Das unauffindbare Gute
Dem Menschen eilt der Ruf voraus, von Grund auf schlecht zu sein — dabei beruht dieser Glaubenssatz auf Mythen und falsch wiedergegebenen Geschichten. Rezension von „Im Grunde gut“ von Rutger Bregman.
Was macht uns Menschen so anfällig für die Manipulation durch Politik, Eliten und Medien? Die einleuchtendste Antwort darauf ist vielleicht in unserer zwiegespaltenen Natur zu finden, die zwischen zwei großen Emotionen gefangen ist: der Gier und der Furcht. Und in der Tat werden wir Menschen seit Jahrhunderten wie Geigen auf hauptsächlich diesen beiden Saiten gespielt. Wenn man jedoch etwas tiefer in diese Frage eindringt, kann man mit offenem Geist entdecken, dass es da noch ein anderes, eigentlich viel mächtigeres Konzept gibt, das unsere Gefühle, Gedanken und letztendlich unsere Handlungen kontrolliert. Das hier besprochene Buch — englischer Originaltitel „Human Kind“ — befasst sich mit einem Thema, das selbst in den Alternativmedien leider noch nicht wirklich Anklang gefunden hat, obwohl es doch das Potenzial hat, einen grundlegenden und lang überfälligen Paradigmenwechsel in der Menschheit zu bewirken.
Darf ich Sie bitten, einmal über folgende drei Fragen nachzudenken:
- Warum funktioniert Kriegspropaganda seit Jahrhunderten so vortrefflich?
- Weshalb kann man uns weismachen, dass der Mensch eine Grundschuld an den durchaus existierenden und spürbaren Veränderungen der klimatischen Phänomene in der Welt trägt?
- Wie konnte es zu jener absoluten Pervertierung des Konzepts „Solidarität" während der Coronazeit kommen?
Und noch eine andere Frage: Was haben wehrfähige Insekten — Wespen, Bienen, Ameisen et cetera — dem Menschen voraus?
Mal von ihren bewundernswerten, fast schon übernatürlich anmutenden physikalischen Fähigkeiten abgesehen, tun sie vor allem bei einem störenden Eingriff von Außen eines nicht: Sie attackieren und töten sich nicht gegenseitig, sondern gehen vereint gegen den Störenfried vor. Wer schon einmal versucht hat, ohne professionelle Hilfe ein größeres Wespennest zu entfernen, mag wissen, wovon ich hier spreche.
Der Mensch ist Mensch, weil er als einziges Lebewesen der Erde imstande ist, Vergleiche anstellen zu können.
Er besitzt die kognitive Fähigkeit, einen Unterschied zwischen vorher und nachher zu machen und daraus in Bruchteilen einer Sekunde einen Schluss zu ziehen. Dies veranlasst ihn nicht nur dazu, sich selbst als die „Krone der Schöpfung“ zu bezeichnen, sondern ist darüber hinaus auch seine größte Schwäche. Denn der spontane Akt der Schlussfolgerung befähigt ihn darüber hinaus auch zu den geistigen Prozessen der Annahme, der Spekulation und der Befürchtung. Hierin liegen denn auch die beiden Hauptemotionen verborgen, mit denen der Mensch am besten zu steuern ist: Gier und Furcht.
Eine Wespe besitzt die genannten Fähigkeiten nicht und käme daher nie auf die Idee anzunehmen, dass ihre Nachbarwespe ihr etwas Böses wolle und diese die Schuld an der akuten Störung von außen tragen könnte — selbst dann nicht, wenn man ihr einen Fernseher vor die Nase stellt, der ihr genau das zu vermitteln versucht.
Dass der Mensch da nun eben anders ist, haben in den letzten 2.000 Jahren ein paar findige Individuen immer wieder verstanden und auszunutzen gewusst — der Rest ist Geschichte.
Der junge niederländische Autor Rutger Bregman behandelt in seinem 2020 zum ersten Mal erschienenen Buch „Im Grunde gut“ zum einen die Tatsache, dass der Mensch, genauso wie eine Wespe, wenn man ihn in Ruhe lässt, im Grunde gutmütig ist und eifrig und mit viel Schöpferkraft einfach nur seiner Sache nachgeht.
Zum anderen aber birgt dieses aufwendig recherchierte Buch — 50 von insgesamt 450 Seiten sind reine Quellenangaben — sehr viele Hinweise darauf, wie es sein kann, dass Menschen unter äußerlicher Beeinflussung lieber sich gegenseitig denunzieren und/oder ermorden, anstatt die Ursachen der Beeinflussung zu erkennen und vereint gegen diese vorzugehen.
Wenn man Leute auf der Straße darauf anspricht, lassen sich all die möglichen Antworten auf die eingangs gestellten drei Fragen im Grunde auf einen Nenner bringen: die bereits erwähnten, antagonistisch agierenden Hauptemotionen des Menschen von Gier und Furcht.
So weit, so gut. So ist der Mensch nun einmal, und daran kann man leider nichts ändern. Und seien wir mal ehrlich: Genau dieses Statement lässt uns dann wieder mit wohligem Schaudern in den Sessel zurückfallen, um weiterhin die gewohnte Beeinflussung der Medienpropaganda genießen zu können.
Mehr noch, wir benötigen diese Erkenntnis ja dringend, um uns in unserer Welt zurechtzufinden.
Kurz gesagt: „Ist der Feind erst bekannt, hat der Tag Struktur!“ (Volker Pispers).
Aber gibt es denn da nicht noch einen sehr viel wichtigeren Ansatz, der uns einen zutreffenderen Einblick in die Hintergründe unseres Handelns geben kann und dessen wir uns schlichtweg nicht mehr bewusst sind, weil er schon so unglaublich tief in uns verwurzelt ist?
Wie genau heißt denn jene Klaviatur, auf der man uns seit Menschgedenken immer und immer wieder spielen kann?
Rutger Bregman legt in seinem exzellenten Werk den Finger in eine uns nicht mehr bewusste Wunde. Ein von Generation zu Generation kontinuierlich in uns eingepflanztes Paradigma, an das wir sehr tief glauben: „Der Mensch ist schlecht!"
Aber ist er das wirklich? Wenn Sie den Fernseher anschalten und vor allem die Konzern- und Staatsmedien konsumieren, dann ja, auf jeden Fall! Wenn Sie alle möglichen weltbekannten Studien, Geschichtsbücher, Literatur und Paradebeispiele zu diesem Thema heranziehen — Milgrim Experiment, Standford University Prison Study, den oft zitierten Bestseller-Roman „Herr der Fliegen“ und in den Medien gehypte Vorfälle von Massenfeigheit und angeblichem Egoismus der Menschen in Extremsituationen—, dann ebenfalls!
Der Autor weiterer, sozialkritischer Bestseller Bregman hat sechs Jahre an diesem Buch geschrieben und wie erwähnt eine ellenlange Liste an Quellenangaben hinterlassen. Er hat sich hier die schier unfassbare Mühe gemacht, all die eben angeführten Beispiele, Studien und Literaturbeiträge und deren wahre Hintergründe und Begebenheiten einmal genau unter die Lupe zu nehmen und kommt zu einem äußerst erstaunlichen wie schockierenden Ergebnis.
Mir hat dieses in 40 Sprachen übersetzte und im Übrigen sehr humorvoll geschriebene Buch ganze Scheunentore geöffnet. Ohne ein zu naiv gestaltetes Bild vom Menschen zu kreieren, hat es in mir bewirkt, alles um mich herum in einem ganz anderen Licht zu sehen.
Allem voran aber hat dieses Buch mir dabei geholfen, jene zynische Einstellung zu unserer Spezies komplett abzustreifen und Menschen wieder zu mögen. Meiner Meinung nach sollte es als absolute Pflichtlektüre an Schulen und Universitäten gehalten werden, denn der hier behandelte Paradigmenwechsel ist mehr als überfällig!
Alle Anstrengungen der New-Age-Bewegung und das besonders in esoterischen Kreisen so oft verbreitete Mantra der Selbstermächtigung und des An-sich-selbst-Glaubens scheitern in den meisten Fällen nämlich an dieser einen Erkenntnis:
Wie kann ich denn überhaupt an mich selbst und meinen individuellen Erfolg glauben, wenn ich tief in mir das Gefühl habe, dass meine Spezies von Grund auf schlecht ist?
Dort gilt es zuerst anzusetzen, wenn wir tatsächlich etwas in der Welt zum Positiven verändern wollen.
Abschließend noch kurz etwas zur Person Rutger Bregmans. Die Tatsache, dass auf dem englischen Cover des Buches ausgerechnet der meiner Meinung nach psychopathisch veranlagte und nachweisbar menschenverachtende Verfechter des Transhumanismus Yuval Noah Harari als Empfehlungsgeber abgebildet ist, stieß mir bei erstem Betrachten des Buches recht unangenehm auf. Darüber hinaus kann man bei Bregman auch in diversen Interviews und Podcasts zu diesem und anderen seiner Bücher eine doch ziemlich links-woke Einstellung zu Themen wie dem menschengemachten Klimawandel und Corona feststellen.
Ich erwähne das hier, um zu verhindern, dass dieses grundlegend wichtige Werk gleich weggelegt, sondern vielmehr gründlich gelesen wird. Denn nicht nur in der medialen „Oberwelt“, sondern auch in den Alternativmedien verstärkt sich ein gewisser Trend, aufgrund angeblicher „Kontaktschuld" eines Autors mit verabscheuten Themen sich gar nicht erst mit ihm und seinen Werken zu befassen.
Überwinden wir die Spaltung, indem wir wieder an uns glauben!
Hier können Sie das Buch bestellen: „im Grunde gut: Eine neue Geschichte der Menschheit“