Das unzerstörbare Leben
Aus der Liebe zum Lebendigen erwächst die Kraft der Erneuerung, die Entschlossenheit, die Schlachtfelder dieser Welt in Gärten zu verwandeln.
„Mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben“, sagte Martin Luther. Umgekehrt gilt dies aber auch. So sehr uns die Nachrichten über das Sterben in der Ukraine und anderswo auch schmerzen — die Natur draußen, die Blumen, der Vogelgesang, das keimende Grün an den Bäumen, scheint uns ein großes „Ja“ zum Leben zuzurufen. Es mag sein, dass Lebensmut leichter ist in Weltregionen, die nicht direkt vom Krieg betroffen sind. Und doch ist das irritierende Nebeneinander von Zerstörung und Erneuerung ein urmenschliches Thema. Es kommt alles wieder. Das kann ein Trost sein, speziell für Menschen mit einem Faible für die Natur. Das Tauwetter draußen kann auf unsere Seele abfärben. Allen Gewalten zu Trotz — im Widerstand gegen das Kriegsgeschrei und die transhumanistischen Dystopien von gesteuerten Maschinenmenschen: Am Ende sind wir Leben inmitten von Leben, das bewahrt werden will. Nutzen wir die Kraft des Frühlings als Anstoß, um uns selbst grundlegend zu erneuern!
Frühlingsstimmen erklingen. Die Kohlmeisen, Amseln, Sperlinge, Rotkehlchen, Bergfinken ersingen den Morgen — sie begrüßen ihn nun wieder mit ihrem in der Dämmerung einsetzenden Konzert mit den Amseln als Vorsängern. Und ich beobachte dann beim ersten Gang des Tages vor die Tür mit dem Hund einige Exemplare der Vogelschar beim singenden und flirrenden Treiben. Dabei staune ich immer wieder über die unglaubliche Gewandtheit dieser Singvögel, wenn sie ihren Flug in Gleitphasen über die Hecke lenken, dann die verwegensten Abfangbewegungen hin zu Strauch und Baum vollführen, die einem Menschen wohl halsbrecherisch vorkommen müssen — während ein Spatz sich nach Landung auf einem von diesen nachfedernden Zweiglein nur kurz die Flügelein putzt, sich aufplustert, tschilpt, den Kopf wie von ungefähr in meine Richtung wendet: mir zu?
Was für eine Zartheit in vollkommener Gestalt, dieses Vögelchen. Und wie die Lüfte die recht lauthalsen Stimmchen tragen! Was das Menschenherz dann überkommen kann: feine Freude am Mitsein, visueller Genuss abgestimmtester Farbigkeit des Federkleides und sinnvollster Form des Lebendigen, Einstimmen auf die Tiermusikalität; auch eine Art „aurisches Ahnen“ der Vogeltierwesen, und für den Augenblick eine Art Mitvollzug fremden und doch vertrauten tierlichen Daseins in der noch friedlichen Atmosphäre des anbrechenden Tages.
Das Wahrnehmen der unübertrefflichen Schönheit und Großartigkeit schon des manifestierten, sichtbaren Lebens steht manchmal in eigenartigem Widerspruch zum eigenen Zögern, Sich-Vortasten im Angesicht der Herausforderungen des Lebens. Das trifft sich mitten in mir, im Menschen: „Ich bin kein ausgeklügelt' Buch — ich bin ein Mensch mit meinem Widerspruch.“ Wohl nur durch das bewährte Annehmen dessen, was ist — und die immer wieder aufzunehmende Arbeit am Widerspenstigen des sich selbst verfälschenden Ich, die Annahme der eigenen Schatten — lässt sich die erlebte Diskrepanz zwischen eigentlichem Anspruch an sich selbst und erlebter Realität wenigstens zum Teil abmildern und auflösen. Mit einer kleinen Zutat von Milde gegenüber: Was für eine aufgewühlte und aufwühlende Zeit … Wer will, wer kann da ohne Fehl und Tadel sein?
„Habe ich genug getan?“, fragt Gunnar Kaiser in einem berührenden Video. Für mich kann ich diese Frage mit Nein beantworten. Ich weiß um die Gründe dafür, ich versuche, mich ihnen zu stellen und sie peu à peu zu entwurzeln: für neue Saat ins oftmals durchpflügte, durchlittene wie beglückende Lebensfeld.
Andernorts, seelisch nicht weit entfernt, schauen Menschen durch Sehschlitze und warten auf die Einschläge von aus ihren Panzern abgefeuerten Granaten. Die zerfetzten Leiber ihrer getroffenen Gegner, die vom Körper gewaltsam entleibten Seelen: Was widerfährt ihnen im Augenblick ihres Todes?
Wir, weitab vom Schlachtfeld, hören die Schreie der Getroffenen nicht, wir erleben nicht unmittelbar den seelischen Zusammenbruch der Angehörigen beim Eintreffen der amtlichen Todesnachricht.
Ich habe mir die offenbar auf telegram-Kanälen veröffentlichten Videoclips von Drohneneinsätzen über Schützengräben nicht angesehen. Krieg-Liveübertragung. Beim Töten und Sterben, medial vermittelt, unmittelbar zusehen, mit der Möglichkeit jederzeitiger Wiederholung. Ein offenbar gezielt eingesetztes Mittel, um „den Gegner“ zu demoralisieren. Dieser Menschheit ist nicht mehr zu helfen. — War es das je? Ist das die richtige Frage im Angesicht des fortgesetzten Verbrechens an Mensch und Natur auf dem ganzen Planeten? Wir schreiben – weil wir auf etwas tief in uns bauen und vertrauen: den Geist des Ganzen, den Sinn.
Wo sind die Vögel, wo sind die Wildtiere im Kampfgebiet geblieben? Über Hunde und Katzen als Begleiter von Soldaten auf beiden Seiten der Front wird zuweilen berichtet. Wie nehmen die Bäume, Sträucher das Kampfgeschehen wahr? Wie nimmt das Gestirn diese Gebiete wahr? Sind das ob der vieltausendfachen Zerstörung von Biografien und Infrastrukturen abwegige Fragen? Welche geomantischen Auswirkungen hat ein Krieg auf andere Gebiete der Erde? Kann sich jemand das Geflecht der Wirkungen der derzeit weltweit circa 400 bewaffneten Konflikte auf die Naturreiche und die kollektive Psyche vorstellen? Dass „die Menschen“ sich nicht anders als tötend und vernichtend über die Erde hinwegbewegen – was will man „von uns“ schon anderes erwarten? Jahrhunderte und Jahrtausende gewaltsamer Auseinandersetzungen sind tief eingegraben in das kollektive seelische Bewusstsein dieser Menschheit, und offenbar sind diese Erinnerungen unbewusst jederzeit zur Hand.
Sie sind leicht „anzusprechen“ im Tiefenbewusstsein der Menschen. Das entschuldigt nichts. Es erklärt zum Teil, was immer wieder möglich ist trotz aller Beteuerungen von Friedenswillen. Aber sie — wir — haben kein Recht, den Naturreichen, den uns nachfolgenden Möglichkeiten der Menschwerdung, alle Wege zu erschweren, gar abzuschneiden. Ganz im Gegenteil: Unsere Aufgabe als Menschen ist doch in Bezug auf die Natur auch Wegbereitung. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling sprach vom vor uns aufgeschlagenen Buch der Natur, in dem wir die Geschichte unseres Geistes vom Mineral über die Pflanzen- und Tierwelt bis ins Menschenreich vorfinden. Dieses Buch des Lebens lädt uns zum Lesen, Erkennen, Wiedererkennen des Weges des Seelischen ein. Die Natur braucht uns Menschen, sie will gesehen, berührt, erkannt werden. So wie wir die Natur brauchen. Krieg ist immer auch Krieg gegen die Natur im Ganzen.
Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass Kriegsgeschehen, Militäreinsätze, dass Militär überhaupt beträchtliche Umweltschäden und eine desaströse Ökobilanz verursachen — über die Schäden für das Seelische der Landschaft und der Natur wird aufgrund einer eingeschränkten Weltanschauung allzu bekannter materialistischer Couleur in der Regel gar nicht erst gesprochen.
Über die Rückwirkungen auf unbeteiligte Menschen anderswo, an in Resonanz stehenden entfernten Orten, auch nicht. Unsere Ahnungslosigkeit in Bezug auf die Wirklichkeit der lebendigen Zusammenhänge darf mit Fug und Recht als fast „grenzenlos“ bezeichnet werden. Keine Hyper-Technik, kein schein-naturwissenschaftliches Gebaren und Tun, keine relative Befreiung eines Teils der Menschheit aus Armut und völliger Unbildung hat daran etwas geändert.
Kein „daily Informiertsein“, kein KI-Treiben, kein noch so ausgeklügeltes Überwachungssystem hilft aus den Grundproblemen des Menschseins heraus: der Entwicklung und Entfaltung der genuin geistig-seelischen Potentiale im Einzelnen mit dem ganzen Zauber der schöpferischen Möglichkeiten, die sich auf alle Bereiche des Lebens erstrecken können und sollen — vom menschengemäßen, geomantischen Bauen, dem Pflanzen und Landschaft hegenden, pflegenden und entwickelnden Landbau und einem Land- und Waldnatur-Gewähren-Lassen über die regionalwirtschaftlich verankerte harmonische Bedarfsindustrie, die dereinst in naher oder ferner Zukunft gefundenen wirklichen Interaktionen mit dem Energiefeld der Erde. Die am jeweiligen Volkscharakter und an den hohen Allgemeingütern der Weltkultur orientierten Kultur- und Kunstweiterentwicklungen, starke Familien und beruflich-soziale Gemeinschaften, die dem persönlichen Wachstum des Einzelnen wirklich dienen – von der Wiege bis zur Bahre — im Wissen um Reinkarnationsgesetzmäßigkeiten und die spezifischen Aufgaben der Erdbevölkerung im großen Ganzen.
Nach dem Leben ist mitten in ihm, und kein Tod enthebt uns des langen, mühsamen, aber auch schönen und verheißungsvollen Weges der Bewusst- und Menschwerdung mit all seinen Höhen und Tiefen.
Wer bin ich? Wer war ich? Wer werde ich in der nächsten Verkörperung sein? Ein nur noch künstlich ernährter, in einem dystopischen Globalstaat lebenslang Gefangener, der sich allen Unmöglichkeiten zum Trotz doch der emanzipatorischen Möglichkeiten des Geistes zart, dann stärker und machtvoll erinnert, um mit anderen gemeinsam einen Ausweg aus absoluter Knechtschaft zu finden? Oder kann ich als fröhlich musizierender Landschafts- und Sternenphilosoph, Dichter und All-Tänzer im Ergebnis einer alsbald sich ereignenden Bewusstseinsrevolution ungeheuren Ausmaßes weiterhin mitwirken an umfassender Neugestaltung in jenem sagenumwobenen Friedensreich, das als Archetyp höchster menschlicher Kultur in jedem lebendigen Menschen unverlierbar, oft unbewusst, verankert ist?
Die tausenden, glitzernden Wassertropfen an den Zweigen — ich stehe gerade vor einem „Kristallwunderbaum“. Was für ein Bild, wenn man sich Blickzeit, Wahrnehmungszeit dafür nimmt. Höre ich ein leises Singen, wie von Wassertropfenglöckchen? Immer wieder überraschend, diese wohlangeordnete Pracht der Regenwassertropfen. So Mensch sein. Mit allen Facetten. Reines Licht wandelnd in den auf Erden erträglich-nützlichen Anblick des Ur-Seins der Gottheit in tätiger Menschengestalt. Ein forderndes, sicher auch überforderndes Bild, natürlich – dem man manchmal dennoch gerecht werden kann oder könnte? Für Momente? Besonders in den intensiven Phasen der Auseinandersetzung mit dem Pandemie-Regime waren und sind wir viele Male Zeuge geworden von Momenten eines hohen Menschentums im öffentlichen Raum, das beispielgebend war und ist. Frauen und Männer, auf Demonstrationen, in Textbeiträgen, in vielfältigsten Initiativen, in Online-Interviews, waren und sind in Erinnerung, weil sie aufgezeigt haben, welches Potential an Menschlichkeit und mutigem Vorangehen jenseits der nivellierenden, Scheuklappen-medialen Wahrnehmung in unserem Land nach wie vor vorhanden ist.
Der März-und-April-Schnee auf den Bergen und die Zeichnungen der schneebedeckten Äste am Bergwaldrand: Dieses Naturkunstbild greift mir tief in die Seele. Es zu sehen ist ein eigentümlich erinnernd-ordnender Akt sprachlosen Bewusstseins. Kein Maler wird diese Finesse und Ästhetik je erreichen, gleichwohl er diesem Bild etwas Einzigartiges hinzufügen kann. Ich sehe mich satt an Linien, Kontrasten, grafischen Mustern, am visuellen Zusammenspiel eines Baumorchesters am Berghang. So leben als Mensch, egal welchen Umständen ausgesetzt, an welchen Platz gestellt: Das Ganze widerspiegelnd im einmaligen So-Sein und in Erfüllung der gestellten Aufgabe. Am Platz wachsen, mit den anderen, für sie, für das Ganze, durchaus „unmerklich“, und warum nicht auch völlig „unbemerkt“ von der sich für „die Öffentlichkeit“ haltenden Öffentlichkeit.
Es ist eine Meditation wert: Die Vorstellung all des geheimnisvoll webenden Lebens, aller Lebensvorgänge auf dem und in dem Gestirn Erde, das, kaum eine Schlagzeile wert, ständig präsent, aktiv, unerkannt und tragfähig, der Boden und das Fluidum ist, auf dem der Mensch seine Auseinandersetzung mit sich selbst im Weltganzen vorantreibt, zelebriert oder pervertiert – mit all den Zwischentönen, die wir „Mischwesen“ aus Licht und Dunkelheit im Lebensvollzug hervorbringen.
Die Eleganz der sich ausdehnenden Kreise in den Pfützen zieht meine Blicke immer magisch auf sich, wenn von den über den Weg hängenden Zweigen der Bäume und Sträucher fallende Wassertropfen diese Urformen auslösen. Kleine Eintauchtöne dringen an meine Ohren. Eine Harmonie des natürlichen Wellen-Kreises, Sinnbild einer wachsenden Monade, die sich an die Unendlichkeit hält. Wir sind das gerichtete, widerstreitende Wechselspiel aus uraltem karmischem Seelen-Material und dem letztlich transzendentalen Ziel menschlicher Entwicklung, wie immer man es benennt. Der fallende, Kreise auslösende Wassertropfen ist mir symbolisch diese Essenz des Karmas — der unsichtbare Kreis der Kreise, auf den die Wasserkreise sich ausdehnend zustreben, der „kosmische Anthropos“ (1).
Das Macht-Gerangel der Welt ist neben vielem anderen immer auch Ausdruck dieses Grundzusammenhanges: des Kampfes der zwei Ur-Mächte, die die Schöpfung in ihrem permanenten Ringen konstituieren – des zerstörerischen Chaos und der schöpferischen Ordnung um die Vorherrschaft und den endgültigen Sieg im Menschen.
„Weltherrschaft“ ist beiden Ur-Mächten jeweils eingeschriebenes unaufgebbares Ziel. Die Anwandlungen der jetzigen „Eliten“ verwundern insofern überhaupt nicht. Sie sind — sozusagen — konsequent. Beide Ur-Mächte haben dieses Ziel der absoluten Vorherrschaft auf der Erde bisher nicht erreicht. Demokratie, so lernen wir in diesen Tagen, scheint eindeutig ein Trojanisches Pferd des Chaos zu sein – bei allen relativen und wertzuschätzenden Teil-Emanzipationen und periodischen Beinfreiheiten für den Bürger, die es selbstverständlich zu verteidigen gilt, weil sie auch den vorhergehenden Herrschaftsverhältnissen abgerungene Errungenschaften sind.
Die Vision einer multipolaren Weltordnung ist in meinen Augen ein notwendiger und unumgänglicher Schritt heraus aus der imperialen Vergewaltigung durch einen „Akteur“. Aber sie ist noch keine grundsätzlich neue Antwort auf die Frage nach der wirklichen Stellung des Menschen im Kosmos, seiner eigentlichen Bedeutung und Aufgabe, und die aus einer Neubeantwortung abgeleiteten vielfältigen Konsequenzen für Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik. Gleichwohl wird der Weg der „emanzipatorischen Multipolarität“ international weiter angegangen werden. Das Grundproblem der Bewusstseinskrise der Menschheit wird auch in dieser Macht-Konstellation erkennbar werden.
Im Tauprozess, wenn der Winter der Frühlingsmacht mehr und mehr weicht, zurückkehrt, weicht, ein kleines Winter-Frühlings-Tauziehen zelebrierend, wird mittels der Fähigkeiten des Wassers eine Eleganz herbeigezaubert, die etwas Überirdisches hat. Das Wasser erlaubt Lichtwirkungen im Bereich der Farben, gelb-weiß gleißend, die einen ins Grübeln kommen lassen können. Singen wir einst wahrheitsgetreu: Vom Wasser haben wir's gelernt, vom Wasser haben wir's gelernt … Vom Licht, da haben wir's gelernt, vom Licht da haben wir's gelernt? Als Kind sann ich über Licht-Wasser-Glanz gerne nach, wenn Sonnenlicht durch ein mit Wasser gefülltes Glas die sonderlichsten Figuren auf die Tischdecke oder an die Wand zauberte, abhängig vom Glasschliff oder Kanten und Enden. Was lernen wir permanent von Wasser und Licht: Fließen und Leuchten, die eigene Starre wahrnehmend aufzulösen, das Festhalten an unlebendigen Mustern im Verhalten aufzugeben, das eigene Dunkle, Unbewusste, Niederziehende zu erkennen, anzuerkennen — und zu durchlichten.
Ich sinne einmal mehr über Licht nach, über Licht als solches, über „unsichtbares“ Licht und das farbige Licht. Über das im Grunde doch unglaubliche Phänomen der Durchsichtigkeit der Luft, des Wassers und von Glas, das zur Unsichtbarkeit des primären Lichtes hinzutritt. Ist Durchsichtigkeit naturphilosophisch schon einmal erschlossen worden? Ich weiß es nicht. Durchsichtigkeit, Glanz, Durchscheinendes – was sagen uns diese Attribute über Materie, über das Zusammenspiel von Licht und Materie? Ist Materie in höheren Bewusstseinszuständen tatsächlich vollständig durchschaubar, wie einige Menschen mit Erfahrungen des „Übersinnlichen“ hie und da mitgeteilt haben? Was sagen uns die gänzlich verschiedenen Farbeindrücke von ein und derselben Fläche in Abhängigkeit vom Betrachtungswinkel?
Was sagt es uns, wenn die Farbeindrücke von verschiedenen Standorten wahrgenommen zur selben Zeit so verschieden sind, sein können? Wie kann das sein? Ich stelle mir vor, die Schöpfung, die schöpferische Maya, schaut sich selbst von allen Seiten aus an, von allen, unzählbaren Perspektiven aus. In einer Art Omni-Perspektivismus. Haben wir Menschen überhaupt die Möglichkeit, die Welt wenigstens ansatzweise in ihrer wirklichen Wirklichkeit zu erkennen, zu durchschauen? In ihr uns selbst?
Wenn, dann sicherlich träumerisch-kontemplativ und aktiv handelnd, wirksam ins Weltgetriebe hinein, wirksam im „unsichtbaren“ geistig-seelischen Bereich und in den Manifestationen. Das Licht singt sein vielstrophiges Lied in einer Sprache, die jedes Lebewesen versteht. Wir singen permanent in einem vielstimmigen Chor des Lebens. So allein wir uns manchmal fühlen mögen.
Auf dem Fußweg zur Fluss-Brücke fallen mir Melodien ein. Ich singe sie innerlich, manchmal auch vor mich hin. Ein paar Töne pfeife ich, manche gleitend, tongleitend. Dann bricht es urplötzlich aus mir heraus und der Körper versetzt sich in den „Dirigentenmodus“, dirigiert eine in mir aufkommende Musik, übersetzt sie in seine schreitend-tanzende Sprache. Es ist wie eine Kontaktimprovisation, die „Freitänzer“ erinnern sich, mit dem Unsichtbaren. Eine kleine Pirouette, eine galante Bewegung „wie bei Hofe“ — und die Instrumente in mir, vielleicht ein paar Streicher, nehmen die Körperbewegung auf. Es reagiert, das innere Orchesterchen, bildet neue musikalische Muster, variiert, improvisiert, forscht hörend in den Äther, in die Weltseele hinein. Irgendwann bin ich satt davon, atme zufrieden aus: So über die Lande ziehen, ein musizierender „Gärtner der Welt“, und mit jedem Schritt ein Blühen und Wachsen und Gedeihen.
Der Mensch geht voraus und voran, und mit ihm, im Schatten seines Lichtes, die Pracht der mitgeförderten Schöpfung, die ihn versteht, mit ihm geht, ein machtvoller Bäume-, Sträucher- und Blumenfrieden, der gleichzeitig „mit dem Hammer philosophiert“: Das seelisch Harte des den Weg Versperrenden muss vor ihm weichen. Das Friedlose — auch in mir — selbst muss zur Seite treten, das Erbarmungsunfähige in uns muss die Zügel der zügellosen Macht lassen. Das wird sein. Das wird. Das ist. Anders kann ich mir heute meinen Frühlingsfrieden in den Fußsohlen, wenn ich achtsam Schritt für Schritt die Füße „abrolle“, nicht erklären: Diese Freude an der unmittelbaren Berührung der Erde, an ihrer sanften Gravitation, die uns vielfältig hält und trägt, die Seligkeit, die im die Fußreflexzonen massierenden Kontakt der Füße mit dem Erdboden durch den ganzen Körper strömt und durch das Herz alles um uns herum in der Wirklichkeit berührt: das eigentliche Gespräch des Lebens, in diesen Augenblicken, Fußblicken, erhörend, spürend, weitertragend.
Die Schneeglöckchen sagen Ade für dieses Jahr und übergeben an die Forsythien. Bis nächstes Jahr! Was wird uns widerfahren sein, was wird uns gelingen in der Zeitspanne einer Sonnenumrundung? Werden wir mehr wir selbst sein? Kraftvoller? Die, die gehen müssen, bleiben bei uns. Andere kommen hinzu, die bei uns waren, die ganze Zeit. Irgendwann, wer weiß, wann, gehen wir selbst. Die Sterne und das bewusste All, Wesen hie und da, sehen in meiner Fantasie alles mit an. Wir selbst sehen alles mit an, blind und sehend, wie wir sind, und im Bemühen, unsere Blindheit zu überwinden, unserem Sehen trauender. Der schöpferische Geist, aus dem alles Lebendige hervorgeht, treibt uns voran, allem Widerstand zum Trotz. Mal ruhig, bedachtsam, geborgen im Kleinen und Überschaubaren, dann wieder in weiten Bögen und Horizonten, die wir nie ganz aus den Augen verlieren, das eine Ziel der Schöpfung in uns bewahrend: wirkliche, unumkehrbare Menschwerdung.
Und das, was die Natur uns an Ordnung und Harmonie vorlebt, ist weiterhin in menschliche Kultur, also auch in Widerstand gegen die Unkultur des Great-Reset-Managements, zu übersetzen, bis sich die natürliche geistig-kosmische Weltordnung auf dem ganzen Planeten als Folge des von vielen überschrittenen „Rubikon“ manifestiert. Viel Glück, Manova!
Manova! Mensch, erneuere dich! Wie ein Aufruf klingt das.
Ein Aufruf, der von jedem Menschen, wo auch immer er zu Hause ist, verstanden werden kann.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Ein Begriff, den Jochen Kirchhoff geprägt hat, siehe auch hier: