unseren Verstand hören und seinen Einflüsterungen glauben, laufen wir durch eine Welt, die entzaubert und ihres natürlichen Reichtums beraubt ist. Wir haben uns eine innere, gefühlsmäßige Leere eingehandelt, die die intensiven Schwingungen des Lebens dämpft und das Herz, die Seele kalt lässt, unter anderem mit den Folgen Isolation, Einsamkeit und Depression.
Mit ihrem Fortschrittsdenken hat die westliche Kultur sich aber nicht nur von der Höchsten Wahrheit entfernt — oder wie immer man Ihn, Sie oder Es nennen mag —, sondern auch von der menschlichen Seele. Wir haben die Seele vergessen, weil wir die göttliche Dimension vergessen haben. Das Göttliche übersteigt unseren Verstand, deshalb haben wir Es reduziert, in Heilige Schriften und in theologische Konzepte gepackt.
Aber was wir mit Gott gemacht haben, das haben wir leider auch mit unserer Seele gemacht. Weil die ursprüngliche Reinheit der Seele in Form des Gewissens unseren Hochmut und unseren Egoismus widerspiegelt, haben wir sie ebenfalls reduziert und auf das Niveau von Psyche hinabgezogen. So wurde die Seele ihrer eigentlichen Qualität beraubt: der Fähigkeit zu fühlender, warmherziger und liebender Wahrnehmung.
Logisch, dass wir uns nach herzlicher Wärme und nach intensiven Gefühlen sehnen. Die Psyche nennen wir inzwischen zwar auch Seele, aber sie ist nicht unsere eigentliche Seele. Die eigentliche Seele haben wir leider vergessen, weil sie über unseren begrenzten Verstand hinausgeht. Wir machen es uns so einfach: Statt uns selbst in höhere Bewusstseinsbereiche zu entwickeln, reduzieren wir die Wirklichkeit auf ein für uns erträgliches Maß. Jetzt hängen wir mit unserem Bewusstsein auf diesem psychischen Niveau fest, von Unzufriedenheit, Wünschen, Ängsten, Gefühlschaos und Beziehungsproblemen. Wenn wir die Psyche für die eigentliche Seele halten, dann werden wir tun, was sie uns eingibt zu tun.
Leider hat der Verstand Angst vor allem, was über seine Kleinheit und Begrenztheit hinausgeht. Das Leben, Gott, die Höchste Wahrheit, die Seele, wahre Liebe … sie gehen weit über unser Begreifen hinaus. Weil der Verstand dies aber nicht ertragen kann, versucht er stattdessen, eine Welt nach Menschen-Maß zu kreieren.
Eine Welt der Machbarkeit, der Berechnung, des technologischen Fortschritts und des Profits. Diese künstliche Welt hat jedoch kein Herz, sie ist kalt und ohne Gefühl. Deshalb brauchen wir Drogen, Alkohol, Action-Filme, einen vollen Terminkalender und Reisen, um uns der Illusion hinzugeben, wenigstens ein bisschen lebendig zu sein und irgendwie doch etwas fühlen zu können.
Andere Kulturen sind weniger „fortschrittlich“ als wir, aber sie sind gesegnet mit einem warmen Herzen, mit mehr Gefühl und mit einer Seele voller Lebendigkeit. Insgeheim nennen wir sie „primitiv“, obwohl wir uns sehr anstrengen, dieses Wort nicht zu benutzen. Unser westlicher Hochmut fühlt es heimlich so, weil wir fasziniert sind vom eigenen technologischen und digitalen Fortschritt, der aber den Planeten an den Rand des Untergangs bringt. In unserem Fortschritts-Denken können wir den natürlichen Reichtum dieser Kulturen nicht wahrnehmen und nicht erfahren. Denn wir sind beschränkt auf das logische Denken und den Verstand, der uns ach so heilig ist. Welche Armut, aber wir halten das für Fortschritt!
Nur, wie kommen wir aus dieser hochentwickelten Fortschritts-Sackgasse wieder heraus? Indem wir uns — nach oben hin — aus dieser Sackgasse heraus ent-wickeln. Indem wir unseren Fokus wieder auf die Essenz des Lebens richten. Der Fokus lag zu lange auf dem, was uns persönlich wichtig war: Ansehen, Geld und Erfolg. Der Fokus lag auf unserem Ego! Dies hat uns vom Wesentlichen des Lebens entfernt. Und den Rückweg haben wir immer wieder aufgeschoben. Solange aufgeschoben, bis wir das Eigentliche, die Essenz des Lebens vergessen hatten. Ich weiß, was für mich diese Essenz ist. Aber was bedeutet die Essenz für Sie? Was auch immer es ist, kümmern Sie sich darum, pflegen Sie es und hören Sie ihm zu — und Sie werden einen Reichtum finden, den der Verstand nicht (er-)fassen kann.
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