Das unentbehrliche Element
Ein Aufenthalt im ostafrikanischen Sansibar ließ den Autor verstehen, wie wichtig Wasser ist und wie wenig selbstverständlich seine Verfügbarkeit.
Strom kommt aus der Steckdose. Wasser aus dem Wasserhahn. Hierzulande ist seine Verfügbarkeit zu etwas geworden, was wir als Normalität betrachten, als stünde es uns von Natur aus zu. Wir brauchen es zum Trinken, zum Kochen, zum Waschen, um den Garten zu gießen und unsere Hinterlassenschaften von der Klospülung beseitigen zu lassen. Ebenso „selbstverständlich“ erscheint es uns, dass Trinkwasser stets sauber und keimfrei ist. Wer sich schon einmal in bestimmten Ländern des Südens aufgehalten hat, merkt jedoch schnell, wie schwierig es dort ist, täglich sauberes Wasser zu organisieren. Der Autor hielt sich für einige Zeit in Sansibar auf, einer Inselgruppe im Indischen Ozean, die zu Tansania gehört. Dort sind „unzuverlässiges“ Leitungswasser und der Zwang zur Rationierung dieser lebenswichtigen Flüssigkeit Alltag. Als Schlussfolgerung aus solchen Erfahrungen lernte er, Wasser jedoch neu zu lieben: als Nahrung für Leib und Seele und als Symbol für die Allverbundenheit in der Natur. Ein Text zum #Wasserspezial.
Sie summt, vibriert und rattert. Man hört, spürt quasi regelrecht, wie sehr die Osmose-Wasseranlage arbeiten muss, um all die Schadstoffe aus dem Leitungswasser herauszufiltern. Der Wasserstrahl ist schwach und nicht einmal so dick wie mein kleiner Finger. Schnell stelle ich zum Auffüllen eine indigoblaue Glasflasche in die Spüle. Das neue, reine Wasser muss vor dem Licht geschützt werden. Wasserfilter gibt es auf dem Markt ja zur Genüge und auch in unterschiedlichster Qualität. Wie gut aber der Osmosefilter funktioniert, lässt sich tagtäglich am Wasserkocher ablesen. Dieser sieht nämlich nach mehreren Monaten noch immer wie neu aus und musste noch kein einziges Mal gereinigt werden. Gemächlich tröpfelt es vor sich hin. Da ich noch ein paar Flaschen zum Abfüllen vor mir habe, setze ich mich zum Warten auf den Küchenstuhl und schaue aus dem Fenster.
Ein wenig fühle ich mich nach Sansibar zurückversetzt. Weit mehr als ein halbes Jahr verbrachte ich auf der afrikanischen Insel am westlichen Rand des Indischen Ozeans. Fast drei Monate davon lebte ich auch in einem echten sansibarischen Dorf, in dem es weit und breit keine Hotels, keine ausländischen Restaurants und auch so gut wie keine Ausländer gab. Glasflaschen waren für gewöhnlich nicht erhältlich. Wenn man dem Wasser aus der Leitung, dem „Government Water“, nicht traute, blieben einem die relativ günstigen, knapp 20 Liter großen Plastikflaschen als Alternative. Nach kurzer Zeit hatte ich mich auf eine Marke festgelegt, da diese den geringsten Fluoridgehalt auswies. Auch in allen weiteren Ländern, die ich auf dem Kontinent noch bereiste, gehörte das penible Vergleichen, welches Trinkwasser die wenigsten Zusätze besaß, zu einer fest verankerten Startaufgabe.
Die kleine Haushälfte, in der ich auf Sansibar die letzten Monate wohnte, fand ich nach einigen Wochen über verschiedene Kontakte aus dem Dorf. Allein wäre ich dabei auf ziemlich verlorenem Posten gewesen und würde wohl noch bis heute suchen. Meine Seite bestand aus drei Zimmern, von denen aber nur zwei wirklich nutzbar waren, einem kleinen Badezimmer sowie einem halboffenen, eingegitterten Vorbau. Die andere Hälfte bewohnte der Sohn der Eigentümer, der einige Jahre jünger war als ich. Verbunden waren unsere beiden Wohnungen mit einem offenen Hof im Gebäude — eine Bauweise, die man auf Sansibar häufiger sieht. Im Hof selbst stand ein großes Becken aus Beton. Anfangs wunderte ich mich noch, wofür dieses riesige Becken gut sei, schließlich gab es sowohl in unseren Badezimmern als auch im Hof je einen Wasseranschluss. Jedoch merkte ich schnell, dass die Wasserversorgung im Dorf etwas gewöhnungsbedürftig war.
Um alle Bewohner sowie die vielen Touristen durchgehend mit Government Water versorgen zu können, reichten die Wasserquellen der Insel nicht aus. Die Regierung musste das Wasser daher rationieren. Dies bedeutete, dass das Trinkwasser für unser Dorf nur jeden dritten Tag für einige Stunden freigeschaltet wurde. Diejenigen, die es sich leisten konnten, hatten einen großen Wassertank im Garten, der an das Government Water angeschlossen war. Mit vollem Tank kam man eine Zeit lang gut über die Runden, ohne zu merken, dass eigentlich gar kein Wasser verfügbar war. Diejenigen, die sich einen solchen Tank nicht leisten konnten, wie die meisten Menschen auf der Insel, brauchten Eimer, Kanister und im besten Fall auch ein Betonbecken — was sich aber auch nicht alle leisten konnten.
Die erste Tagesaufgabe jeden dritten Morgen war also, alle Behälter inklusive Betonbecken vollzumachen. Es war jedes Mal ein kleiner Nervenkitzel, ob das Wasser auch tatsächlich am geplanten Tag freigeschaltet werden würde. Zwar war es selten, doch kam es vor, dass unser Dorf nicht an Tag drei an der Reihe war, sondern erst an Tag vier. Dann wurde es auch trotz unseres großen Betonbeckens eng. Wenn ich von daher morgens aufwachte und das Wasser plätschern hörte, war ich beruhigt. Die nächsten Tage sind gesichert, dachte ich dann jedes Mal. Komfortabel war das freilich nicht. Jedoch zog mich dieser extreme Kontrast zu meinem bis dahin gekannten Leben irgendwie magisch an. Darüber hinaus tat es gut, auch mal in Umständen zu sein, wo nicht alles zu jeder Zeit in schier grenzenloser Menge verfügbar war ...
Das Abfüllen des Osmosewassers lässt nun alte Erinnerung nach meinem Häuschen auf Sansibar und der für mich ungewöhnlichen Wassersituation hochkommen — richtig greifbar ist das Gefühl nicht, jedoch nicht unangenehm.
Wasser ist Leben und genauso Magie. Ohne Wasser könnten wir nicht sein. Ich zumindest.
Natürlich brauchen wir Trinkwasser, damit unser Körper am Leben bleibt. Doch auch unsere Seele braucht Wasser. Als Nahrung. Es ist die Verbindung zur Natur und zur Natürlichkeit, von der wir uns in Deutschland immer weiter zu entfernen scheinen. Unsere verökonomisierte Sicht auf die Welt wird immer mehr zum Beziehungskiller zwischen Mensch und Natur. Den vier Elementen Luft, Feuer, Erde und Wasser kann es jedoch immer wieder gelingen, uns daran zu erinnern, dass auch wir Wesen der Natur sind.
Oft saß ich auf Sansibar am Strand oder auf einem Korallenfelsen und blickte nach Osten auf den Indischen Ozean. Hätte mein Blick bis dorthin reichen können, er wäre nach einer schier unendlich langen Zeit von nichts als Wasser auf die Nordspitze der indonesischen Insel Java getroffen. Über 7.000 Kilometer von meiner Insel entfernt. Verträumt schaute ich dann immer aufs Meer und beobachtete die Wellen. Wie sie sich weit hinten auf der See formten, kurz vor der Küste noch einmal an Fahrt aufnahmen, um sich dann jedes Mal aufs Neue an den spitzen Felsen zu brechen und wieder aufzulösen. Ein endloser Kreislauf. Unaufhaltsam. Fortwährend. Ruhig. Beruhigend. Und genauso, wie der Blick tranceartig in den Flammen eines Lagersfeuers versinken kann, versank stets der meine im gleichmäßigen Wellenrauschen des Indischen Ozeans.
Am 22. März ist wieder der jährlich wiederkehrende Weltwassertag. Es ist wichtig, dass Medien es nicht dabei bewenden lassen, stets nur auf den neuesten Wahnsinn in der Welt zu reagieren, sondern selbst in das Agieren kommen. Deshalb setzen wir zusammen mit einer Reihe von weiteren Medienportalen selbst ein Thema auf die Agenda. Die beteiligten Medienpartner, bei denen in der Woche vom 18. bis 24. März im Rahmen des #Wasserspezial Beiträge zu finden sein werden, sind derzeit:
Manova
Zeitpunkt
Fair Talk
apolut
Radio München
Punkt.Preradovic
Terra Nova