Der Arbeitsfetisch
Die Ideologie der Lohnarbeit ist die Wurzel allen Übels.
Sie ist ein elementarer Bestandteil unserer Gesellschaft: die Lohnarbeit. Täglich pilgern Millionen von Deutschen zu ihren Arbeitsstellen, um dort ihr Tagewerk zu verrichten. Es erscheint so natürlich, so normal, dass die meisten nicht einmal darüber nachdenken. Dabei ist die Lohnarbeit nicht nur ein Energieräuber, sondern auch ein System der Sklaverei, das die Menschen in Abhängigkeit und Unfreiheit gefangen hält. Es wäre in seiner jetzigen Form überhaupt nicht notwendig.
Vor einiger Zeit titelte der Tagesspiegel: „32,8 Stunden pro Woche: Wunsch-Arbeitszeit der Deutschen sinkt auf Rekordtief“. Im dazugehörigen Artikel wird festgestellt, dass sich die Deutschen so kurze Arbeitszeiten wünschen wie noch nie zuvor. Selbst dann, wenn sie dafür auf Geld verzichten müssen, wollen die Deutschen im Durchschnitt nur noch 32,8 Stunden in der Woche arbeiten. Anstatt eine solche positive Entwicklung zu würdigen, ruft diese Nachricht gleich Kritiker auf den Plan. Denn die geringere Arbeitszeit würde, so das Argument, eine Abnahme des deutschen Wohlstandes nach sich ziehen, was dazu führe, dass sich Deutschland „in Richtung Somalia“ entwickele. Grund sei auch, dass Investoren einen Bogen um Deutschland machten, wenn die Deutschen „jede Ambition“ verlören, wie das mit einer geringeren Wunscharbeitszeit offenbar der Fall sein soll.
Natürlich greifen derartige Argumente viel zu kurz, blenden einen Großteil der wirtschaftlichen Verhältnisse aus und zementieren die Lohnarbeitssklaverei, in der die Menschen heute allgemein leben. Denn dass Deutschland sich in Richtung Drittweltland entwickelt, daran ist in erster Linie der Privatisierungswahn des Neoliberalismus schuld, der dazu geführt hat, dass nichts, keine Bahn, keine Gesundheitsversorgung, keine Rente mehr funktioniert. Hinzu kommt der seit Jahren kriselnde Kapitalismus, der nun wieder einmal in sich zusammenbricht — eine Tatsache, die mit Krieg im Inland (Coronafaschismus) und im Ausland (Ukraine) übertüncht und transformiert werden muss. Schuld ist auch die seit Jahrzehnten grassierende Korruption, die Abhängigkeit von US-amerikanischen Energie- und sonstigen Importen, dem Finanzsystem sowie der absurden Exportpolitik Deutschlands, welche die halbe EU ruiniert hat.
Dass Menschen also für sich entdeckt haben, dass Arbeit nicht den Sinn des Lebens ausmacht, hat mit der Entwicklung dieses Landes in Richtung Somalia, wie es manchmal genannt wird, nichts zu tun. Vor allem, da es sich bei der Erhebung um nichts weiter als einen frommen Wunsch handelt, der auch immer genau das bleiben wird. Denn die Lohnarbeit ist ein Sklavensystem, in dem die Sklaven sich wünschen können, was sie wollen — nur bekommen werden sie es nicht. In diesem System arbeiten die Menschen nicht zuvörderst für sich oder um Deutschland in irgendeiner Weise voranzubringen — wohin denn eigentlich auch? —, sondern sie arbeiten für die Profite eben jener Investoren, die einen Bogen um Deutschland machen. Ist es wirklich so schlimm, dass profitgierige Großkapitalisten Deutschland nicht länger als Instrument der Selbstbereicherung nutzen wollen?
Das System der Lohnarbeit ist ein perfektes System der Unterwerfung der meisten Menschen. Diese Unterwerfung ist eng verknüpft mit dem Geld und der Kapitalisierung aller, auch lebensnotwendiger, Bereiche.
Der Mensch braucht zum Überleben Nahrung, Wasser, ein Dach über dem Kopf, ein Transportmittel, Kleidung und noch einige andere Dinge. Diese jedoch erhält er nur gegen Geld. Geld wiederum bekommt er nur von denjenigen, die das Geld haben, also jenen, die über Grund und Boden, Produktionsmittel oder einfach über Finanzmittel verfügen — sie sind es, welche Eigentum an der Nahrung, dem Wasser, dem Wohnraum und so weiter haben. Anstatt also großzügig das, was sie haben, zu teilen, zwingen sie andere Menschen dazu, sich ihnen zu unterwerfen, für sie zu arbeiten, und das zu jeder noch so absurden und schlechten Bedingung.
Auf diese Weise schafft der Einzelne für denjenigen, der ohnehin schon viel mehr hat als er braucht, noch weitere Werte. Er fertigt in der Industrie, sät und erntet auf dem Acker große Mengen Nahrungsmittel, die dann direkt in das Eigentum des Kapitalisten übergehen, anstatt dass der Arbeiter an den Früchten seiner Arbeit selbst Anteil hat. Im Gegenzug dafür erhält der arbeitende Mensch dann ein kümmerliches Almosen, das die geleistete Arbeit auf keinen Fall aufwiegt. Damit kann er nun zu demselben Kapitalisten gehen und ihm die Ware, die er selbst zuvor produziert hat, abkaufen — was er auch tun muss, um zu überleben oder einen gewissen Lebensstandard zu haben. Das verdiente Geld fließt also gleich wieder an den Kapitalisten zurück. Dazwischen schalten sich noch diverse räuberische Instanzen wie der Staat, die Krankenkassen und andere Versicherungen, die nicht einmal wirkliche Leistungen erbringen, sondern nur die Hand aufhalten.
Und hier wird dann der nächste Zwang zur Lohnarbeit oktroyiert: Denn in einer Welt, in der diverse Versicherungen kurzerhand zur Pflicht erklärt wurden und Steuern zu zahlen sind, muss man zwangsweise Geld verdienen. Das wiederum zwingt einen zur Lohnarbeit bei ebenjenen Kapitalisten, die nichts weiter machen, als die Bedürfnisse, will man überleben, zu kapitalisieren und den Einzelnen auszubeuten. Staat und Konzerne arbeiten also Hand in Hand an der Versklavung des Einzelnen. Damit ist das System der Lohnarbeit und des Geldes ein Gefängnis. Es führt dazu, dass die Menschen ohne jede echte Notwendigkeit arbeiten. Da es den Zwang zur Lohnarbeit gibt, bedeutet das im Umkehrschluss auch, dass es einen Zwang gibt, jedem Menschen eine Lohnarbeit zu verschaffen. Auf diese Weise werden unnütze, überflüssige oder gar schädliche Arbeiten geschaffen, nur damit die Menschen in diesem System „verdingt“ werden können.
System des Bullshits
Es werden nutzlose oder gesundheitsschädliche Dinge hergestellt und verkauft, wie Plastikspielzeuge, immer neue technische Geräte oder Fast Food. Auch die Produktion von Waffen, giftiger Chemie und neuen Straßen, Gewerbegebieten und Fabriken entspringt dem systemimmanenten Zwang zum Wachstum und der Profitgier der „Investoren“, kann aber mit dem Argument der „geschaffenen“ Arbeitsplätze stets gut begründet und zur Abwehr von Kritik genutzt werden. Auf diese Weise hat die Menschheit eine ganze Reihe von Jobs erhalten, die David Graeber „Bullshitjobs“ genannt hat.
Das sind jene Arbeiten, die keinen gesellschaftlichen Mehrwert erbringen und folgenlos gestrichen werden könnten. Gerade im mittleren Management und in der Verwaltung finden sich solche Bullshitjobs, welche die Menschen, die sie ausführen, unglücklich machen und einen erheblichen gesellschaftlichen Mehraufwand erzeugen, der vollkommen überflüssig ist und zudem auch ökologische Implikationen birgt.
Auch die aufgeblähte Produktion immer neuer Güter ist eine Folge des Geld- und Lohnarbeitssystems. Geld ist ja das oberste Ziel der Arbeit, deshalb rechtfertigt jedes Mittel den Zweck, es zu erlangen. Dafür werden neue Güter, Geräte und Dienstleistungen geschaffen, die keinen gesellschaftlichen Mehrwert erfüllen, sondern im Gegenteil oftmals mehr Zerstörung mit sich bringen. Beispiele dafür sind die Digitalisierung, Elektroautos, Smartphones, aber auch Luxusgüter wie goldene Uhren, Luxusautos, Diamantringe und so weiter.
Sie werden mit einem hohen ökologischen und menschlichen Preis erkauft. Anstatt die echten Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen, müssen die künstlichen Bedürfnisse für derartige Dinge überhaupt erst geschaffen werden, was mit allen Mitteln der psychologischen Manipulation erreicht wird — die Werbeindustrie ist geboren und hält Abertausende Menschen, die in ihr arbeiten, davon ab, etwas Sinnvolles zu tun. In der Folge erzeugt man noch mehr überflüssige Dinge.
Das System der Lohnarbeit und des Geldes erschafft also nutzlose Jobs und bemisst danach die Verteilung der produzierten Güter, auch jener, die für das Leben unabdingbar sind. Das führt zu einer extremen Ungleichverteilung, da nicht jeder Job gleich bezahlt wird, und schon gar nicht wird nach Leistung bezahlt.
Das Märchen, dass jene, die mehr verdienen, auch mehr Leistung erbringen, ist und bleibt schlicht Unsinn. Management, Banken, Verwaltungen — all die Menschen, die dort arbeiten, erbringen weit weniger Leistung als beispielsweise eine Pflegekraft im Krankenhaus. Dennoch werden sie viel besser bezahlt und profitieren zu einem höheren Anteil von den Früchten der gesamtgesellschaftlich verrichteten Arbeit, zu der sie selbst aber überhaupt nichts beitragen. Denn weder Banken noch Verwaltungen noch das Management irgendeiner Firma produzieren etwas. Auch auf Werbefachleute und Influencer kann die Welt verzichten. Nicht jedoch auf Landwirte, Krankenpfleger, Handwerker. Hinzu kommt, dass Ökonomen schon vor einhundert Jahren verkündet haben, dass die 15-Stunden-Woche bald Realität sein würde. Und weniger vorzuschlagen haben sie sich lediglich deswegen nicht getraut, weil sie glaubten, dass die Menschen damit nicht umzugehen wüssten.
Wie wir heute wissen, ist die 15-Stunden-Woche nie Realität geworden. Stattdessen wurde in wahnsinnigen Kriegen und mit absurden Ideologien nur Zerstörung angerichtet, die Produktion sinnlos hochgefahren und damit die Arbeitszeit erhöht. Anschließend, nachdem die Welt in Trümmern lag, war natürlich auch die Notwendigkeit für mehr Arbeit wieder gegeben, da alles wieder aufgebaut werden musste. Dieser Aufbau, der nun schon länger abgeschlossen ist, wird nun abermals bewusst zerstört und das System erneut transformiert, um die Menschen in der Sklaverei zu halten, welche dieses System darstellt.
Gleichzeitig wird die Arbeit als etwas immanent Gutes, als eine Tugend an sich verklärt. Anstatt sie als das zu sehen, was sie ist, nämlich eine Notwendigkeit im Sklavensystem, wird sie noch moralisch überhöht. So werden Menschen, die ihr ganzes Leben ihrer Arbeit widmen, allgemein bewundert, werden heroisiert, als befänden sie sich im Krieg gegen einen übermächtigen Feind, der die Welt zu vernichten droht. Ihnen sind unzählige Filme und Netflixserien gewidmet, in denen diese Überhöhung der Arbeit allgemein normalisiert wird. Damit soll die Akzeptanz für die eigene Versklavung gesteigert werden, ja die Menschen sollen sich noch gerne und willig versklaven lassen.
Folgerichtig arbeitet heutzutage auch jeder an seiner „Karriere“. Um das eigene „Vorankommen“ — wohin eigentlich? — nicht zu gefährden, verleugnet man sich selbst. Man duckt sich weg, wenn Ungerechtigkeiten geschehen, drängt sich vor, wenn es etwas zu gewinnen gibt, und bemüht sich allgemein, nicht unangenehm demjenigen aufzufallen, der über dieses Vorankommen entscheidet. Derart degradiert sich der Mensch selbst zum Objekt fremder Herrschaft und hält das auch noch für vollkommen normal.
Das ist einer der Gründe, aus denen der Coronafaschismus überhaupt stattfinden konnte. Feigheit aus Angst, die eigene Karriere zu gefährden, bewegte die meisten Menschen zum Mitläufertum.
In all diesem Wahn arbeitet die Menschheit heute nicht weniger als vor hundert Jahren. Denn wer nicht arbeitet, gilt allgemein als faul, ist gesellschaftlich wenig geachtet — außer natürlich, er verfügt über ein gigantisches Vermögen. Dann wird er allgemein hoch geachtet, wird als „Philanthrop“ geehrt oder wegen seines Vermögens bewundert. Dass dieser Mensch sein Vermögen nur auf Kosten anderer hat aufbauen können, dass es das Produkt der Ausbeutung ganzer Gesellschaften ist, geht in dieser Bewunderung gerne mal unter.
Es wird so viel Schwachsinn produziert, so viel gearbeitet, gewerkelt, gemacht und getan wie wahrscheinlich noch nie zuvor. Doch anstatt dass die Menschen das Erreichte nutzen und es gerecht auf alle verteilen, anstatt dass sie mal ein bisschen kürzer treten und sich dem Leben zuwenden, steigen Ungleichheit und Armut, können sich immer weniger Menschen leisten zu leben, was ja an sich schon ein Ausdruck für den Wahnsinn ist, in dem wir uns befinden. Trotzdem wird immer weiter produziert, immer weiter gearbeitet und das System damit immer weiter angetrieben.
Recht auf Faulheit
Paul Lafargue, Schwiegersohn von Karl Marx, machte sich in seinem Buch „Das Recht auf Faulheit“ schon Mitte des 19. Jahrhunderts über die kommunistische Forderung nach einem „Recht auf Arbeit“ lustig. Die Kommunisten hatten zwar die Situation der Arbeiter damals erkannt, im Gegensatz zu den allermeisten Menschen heute. Anstatt aber ein Ende der Ausbeutung zu fordern, ein Ende der Abhängigkeit von Lohnarbeit und ein Ende der Sklaverei, forderten sie nur ein Recht auf diese Sklaverei, diese Ausbeutung. Paul Lafargue hielt ganz richtig fest, dass schon damals die Früchte der Produktion ausreichten, um allen Menschen zugute zu kommen, ohne dass diese sich täglich weiter ihrem Arbeitswahn opfern müssten.
Heute sind die Verhältnisse noch absurder als zu Zeiten Lafargues, und dennoch pochen viele Menschen auf den Zwang zur Arbeit und verklären ihn noch immer als Tugend. Dabei stellt Arbeit als Notwendigkeit zum Lebensunterhalt den Grund für viele gesellschaftliche Probleme dar. Sie ist nicht nur der Grund für die steigende Armut und Ungleichverteilung, für die grassierenden ökologischen Probleme und damit verbundenen Versorgungsprobleme.
Sie befördert auch gesundheitliche Missstände, indem sie zu „Zivilisationskrankheiten“ führt, die in erster Linie auf ein unnatürliches Leben der Menschen zurückzuführen sind, ebenso wie auf die steigende Vergiftung der Umwelt und der Nahrungsmittel. Dementsprechend ist Krankheit mittlerweile ein profitabler Markt, und so macht die Pharmaindustrie die Menschen strukturell krank und abhängig. Doch genauso befördert der Zwang zur Lohnarbeit die Kriminalität.
Ein großer Teil der verübten Verbrechen besteht in Armutskriminalität. Und auch das Gewaltpotenzial, das zu Mord und Totschlag führt, ist zu einem großen Teil durch Armut bedingt. Armut ist ein systematisches Ergebnis des Geld- und Lohnarbeitssystems, das zu Ungleichverteilung und Ungerechtigkeiten führt. Auf diese Weise befördert ein derartiges System also Kriminalität.
Viele Menschen sind zudem darauf angewiesen, zu ihrer Arbeitsstelle zu gelangen. Dafür müssen sie täglich mit dem Auto oder mit der Bahn pendeln. Verstopfte Straßen und Bahnen, Stau, Lärm, Stress und massive Abgase sind die Folge. Immer mehr Straßen werden gebaut, da immer mehr Autos produziert werden, um immer mehr Menschen zu ihrer Arbeitsstelle zu bringen. Der absurde Individualverkehr mit all seinen ökologischen und sozialen Folgen ist eine direkte Folge des Arbeitszwanges.
Alles könnte anders sein
Dabei wäre die Lösung ganz einfach: Zunächst gilt es, die überflüssige Arbeit abzuschaffen. Management, Marketing, Verwaltung, Rüstungsindustrie, Chemieindustrie — all das wird es dann in Zukunft nicht mehr geben. Weiter wird der tatsächliche Bedarf der Menschen ermittelt: Was brauchen wir wirklich zum Leben? Auch, um gut zu leben?
Die dementsprechend erforderliche Arbeit wird dann gerecht auf die Menschen verteilt. Dies geht jedoch nicht mit Zwang einher. Einem jeden steht es frei, sich dort einzubringen, wo er sich einbringen will. Das alles kann darüber hinaus vollkommen lokal erfolgen. Niemand ist mehr gezwungen, in die nächste Großstadt zu pendeln und dabei ständig im Stau zu stehen, denn Nahrung anbauen, Kleidung nähen, die Wasserversorgung unterhalten, all das ist oftmals lokal möglich – und wird als sinnvoll erfahren.
Dafür bedarf es auch des Geldes nicht. Stattdessen können die Erzeugnisse der Arbeit nach Erfordernis auf die Menschen verteilt werden. Nun könnte man kritisch entgegnen: „Aber wer wird dann Ingenieur, wer baut Maschinen, Autos, wer fliegt zum Mond und erkundet den Weltraum?“ — berechtigte Einwände. Die Antwort ist eigentlich simpel: Man könnte sich fragen, wozu all das denn überhaupt notwendig ist.
Werden die Menschen glücklicher dadurch, dass sie mit dem Auto durch die Gegend fahren, oder spricht daraus nicht eher eine lokale Entwurzelung, die irgendwo im Außen zu kompensieren versucht wird? Fliegt der Mensch nicht aus denselben Gründen ins Weltall? Wozu braucht der Mensch immer neue Maschinen und Geräte? All dieser Innovationswahn, der ja im Grunde nie eine echte Innovation hervorgebracht hat, sondern immer nur den Markt der kapitalisierten Güter erweitert, ist nichts weiter als ins Außen projiziertes Trauma, das irgendwie zu verarbeiten versucht wird.
Natürlich sehen sich dadurch viele die Menschheit auf dem Weg zurück ins Mittelalter. Zu Unrecht, denn die Zustände des Mittelalters, die Feudal- und Ständeherrschaft, die deutsche Kleinstaaterei, die Kriege und vor allem die Herrschaft der Kirche werden auf diese Weise nicht reaktiviert.
Technisch existieren zudem all diese Dinge, die wir haben wollen, bereits. Es gibt schon mehr Autos, als Deutschland braucht, mehr Smartphones, Computer, Server, Maschinen, als irgendjemand wirklich benötigt. Aber die letztendliche Antwort auf die oben gestellte Frage ist: Jeder, der es heute auch macht, kann weiterhin entwickeln und bauen. Es gibt nur einfach keinen gesellschaftlichen Zwang mehr. Denn einerseits muss nicht zwanghaft gebaut und konstruiert werden, damit die Ingenieure ihre Arbeitsplätze rechtfertigen, und andererseits gibt es keinen Wachstumszwang mehr, der immer neue Entwicklungen notwendig macht.
Auf diese Weise wächst sogar die Freiheit, wirkliche Innovationen hervorzubringen, an denen ansonsten mangels Vorstellungsvermögen oder Finanzierungswillens der „Investoren“ nie geforscht werden würde. Auch die unzähligen Patente, die den Menschen wirkliche Verbesserungen bringen würden, die aber verschwunden sind und nie genutzt werden, weil sie bestehende Konzerne in ihren Profitinteressen gefährden, könnten dann ausgepackt und erprobt werden.
Auf diese Weise könnte durch den Fortfall des Arbeitszwangs und des Geldes die Menschheit tatsächlich einen echten Entwicklungsschritt machen, anstatt in ihrem kapitalistischen Sumpf vor sich hinzudümpeln und langsam unterzugehen. Gleichzeitig stiege die Lebensqualität jedes Einzelnen drastisch.
Doch bei der Kritik, die bereits die Meldung auslöst, dass die Menschen „nur“ noch 32,8 Stunden arbeiten wollen, ist es bis zu dieser Entwicklung noch ein langer Weg. Der Kapitalismus muss offenbar bis dahin noch größere Zerstörung anrichten, ein drittes Mal in den totalitären Faschismus münden und die Menschen in der digitalen Diktatur vollends versklaven, bis ihnen vielleicht, eventuell, möglicherweise aufgeht, dass man auch ganz anders leben könnte. Denn wirklichen, radikalen Wandel, im Sinne davon, die vielen Probleme bei der Wurzel zu packen, will offenbar niemand.
Deswegen hier ein Vorschlag für einen ersten Schritt: Wir entkapitalisieren lediglich die zum Leben notwendigen Güter. Alles andere kann weiterhin für Geld produziert und gegen Geld verkauft werden. Aber Nahrung, Wohnraum, Wasser, Elektrizität, Heizung und Kleidung gibt es kostenlos.
Die Produzenten werden dafür nicht mit immer neuen Vorschriften gegängelt und den Investoren zum Fraß vorgeworfen, sondern nach allen Kräften unterstützt. Statt 100 Milliarden in der Rüstungsindustrie zu versenken, investieren wir das Geld in die Landwirtschaft und unterstützen diese dabei, sich ökologischer und regenerativ zu entwickeln. Statt unzählige Großkonzerne mit Milliarden zu subventionieren, wird auch das Geld in eine sanfte, ökologische Transformation der gesamten Versorgung investiert. Diese wird wieder nach Deutschland geholt und lokal eingerichtet. Statt Weizen, Soja, Obst und Gemüse aus fernen Ländern bauen wir all das unmittelbar vor Ort an. Was hier nicht wächst, wächst hier eben nicht.
Gleichzeitig müssen Saatgut und benötigte Werkzeuge kostenlos zur Verfügung stehen und damit die Hoheit darüber auch wieder denjenigen, welche die Felder bestellen, zurückgegeben werden. Die Organisation wird der lokalen Bevölkerung übertragen, natürlich in Zusammenarbeit mit höheren Ebenen. Anstatt realitätsferne Parlamente zu unterhalten, könnte man ein aus Bürgern bestehendes Rätesystem einrichten, das von Ebene zu Ebene subsidiärer wird.
Das bedeutet: Die Menschen vor Ort entscheiden selbst über ihre Belange. Lediglich Entscheidungen, die auf lokaler Ebene nicht getroffen werden können, werden in Absprache mit dem gesamten Ort auf die nächsthöhere Ebene gehoben und so weiter. Auch gegenseitige Unterstützung aller Städte und Dörfer ist natürlich möglich und wünschenswert. Auf diese Weise macht man allmählich auch die ohnehin korrupte und von Eigeninteressen angetriebene Regierung überflüssig, die meint, an einem zentralen Ort für ein ganzes Land Entscheidungen treffen zu können. Und damit können auch die Karrierepolitiker und Verwaltungsbeamten ihre Kraft und Zeit für sinnvolle Tätigkeiten einsetzen.
Das Ganze ist nicht vergleichbar mit dem vom World Economic Forum (WEF) ausgerufenen „Great Reset“, weil all diese Entwicklungen von den Menschen selbst bestimmt werden können und sie auf jeder Ebene die Entscheidungsgewalt behalten. Es dient auch nicht dazu, das Eigentum zu privatisieren und Geld in die Taschen einiger weniger Oligarchen umzuverteilen, sondern schafft final das Geld ab und legt Grund und Boden sowie Produktionsmittel wieder in die Hände, in die es gehört: in niemandes Privateigentum, sondern unter die Verwaltung der Menschen, die dort arbeiten oder vor Ort leben.
Die Welt wäre um einiges entspannter, da niemand sich sein Überleben erst „verdienen“ muss. Arbeit gäbe es dann immer noch genug zu erledigen, und da diese vor Ort und zur Erfüllung der eigenen Bedürfnisse stattfindet, werden die meisten Menschen auch eine Einsicht in ihre Notwendigkeit haben. Zudem kann diese Arbeit viel erfüllender sein, als in einem Bullshitjob Papiere hin- und herzuschieben.
Aber auch für eine solche im Grunde sehr einfache und verständliche Idee ist die Zeit wohl noch nicht reif. Denn die Menschen sind ihre Versklavung, ihre Abhängigkeit gewöhnt und glorifizieren sie so sehr, dass alles andere ihnen komisch vorkommen muss. Lieber geht die Menschheit in ihrem Elend zugrunde, anstatt in der Hoffnung auf eine Verbesserung der Lage Veränderungen vorzunehmen. Die Menschen können sich heute eher den Weltuntergang als das Ende des Kapitalismus vorstellen, und so werden sie diesen Untergang wohl auch bekommen.