Das totalitäre Zeitalter

Im Rubikon-Exklusivinterview erläutert der Publizist, Anthropologe und Bildungsphilosoph Dr. Matthias Burchardt, dass die gegenwärtigen Entwicklungen alle Merkmale autoritärer Formierung aufweisen.

„Ist es in einer Demokratie erlaubt, verschiedene Auffassungen in Sachfragen zu haben?“ Die Frage ist fast so absurd wie die Notwendigkeit, sie 2020 in Anbetracht der fortlaufenden Entdemokratisierung in den meisten Ländern der Welt stellen zu müssen. Die Grundsätze von Aufklärung und humanitärer Bildung scheinen entweder in Vergessenheit geraten oder massiv entwertet worden zu sein, was zur Folge hat, dass das Bemühen um einen sachlichen, unaufgeregten Diskurs oft ins Leere läuft. Zu präsent sind emotionale Konditionierung und ein omnipräsentes Klima der Angst. Publizist und Rubikon-Autor Matthias Burchardt, der bereits 2018 ein Buch mit dem Titel: „Time for Change? Schule zwischen demokratischem Bildungsauftrag und manipulativer Steuerung“ herausbrachte, versucht Klarheit in das Wirrwarr aus in den Raum gestellten Thesen, paradoxen Argumentationssträngen und Double Binds zu bringen.

Differenziert und logisch begründet er anhand der folgenden sieben Merkmale von Diktaturen Stück für Stück, welche davon wie auf die heutige zutreffen und warum sich Deutschland zwar noch nicht im Totalitarismus befinde, in diese Richtung aber bereits einen großen Schritt gemacht habe:

  • Eine Person, Gruppe oder Organisation hat das Machtmonopol. Eine Gewaltenteilung ist nicht gewährleistet.
  • Die Grundrechte werden abgeschafft.
  • Der gesellschaftlich-politische Pluralismus wird außer Kraft gesetzt (Ausschaltung einer Opposition).
  • Eine Einheitspartei mit Massenorganisationen wird geschaffen.
  • Eine Ideologie wird zur herrschenden und beansprucht alle Bereiche des menschlichen Lebens.
  • Die Freiheit der Presse wird abgeschafft, Medien werden gleichgeschaltet und durch Zensur ein Informationsmonopol gesichert.
  • Die Macht wird durch außergesetzliche Gewalt staatlicher und parastaatlicher Repressionsapparate abgesichert.

Quelle dieser Merkmale ist die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung.

Besondere Aufmerksamkeit schenkt Burchardt den Punkten Ideologie und Zensur, die, so meint er, nicht immer von oben verordnet sein müssten. Es reicht, wenn das herrschende System eine Selbstzensur begünstigt. So meint er etwa:

„Wenn ich in den Medien immer wieder dasselbe höre und als Mensch ein Zugehörigkeitsbedürfnis zu Gruppen habe, werde ich denken: Was da häufig gesagt wird, das wollen die anderen auch hören auf der Straße, sodass ich mich selbst zensiere, um meine Zugehörigkeit nicht zu verlieren.“

und

„Ich stelle fest, dass, wenn ich kritisch über die Coronamaßnahmen spreche, Menschen in meiner Nähe oft anfangen zu flüstern.“

Was bei diesem angstbedingten Verhalten auf der Strecke bleibt ist die logische und dialektische Analyse von Ursache und Wirkung:

„Wenn ich keinen Zusammenhang zwischen Maßnahmen und Ziel mehr festlege, kann niemand mehr nachprüfen, ob die Maßnahmen zum Ziel geführt haben, ob es andere Maßnahmen gegeben hätte mit geringerem Schaden, die zum selben Ziel geführt hätten, oder ob die Maßnahmen möglicherweise sogar sinnlos waren oder die Ziele falsch.“

Unter anderem erklärt Burchardt im Gespräch mit Flavio von Witzleben:

  • was es mit dem Menschenbild des Homo Hygienicus auf sich hat,
  • warum Vergleiche der aktuellen Situation mit dem Nationalsozialismus zwar nicht korrekt sind, jedoch trotzdem eine gewisse Berechtigung haben und Funktion haben können und
  • warum wir nicht darüber diskutieren müssen, welche Maske schädlicher oder wirksamer ist als die andere, sondern darüber, was mit unserem Gemeinwesen, unserer Demokratie und uns als Menschen passiert.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.politische-bildung-brandenburg.de/demokratie/was-ist-eine-diktatur