Das Wissen ist Soldat geworden
Die Poetik-Ecke IX präsentiert fünf Gedichte über ein verkommenes Land.
Es ist immer eine selbst gewählte Position, von der aus man etwas beobachtet, eine Position, in die man getrieben wurde oder aus eigenem Antrieb gelangt ist. Dichter lieben den archimedischen Punkt, finden ihn meistens irgendwo in der Einsamkeit. Aber vielleicht ist es wieder Zeit, nach Dichtern zu suchen, die sich aussetzen. Die sehen, was andere nicht sehen, die spüren, was andere nur glauben. Dichter, die kein romantisches Erheben suchen, sondern einen anderen Blickwinkel, eine andere Sprache, eine andere Art von Sinnlichkeit. Die Poetik-Ecke IX präsentiert fünf Gedichte von Thomas Eblen. Sie stellen den Versuch dar, sich in einem Diskurs zu behaupten, der sich oft nur noch den Marktgesetzen von Reizerzeugung und Reizerfüllung unterwirft. Die Gedichte sind einem längeren Zyklus entnommen.
Freiheit
So als ob man spräche
Die Augen auch und
der Mund versiegt vor aller Stille
In den Atempausen der Macht
entstehen glitzernde Perlen der Lust
sie hüpfen Treppen hinab
und verlieren sich in der Angst
alles was da ist
und in Bildern zur Sprache wird
drückt die Menschen
in eine Nische hinein
— sie verderben
jener Anflug von Ahnung
die doch in jedes Menschen Herz
sich formt und birgt
ist aufgebrochen — rot
es glühen Kriege dort
und stumpfe Glieder
in den Geist geschlagen
zappeln
gibt es Worte noch
und Sinn der neu gebunden
Abenteuer zeugt?
Das Wissen ist
Soldat geworden
Seine Waffen klirren
Konsum
Sie sind so seltsam
aufgekratzt und träge
beherrschen sie den Tag
In Dingen ausgestellt
ersehnen sie sich Blicke
Im Mantel ihrer Sprache
schlüpfen Wespen unter
und stechen Fragen tot
Im rundherum der Tortenwelt
schlemmen sie sich in die Höhe
vollgestopft und backenblass
die Augen rot umrandet
suchen sie den Schlaf
und fallen in den immer gleichen Traum
als sie erwachen blasen Ängste
kleine Welten auf
darin ihr Herz wie eine Turmuhr schlägt
sie suchen Zeit, blinzeln in den Tag
sind fromm in ihrem Wüten
und Risse werden Spalt
da in den aufgeblähten Körpern
Wie schön doch ihre Jugend träumt
Immer dieses hin und her
Gesichter voller Not
Entdecken ihre Schwere
Neigen sich zur Erde hin
Und vergessen ihre Sterblichkeit
Sie schaffen Bilder
Szenen und Gesichte
Die Ängste weiten
Furcht und Zittern üben
Und Kinder fallen aus der Zeit
Sie starren wie verrückt
In jenen Strahl der Zukunft heißt
Beschämt von jenen Alten
Die ihre Welt in Edelsteine hüllen
Als ob sie Königswürde trügen
Sie lernen nicht mehr in der Zeit
Sind nur noch Bild und Schreck
und Oberfläche, die sie kitzelt
Ihre Leichtigkeit ist Schmerz
Ihre Frechheit Abgrund
Ihre Liebe Angst
Wie schön doch ihre Jugend träumt
Intellektuelle
so wie sie
und auch andere
über die Sprache hinweg
sich auf einen Stuhl setzen
und auf das Gemeinwohl pfeifen
als kündigten sie damit
den Frühling an
so sind sie auch
Gefangene im Wind
bürsten den Haarschnitt
gegen die eigene Empfindsamkeit
und geben den stählernen Herren
im goldenen Schnitt
wenn aus ihnen
die Macht entweicht
wie der Geruch aus einer Tüte
voll faulendem Fleisch
wechseln sie die Straßenseite
oder knipsen hinter sich
die Lichter aus
stehen sie dann in Gärten
alleine vor dem Unkraut
dass sie als Blumen säten
schlagen sie Bücher auf
und zeigen auf Stellen
die ihnen den Ausweg erklären
Träumer
Wo sind wir, wenn wir Menschen sind
wo hat es uns besiegt
Wo ist das Leben und beginnt
wie finden wir zurück
Wer hat uns nur so ausgezehrt
wem blieben wir so fremd
Wer hat uns diesen Blick gewährt
und stielt sich nun davon
Vielleicht ist dieses Gehen
das uns doch stets umgibt
dies unbedingt bewehren
der Geste viel zu viel
Ich kann es nicht benennen
bin stiller Gruß in einem Fort
und reise wie ein Träumer
zu einem mir gemäßen Ort
Quellen und Anmerkung:
Wer sich für den ganzen Zyklus interessiert, kann sich über die Website beim Autor melden.