Das Wasser der Heilung

Aquatische Körperarbeit kann als sanfter Begleiter dienen, um den Ursprüngen seelischer Verwundungen auf den Grund zu gehen und Frieden zu finden.

Die Verbindung zu den eigenen Wurzeln ist aufgrund unserer Geschichte oft angstbesetzt. Um Heilung zu finden, ist es aber wichtig, wieder in Kontakt mit jenem Element zu kommen, in dem alles seinen Anfang nahm. Im sanften Wiegen des 35 Grad warmen Wassers, fernab vom festen Boden, beginnt eine transformative Reise — eine Reise mit WasserShiatsu (WATSU), verwoben mit Elementen der Integrativen Aquatischen Therapie (IAT). Dort, wo das Wasser die Grenzen unserer Haut berührt und uns in eine Welt der Wärme und Geborgenheit trägt, beginnt die Reise. Es ist eine Welt, in der das Wasser nicht nur äußerlich berührt, sondern auch tief in unsere Seelen eindringt und die verborgenen Wunden des Lebens zu heilen vermag. In dieser intimen Begegnung mit dem Element des Lebens, dem Wasser, entsteht eine einzigartige Verbindung — eine Verbindung, die uns zurückführt zu unserer inneren Quelle der Kraft und des Friedens. Hier, in diesem heiligen Raum des Wassers, finden wir die Leichtigkeit und Freiheit, uns hinzugeben, uns zu öffnen und uns selbst zu begegnen. Ein Text zum #Wasserspezial.

Es ist eine Erfahrung jenseits der Worte, eine Reise durch die Tiefen der Seele, geführt von der sanften Berührung des Wassers und der einfühlsamen Begleitung durch WATSU-TherapeutInnen. Es ist eine Reise, die uns zurückführt zu uns selbst, zu unseren Wurzeln und zu unserer inneren Heilung.

Zu unseren Wurzeln zurückgeführt zu werden ist für viele herausfordernd, weil wir dabei in unserer Ahnenlinie durch die beiden Weltkriege auf kollektives und individuelles Trauma stoßen. Urvertrauen konnte sich nicht entwickeln, wenn Millionen von Familien durch Bombenangriffe, Flucht und Vertreibung und tägliche Angst ums Überleben erschüttert wurden.

Das kollektive Trauma des Krieges wird epigenetisch weitergegeben, sodass sogar diejenigen von uns, die nicht wie unsere Vorfahren den Krieg unmittelbar erlebt haben, Spuren davon in sich tragen.

Wie tief und heilsam das Halten, berührt und getragen werden im körperwarmen Wasser diese intergenerativen Traumata verwandeln helfen, sowie vermisste Verbindungen nachnähren kann, erzählt folgende Geschichte.

Es ist Februar und ich besuche meine Freundin Mara (der Name wurde aus datenschutzrechtlichen Gründen verändert). Wir nutzen für unseren Austausch in Aquatischer Körperarbeit einen privaten Pool. Freudig sinken wir ein und begrüßen unsere gemeinsame große Liebe — das Wasser. Dieses warme Element nimmt uns beide in sich auf wie kein anderes. Meine Haut genießt die Wärme des Wassers. Das Wasser dringt durch meine Hautschichten und lässt mich in kürzester Zeit weicher und durchlässiger werden. Es fühlt sich an, als würde es nicht nur meine Haut, sondern auch meine Organe, Muskeln und Knochen umspülen und wiegen. Selbst starre Gedanken lösen sich in dieser Zeit auf und werden zu einer fließenden Lösung. Etwas Uraltes und Vertrautes in mir wird berührt, das fern aller Worte nicht zu beschreiben ist. Das Schweben im Wasser umhüllt mich wie eine liebevolle Umarmung, die mein gesamtes Wesen umfasst. Jeglicher Stress, sogar der, von dem ich vor dem Eintauchen nichts wusste, löst sich auf — meine Seele kommt zum Vorschein.

Dieses Eintauchen ins Wasser gleicht einer einzigartigen Liebesbeziehung — mit dem Leben und mit uns selbst. Wasser ist Leben. Wir sind Leben. Wir sind Wasser.

Dass Mara das Schweben ebenfalls genießt, schwingt zu mir herüber. Dieser Zustand, gemeinsam im eigenen Sein zu baden, erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit. Nach einem kräftigen Ausatmen formt sich ein Lächeln auf meinen Lippen.

Heute verzichten wir irgendwie darauf, Worte für unseren Austausch zu verwenden. Diese fielen bereits am Frühstückstisch. Deshalb bin ich über ihren Kopfschmerz und ihre Angst vor dem 35 Grad warmen Wasser informiert, das möglicherweise zu Migräne führen könnte.

Mein Körper streckt und reckt sich und taucht wie ein Seehund unter Wasser und direkt vor Mara wieder auf. Ich folge meinem Impuls, sie zuerst durchs Wasser zu tragen, damit der Druck in ihrem Kopf und der damit verbundene Stress im Nervensystem sich auflösen können.

Ihr Kopf liegt auf einem speziellen Wasserkissen und ihr Unterkörper wird von einer weichen Schwimmnudel unter den Knien getragen. Ihr Gesicht wirkt entspannt, und sie lächelt, als ich sie berühre. Behutsam ziehe ich sie an ihren Knöcheln in sanften Schwüngen rückwärts durchs Becken — ihr Körper folgt schlangenartig. Ihre Wirbelsäule kann sich ausdehnen, wie es „an Land“ unmöglich ist.

Immer öfter atmet sie tief aus. Ich höre, sehe und fühle, wie ihr Körper von Bewegung zu Bewegung immer mehr loslassen und sich hingeben kann. Entspannung breitet sich Welle für Welle aus, die auch mich tiefer ausatmen lässt. Es beginnt ein nonverbaler Dialog zwischen unseren Körpern, wie ein eigener Tanz, gemeinsam mit dem Wasser.

Als ich Mara an den Knöcheln gefasst nach vorne schiebe, sodass sich ihre Hüfte beugen kann, initiiere ich Wellenbewegungen mit ihrem Becken, welche sich im gesamten Poolbecken ausdehnen. Mein Bewusstsein lädt ihre Lust ein, wieder mehr an die Oberfläche ihres Lebens zu kommen und sich so auszubreiten, genau wie diese Wellen. Ich würdige die Anstrengung der letzten Monate, die ihr Körper auf sich genommen hat für den Übergang in einen ruhigeren Lebensabschnitt. Ich lade ihre Körperzellen ein, sich zu erholen und auf ein lustvolleres Leben einzustellen, das in Kürze weniger von äußeren Einflüssen, sondern mehr Selbstbestimmung bereithält.

Ihren Körper lasse ich nach wiederholten Beckenwellen ausschwingen. Als sie zur Ruhe kommt, nehme ich sie in meinen Arm und lege ihre Hände auf ihr Herzchakra.

Ich wünsche ihr, dass der Übergang aus dem Berufsleben und in den neuen Lebensabschnitt genauso fließend sein und sie zur Ruhe bringen wird. Mein Blick schweift nach draußen und landet in dem Geäst einer noch blattlose Baumkrone. Bis die Oberfläche des Wassers sich wieder geglättet hat, verweile ich hier in Ruhe, in der ihr Körper, ihr Geist und ihre Seele die vorangegangene Erfahrung integrieren.

Denn genau wie der Wurf eines Steins auf der ruhigen Wasseroberfläche kreisförmige Wellen erzeugt, breiten sich die äußere Bewegungen auch im Inneren aus, um dort, wo nötig, Heilung zu bewirken. In ihrem Innern sowie in meinem. Nicht ich bewege mein Becken, sondern es bewegt mich in der Form einer liegenden Acht. Die Verbindung zum Wasser lässt meinen Körper etwas tun, nicht mein Wille. Doch es geschieht in einem vollkommenen Einklang, den ich nur in diesem Element erlebe.

Das Wasser geht mit mir in einen einzigartigen Dialog, indem wir beide Sender und Empfänger zugleich sind.

Ein nonverbaler Austausch entfaltet sich zwischen unseren Körpern wie ein Tanz, der im Einklang mit dem Wasser entsteht. Ohne dass mein Verstand versteht, wie das Wasser das macht, vertraue ich auf diesen Effekt, der von etwas Höherem geführt wird als meiner Ratio. Es ist mein Bewusstsein, das um dessen Anbindung an ein kollektives Bewusstsein weiß. Das Wasser hilft mir, dies hier leichter als an Land wahrzunehmen. So schwingen meine Gedanken sogar mit, wenn die von meinem Becken ausgelösten Wellen über diesen Beckenrand hinaus in das kollektive Gedächtnis der Frauen überfließen wollen.

Mein Körperbewusstsein verselbstständigt sich auf magische Art und Weise mit dem Wasser, das symbolisch für Leben steht. Ich bitte das Leben, dass die Becken all der Frauen tiefe Heilung erfahren, die durch Krieg, traumatische Geburten oder sexuelle Gewalt tief in ihrem Schoßraum verletzt wurden. Ich bitte das Wasser, dass es auf seine eigene intelligente Art das Trauma, das Mara durch sexuellen Missbrauch erlebt hat, auf die nächste Ebene der Wandlung trägt.

Das Wasser um uns herum wird zum Spiegel dieser inneren Bewegung, während wir gemeinsam neue Wellen des Wohlbefindens entstehen lassen. Tiefe Emotionen tauchen auf. Ich spüre, wie Maras Gemüt immer weicher und durchlässiger wird. Hier, wo das Wasser und die Seele sich vereinen, entfaltet sich eine ganz besondere Geschichte der Heilung. Für Mara, für mich und für die Welt.

Während ich sie behutsam drehe, umspielt das Wasser unentwegt ihre Haut und flüstert die Botschaft: „Sei Wasser. Lass los!“

Ab jetzt folge ich noch stärker einer Choreographie, die aus dem Jetzt immer wieder neu entsteht.

Mein Verstand beobachtet und staunt nur noch, was meine Hände und mein Körper, verbunden mit meinem Herzzentrum, so selbstverständlich tun. Hier und da fügt er sein Wissen um erlernte Technik hinzu. Doch mein Verstand führt diese Reise nicht — er folgt.

Ich setze meine Lippen auf die Wasseroberfläche in Höhe ihres Kopfes und blubbere. Spielerisch setzte ich damit das Signal, ihren vor Stunden eingetretenen Kopfschmerz aufzulösen. Diese Blubberblasen bringen damit das Element Luft ins Spiel. Summend und tönend begleite ich meine massierenden Hände. Ein Lied folgt dem und möchte Maras Seele berühren.

Das Wasser umströmt uns im Außen; es durchströmt uns im Innern. Wir sind angekommen in einer Komposition von Geben und Empfangen, deren Dirigent das Wasser ist. Intuitiv gebäre ich jeden Moment eine neue Bewegung oder Berührung. Mein Körper bewegt sich als Teil des Flows mit. Die Sonne scheint jetzt auch durchs bodentiefe Fenster und leuchtet unser Becken aus. Dies ist eine Einladung zum Tanz. Spielerisch nutze ich den Effekt von Schatten und Sonnenlicht auf Maras Haut. Während ich ihre Zehen massiere und ausstreiche, lasse ich zeitgleich den Rest ihres Körpers vom Hellen ins Dunkle vor- und zurückpendeln. Dieser Effekt wirkt wie eine Lymphdrainage, welche die Schlacke löst und diese in Richtung Blase befördert.

Ich setze mich auf die Steintreppe, die in den Pool führt, und verdrehe ihre Fußgelenke spiraldynamisch. Mal sanft und mal fest drücken meine Fingerkuppen Akkupressurpunkte an ihren Fußsohlen.

Die letzten Wellen sind am Beckenrand ausgeklungen. Wohlige Stille durchflutet wie die Sonnenstrahlen unseren Raum. Das Wasser glitzert und schillert in seinen schönsten Farben um uns herum. Die Vögel draußen singen uns erste Lieder nach ihrer Wiederkehr aus dem Süden.

Frühlingsstimmung breitet sich aus. Maras Bauch sehe ich jetzt deutlicher atmen. Ich entferne ihre Schwimmhilfen, belasse die Floats jedoch an ihren Beinen für den Auftrieb, wenn ich wie jetzt unter ihren Schultern vom Kopf her durchs Wasser bewege und anschließend ihren Rücken massiere. Neue verspielte Möglichkeiten des WasserShiatsu (WATSU), anders als beim vorherigen AquaRelax lassen mich jetzt ihren Körper ganz anders dehnen, spiraldynamisch verschrauben und massieren.

Immer wieder setze ich dabei meinen gesamten Körper ein. Mit meinem Fuß unterstütze ich eine Längung ihrer Wirbelsäule, indem ich mit meinem Ballen an ihrem Kreuzbein in die eine und mit meinen Händen an ihrem Schädelrand in die entgegengesetzte Richtung ziehe. Solche und andere 3 dimensionalen Dehnungen sind nur im Wasser möglich.

Kleine Cranio-Sacral-Berührungen an der Grenze zwischen Nacken und Schädelrand folgen. Behutsam kreise ich eine liegende Acht mit ihrem Nacken/Kopf. Abschließend formen meine Hände eine Schale, in der ich ihren Kopf bette. Ganz langsam drehe ich ihren Kopf erst zur einen, dann zur anderen Seite, um ihre Augen unter Wasser zu führen, wohl darauf achtend, dass ihre Nase weiterhin Luft bekommt.

Als ich sie wieder auftauchen lasse, löse ich meinen Fuß und meine Hände von ihrem Kopf und Kreuzbein und tauche tiefer ins Wasser hinein, um ihren Kopf auf meine Schulter zu legen. Mara seufzt. Meine Hände greifen und bewegen ihr Becken, massieren ihren Ischias. Ich gehe rücklings durchs Becken und bewege ihren Unterkörper auf und ab. Sanft massiere ich im Anschluss ihren Bauch dabei und lege meine Hand auf ihren Nabel. Die dort im Zellgedächtnis gespeicherten Erinnerungen ihres pränatalen Aufwachsens und der frühesten Verbindung zur Mutter werden aktiviert. Damit fließen erste Elemente der IAT in unsere Reise mit ein, um ins Unbewusste unseres Aufwachsens im Bauch unserer Mutter abzutauchen. Nichts Konkretes forciere ich, gebe Impulse und halte den Raum, wenn jetzt von dort etwas auftaucht, das nochmal gefühlt und verwandelt werden möchte. Ich greife nach ihren Handgelenken und dehne ihren Körper längsseits, während ich sie durchs Wasser ziehe, sodass ihre Flanken sich maximal strecken können. Zum Abschluss hebe ich sie mit meinem Oberkörper unterstützend etwas aus dem Wasser und lasse sie wieder sinken. Das wieder hole ich und öffne damit nicht nur ihren Brustkorb, sondern spiele mit der Schwerkraft.

Als wir zur Ruhe kommen, platziere ich meine Hände auf ihren Bauch und Brustkorb und lege meine obenauf. Ich kann fühlen, wie viel entspannter Maras Nervensystem geworden ist. Sie gibt sich genussvoll dieser Nähe und Geborgenheit immer mehr hin. Meine Hände löse ich von ihren und lasse sie in ihrer Selbstumarmung verweilen, während ich mich vorbereite, zur typischen WATSU-Haltung.

Ihren Kopf lege ich in meine Armbeuge, während ich mit meinem anderen angewinkelten Arm sanft unter ihre Knie gleite, um dann behutsam ihre Beine anzuheben. Jetzt trage ich sie auf meinen Armen wie eine Mutter ihr Baby und wiege sie lange hin und her.

Ich nehme wahr, wie beim Schaukeln ihres Beckens subtile Wellen der Entspannung durch ihren Körper strömen. Wie ein Echo atme ich ihre und meine Entspannung mit aus. Wir drei, das Wasser, Mara und ich, verschmelzen immer mehr zu einer Einheit. Eine ganze lange Weile wiege ich sie so, dass ihr Becken gebeugt und gestreckt wird. Immer langsamer werdend, lasse ich diese Bewegungen ausklingen. In der Ruhe kann jetzt integriert werden, was in ihr bewegt wurde.

Ihre geschlossenen Augen verbergen stille Tränen, die sanft über ihre Wangen gleiten. Ich streichle über ihr Haar und summe ein Lied. Sehr langsam legt sich meine Hand halb auf ihr Ohr und halb auf ihr Wange.

Das Wasser trägt uns auf unserer Reise durch innere Landschaften, und wir tauchen gemeinsam in tief verwurzelte Emotionen ein.

Maras Tränen fließen immer stärker, und ich richte sie auf und setze sie in Sitzposition behutsam auf meinem Bein ab, sodass sie Erdkontakt mit ihren Füßen bekommt, während ich ihre Stirn massiere. Es fühlt sich an, als würde ich nur sanft entgegenhalten, und Mara drückt ihren Kopf von selbst gegen meine Hände. Diese sind an ihrem Hinterkopf und Gesicht so platziert, dass ich eine Geburt simuliere. Mit mal leichtem und mal festem Druck bewegen sich meine Finger über ihre Gesichtsmuskeln, wie es während der Geburt geschieht, wenn meine Hände die Form des mütterlichen Körpers nachahmen, aus dem wir geboren werden. Nicht nur sanft, sondern in der Art, wie die erste Ganzkörpermassage mit ihrem Druck auf uns wirkt, lasse ich diese Bewegung über Hals und Brustkorb bis zum Bauch auslaufen.

Ich wiederhole diesen Vorgang noch zwei Mal, bevor ich sie frage wie es ihr geht. In dem Moment zeigen sich lang unterdrückte Gefühle, und die Tränen fließen immer stärker über ihr Gesicht ins Wasser.

Eine gewaltige Welle von Erinnerungen der Desorientierung als Kind verschafft sich ihren Weg. Die Not, nicht zu wissen, wohin mit all den Gefühlen, die es wahrnahm in der Familie, wurde jetzt und hier noch einmal spürbar. Das unausgesprochene Verbot, nicht über den Krieg zu reden und was dieser mit den Eltern machte, quälte die kleine Mara. Als Kind verstand sie damals noch nicht alles. Sie fühlte nur — alles und pur, wie Kinder es eben tun, wenn sie noch so klein und unschuldig die Welt in sich aufnehmen.

Das gesamte Leid, das ihre Eltern auf unterschiedliche Art und Weise im Zweiten Weltkrieg erlebten, wurde nie aufgearbeitet, weder individuell noch kollektiv. Mara beschreibt, wie sie wie ein Schwamm all die unterdrückten Emotionen ihrer Familie aufnahm, ohne einen Ort zu finden, an dem sie sich ausdrücken konnte. Es gab niemanden, dem sie sich anvertrauen konnte. Tiefes Schluchzen, begleitet von Worten des Bedauerns, öffnet den Staudamm in ihrem Herzen. Die gesamte unterdrückte Trauer entlädt sich nun in diesem sicheren Raum und ergießt sich ins Wasser.

Die fehlende Kommunikation ihres Vaters, der als Soldat nicht über sein Kriegstrauma sprechen konnte und die tiefe Entwürdigung, die ihre Mutter durch die Kriegsvergewaltigungen erlitten hatte, lasteten zentnerschwer auf dem Familiensystem. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, über diese Zeit zu schweigen, um nicht erneut mit dem Grauen konfrontiert zu werden. Als Kind musste sie diesen bislang kaum gespürten Schmerz verdrängen, um nicht daran zu zerbrechen. So instinktiv reagiert der Körper auf traumatische Situationen, um zu überleben. Das, was einst intelligent vom Körper-Psyche-System eingefroren wurde, schmilzt, wenn es berührt wird.

Ihr freigesetztes Schmelzwasser durchdringt mich plötzlich, und ich kann nicht anders, als mitfühlend zu weinen, da dieser Schmerz auch etwas in mir berührt. Die unausgesprochenen Erfahrungen ihrer Eltern, die als Erwachsene den Krieg durchlebten, im Gegensatz zu meinen, die als Kinder davon betroffen waren, überfluten uns beide plötzlich wie eine mächtige Welle. Plötzlich spüre ich die Last der verdrängten Erfahrungen ihrer und meiner Eltern. Mein Mitgefühl erstreckt sich über den Beckenrand hinaus mit allen Überlebenden des Krieges. Es ist, als ob eine mächtige Welle des Verstehens über uns hinwegrollt. Unsere gesamte Heilreise empfinde ich wie ein Gebet, das ich wie eine energetische Flaschenpost ins Wasser setze und hinaus in die Welt schicke. Mögen die Tropfen unserer Heilung dort, wo noch immer Krieg herrscht, wirken.

Als Mara alle Tränen geweint hat, die tief aus ihrem Unterbewusstsein emporgestiegen sind, lehnt sie sich an meine Schulter. Ich lege meine Hand auf ihre Schulter, die so viel beruflich wie privat getragen hat. So vielen Menschen hat sie eine Schulter geboten, während ihr inneres Kind selbst danach suchte. Mit einem Seufzer schmiegt sie sich in meine Halsbeuge, und ich spüre, wie noch mehr Anspannung aus ihrem Körper weicht, während sie sich geborgen fühlt. Ich lasse sie dort noch lange verweilen, um nachzunähren, was ihr damals in der Not gefehlt hat. Tröstend lege ich meine Hand auf ihre Wange und summe in ihr Haar.

Als ich innehalte, wartend auf den richtigen Impuls, der Mara dabei helfen könnte, das soeben Erlebte zu integrieren, wiege ich sie behutsam hin und her. In dieser Stille des Endes unserer Reise schwimmt der Impuls heran, ihren gerade geöffneten Herzraum auch körperlich noch einmal zu weiten und dort Berührung zu schenken. Ich massiere entlang ihres Rückenstreckers und hebe sie in Höhe ihres Brustkorbs über die Wasseroberfläche hinaus. Tief seufzt Mara aus, und ich spüre die Erleichterung darin. Als sie wieder ins Wasser sinkt, streiche ich behutsam zwischen ihren Rippen, als eine beruhigende Antwort auf die Öffnung ihres Herzens. Ihren Kopf haltend ziehe ich sie ein letztes Mal sanft durchs Wasser, um sie dann aus dem waagerechten Treiben in die senkrechte Position am Beckenrand zu bringen. Mit einer Kopf- und Gesichtsmassage erde ich sie wieder und ziehe mich mit sanften Wellen von ihr zurück.

Wasser ist Leben. Wir sind Leben. Wir sind das Wasser und darüber verbunden mit allem, was lebt.

In den sanften Wellen finden wir nicht nur Ruhe und Geborgenheit, sondern auch die Kraft zur inneren Heilung und eine daraus resultierende Lebendigkeit.

Jeder Moment auf einer solchen Wasserreise lädt uns ein, uns selbst zu umarmen — mit all unseren Wunden und unserem Licht. Denn im Wasser finden wir nicht nur unsere Tränen, sondern wenn diese erst einmal fließen durften, auch Erleichterung. Wenn aus dem Unterbewussten Gefühle auftauchen, können diese in unserem Bewusstsein integriert werden. Innerer Frieden entsteht.

Eine tief aus unserem Herzen freigesetzte Freude breitet sich aus. Ein neues Selbst-Bewusstsein erwächst in uns, das uns stärkt, schützt und trägt.

In den tiefen Weiten des Wassers finden wir unsere Wurzeln, unsere Kraft und unsere Freiheit.

Möge diese Reise uns daran erinnern, dass wir mehr sind als unsere Ängste beziehungsweise Traumata — wir sind die Schöpfer unserer eigenen Heilung und unseres eigenen Glücks.

Alles wird im Wasser so selbstverständlich eins.


Fotos: NAK e.V.


Am 22. März ist Weltwassertag. Es ist wichtig, dass Medien es nicht dabei bewenden lassen, stets nur auf den neuesten Wahnsinn in der Welt zu reagieren, sondern selbst in das Agieren kommen. Deshalb setzen wir zusammen mit einer Reihe von weiteren Medienportalen selbst ein Thema auf die Agenda. Die beteiligten Medienpartner, bei denen in der Woche vom 18. bis 24. März im Rahmen des #Wasserspezial Beiträge zu finden sein werden, sind derzeit:

Manova
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Radio München
Punkt.Preradovic
Terra Nova