Den Ramstein ins Rollen gebracht

Drei Jemeniten klagten vor dem Bundesverfassungsgericht gegen Deutschlands Mittäterschaft bei Drohnenmorden, die auf seinem Staatsgebiet über US-Basen koordiniert werden.

Am 17. Dezember verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die von Ramstein aus gesteuerten US-Drohneneinsätze. Der Grund dafür ist eine Klage von drei Jemeniten, die durch den Drohnenkrieg zivile Angehörige verloren haben. Höchste Zeit also, unseren Blick zu schärfen: Was sagt das Völkerrecht zu dem US-Militärstützpunkt und wie reagiert unsere Politik darauf? Dient die Air Base Ramstein dem Weltfrieden oder muss sie im Sinne des Weltfriedens geschlossen werden?

In Deutschland, westlich von Kaiserslautern in der Pfalz, befindet sich der größte US-Militärstützpunkt außerhalb der USA, die Air Base Ramstein. Sie erstreckt sich über eine Fläche von 1.400 Hektar und ist von zentraler Bedeutung für die Kriegsführung der USA, für den Drohnenkrieg seit dem 11. September 2001 und auch für den gegenwärtigen Krieg in der Ukraine.

Jemeniten verklagen Bundesregierung

Im Zusammenhang mit dem US-amerikanischen Drohnenkrieg und der deutschen Rolle darin liegt eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland beim Bundesverfassungsgericht. Der Fall wird dort im Dezember verhandelt werden.

Ein jemenitischer Kläger verlor durch einen Drohnenangriff der USA seine Familie, die sich zu dem Zeitpunkt auf einer Hochzeitsgesellschaft befand. Die Kläger des Falls erzielten 2019 einen Teilerfolg vor dem Oberverwaltungsgericht Münster. Dieses „verurteilte die Bundesrepublik Deutschland dazu, sich durch geeignete Maßnahmen zu vergewissern, dass eine Nutzung von Ramstein durch die USA für bewaffnete Drohneneinsätze im Aufenthaltsgebiet der Kläger im Jemen im Einklang mit dem Völkerrecht stattfindet, und erforderlichenfalls auf Völkerrechtskonformität hinzuwirken“.

Die Bundesregierung, vertreten durch das Verteidigungsministerium, legte gegen das Urteil Revision ein. 2020 knickte das Bundesverwaltungsgericht dann, selbst dieses Minimum an Verantwortung betreffend, wieder ein. Die Begründungen lesen sich ähnlich haarsträubend wie in den Jahren 2019 bis 2024 die grotesken Versuche im Londoner High Court (Obergericht von England und Wales), die Auslieferung des Journalisten und Wikileaks-Gründers Julian Assange an die USA zu rechtfertigen.

Die Regierung habe sich bereits von den USA versichern lassen, dass die Aktivitäten im Einklang mit geltendem Recht erfolgten, lautete eine Begründung des Gerichts.

Weitere Beispiele sind die Einwände, wir in Deutschland seien doch für die Datenübertragung in Ramstein gar nicht verantwortlich, oder einer der jemenitischen Kläger lebe nicht überwiegend im Jemen und könne daher selbst für seine Sicherheit sorgen. Kafka lässt grüßen.

„Diese Entscheidung zeigt die enorme Zurückhaltung der Gerichte, den Handlungsspielraum der Bundesregierung in außenpolitischen Angelegenheiten einzugrenzen“, fasst die Völkerrechtlerin Vera Strobel zusammen. Das Gericht habe „keine Erschütterung der Zusicherungen (seitens der USA zur Einhaltung des Völkerrechts) durch Berichte von Völkerrechtsverstößen der USA durch Medien und Nichtregierungsorganisationen“ gesehen, für die Völkerrechtlerin „schwer nachvollziehbar“.

Die drei Mitglieder der jemenitischen Familie Bin Ali Jaber, die mit Unterstützung des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR, Europäisches Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte) gegen die Bundesregierung geklagt hatten, reichten daraufhin eine Verfassungsbeschwerde ein. Es gehe „um die Verantwortung Deutschlands, die Familie vor weiteren Angriffen unter Einbeziehung des US-Luftwaffenstützpunkts Ramstein in Rheinland-Pfalz zu schützen“, erklärte das ECCHR hierzu.

Am Dienstag, dem 17. Dezember 2024, ist es dann so weit: Vor dem Bundesverfassungsgericht wird über die Drohnenmorde, welche über Ramstein gesteuert werden, verhandelt werden.

Tabuthema Drohnenkrieg

Beim Drohnenkrieg handelt es sich um Tötungen aus unbemannten Flugzeugen ohne rechtliche Grundlage. Gezielt wird auf Menschen in Afghanistan, Pakistan, Jemen, Somalia, Irak und vielen anderen Ländern. Den Drohnenkrieg führen die USA seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Als Grundlage für diese Kriegsführung wurde der sogenannte Krieg gegen den Terror ausgerufen. Technisch gesehen ist der Drohnenkrieg nur möglich durch die Satelliten-Relaisstation in Ramstein, welche die Steuerung der Drohnen in Afrika, im Nahen Osten und anderswo in der Welt ermöglicht. Die USA liegen hierfür, bedingt durch die Erdkrümmung, schlichtweg zu weit weg. Anders gesagt: Ohne Ramstein wäre der Drohnenkrieg gar nicht möglich.

Es handelt sich um Hinrichtungen auf Verdacht, und manchmal genügt das Aussehen der Opfer für ein Todesurteil. Der Mythos, die Drohnen träfen nur eindeutig identifizierte Terroristen und dies präzise, ist vollkommen falsch. Es sterben dabei viele Zivilisten, auch Kinder und ganze Hochzeitsgesellschaften.

Der Drohnenkrieg lief im Geheimen und wurde von deutschen Politikern jahrelang vertuscht. 2012 wurde er bekannt unter anderem durch den Whistleblower Brandon Bryant, der fast sechs Jahre lang für das US-Militär als Drohnenpilot arbeitete. Er schlug einen Bonus von 109.000 Dollar aus, den man ihm bot, um seiner Kündigung entgegenzuwirken. Auf dem Zertifikat, das er zum Abschied erhielt, waren 6.000 Flugstunden, mehrere hundert geflogene Einsätze gelistet – und „1.626 im Kampf getötete Feinde“. Bryant wurde übel. „Uns wird gesagt, es sind saubere Einsätze, alles läuft präzise ab, aber die Wahrheit ist: Nichts ist sauber, es kann nie sauber sein.“ Der ehemalige Drohnenpilot litt infolge seiner Einsätze an posttraumatischer Belastungsstörung.

Lisa Ling, ehemals US-Soldatin, war am Drohnenkriegs in Afghanistan beteiligt. Die Schuldgefühle über ihre Rolle im US-Drohnenkrieg belasten sie bis heute

„Vor allem in der ersten Zeit wurden in Afghanistan Menschen von Drohnen getroffen, während sie im Krankenhaus waren, in der Schule, auf der Straße. Menschen saßen beim Abendessen auf ihren Dächern und wurden von Raketen aus US-amerikanischen Drohnen getötet. Sie konnten überall zum Opfer werden, es gab keinen Rückzugsort. Es gab keine Möglichkeit für sie, sich zu ergeben. Sie hatten keine Chance zu erfahren, ob sie sich verdächtig gemacht hatten und womöglich zum Ziel geworden waren. Niemand kam und erklärte ihnen: ‚Hey, wir haben diesen Kerl getötet, weil er das und das getan hat und ein schlechter Mensch war.‘“

Der Großteil der Opfer des Drohnenkriegs sind unschuldige Zivilisten. Das zeigt auch ein 2015 veröffentlichtes Dossier von The Intercept: Im Nordosten Afghanistans waren zwischen Januar 2012 und Februar 2013 im Zuge der Operation Haymaker bei Angriffen mit Kampfdrohnen mehr als 200 Menschen getötet wurden. Intercept zufolge waren 35 Fälle davon gezielte Tötungen von Terrorverdächtigen. „Über einen Zeitraum von fünf Monaten (waren) 90 Prozent der Getöteten keine vorher benannten Ziele“, so der Tagesspiegel. Das US-Militär jedoch habe die Opfer in seinen Statistiken als „im Kampf getötete Feinde“ geführt.

Ramstein und das Völkerrecht

Als der Drohnenkrieg bekannt wurde, fanden die Grünen noch deutliche Worte. Sie betonten unsere Verantwortung hierbei und das Völkerrecht. 2019 verlangten sie noch von der damaligen Bundesregierung, „unverzüglich den verfassungs- und völkerrechtlichen Pflichten nachzukommen und amtliche Ermittlungen zum Tod von ZivilistInnen zu veranlassen“. Gegenüber der US-Regierung sei klarzustellen, „dass völkerrechtswidrige Tötungen über die Satelliten-Relaisstation auf der Ramstein Air Base den Fortbestand der Relaisstation infrage stellen“.

Aber das ist lange vorbei.

Auch zum Drohnenkrieg machten die Grünen eine 180-Grand-Kehrtwende – leider keine 360 Grad, wie Annalena Baerbock in einem ihrer legendären Versprecher dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahelegte –, und die Partei unterwirft nun ihre Aussagen der kriegerischen US-Außenpolitik.

„Man sei ‚in ständigen Austausch‘ mit den USA – das Land habe wiederholt versichert, dass es sich in Ramstein an das Völkerrecht halte“, zitiert die Frankfurter Rundschau die Außenministerin. „Allerdings sei das Auswärtige Amt nicht darüber informiert, welche Angriffe überhaupt über Ramstein laufen.“

Annalena Baerbock verkennt hier, dass wir uns selbst an das Völkerrecht halten müssen, da der Drohnenkrieg von deutschem Boden ausgeht. Um es deutlich zu machen: Bei Beihilfe zum Mord nützt es auch nichts, wenn der Mörder uns versichert, dass er sich an geltendes Recht hält.

„Dabei geht es zum einen um die Frage, ob man sich in einem bewaffneten Konflikt befindet oder nicht“, erklärt Andreas Schüller, Jurist mit Spezialisierung im Völkerstrafrecht zu Ramstein. Bei der „Terrorismusbekämpfung“ der USA handle es sich weder um einen Kriegsfall noch um einen bewaffneten Konflikt. „In einem bewaffneten Konflikt ist humanitäres Völkerrecht anwendbar. Das heißt, unter bestimmten Voraussetzungen dürfen Menschen auch getötet werden. Außerhalb eines bewaffneten Konfliktes gelten die Menschenrechte. Da ist eine Tötung von Menschen aus der Luft im Grunde genommen komplett ausgeschlossen.“ Und ein Drohnenangriff grundsätzlich illegal, so Schüller.

Beim US-amerikanischen Drohnenkrieg in Somalia spielt Deutschland eine noch größere Rolle: Am 10. März 2022 wurde in Somalia ein Familienvater durch einen US-Drohnenangriff getötet, als er mit fünf Leuten in einem Kleinbus unterwegs war. Ziel des Angriffs war die Shabaab-Miliz, da diese zum al-Qaida-Netzwerk gehöre. Der verstorbene Mann allerdings war Sufi. „Aus Sicht der Shabaab-Miliz sind Sufis Ungläubige“, erklärt sein Sohn.

Das US-Kommando für Afrika jedoch, kurz Africom, verwies auf „ein Fahrzeug mit fünf al-Shabaab-Mitgliedern“, das getroffen wurde. Von Africom aus werden die Befehle zum Abschuss gegeben. Das wäre schon schlimm genug, aber hier haben wir ein weiteres Problem: Die Kommandozentrale Africom befindet sich in den Kelley Barracks, ein US-amerikanischer Militärstützpunkt in Deutschland, südlich von Stuttgart.

In der Übersicht „Wesentliche Liegenschaften, die den ausländischen Streitkräften zur ausschließlichen militärischen Nutzung überlassen sind“ des Deutschen Bundestags vom Juni 2023 sind die US-Kelley-Barracks Stuttgart-Möhringen mit 28 Hektar Land gelistet.

Schützt uns Ramstein?

Im Jahr 2022 waren 38.000 amerikanische Soldaten in Deutschland dauerhaft stationiert, das antwortete die Bundesregierung auf eine entsprechende Anfrage der Linkspartei. 19.050 US-Soldaten waren in Rheinland-Pfalz stationiert, 12.600 in Bayern, die restlichen 3.350 in Hessen und Baden-Würtemberg.

Auf eine Anfrage auf abgeordnetenwatch.de hin antwortete die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann: „Die US-amerikanische Truppenpräsenz hat uns bisher ein hohes Maß an Sicherheit garantiert (und wird das auch weiterhin), die Fundament für unseren Wohlstand und unsere Freiheit ist.“ Angesichts der bekannten Tatsachen liest sich das sowohl zynisch als auch brutal.

Roderich Kiesewetter behauptet, man benötige die vielen US-Militärstützpunkte, um den Wertewesten zu schützen. Wovor denn, wenn weltweit niemand vergleichbar mit den USA und der NATO expandiert? Kiesewetter greift bei seiner Antwort tief in die Propagandakiste:

„Während es den USA also darum geht , unsere wertebasierte Ordnung zu stabilisieren und zu verteidigen, versucht Russland gezielt diese ins Wanken zu bringen. Das ist der Grund, warum Russland als imperialistische, expandierende Macht gesehen werden muss, die USA aber nicht.“

Eine endlose Reihe geopolitischer Schachzüge und Kriegshandlungen der USA gegenüber Russland und dem eurasischen Kontinent seit vielen Jahrzehnten belegt das Gegenteil dieser Aussage, wie ich in meiner Artikelsammlung „Frieden für die Ukraine“(1) dargelegt habe. Die jährlichen Investitionen der US-Falken in Krieg und Gewalt sprechen für sich. So belegen die USA unter den 15 Ländern mit den höchsten Militärausgaben im Jahr 2023 mit 37 Prozent weltweit Platz eins und sind damit einsame Spitze. Die Ausgaben sind höher als die der folgenden neun Länder zusammengerechnet. Den USA folgen China mit 12 Prozent, Russland mit 4,5 Prozent, Indien mit 3,4 Prozent und Saudi Arabien mit 3,1 Prozent.

„Die NATO zeigt Flagge an ihrer Ostflanke und unterstützt die osteuropäischen Bündnispartner vor dem Hintergrund der russischen Aggression durch eine erhöhte multinationale Truppenpräsenz“, heißt es inzwischen auf der Seite der Bundeswehr. Als Führungsnation und Truppensteller leiste Deutschland einen wichtigen Beitrag „zur wirksamen Verteidigungsfähigkeit und glaubhaften Abschreckung in der Region”. Beim Krieg in der Ukraine helfe die Bundesrepublik „mit Waffensystemen, Ersatzteilen, Munition und Ausbildung ukrainischer Soldaten“.

Die ständig wiederholten geopolitischen Behauptungen in unseren konzernabhängigen Medien haben große Verwirrung gestiftet. Schützt uns Ramstein? Schützt uns die NATO?

Wenn wir uns vorstellen, welchen Eindruck die aggressive Kriegspolitik des Wertewestens auf die restliche Welt hinterlassen, dann ist das Ergebnis schockierend bis traurig.

Wo stehen wir da vor der Weltgemeinschaft? Die NATO blickt auf eine Reihe völkerrechtswidriger Angriffskriege zurück, von Serbien über Libyen, Syrien, Afghanistan bis zum Putsch auf dem Maidan mit allen Folgen. Meiner Ansicht nach ist es daher schon lange an der Zeit, aus der NATO auszutreten.

Es gibt auch wertvolle Berichte in den konzernabhängigen Medien, aber die muss man suchen. Oft sind es alte Beiträge aus einer ehrlicheren Zeit, späte Sendezeiten oder nur noch Randnotizen. Manche Aussage mutet harmlos an, sagt aber alles aus:

„Welches Land besetzt welche Position?“, fragte etwa der Südwestrundfunk (SWR) 2022 in einem Artikel über die NATO und führt die Antwort im Folgenden aus (2): „Welche Länder welche Positionen im NATO-Hauptquartier übernehmen, darüber einigen sich die Verbündeten im Vorfeld. Beispielsweise ist der Befehlshaber immer ein US-General, sein Stellvertreter ein Franzose – wie aktuell – oder ein Brite. Den Stabschef stellt zurzeit Italien“ (Hervorhebungen durch die Autorin). Einigen sich die Verbündeten darauf, auf den Einigungsprozess zu verzichten?

In Rumänien wird gegenwärtig ein neuer NATO-Stützpunkt gebaut, der doppelt so groß werden soll wie Ramstein: Am Schwarzen Meer entsteht derzeit eine militärische Kleinstadt. Rumäniens Luftwaffenstützpunkt Mihail Kogălniceanu nahe der Hafenstadt Constanța wird dazu ausgebaut: „Es ist ein Mammutprojekt – denn einmal fertiggestellt, soll es flächenmäßig die größte NATO-Basis Europas werden“, so t-online. Laut Planung zahlt Rumänien etwa 2,5 Milliarden Euro und rechnet mit bis zu zwanzig Jahren Bauzeit. Schon jetzt seien dort einige hundert US-amerikanische Hubschrauberschwadrone stationiert, und die NATO nutze den Stützpunkt bereits „für Einsätze zur Überwachung des Luftraums an der Ostflanke“.

Atombomben in Büchel

In Deutschland sind heute noch – oder mindestens – etwa 20 US-Atombomben stationiert. Die genauen Zahlen der Atomsprengköpfe sind nicht bekannt, da die USA sie nicht herausgeben. Die angenommenen 20 Stück lagern auf dem Bundeswehr Fliegerhorst Büchel in der Eifel, 90 Kilometer von Ramstein entfernt. Diese in unterirdischen Metallbunkern gelagerten Raketen sind internationalen Wissenschaftlern zufolge je dreieinhalb Meter lang und haben jeweils eine Sprengkraft bis zu 50.000 Tonnen – das Vierfache der Hiroshima-Bombe.

Der Einsatz von US-amerikanischen Atomwaffen durch NATO-Verbündete unterliegt dem Zweischlüssel-Abkommen, theoretisch zumindest. Am Fliegerhorst Büchel trainiert die Bundeswehr mit Kampfjets, die geeignet sind, die Atombomben zu transportieren. Nur US-Soldaten haben Zutritt zu den „Grüften“, in welchen diese Waffen gelagert sind. Hochgefahren und befestigt werden können die Bomben nur durch die USA. Der Fliegerhorst in Büchel indessen verfügt über die passenden Jagdbomber. Seit mehr als einem Jahrzehnt wird dieses Prozedere jeden Oktober bei der Militärübung „Steadfast Noon“ geübt.

An dem multinationalen Manöver nehmen der Bundeswehr zufolge „moderne Kampfflugzeuge, die nukleare Sprengköpfe tragen können, sowie B-52-Bomber aus den USA teil“. Die Bundeswehr war zuletzt unter anderem mit ihrem Kampfbomber Tornado vertreten, doch in Zukunft wird das Mehrzweckkampfflugzeug F-35 des US-Unternehmens Lockheed Martin den Bomber ablösen. Die Übung unterliegt großer militärischer Geheimhaltung: Die Nennung der an der NATO-Übung Steadfast Noon beteiligten Standorte stelle „eine schutzwürdige Zusammenstellung dar, die Rückschlüsse auf vorhandene Fähigkeiten und Fähigkeitslücken der Bundeswehr als auch Streitkräfte anderer Staaten“ zulasse.

2009 hatte die schwarz-gelbe Koalition den Abzug der Atombomben zum Ziel erklärt und wurde im darauffolgenden Jahr durch den Bundestag bekräftigt. Es handle sich um „Relikte des Kalten Krieges“, und diese hätten keinen militärischen Sinn mehr. Die US-Regierung drängte stattdessen auf Modernisierung des Arsenals. Aus den Bomben sollten intelligentere, steuerbare Präzisionswaffen gemacht werden. Das aber macht sie für uns nur gefährlicher: Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie eingesetzt werden. Ramstein und Büchel machen uns damit zur Zielscheibe.

Im Rahmen einer Umfrage aus dem Juni 2022 gaben 39 Prozent der Befragten an, dass diese Atombomben aus Deutschland abgezogen werden sollten, 41 Prozent stimmten für einen Verbleib. Die Frage beinhaltete die Formulierung „in Anbetracht des russischen Angriffs auf die Ukraine“. Im parteipolitischen Lager der Grünen plädierten rund 55 Prozent der Befragten für den Verbleib der Atomsprengköpfe. 39 Prozent plädierten für einen Abzug, 1,2 Prozent für Modernisierung und Aufstockung. Mich würde vergleichsweise das Umfrageergebnis interessieren, wenn man die oben zitierte Formulierung weglässt.

Der Rest der Welt zeigt sich noch weniger überzeugt vom Konzept des fragilen Scheinfriedens im Schatten der Atommächte. 2017 hatten sich 122 der 193 UN-Mitgliedsländer für ein Verbot aller Atomwaffen dieser Welt ausgesprochen. Zu den Initiatoren gehörten Österreich und Irland. Der Vertrag erklärt Atomwaffen für illegal und verbietet allen Unterzeichnern, Atomwaffen zu entwickeln, zu besitzen, zu lagern, zu stationieren oder zu finanzieren. Die Atommächte sowie die 29 NATO-Staaten glänzen hier bis heute durch Abwesenheit.

Im Jahr 2020 erreichte der Vertrag 50 Ratifikationen. Seit dem 22. Januar 2021 ist der Atomwaffenverbotsvertrag der UN Völkerrecht. Ab dem Moment des Inkrafttretens wird er für seine Vertragsstaaten verbindliches Recht und muss durch nationale Maßnahmen umgesetzt werden. Der Vertrag bleibt für weitere Beitritte offen.

Die Ablehnung des Vertrags durch die NATO kennzeichne diese „als undemokratische Allianz, die ein Sicherheitsrisiko für die Welt darstellt“, resümiert Berhard Trautvetter zutreffend in den Nachdenkseiten. Mit ihrer Verdrehung der Tatsachen stellten sich NATO und Bundesregierung auch gegen die Bevölkerung Deutschlands: Laut einer Greenpeace-Umfrage würden circa 92 Prozent für die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrages plädieren.

„In einer multipolaren Welt der asymmetrischen Kriegsführung, der nichtstaatlichen Akteure, der Cyber- und Drohnenkriege ist dieses Festhalten an Atomwaffen nicht realistisch, sondern gefährlich“, heißt es in der Zusammenfassung der International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (ICAN, Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen) vom Oktober 2020. Mit der Aufnahme des Verbotsvertrages in das Völkerrecht werde Atomwaffen die Legitimität entzogen, was eine rechtliche Lücke schließe.

Die internationale Ächtung von Atomwaffen wurde somit deutlich und sichtbar.

Im Falle einer atomaren Eskalation wären wir mittendrin und dabei, ob wir das wollen oder nicht. Wir wissen nicht einmal, was genau in Ramstein vor sich geht, und ob weitere Atomwaffen nach Büchel gebracht werden (3).

Auf die Air Base Ramstein darf nicht einmal die deutsche Polizei.

Wird man uns also höflich um Erlaubnis bitten in diesem Fall?

Ramstein schließen bedeutet politische Willensbildung

Schützt Ramstein uns? Die Frage kann mit einem klaren Nein beantwortet werden, da die von Ramstein ausgehenden Aktivitäten völkerrechtswidrig sind und uns zur Zielscheibe machen, indem sie aggressive Reaktionen auf uns ziehen könnten. Wir leben mitten in Europa, und unser Interesse ist es, gute, friedliche und freundschaftliche Verhältnisse zu den anderen europäischen Ländern zu pflegen, natürlich auch zu Russland.

Geopolitisch gibt es kein deutsches Interesse an der gegenwärtigen Situation, auch nicht an einer gesprengten Nord-Stream-Pipeline, einem Putsch in der Ukraine, sabotierten Friedensverhandlungen und einem Krieg in Europa.

Es gibt wohl aber machtpolitische Interessen im militärisch-industriellen Komplex der USA, die von einer Schwächung Europas als Wirtschaftsstandort und von einem Krieg hierzulande profitieren sowie von einer maximalen Schwächung Russlands. Entsprechendes wurde öffentlich gesagt und geschrieben, sei es im privaten Beratungsinstitut Stratfor, in Papieren der RAND Corporation oder vom US-Verteidigungsminister Lloyd Austin persönlich.

Unserem Gewissen folgend müssen wir uns gegen derlei destruktive Interessen stellen. Aber selbst wenn wir davon nicht viel wissen: Die Aktivitäten in Ramstein laufen unseren eigenen Sicherheitsinteressen vollkommen zuwider, und entsprechend ist es an der Zeit, sich zu positionieren, persönlich oder auch öffentlich. Zunächst einmal haben wir hier in Deutschland viele Möglichkeiten, der Kriegsindustrie unsere Energie zu entziehen, das betrifft unsere alltägliche Kommunikation, unsere Berufswahl und unsere Geldanlagen. Auf der „Stopp Air Base Ramstein Friedenswoche“ findet zudem jedes Jahr ein friedlicher und kreativer Protest statt, welchem sich regelmäßig auch Friedensbewegte aus den USA und anderen Ländern anschließen. Ich habe die Woche zweimal miterlebt und filmisch dokumentiert=.

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags verfasste 2017 den Sachstand „Der Militärstützpunkt Ramstein: Statusrechtliche Fragen und mögliche Konsequenzen bei Verstößen gegen das Stationierungsrecht“. Der Präambel des Aufenthaltvertrags zufolge dient die Präsenz ausländischer Truppen in Deutschland dem Zweck, „im Hinblick auf die gegenwärtige internationale Lage (…) die Verteidigung der freien Welt sicherzustellen, die weiterhin die Anwesenheit ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland erfordern“. Diese Verteidigung einer freien Welt muss natürlich im Einklang mit dem Völkerrecht erfolgen, wäre hier schon der erste Einwand.

Die Militärbasis Ramstein befindet sich auf deutschem Hoheitsgebiet. Daher sei „als Konsequenz aus dem Territorialitätsprinzip“ deutsches Recht anwendbar. Im Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut sei „ausdrücklich sichergestellt, dass auch innerhalb der den Stationierungsstreitkräften zur Benutzung überlassenen Liegenschaften deutsches Recht gilt, welches ausländische Truppen in Deutschland zu beachten haben“.

Auch Artikel II des NATO-Truppenstatuts (NTS) verpflichtet die in Deutschland stationierten Streitkräfte dazu, deutsches Recht zu achten. Allerdings gibt es keine Möglichkeit, bei Verstößen polizeilich einzuschreiten – ein Widerspruch in sich.

„Da sowohl das Gelände als auch die Räumlichkeiten des Militärstützpunktes unverletzlich sind, ist ein Zugriff durch örtliche Behörden grundsätzlich nicht möglich. Weder Strafverfolgungs- noch sonstige Behörden können sich ohne die vorherige Zustimmung der amerikanischen Behörden Zutritt zu dem Stützpunkt verschaffen“, fasst der Sachstand von 2017 zusammen.

Die Kündigung des Stationierungsrechts ist – mit einer Frist von zwei Jahren – jederzeit möglich.

„Sowohl der Aufenthaltsvertrag als auch das NATO-Truppenstatut können aufgekündigt werden.Nach Nr. 3 der ‚Vereinbarung vom 25. September 1990 zu dem Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland‘ kann die BRD den Aufenthaltsvertrag in Bezug auf eine oder mehrere Vertragsparteien unter Einhaltung einer Frist von zwei Jahren beenden. Nach Artikel XIX Absatz 1 und 3 NATO-Truppenstatut kann jede Vertragspartei das Abkommen mit einer Frist von einem Jahr nach Eingang der Notifizierung bei der Regierung der USA kündigen.“

Selbstverständlich muss das möglich sein. Ein Truppenstatut ohne Recht zur Kündigung wäre auch völkerrechtlich gesehen undenkbar. Nun ist hierzulande zum einen eine zunehmend bessere Informationslage vonnöten, zum anderen eine politische Willensbildung, um gemeinsam die Schließung von Ramstein möglich zu machen. Zynismus und Hoffnungslosigkeit angesichts des Völkerrechts sind meiner Meinung nach vollkommen unangebracht, denn Macht kommt von Mitmachen.

Wo niemand mitmacht, hat auch niemand die Macht.

Noch nie konnten einige wenige Menschen eine große Menge Menschen gegen deren Willen beherrschen, die Dinge liegen bei genauerer Betrachtung immer anders. Der Schlüssel sind hier die Kommunikation und die eigene Kreativität.

Wichtig ist also, den immer zeitgleich laufenden Informationskrieg im Auge zu behalten: Diffamierungen und Verleumdungen sowie die Versuche durch Kontaktschuld, durch glatte Lügen und durch Kündigungen von Jobs oder Bankkonten insbesondere einflussreiche Menschen aus dem Diskurs zu entfernen, müssen wir erkennen, offen benennen und dadurch in ihrer destruktiven Wirkkraft beenden. Wenn wir selbst einen friedlichen Diskurs pflegen, in unseren öffentlich-rechtlichen Medien auf einen friedlichen Diskurs bestehen – oder diese andernfalls abschalten – und einander zuhören, dann haben Lügen und Spaltungsversuche keine Kraft mehr. Anders gesagt: Wir müssen lernen, wertschätzend und sachlich zu debattieren. Dann ist ein großer Schritt zur Einhaltung des Völkerrechts und zum Frieden getan.

Schlussgedanke

Abschließend möchte ich noch vor einer Verwechslung warnen, mit einer Inspiration an alle, die sich bei der Vorstellung, Ramstein zu schließen, verunsichert fühlen: Das, was sich gegenwärtig unter Umständen noch sicher oder sogar schützend anfühlt, sind, wie oben dargelegt, nicht Ramstein oder die NATO, sondern möglicherweise der noch sichere Arbeitsplatz, die Karriereleiter oder schlichtweg die soziale Anerkennung, das trügerische Gefühl, bei diesem Thema mit einer Mehrheit mitzuschwimmen, klarer ausgedrückt: mit den Narrativen unserer finanziell starken Medien. Die reale US-Außenpolitik ist bestimmt nicht das, was unsere Sicherheit fördert. Der Trugschluss ist von kürzer werdender Dauer und zudem gefährlich.

Am Ende des Tages könnten wir statt dessen auf das Mitgefühl derer angewiesen sein, die dem US-Imperialismus und unserem Mitwirken daran zum Opfer gefallen und zu Leidtragenden geworden sind. Das sind viele, darunter auch Atommächte, und wir tun gut daran, mit einer verantwortungsvollen Haltung zu beginnen sowie mit einem respektvollen Miteinander auf Augenhöhe in einer multipolaren Welt.